Beiträge von Iunia Axilla

    Axilla schaffte es nur solange, ihre Haltung zu bewahren, bis die Tür zufiel. Es gab so ein dumpfes Geräusch, als sie zu war, und es war fast wie das Signal für ihren Körper, aufzugeben. Sie taumelte, stürzte, rappelte sich hoch und lief zu der Tür. Sie wollte doch gar nicht, dass er geht! Sie wollte ihm doch sagen, dass sie ihn liebte! Sie wollte das doch alles gar nicht! Es war doch egal, ob es richtig war oder falsch oder was die Zukunft dann für sie bedeuten würde. Sie wollte doch nur Liebe und Geborgenheit.
    Schließlich kam Axilla an der Tür an und stürzte halb dagegen. Sie sollte rufen, bestimmt war er noch nicht weit weg. Sie sollte rufen, damit er wieder zurückkommen würde. Bestimmt würde er kommen, und sie in die Arme nehmen, und dann wäre wieder alles gut. Wie vorhin, als sie die Augen geschlossen hatte, für diesen kurzen Moment. Das konnte doch wieder so sein?
    Kraftlos glitt Axilla ganz langsam an der Tür hinunter, während ihre Beine nachgaben und ihr Körper zitterte und von lautlosen Schluchzern durchdrungen bebte. Ihre Lippen zitterten, ihr Mund war geöffnet, aber kein Laut kam heraus, kein Schrei, kein Flehen, kein Rufen. Sie sank nur immer tiefer, bis sie schließlich an ihre Tür gelehnt dasaß, die Hand an das Holz gelegt, wie eine Katze, die sacht um einlass am Türrahmen kratzte. Ihr Herz zersprang ihr fast in der Brust, und ein leises Wimmern und Schluchzen kam nun doch über ihre Lippen, wohl kaum hörbar.
    Warum nur hatte sie das gemacht? Warum nur hatte sie ihm nicht die Wahrheit einfach gesagt? Warum nur musste sie ausgerechnet jetzt damit anfangen, das richtige zu tun? Warum, warum, warum war sie so unglaublich dämlich?


    Axilla saß einfach nur da und weinte still gegen die Türe gelehnt. Sie hatte keine Antwort, die sie zufrieden stellen konnte. Die einzige Antwort war, dass es für ihre Familie und ihrer beider Zukunft das beste war, und dass es einfach das richtige gewesen war, es zu tun. Aber das wollte ihr Herz nicht dazu bringen, weniger weh zu tun, und vermochte genauso wenig, diese Leere in ihr zu füllen.
    Irgendwann fand sie dann Leander, der sie vorsichtig hochhob und zu ihrem Bett rübertrug. Er wollte bereits einen Arzt kommen lassen, aber Axilla hielt den Sklaven einfach am Arm fest und schüttelte den Kopf.
    Bitte, Leander, bitte. Verrat es keinem. Bitte.
    Sie konnte sehen, wie der Grieche mit sich rang, aber schließlich hatte sie ihm das Versprechen abgenommen. Erschöpft schloss Axilla einfach die Augen. Sie wollte nur noch schlafen und vergessen.

    Warum nur musste es so verdammt weh tun? Er sagte all das, was sie vor vier Wochen so gerne gehört hätte, wofür sie getötet hätte, es zu hören. Und jetzt endlich sagte er es, und doch war es so schrecklich falsch. Es zerriss ihr beinahe das Herz, und so gerne hätte sie jetzt einfach das Thema gewechselt, so getan, als wäre nichts, hätte ihm die fröhliche, unbekümmerte kleine Axilla vorgespielt, die kein Wässerchen trüben kann. Sie wollte ja auch gar nicht, dass es endete. Aber es durfte nicht sein, es war falsch, und sie wusste das.
    Aber deine Karriere sollte dir wichtiger sein, Lucius. Heute sagst du, es ist dir egal. Aber was ist in fünf Jahren? In zehn Jahren? Was wäre, wenn wir Kinder hätten, was wäre mit denen? Mit ihren Karrieren?
    Die Gens Iunia war in einer überschaubaren Größe und von keinem nennenswert großem Einfluss. Silanus war der einzige, der einen hohen Posten bekleidete, das war für die ganze Gens von Vorteil. Das durfte sie den anderen nicht kaputt machen, und er konnte das doch nicht so einfach wegwerfen. So sehr sich Axilla auch wünschte, dass er es tat, so sehr sie sich auch wünschte, sie könnte so egoistisch sein. Das durften sie beide nicht.
    Und seine letzten Worte schmerzten so sehr, dass Axilla glaubte, sie könnte es nicht mehr ertragen. Sie wollte am liebsten in sich zusammenbrechen und aufgeben. Sie wollte nicht mehr stark sein, nicht mehr hart sein, nicht mehr gerecht sein. Sie war doch erst sechzehn! Ihr Vater war gestorben, da war sie gerademal dreizehn Jahre alt gewesen, ein Kind! Und seitdem musste sie immer stark sein, immer fröhlich, immer wissen, was zu tun war. Sie musste sich schon immer um andere kümmern, erst um ihre Mutter, und jetzt um Silanus. Sie wollte nicht mehr stark sein, sie wollte nicht mehr das richtige versuchen und doch wieder und wieder scheitern. Sie wollte auf ihren Baum, klettern wie ein Eichhörnchen, einfach die Welt zurücklassen und ihren Geist frei sein lassen. Sie wollte nicht mehr wissen müssen, was richtig und was zu tun war. Sie wollte nicht mehr!


