Hübsch? Axilla war empfänglich für Komplimente. Vor allem nach dem Debakel der letzten Tage war so ein kleines Wort wie Balsam. Also bekam Timos sogar ein aufrichtiges Lächeln und den kurzen Anblick einer verstummten Axilla. Es brauchte einen Augenblick, ehe sie das Gespräch wieder aufgriff.
„Da hatten du und deine Brüder dann ja wirklich Glück, dass ihr an die Küste gespült worden seid. Und ich hab auch Glück, allein hätte ich mich glaube ich nie in die Taverne getraut. Aber das war toll.“
Axilla trank noch einen Schluck Wein, der Fisch machte irgendwie durstig und wollte wohl in ihrem Bauch noch ein bisschen weiter schwimmen.
„Und du hast zwei Brüder? Das ist schön. Ich hätte auch gerne einen.“
Beiträge von Iunia Axilla
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„Ja, das ist er allerdings.“
Axilla hatte schon lange aufgegeben, irgendeinen Sinn in den Handlungen der Götter zu sehen. Alles, was passiert war, ergab nämlich keinen. Ihr Vater war ein guter Mensch, und er war gestorben. Ihre Mutter war die beste, vorbildlichste und frommste Frau der Welt, und auch sie war gestorben. Sie hatte sich Hals über Kopf in ihren Vetter verliebt, aber er sich nicht in sie. Welchen Sinn sollte das ganze denn überhaupt machen? Manchmal glaubte Axilla, die Götter wussten selber nicht, was sie da taten.Axilla fing damit an, den Fisch mit den Fingern vorsichtig auseinander zu pflücken. Sie versuchte schon im Vorfeld alle Gräten herauszuziehen und ließ sich daher Zeit, es gründlich zu machen. Der Fisch war ohnehin noch sehr warm und bei dieser Hitze würde er sich kaum abkühlen.
„Das muss sicher furchtbar gewesen sein. Ich bin zwar eigentlich eine gute Schwimmerin, aber bei einem Sturm würde ich das nicht unbedingt testen wollen. Da müsst ihr wirklich großes Glück gehabt haben.“
Alle Gräten waren zu Axillas Zufriedenheit gezogen, und sie begann damit, zu essen. Es war wirklich lecker, obwohl sie das bei dieser Gegend eigentlich nicht gedacht hätte.
„Wärst du mir böse, wenn ich dir den Vorschlag mache, dass ich dich hier einlade?“
Der Gedanke kam ihr spontan. Er hatte immerhin vorhin schon das Bier und den Kampf bezahlt, und wenn sie raten müsste, hatte sie sicher mehr Taschengeld als er Einkommen. Irgendwie sprang da ihr Gerechtigkeitssinn – der sonst meistens friedlich schlummerte – an. -
Auch Axilla nahm ihren Weinbecher und trank ein wenig. Bei dieser Hitze musste sie aufpassen, dass es ihr nicht zu schnell zu Kopf stieg. Aber der Wein war süß und schmeckte nicht zu stark, das würde wohl noch gehen.
„Aus Taracco. Oder nicht direkt, das Haus meiner Eltern lag etwas außerhalb.“
Kurz fuhr ein schmerzhafter Stich durch ihr Herz, als sie daran dachte. Nachdem Mutter tot war, war das Haus ohnehin nicht dasselbe, redete sie sich ein. Aber dennoch vermisste sie ihre Heimat ein wenig. Schnell nahm sie noch einen Schluck.
„Aber ich sag dir, die Seereise war furchtbar. Ich vertrag das Schaukeln auf den Schiffen nicht besonders. Die Seeleute haben zwar vom schönen Wetter geschwärmt, aber mir war die meiste Zeit elend.“
Was zum Geier erzähl ich da für einen Stuss? schoss es ihr durch den Kopf. Egal, jetzt war es schon zu spät. -
„Ich bin auch erst ein paar Wochen hier. Ist eine wirklich schöne Stadt. Warst du schon am Paneion? Da ist es wirklich herrlich, da sieht man die ganze Stadt. Und der Tierpark ist richtig aufregend.“
Fröhlich erzählte Axilla vor sich hin und war froh, dass er ihre dahingeplapperte Bemerkung von zuvor wohl nicht bemerkt hatte. Ein junger Bursche kam mit einem Krug Wein und zwei Bechern und stellte beides am Tisch ab, ehe er wieder flink wie ein Wiesel verschwand. Axilla lächelte ihm einmal kurz hinterher. Sie beherrschte sich, nach dem Krug zu greifen und sich selbst einzuschenken. Das konnte Timos machen, sie wollte schließlich nicht wie ein vollkommener Trampel daherkommen.
