Nein, er hatte es gehört. Und schlimmer noch, er ging darauf ein. Axilla schaute nicht auf, während Ánthimos sprach, sondern ließ den Blick auf den Boden vor ihr gerichtet. Er glaubte, ihr ginge es noch nicht schlecht genug, und daher fehlte ihr der Mut? Wenn er wüsste, was alles passiert war, was sie alles durchgestanden hatte, würde er dann immer noch denken, sie hätte noch nicht genug gelitten? Axilla konnte sich nicht vorstellen, was noch schlimmer sein könnte. Sie hatte niemanden in ihrem ganzen Leben, der ihr Halt gab, und alle, die ihr diesen hätten geben können, wandten sich aus dem einen oder anderen Grund von ihr ab oder distanzierten sich. Auch in die Götter hatte Axilla kein Vertrauen mehr, seitdem ihre Mutter gestorben war. Konnte ein Mensch überhaupt noch einsamer sein als das?
Seine anderen Worte klangen ja ganz aufmunternd. Sie konnte sich nur nicht vorstellen, dass das klappen würde. Alles, was sie wollte, war Geborgenheit. Was sollte sie denn tun, um diese zu bekommen? Alles, was sie getan hatte, war falsch gewesen. Und noch weiter in diese Richtung zu drängen wäre noch viel falscher. Was sollte sie da denn dann tun, um die Leere aus ihrem Inneren zu vertreiben?
Axilla litt schon so lange leise und still vor sich hin, dass sie es anders fast gar nicht mehr kannte. 2 Jahre waren für ein sechzehnjähriges Mädchen eine sehr lange Zeit. Anfangs war es auch gar nicht so schlimm gewesen, aber je länger die Zeit wurde, umso schlimmer wurde die Leere, und sie glaubte nicht, dass sie da jemals wieder herauskommen würde.
Gerne hätte sie es Ánthimos erzählt, sie würde sich gerne jemandem einmal so richtig anvertrauen. Sich alles von der Seele reden. Aber es ging nicht. Auch Ánthimos konnte ihr diesen Halt nicht geben, den sie brauchte, um überhaupt auch nur darüber zu reden. Wenn sie die Gefühle gänzlich zuließ, würde sie daran zerbrechen, davon war Axilla überzeugt. Allein konnte sie das nicht, und es gab niemanden, der sie dann zusammen hielt.
Eine einzelne Träne ließ sich nicht unterdrücken, und Axilla wandte sich kurz ab, damit Ánthimos es nicht sah. Sie wollte nicht weinen. Wenn sie weinte, hatte sie sich nicht unter Kontrolle, dann sagte sie Dinge, die ihr später weh taten. Und eine Römerin weinte nicht vor anderen. Zornig wischte sie unauffällig die Träne weg und atmete tief durch. Nein, sie wollte und konnte nicht darüber reden.
Sie tat das, was sie immer tat. Sie wechselte einfach das Thema.
„Wie lange dauert deine Ephebia denn noch? Damit du und Penelope heiraten könnt, meine ich.“
Allerdings drehte sich Axilla noch nicht gleich zu Ánthimos um. Ihre Stimme hatte sie zwar unter Kontrolle, so dass diese fröhlich klang, aber dem Blick ihrer Augen traute sie jetzt nicht.