    Und doch richtete sich ihr Körper gerade auf, und sie erwiderte seinen Blick. Unendlich traurig flossen Tränen von ihren Wangen und fielen in dicken Tropfen von ihrem Kinn herab. Erwachsen, ja fast erhaben, sprach sie, mit nur leichtem Zittern in der stimme.
    Ich liebe dich auch… wie Verwandte es tun.
    Es war das richtige. Auch wenn es schmerzte.

    Silanus sagte etwas, und der schöne Moment endete. Axilla öffnete die Augen und sah traurig in seine. Er war nicht ihr Vater. Ihr Vater war tot und würde nie, nie, nie, nie, nie, nie, nie, nie wieder kommen. Egal, wie sehr sie es sich auch wünschte. Egal, wie oft sie auch die Augen schloss und sich vorstellte, dass er es wäre, der sie hier im Arm hielt. Er war es nicht, es war Silanus. Und dem schuldete sie eine Antwort. Eine wirkliche, echte Antwort, keine aus ihrer Traumwelt. Eine richtige.
    Ich kann nicht.
    Axilla machte sich aus seiner Umarmung frei und stand auf. Sie ging zwei Schritte, um ein wenig räumliche Distanz zwischen sie beide zu bringen. Wo er sie eben noch berührt hatte, fühlte sich ihre Haut jetzt kalt an und sehnte sich zurück in seine Umarmung. Und ihr Innerstes fühlte sich so leer an. Sie erwischte sich bei der Frage, wieso sie nicht einfach mit ihm gehen konnte. Wenn sie ihn verführte, würde er sie sicher auch heiraten. Er mochte sie. War ihr das denn nicht genug?
    Geknickt und traurig schaute Axilla zu Boden, als sie versuchte, jetzt das richtige zu tun. Sie hatte so oft nun das falsche gemacht und nur darauf geachtet, was sie gerne tun wollte. Jetzt war es verdammt schwer, aber sie musste auch auf sein Wohl achten und das tun, was vernünftig und gut war. Sie hatte es sich doch so fest vorgenommen!
    Ich darf nicht, Lucius. Wenn ich mit dir mitgehen würde, wissen wir beide, wo das enden würde. Und was wäre dann mit deiner Karriere? Mit deinen Plänen? Mit denen jedes anderen unserer Gens? Es wäre selbstsüchtig von mir, Lucius. Und ich bin nicht stark genug, mit dir mitzugehen, ohne dass es so enden würde. Das kann ich nicht.
    Warum nur mussten die richtigen Entscheidungen immer so verdammt weh tun? Warum fühlte sich das falsche immer so verdammt richtig an, während sich das richtige immer so anfühlte, als reiße jemand einem das schlagende Herz aus der Brust und verfüttere es an ein Wesen mit tausend scharfen Zähnen?
    Du wirst nach Rom gehen, und ich werde hier bleiben. Das ist das beste für alle. Das ist richtig, Lucius.

    Sie hörte die Stiefel, es war ein so vertrautes Geräusch. Als Silanus sie umarmte, spürte sie in ihrem Rücken seine Rüstung, den gehärteten Panzer, die aufgesetzten Schulterstücke, die Gemme, wo der Umhang festgemacht wurde. Sie ließ sich von ihm umarmen, fühlte seine Nähe, hörte seine Worte. Aber in ihrem Herzen war es in diesem Moment nicht ihr Cousin, der diese Worte sprach. Es war nicht der Umhang ihres Vetters, der sie so sanft einhüllte, und auch nicht seine Rüstung in ihrem Rücken. Sie ließ sich auch nicht in seine Arme mit geschlossenen Augen zurücksinken.
    Nein, in ihrem Herzen war das Atticus Iunius Cassiodor, ihr Vater. Und er sprach die Worte, die sie so gerne hören wollte. Dass er nicht wollte, dass sie traurig war. Dass es ihm leid täte, alles, was sie durchgemacht hatte. Der sie deshalb sogar um Verzeihung bat. Es hatte eine Zeit gegeben, zwischen dem Vermissen und dem Schmerz, in der sie ihren Vater dafür gehasst hatte, dass er gegangen war. Dass er gestorben war und sie mit Mutter ganz alleine gelassen hatte. Aber das schien ihr schon wie aus einem anderen Leben. Auch wenn es höchstens drei Jahre gewesen sein konnten.
    Ich hab dir schon lange verziehen.
    Axilla schmiegte sich noch weiter nach hinten in seine Umarmung, noch immer mit geschlossenen Augen. Wenn sie die Augen öffnete, wäre er wieder weg, und Axilla wollte ihn so unbedingt bei sich behalten. Sie hatte ihn doch so unendlich vermisst. Sie wollte ihm doch so vieles noch sagen, ihm alles erzählen, was in ihrem Herzen wohnte. Aber sie brachte kein Wort heraus, sie konnte nur glücklich weinen und sich in seine Umarmung und den Umhang kuscheln. Denn zum ersten Mal seit seinem Tod war es in diesem Moment einfach alles gut. Er war hier bei ihr und alles war gut.