„Und woher kommst du? Aus Griechenland?“ -
„Ich halte mich glaube ich an den Fisch.“
Auch das hatte der Wirt schnell notiert und schon machte er sich auf den Weg, um das bestellte zu besorgen. Axilla sah sich immer noch ein bisschen aufgeregt um. Von hier aus konnte man den Hafenarbeitern beim Verladen der verschiedenen Kisten zuschauen, und Axilla fand das ungemein spannend. Auch wenn sie sich mit Schrecken an die Seefahrt von Taracco hierher erinnerte, wo sie die meiste Zeit über der Reling gehangen hatte.
Unter ihrer Palla wurde ihr allerdings nun langsam aber sicher warm. Da sie ohnehin im Schatten saßen, nahm Axilla das dumme Ding kurzerhand ab. Warum musste man bei dieser Hitze überhaupt soviel Zeug tragen?
„Heute wird schon wieder ein warmer Tag. Manchmal beneide ich die griechischen Frauen hier mit ihren offenen Chitons. An so Tagen wie heute möchte man am liebsten seine Tunika ausziehen und ins Meer springen, um ein bisschen Abkühlung zu erhalten.“
Erst, als Axilla wieder aufblickte, nachdem sie die Palla einigermaßen zusammengelegt und neben sich gelegt hatte, kam ihr, was sie da erzählt hatte. Entschuldigend lächelte sie einmal Timos zu, ehe sie ihre Lieblingstaktik anwandte: Einfach Thema wechseln.
„Und du kommst oft hierher an den Hafen?“ -
Timos war wirklich flott. Axilla bekam ihr Bier nicht mehr ganz herunter, oder zumindest nicht, ohne dass es ihr zu Kopf steigen würde. Also war ihr Becher noch halbvoll, als sie ihn noch schnell abstellte und schnell Timos folgte. Die Garküche, zu der er sie führte, war nicht allzu weit entfernt, aber nicht ganz so abenteuerlich wie der vorherige Laden. Schade eigentlich. Aber die Gesellschaft machte das ganze wieder wett.
„Ja, Wein ist mir lieber. Der ist… süßer. Aber ich darf nicht soviel trinken, ich vertrag nicht so viel.“
Nicht, dass sie hier nachher noch mit Schluckauf saß und lallte und Timos sie nach Hause tragen musste. Aber wenn sie auch ein bisschen was aß, sollte es gehen. Sie durfte nur nicht zu starken Wein trinken, dann war es ganz einfach. Aber zum Glück wurde in den meisten Garküchen ganz ordentlich verdünnt. -
Axilla schaute wie gebannt auf den Hahnenkampf. Als das erste Blut floss, war sie wie hypnotisiert. Das hatte so etwas brachiales und brutales, sie konnte nicht hinschauen, aber wegschauen ging auch nicht. Sie hätte nicht geglaubt, dass sie in irgendeiner Weise blutrünstig wäre, und sie hatte deswegen auch ein schlechtes Gewissen, als es vorbei war. Aber nur ein klein wenig.
„Essen? Oh, gern. Ich hoffe, es gibt nicht gleich den Verlierer im Kochtopf, der ist ein bisschen lädiert.“
Zum Thema wohlerzogen sagte Axilla lieber nichts. Wäre sie wohlerzogen, wäre sie wohl schon lange auf dem Weg nach Hause. Aber das wäre langweilig! Sie schaute noch einmal zu Timos hoch und ihre Gedanken kreisten ein wenig. Warum nahm er sie hier überall hin mit und war so nett zu ihr? Ein bisschen war ihr Misstrauen geweckt, aber der weitaus größere Teil von ihr war einfach nur neugierig und wollte wissen, was wohl noch alles passieren würde. -
Als er ihr den Arm um die Schultern lag, sah Axilla ihn leicht aus den Augenwinkeln an und beobachtete ihn wie eine lauernde Katze. Eigentlich hatte sein Arm aber auch nicht das Geringste auf ihrer Schulter verloren, und eigentlich sollte sie ihm eine dafür kleben und gehen. Wie gesagt, eigentlich. Denn uneigentlich hatte das etwas sehr verruchtes, und passte daher ganz gut zu dieser abenteuerlichen Taverne und dem Bier und den Matrosen. Also beschloss Axilla, das Spiel noch ein wenig weiter zu spielen. Gegen später konnte sie ja immer noch die Kratzbürste spielen, im Moment wollte sie lieber verruchte Abenteurerin sein.
Seine Erzählung brachte sie auch wieder zum Lachen. Sie, nach Parthien verkauft?
„Keine Angst, ich beschütz dich schon, dass dir keiner was tut.“
Erst vor dem riesigen Nubier verstummte ihr Lachen kurz. Neben dem war ja selbst Urgulanias Leibsklave ein Hänfling! Was bewachte er da nur?
Kurze Zeit später wusste Axilla es. Ungläubig schaute sie auf den Kreis, in dem zwei Hähne sich gegenseitig die Federn rausrupften und unter wildem Gekreische aufeinander losgingen. Auf dem Boden war Blut zu sehen, aber zuviel, als dass es nur von den beiden Hähnen stammen könnte. Dann wäre einer von beiden schon lange tot.
Staunend schüttelte Axilla nur den Kopf auf seine Frage. Sie war so perplex, dass sie sogar nichts zu dem erneuten Arm auf ihrer Schulter sagte. Sowas wie das da hatte sie wahrlich noch nie gesehen. -
Axilla kam gar nicht dazu, noch irgendwas zu sagen, denn Timos nahm sie bei der Hand und führte sie schnurstracks am Hafen entlang. Gut, dass sie nicht lahm war, denn er legte ein ganz schönes Tempo vor, während er sich an den verschiedensten Seeleuten vorbeidrängelte. Dadurch blieb es natürlich nicht aus, dass auch Axilla an denselben vorbeidrängelte und dem ein oder anderen dabei auch auf den Fuß stieg. Aber auch zum Entschuldigen kam sie nicht, denn sie waren immer schon weiter, wenn sie ein „Verflucht“ oder ein „Pass doch auf“ zu hören bekam.
Timos zog sie geradewegs in ein Gebäude hinein, das wohl eine Taverne sein musste. Aber das war eindeutig eine der Tavernen, in die Axilla nie alleine gegangen wäre. Sie hätte viel zuviel Angst, dass ihre Verwandten sie dabei erwischen könnten. Anständige Mädchen waren hier drinnen nicht zu finden, aber die ein oder andere Dirne.
Axilla fand das alles furchtbar aufregend. Ihr Herz klopfte bis zum Hals. Die Hälfte der Männer hier drinnen war bestimmt Piraten! Oder zumindest raubeinige Matrosen mit dem tollsten Seemansgarn. Naja, vielleicht auch das nicht, aber auf jeden Fall war es ein Abenteuer!
Sie nahm den angebotenen Becher und roch erstmal dran, bevor sie probierte. War das ägyptisches Bier? Getrunken hatte sie noch nie welches, aber es schmeckte irgendwie bitter. Wein war ihr irgendwie lieber, aber tapfer nahm sie einen anständigen Schluck. Vielleicht kam sie ja ncoh auf den Geschmack, und schließlich war sie eingeladen worden.
Bei Timos Frage musste sie ein wenig schüchtern grinsen.
„Wahrscheinlich hältst du mich für töricht. Als anständiges Mädchen sollte ich ja mit hochrotem Kopf wieder rauslaufen und vor lauter Angst am besten wieder Heim, aber ich finde es grade furchtbar aufregend und spannend hier. Ich war noch nie ohne Aufpasser in einer Taberna. Und schon gar nicht in so einer!“
Ihre Augen schienen überall gleichzeitig zu sein. Sie wollte soviel wie möglich hiervon aufnehmen. Bei den Göttern, war das aufregend! -
War das eine Einladung? Und wenn ja, zu was? Eigentlich war sie ja hier wegen dem Amulett, aber irgendwie machte dieser Grieche sie jetzt schon verdammt neugierig. Und Axilla hatte eine ganz schlimme Schwäche, und die hieß Neugier. Sie konnte ja wirklich vielem widerstehen, aber nicht, wenn sie neugierig war und in Versuchung geführt wurde. Eines Tages würde sie das noch in ernste Schwierigkeiten bringen, das wusste sie, aber solange es das nicht tat, würde sie es wohl nicht lassen können.