    Das hatte er jetzt nicht gesagt, oder doch? Axilla schaute einen Moment lang zu ihm herüber, dann fing sie an, zu weinen. Das war so unfair! Iuno musste sie wirklich, wirklich hassen, viel mehr noch, als sie geglaubt hatte. Sie hatte in den letzten Wochen alles getan, um über Silanus hinweg zu kommen, um ihn zu vergessen, und jetzt saß er hier und alles begann wieder von vorne. Als wäre er nie weg gewesen und hätte ihr nie klar gesagt, dass das, was sie sich wünschte nicht sein konnte. Das war so unfair!
    Neuanfang? Lucius, ich… ich kann noch nichtmal jetzt hier mit dir sitzen und reden, ohne mir vorzustellen, zu dir rüberzugehen und dich aufs Bett zu drücken. Ich hab wirklich versucht, es zu vergessen, aber… das kann ich nicht. Und wenn ich mit dir nach Rom gehe, allein, in einem neuen Haus, wieder ohne Freunde… ich kann das nicht. Ich bin nicht so stark.
    Jetzt vergrub sie ihr Gesicht in dem Loch zwischen Körper und Knien und fing an, zu schluchzen. Warum nur musste er sowas sagen? Sie hatte es doch schon so gut geschafft, von ihm loszukommen, warum nur musste er ihr immer wieder Hoffnung machen, wo es keine gab? Warum konnte er sie nicht einfach loslassen?
    Ich will doch nur, dass Vater stolz auf mich ist. Ich will es doch alles richtig nun machen.“ Ob er die letzten Sätze verstand oder sie im Schluchzen hinter ihren Knien untergingen, wusste Axilla nicht. Es war auch nicht so wichtig, die Worte sprudelten einfach von selbst aus ihr heraus.

    Museion. Doros", wiederholte Axilla nur schnell und machte sich dann auch schon auf. Wenn sie eines konnte, dann war es rennen. Und außerdem brachte es sie in die glückliche Lage, nicht erklären zu müssen, was passiert war. Wobei sie das so genau ja auch gar nicht wusste, und den Griechen ihre Tunika von letzter Woche wohl eher peripher interessierte.
    Das Museion war ja auch nicht weit, und so war Axilla dort auch schnell angekommen und hineingestürzt. Den ersten Sklaven hatte sie angehalten und atemlos nach Doros gefragt, bis dieser – sichtlich eingeschüchtert von ihrer doch recht forschen Art – sie in die richtige Richtung weitergeschickt hatte. Doros war auch schnell gefunden und am Arm gepackt. Natürlich gefiel das dem Heilkundigen eher weniger. Nachdem Axilla aber insistiert hatte und ihm mit ihrem schlechten Griechisch klar gemacht hatte, dass es ein dringender Notfall war und er im Gymnasion wirklich, wirklich, wirklich gebraucht wurde und es wirklich kein Scherz sondern tödlicher Ernst sei und darüber hinaus auch sehr eilig war, kam er mit. Natürlich in würdevoller, arztüblicher Geschwindigkeit und nicht so flott, wie Axilla das gerne hätte. Am liebsten hätte sie ihn an seinem Chiton quer durch die Straße und über den Platz gezogen, aber sie beherrschte sich.
    Als sie zurückkam, saß Anthi schon wieder und hielt sich den Kopf. Wenn das passiert war, was sie glaubte, das passiert war, würde ihr ihr Kopf auch wehtun. Aber sie war schon mal froh, dass der Grieche nicht tot war. Denn wie er so dagelegen hatte, hatte das ihrer Meinung nach schon fast so ausgesehen. Aber da war Axilla halt doch nur ein Mädchen und kein Kerl.

    Axilla hörte ein Geräusch hinter sich, das wie das Fallen eines großen Mehlsackes klang. Neugierig, wie sie ja nun doch war, sah sie verstohlen kurz über die Schulter. Oweia, da lag Ánthimos auf dem Boden, und der andere große Kerl stand halb über ihn gebeugt und schaute wohl, ob er noch lebte. Hatte sie das angerichtet?
    Aus einem seltsamen Schuldbewusstsein heraus kam Axilla vorsichtig näher. Dabei achtete sie peinlichst genau darauf, auf nichts zu achten, und wandte sich mit ihrem von ionischen Akzent durchdrungenen Koine an den anderen Mann. Soviel hatte Axilla ja schon gelernt, dass sie hier in Alexandria mit Latein oft nicht sehr weit kam.
    Atmet er noch?

    Also, da, wo Axilla die Tunika gelassen hatte, war sie schon mal nicht. Und auch bei den anderen Bänken schien sie nicht zu sein. Axilla bückte sich sogar bei jeder Bank, um zu schauen, ob sie vielleicht darunter irgendwo lag. Natürlich merkte sie den ein oder anderen Blick, der dabei häufig ihrem Hinterteil galt, aber sie ignorierte die Männer rundherum. Zum einen war sie nicht so leicht einzuschüchtern und zum anderen hatte sie jetzt da keinen Nerv dafür, sich darüber aufzuregen. Sollten die doch gucken, bis ihnen die Augen rausfielen, mehr als das würde sowieso keiner von denen je zu Gesicht bekommen. War ja nicht so, als ob sie hier wie so manch anderes Mädchen nackt herumlief, nein, nein, sie war heute ziemlich bekleidet – im Vergleich zum letzten Mal. Für eine ordentliche Römerin war ihre lässige Tunika wahrscheinlich immer noch viel zu unbekleidend. Aber eine Stola war unbequem, und eine Palla viel zu warm für das Wetter hier. Da ging Axilla lieber das Risiko ein, für eine Sklavin gehalten zu werden, weil sie nur in ihrer wadenlangen Tunika herumlief und mit offenen Haaren.
    Schließlich kam sie auch in den Bereich, wo die Männer eher Ringen und Boxen trainierten. Ein kleiner Teil von Axilla würde am liebsten mitmachen. Mal einfach auf etwas einschlagen klang in manchen Situationen sehr verlockend. Auch wenn Axilla wusste, dass es hierbei mehr um Technik und weniger ums prügeln ging. Aber Axilla mochte körperliche Anstrengung, und Schmerzen schreckten sie eigentlich nicht. Darüber hinaus entspräche es ihrem Naturell, mal ein wenig zu kämpfen, denn immer brav und nett zu sein schlauchte sie langsam ganz schön. Auch wenn sie jetzt auch wieder nicht so wild war, als dass sie sich nicht zu beherrschen wüsste.
    Sie begann also mit ihrer Suche dort – auch wenn ihre Tunika da wohl sehr unwahrscheinlich rumliegen würde, aber man konnte ja nie wissen – als sie jemanden Bekanntes entdeckte. Mit seiner Größe und Masse war Ánthimos ja auch kaum zu übersehen. Und er war schon wieder nackt. Axilla hatte grade die Hand halb zum Gruß erhoben, als sie es bemerkte und sich schnell abwandte. Irgendwie war ihr das peinlich bei Leuten, die sie kannte. Auch wenn das für Griechen im Gymnasion wohl normal zu sein schien. Aber so hellenisiert war sie jetzt doch wieder nicht.

    Eigentlich hatte Axilla ja keine Hoffnung, ihre Tunika hier heute wiederzufinden. Das war nun eine Woche her, seitdem sie sie hier vergessen hatte, und selbst wenn jemand so nett gewesen sein sollte – mit etlichen Möglichkeitsformen und Fragezeichen – hätte derjenige nach einer Woche die Tunika doch sicher entweder verkauft oder für den Eigenbedarf nun benutzt. Immerhin war es ein guter Stoff, und es wäre eine Verschwendung, den nur rumliegen zu lassen. Aber so leicht gab Axilla nicht auf, und so war sie ins Gymnasion gegangen – diesmal normal und nicht vor sich selbst davonrennend – und begann damit, erstmal etwas unauffällig alles abzusuchen. Vielleicht lag sie ja sogar noch unbemerkt irgendwo rum?

    Axilla hatte gehofft, dass sie beide dieses Thema einfach totschweigen hätten können. Irgendwann, so in zehn Jahren oder so, wäre es kein Thema mehr zwischen ihnen beiden gewesen. So lange einfach nicht darüber zu reden konnte ja nicht so schwer sein, oder?
    Ein wenig unwohl begann Axilla auf ihrem Sessel ihre Position zu verändern, so dass sie ihre Knie besser umfassen konnte und so ein wenig mehr Sicherheitsabstand hatte, wenn auch nur gefühlsmäßig. Dass Silanus ausgerechnet auf ihrem Bett sitzen musste, machte das ganze nicht leichter, und dass er dabei auch noch seine Rüstung trug, war zusätzlich kompliziert. Axilla konnte da einfach nicht so hart und kalt sein, wie sie gerne wollte.
    Nun… ähm… ich glaube…*räusper*… das wäre vielleicht keine so gute Idee. Ich meine, ganz allein… wir beide… ich meine, was meinst du, wird passieren, in Rom?
    Axilla schaute nun doch wieder zu ihm herüber, fragend. Was erwartete er denn von ihr, was wollte er jetzt überhaupt von ihr? Sie hatte sein „nein“ in seinem Officium damals sehr wohl verstanden, also was genau wollte er nun, dass sie tat? Wie stellte er sich das vor, wenn sie beide in Rom wären? Wieder in einem neuen Haus, wieder völlig ohne Freunde, und diesmal wirklich mit ihm ganz allein. Das konnte doch gar nicht gut gehen.

    Oh…“ und kurze Zeit darauf mit ein wenig mehr Erkenntnis „Oh!
    Jetzt drehte sich Axilla doch ein wenig mehr zu Silanus. Sie brauchte einen Moment, um ihre doch recht wirren Gedanken zu ordnen und das, was sie sagen wollte, auch in Worte zu kleiden, die sie aussprechen durfte und die für alle, die außerhalb ihres Kopfes lebten, einen Sinn ergeben würden. Und das war in diesem Fall alles andere als einfach.
    Und was wird dann mit diesem Haus hier? Und Urgulania, sie wird doch sicher hierbleiben wollen, sie ist doch gewählt und hat hier auch ein Geschäft?
    Axilla erinnerte sich an ihre erste Begegnung mit Ánthimos Bantotakis, als dieser ein Schreiben zur bestandenen Betriebsprüfung vorbeigebracht hatte. Da fiel ihr auch wieder ein, dass sie Urgulania eigentlich mal fragen wollte, was dieses „Heptai Hetairai“ denn war, denn es klang schon sehr interessant. Doch irgendwie hatte sie es vergessen, als sie Timos kennen gelernt hatte.
    Auf der einen Seite wollte Axilla gerne nach Rom, in die Ewige Stadt und alles erkunden und ansehen. Aber auf der anderen Seite wollte sie nicht allein mit Silanus dorthin. Erst recht nicht allein. Sie sagte sich immer, dass sie seine Ablehnung inzwischen verwunden hatte, aber sie kannte sich mittlerweile besser. Wenn sie beide wirklich ganz allein in einem Haus sein sollten, ohne dass irgendjemand irgendetwas sagen könnte… nein, das wäre nicht gut, das wäre ganz und gar nicht gut. Axilla war dafür sicher nicht charakterfest genug, und sie hatte sich doch so sehr vorgenommen, das ab jetzt zu sein. Es wäre besser, sie würde in Urgulanias Nähe bleiben, denn bei ihrem Vorbild fühlte sich Axilla da ein wenig sicherer. Unter Urgulanias strengen Augen würde sie sich sicher besser zu benehmen wissen.

    Oh, ich wollte nicht andeuten, dass die beiden… also… sie unterhalten sich nur gerne miteinander. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Urgulania irgendwas tun könnte, was nicht ehrenvoll ist.
    Ihre Cousine war die integerste und intelligenteste und überhaupt vorbildhafteste Person, die sie kannte. Axilla hatte gewaltigen Respekt vor ihrer Cousine, da diese in ihrem Leben alles so ziemlich alleine geschafft hatte. Sogar ein öffentliches Amt bekleidete sie, und das ohne nennenswerte Unterstützung von ihren männlichen Verwandten oder gar einem Ehemann. Sie war ja noch nicht einmal verheiratet, und hatte dennoch alles geschafft. Im Großen und Ganzen war Urgulania für Axilla der Inbegriff einer erfolgreichen Frau.


    Aber der Themenwechsel kam Axilla nicht so ganz gelegen. Ja, was hatte sie die letzten Wochen gemacht, außer einer wahnwitzigen Liebschaft mit einem Peregrinus, wie Silanus es so schön grade als unehrenhaft beschrieben hatte? Und einem Selbstmordversuch und einem etwas verstörenden Gespräch im Gymnasion? Oh, da fiel ihr ein, sie hatte die gute Tunika verloren. Vielleicht sollte sie doch noch mal schauen, ob die im Gymnasion nicht irgendwo abgegeben worden war. Das war zwar unwahrscheinlich, aber man konnte ja nie wissen.
    Ich? Öhm, nicht viel. Ich hab mir die Stadt angesehen, war ein wenig auf den Märkten unterwegs, hab mein Griechisch verbessert. Wobei mein Akzent wohl immer noch grauslig sein muss. Hier spricht man ja doch eher mehr attisch und weniger ionisch…
    Zumindest glaubte Axilla, dass es attisch sein könnte. Mit den griechischen Dialekten kannte sie sich nicht wirklich aus, und das allgemein verbreitete Koine war ohnehin ihrer Erkenntnis nach ein wilder Mix der verschiedenen Dialekte. Aber bisher hatte sie sich immer verständlich ausdrücken können, ein paar Schmunzler von Händlern außen vorgelassen.
    Nichts aufregendes also.

    Glückwunsch.
    Allerdings klang Axillas Stimme nicht außerordentlich erfreut und ihr kleines Lächeln konnte ihre Augen nicht erreichen. Ihr wäre lieber gewesen, Silanus wäre gleich wieder gegangen, aber er machte es sich erst einmal auf ihrer Bettkante bequem. Es sah nicht danach aus, als wolle er gleich wieder gehen und würde sie einfach in Ruhe lassen. Und dabei hatte Axilla es sonst sehr erfolgreich die letzten Tage geschafft, in Ruhe gelassen zu werden.
    Sie nahm ihre Füße hoch mit auf den Sessel und umarmte leicht ihre Knie, während sie wieder aus dem Fenster schaute. Sie wollte nicht darüber nachdenken, warum Silanus nun hier war, und warum er ausgerechnet in seiner Rüstung hier herein gekommen war oder warum er sich aufs Bett gesetzt hatte. So hatte sie ihre kleine sichere Zone, ihren persönlichen Bereich, und so fiel es ihr leichter, mit ihm zu sprechen. Auch, wenn sie vorhatte, ihm tunlichst nicht die Wahrheit zu sagen. Für die hatte er wohl weder Verständnis – was Axilla nachvollziehen könnte – noch war er die richtige Ansprechperson.
    Hier? Nein, du hast glaub ich nicht viel verpasst. Wir hatten einmal Besuch von Marcus Archilleos. Du erinnerst dich, der Lehrer, von dem ich dir vor deiner Abreise kurz erzählt hatte? Ich glaube, Urgulania und er mögen sich recht gern. Er hat noch mal einen Brief geschrieben, ob ich diese Philosophie nun lernen möchte, aber ich hab ihm noch nicht geantwortet. Ich glaube irgendwie, das ich dafür nicht diszipliniert genug bin.
    Axilla zuckte leicht mit den Schultern. Nach dem Gespräch mit Ánthimos im Gymnasion – oder besser seinem Monolog und ihren Ausweichversuchen auf diverse Kommentare – war sie sich ziemlich sicher, dass das nichts für sie war. Keine Gefühle haben zu dürfen war ganz eindeutig zu weit von allem, was sie konnte, entfernt. Denn sie war nur Gefühl, und das in Reinform.

    Urgulania wäre ihr lieber gewesen. Axilla schaute zu Silanus herüber und brauchte ein paar Herzschläge länger, um sich zu fangen. Warum musste er immer die Rüstung anhaben, wenn er ihr Schlafzimmer betrat? Axillas Blick wanderte zu der Truhe, in der Rüstung und Schwert ihres Vaters lagen. Wie so oft spürte sie diesen kleinen Stich in ihrem Herzen, wenn ihr klar wurde, dass er nie wieder kommen und diese Rüstung tragen würde. Dass sie nie wieder ihm in die Arme fallen würde, während er das dumme Ding noch trug, wenn er nach Hause kam, weil sie es nicht erwarten konnte, ihn zu umarmen.
    Ich weiß. Leander hält mich auf dem Laufenden.“
    Viel verließ sie ihr Zimmer ja nicht mehr in letzter Zeit. Da bedurfte es schon so eines treuen Sklaven wie ihren Leander, der ihr immer wieder den neuesten tratsch aus der Stadt erzählte, um sie damit ein wenig aufzumuntern und aus ihren trüben Gedanken zu reißen.
    Axilla atmete einmal tief durch und seufzte, dann wandte sie sich Silanus zu. Sie konnte ihn nicht bis in alle Ewigkeit ignorieren. Und sie wusste, dass es besser war, dass es aufgehört hatte, bevor es wirklich begonnen hatte. Was immer sie beide auch genau gehabt hatten, denn auch darüber war sich Axilla nicht ganz sicher.
    Mir geht es gut. Ich muss nur über ein paar Dinge nachdenken.
    Der erste Teil war eine glatte Lüge, ihr ging es ganz und gar nicht gut, aber das wollte sie mit Silanus jetzt nicht erörtern. Das würde nur zu sehr unangenehmen Themen führen, zu denen Axilla keine Möglichkeit finden würde, auszuweichen oder einfach auf etwas anderes zu sprechen zu kommen, wie sie es sonst immer tat.
    Sie drehte sich wieder ein wenig und schaute ein wenig geistesabwesend nach unten aus dem Fenster. Sie mochte den Ausblick, den sie hatte, eigentlich sehr gerne.
    Und deine Reise nach Rom war erfolgreich?

    Seit ihrer Trennung von Timos und vor allem dem Gespräch mit Ánthimos hatte sich Axilla hauptsächlich in ihrem Zimmer eingesperrt. Sie wollte nachdenken. Sie hatte so vieles falsch gemacht, eigentlich alles, was sie nur hatte falsch machen können. Bei Iuno hatte sie sich dafür schon entschuldigt, auch wenn Axilla nicht glaubte, dass das der Göttin auch nur im Mindesten etwas bedeutete. Aber der ganze andere Rest war weitaus schwieriger.
    Inzwischen war Axilla bei der Überzeugung angelangt, dass sie verflucht war und das alles damit ihre Schuld war. Ihre ganz alleine. Und damit galt es nun fertig zu werden. Daher hatte sie nicht das Bedürfnis nach Gesellschaft, einzig Leander duldete sie überhaupt um sich herum. Das aber auch eher, weil der ältere Sklave nicht lange fragte, sondern einfach auch immer zu ihr ins Zimmer geschneit kam und ihr mal was zu Essen brachte oder ein wenig aufräumte. Da kannte er seine Herrin schon gut genug, um zu wissen, dass sie ihm deswegen nie einen Vorwurf machen würde.


    Daher war Axilla auch sehr überrascht, als es so leise und zaghaft an ihre Türe klopfte. Sie saß gerade an ihrem Fenster und schaute von dort hinunter in den kleinen Garten, ohne wirklich etwas zu tun oder zu denken, als das Geräusch sie aus ihrer Starre riss. Sie überlegte, wer das wohl sein mochte und warum. Die meisten Sklaven gingen den Umweg über Leander, wenn es etwas auszurichten gab. Aber das Klopfen war eigentlich zu zaghaft für ihre Verwandten.
    Die Tür ist offen“, sagte sie halblaut, aber sicher laut genug für die Person hinter der Tür. Wirklich enthusiastisch neugierig war Axilla nicht, wer das wohl sein mochte. Aber es war seltsam genug, dass sie demjenigen zumindest die Chance lassen wollte, sich zu erklären.

    [Blockierte Grafik: http://img159.imageshack.us/img159/3905/katzenf6.th.jpg]


    So, das ist mein Süßer, wenn er nicht grade einen plötzlichen Anfall von Terror hat und versucht, möglichst viel von der Wohnung umzuschmeißen. Er kann ja richtig, richtig niedlich sein und kann posieren, als wär er direkt aus ner Katzenfutterwerbung entsprungen. Aber nur, wenn er grade 4 Stunden draußen rumgerannt ist und frisch gefressen hat und damit völlig fertig und müde auf dem Sofa liegt :D

    Jetzt war Axilla wie ein Geist seit Tagen herumgeschlichen. Nach ihrem Besuch im Gymnasion und dem Gespräch mit Ánthimos hatte sie viel nachgedacht. Sehr viel, um genau zu sein. Seine Worte ließen sie nicht los. Sie sollte den Göttern dankbar sein, dass sie sich nicht umbringen konnte, und ihre Chance nutzen. Das ging ihr nicht aus dem Kopf, so sehr sie es versuchte.
    Das Problem an der Sache war nur: Sie hatte die Götter schlecht behandelt, und sie wusste das. Und sie würde die Götter in Zukunft nicht mehr ehren, dafür war die Trauer und die Wut über den Tod der Mutter trotz aller Gebete und aller Opfer einfach zu groß. Wie konnte sie da den Göttern wirklich danken? Axilla machte sich keine Illusionen, dass die Götter auf sie herablächeln könnten. Vermutlich würden sie Opfer von der kleinen Römerin noch nicht einmal annehmen.
    Und dennoch stand sie mal wieder vor dem Hausaltar. Sie ließ ihren Blick über die Blumen schweifen, es waren wieder viele welke dabei. Einzeln sortierte Axilla sie aus, legte sie erst einmal beiseite. Warum genau sie das machte, wusste sie selber noch nicht. Einen vorbeikommenden Sklaven schickte sie in den Hortus, frische Blumen zu schneiden und herzubringen. Als er sie brachte, gab sie ihm die welken mit und schickte ihn weg. Sie selbst arrangierte die frischen Blumen schön neben der Statue von Iuno. Die ganze Zeit hatte sie noch kein Wort gesprochen.
    Während sie die Blumen so anrichtete und immer wieder in das Gesicht der Götterstatue vor ihr sah, fing sie dann auf einmal an, ganz leise. Es war zwar niemand hier, aber ihre Stimme blieb dennoch leise, als wäre sie wirklich ein Geist und könne nur wispern.
    Iuno? Ich weiß, ich hab dich schlecht behandelt. Ich meine, ich sorge hier zwar für frische Blumen, aber sonst…
    Ich weiß, nach Mutters Tod hätte ich dir und auch den anderen Göttern mehr Aufmerksamkeit schenken sollen. Aber ich… naja, ich weiß auch nicht. Es ist einfach…

    Axilla atmete einmal tief durch und schüttelte den Kopf, als könne das die durcheinanderwirbelnden Gedanken in ihrem Kopf wieder zur Ruhe bringen. Die Blumen waren nun fertig, es gab eigentlich nichts mehr zu tun, und trotzdem blieb Axilla. Sie ging vor dem Alter auf die Knie, aber nicht ehrfurchtsvoll, sondern so, wie ein Kind es wohl macht bei seinen Eltern. Sie lehnte sich leicht gegen den Ara, einen Arm sanft abgelegt, den schweren Kopf darauf, und schaute so in diese bequemen Position genau auf die Füße der Göttin. Sie wusste nicht, was sie ihr eigentlich sagen wollte.
    Ich will dir gar nicht versprechen, dass sich das von jetzt an ändern wird. Ich kenn mich da zu gut, und… ich glaube nicht, dass ich jetzt so fromm werde, euch allen oder auch nur dir zu opfern.
    Aber ich weiß, dass das, was ich getan habe, falsch war. Du weißt schon… das mit Silanus, und erst recht das mit Timos. Das war falsch, und ich weiß das. Ich habe dich wahrscheinlich damit beleidigt. Und das wollte ich nicht.
    Ich… ich wollte nur, dass du das weißt. Wahrscheinlich bedeutet dir meine Entschuldigung auch nicht viel. Ich bin nur… ich, und das hier sind nur ein paar Blumen…

    Tränen fingen an, zu fließen. Es tat Axilla wirklich sehr leid, was sie getan hatte. Sie wusste, wie falsch das gewesen war und welches Unrecht sie begangen hatte. Sie schämte sich so deswegen. Sie wollte doch nur einen Menschen, der sie wirklich und aufrecht liebte. Das war doch alles, was sie je gewollt hatte. Jetzt wusste sie, dass das der komplett falsche Weg gewesen war, aber sie konnte nun mal auch nicht aus ihrer Haut.
    Ihre Tränen tropften auf die Füße der Statue, und hastig wischte Axilla sie weg. Sie wollte nicht die Göttin dadurch noch beleidigen, dass sie sie vollheulte. Ganz sorgsam also wischte sie jedes salzige Tröpfchen mit dem Ärmel ihrer Tunika fort, und danach wischte sie sich selber auch noch einmal die Augen.
    Es tut mir leid. Ich wollte nur, dass du das weißt.
    Axilla schaute noch einen Moment in das marmorne Gesicht der Göttin, dann stand sie auf und verließ den Ara. Sie wusste nicht, ob die Göttin ihr zugehört hatte oder ob ihr diese kleine Entschuldigung überhaupt irgendetwas bedeutete. Aber für sie war sie jetzt wichtig gewesen.

    ich hab ein 13:4 für Obama geschafft... ich fühl mich seltsam...


    Wenn ich mir die Standpunkte aber mal angucke, wird die Wahl auf jeden Fall interessant. Obama hat die Waffenlobby gegen sich, MacCain die Frauenrechtler und so ziemlich jeden Liberalen :D

    Nach dem Gespräch mit Ánthimos war Axilla nicht sofort nach Hause gelaufen. Wohin genau sie gelaufen war, wusste sie nicht, irgendwann war sie in einer verlassenen Gasse gestanden und hatte erst einmal eine Weile geheult. Es dauerte, bis sich ihr Körper beruhigt hatte und sie sich wieder unter Kontrolle hatte. Zum Glück gehörte Axilla zu den Frauen, die weinen konnten, ohne hinterher furchtbar auszusehen. So musste sie nicht lange warten, ehe sie nach Hause gehen konnte.
    Sie hatte bemerkt, dass sie ihre lange Tunika vergessen hatte, aber um nichts in der Welt wäre sie jetzt zurückgegangen, um sie zu holen. Sie wollte sich jetzt einkapseln in ihrem Zimmer und auf keinen Fall wieder auf Ánthimos treffen. Dann würde sie nur noch mehr über seine Worte nachdenken, und das wollte sie jetzt nicht.


    Zuhause angekommen machte ihr der Ianitor die Türe auf. Zwar sah er sie etwas verwirrt an, weil sie nur eine kurze Tunika trug, sagte aber sonst nichts dazu. Dafür hatte er etwas anderes mitzuteilen: Silanus war aus Rom zurück. Axilla war im ersten Moment etwas unsicher, er hatte ihr in der ganzen zeit nicht einmal geschrieben, und jetzt war er schon wieder da? Irgendwie kam es ihr sehr kurz vor, obwohl er mehrere Wochen weg gewesen war.
    Aber sie wollte ihn jetzt nicht sehen. Zum einen, weil sie sich im Moment dafür einfach nicht stark genug fühlte, und zum anderen, weil sie nicht wollte, dass er sah, wie sie gerade unterwegs gewesen war. Sie dankte einfach dem Ianitor und ließ ausrichten, dass sie sich ein bisschen krank fühle und auf ihrem Zimmer sei. Das kam der Wahrheit doch ziemlich nahe, denn Axilla fühlte sich wirklich elend. Und so würde sie den Rest des Tages wohl ihre Ruhe haben.

    Im ersten Moment war Axilla einfach nur sprachlos. Sie fühlte sich irgendwo zwischen ertappt und überrascht und wusste nicht, was sie da sagen sollte. Ob es ihr etwas brachte, Probleme nicht anzusprechen? Was wollte er hören? Sollte sie ihm alles erzählen, all den Schmerz, all die Wut, all die Hilflosigkeit? Was würde das bringen? Konnte er auch nur irgendwas davon ändern? Irgendwas? Sie hatten sich eben zum zweiten Mal erst getroffen, waren noch nicht einmal dicke Freunde. Wie sollte ihm Axilla da auch nur halbwegs genug Vertrauen entgegenbringen, dass er diesen Schmerz für sie mittragen könnte?
    Sie sah ihn an, und in ihren Augen spiegelten sich sicher ihre Gedanken. Die Traurigkeit schlug in Wut um, und zwei trotzige Tränen rannen ihr aus den Augen. Axilla stand auf, schaute auf Ánthimos hinunter. Unter anderen Umständen hätte das wahrscheinlich sehr komisch ausgesehen, wie eine kleine, schmächtige Römerin einem Griechen gegenüber trat, der nicht nur doppelt so groß, sondern auch bestimmt doppelt so schwer war wie sie. Ihr Körper zitterte, weil ihre Muskeln schon gar nicht mehr wussten wohin mit all diesem gefühl.
    Du weißt nichts! Du kennst mich gar nicht!
    Eine sinnigere Erwiderung fiel Axilla nicht ein, und weil sich auch immer mehr Tränen hochkämpften und sich nicht einschränken ließen und ihr Körper mehr bebte, wollte sie einfach nur noch weg. Sie wollte hier nicht zusammenbrechen an einem Ort, wo sie keinen Schutz fühlte. Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich also einfach um und lief los. Sie wollte nur noch heim und sich verkriechen. Und dieser Wunsch war sogar so übermächtig, dass sie dabei völlig ihre lange, sorgfältig zusammengelegte Übertunika vergaß und in ihren kurzen Sachen auf die Straße lief.