Also zögerte sie nur kurz und schaute Timos dabei einmal kurz tief in die Augen, als würde sie da etwas suchen. Aber was immer sie dort suchte, sie fand es nicht.
„Nun, wie könnte ich so einer Einladung widerstehen?“Rein formal hatte er sie zwar zu gar nichts eingeladen, aber das war ja nebensächlich. Wäre nicht das erste mal, das Axilla sich selbst einlud. Nur dass sie diesmal nichtmal wusste, worum es ging. Aber das machte das ganze ja so aufregend!
Sie winkte also dem Besitzer des Ladens nur einmal fröhlich zu.
„Vale“, flötete sie ihm noch zu, als hätte sie von Anfang an nicht vorgehabt, irgendwas zu kaufen.
Dann wandte sie sich wieder an Timos. „Und wohin geht’s?“ -
„He, ich bin immerhin schon sechzehn. Eine erwachsene Frau.“
Warum nur nahm sie keiner ernst? Silanus hatte auch sowas ähnliches gesagt und ihre Gefühle mit jugendlichem Übermut abgetan. Und jetzt fing Timos auch schon damit an! Na, der würde schauen, wenn sie ihm erzählte, was sie in den letzten Wochen alles angestellt hatte! Dann würde er sie wohl nichtmehr als Kind sehen.
Wobei, dann hätte sie ihn vielleicht mit ihrer Frage beleidigt? Axilla beschloss spontan, dass sie beide quitt waren und sie Timos daher nicht böse sein konnte. Statt dessen überlegte sie kurz, was er zuvor gesagt hatte.
„Poseidon und Aphrodite… Neptun und Venus? Interessant. Ich mag ja am liebsten Faunus. Ähm, also… Pan.“
Was machte der Ladenbesitzer eigentlich die ganze Zeit da hinten? Axilla schaute einmal über Timos’ Schulter – wobei sie sich auf die Zehenspitzen stellte – um zu gucken, was der trieb. Sie könnten ihm ja hier den halben Laden ausräumen, während er da hinten rumwurschtelte.
„Was sucht der da hinten eigentlich?“ -
Getürkt? Ihr Glück war nicht echt? Nein, Axilla wollte nicht daran glauben. Sie würfelte noch einmal mit den schönen Würfeln, und siehe da, eine elf. Nochmal. Ein Viererpasch. Verdammt, vielleicht hatte er wirklich recht. So machte gewinnen ja gar keinen Spaß.
Etwas missmutig legte Axilla die Würfel zurück.
„So macht gewinnen ja gar keinen Spaß.“
Sie bemerkte die komische Statue mit Tierkopf in Timos Hand und schaute etwas zweifelnd. Zu sowas betete er? Sie dachte, er sei Grieche?
„Tut mir leid, wenn ich etwas aufdringlich bin, aber du bist doch Grieche, oder?“
Das war vielleicht etwas arg aufdringlich. Axilla lächelte schon mal so charmant wie sie konnte. -
Götterstatue? Hier? Axilla sah sich ein wenig verschwörerisch um. Sie konnte allerlei Krimskrams entdecken, aber eine richtige Götterstatue sah sie nicht. Außer, Timos betete zu Schrumpfköpfen.
“Ich wusste gar nicht, dass man die hier auch kaufen kann.“
Sie versuchte, sich ihr Misstrauen nicht anmerken zu lassen. Eigentlich ging es sie ja auch gar nichts an, was er hier suchte. Ein bisschen verlegen, damit man ihr nicht ansah, was sie dachte, schaute sie weiter über das Sortiment.
„Oh, Würfel!“
Und schon wieder war ihr Mundwerk schneller als ihr Verstand. Anständige Mädchen gaben sich ja auch nicht dem Würfelspiel hin. Aber nun war es schon raus und sie konnte kaum einen Rückzieher machen. Abgesehen davon waren die Würfel wirklich schön, ganz weiß. Die waren bestimmt aus Elfenbein. Axilla nahm sie einmal probehalber in die Hand und ließ sie einmal fallen. Prompt würfelte sie auch noch einen Pasch. Das machte sie doch ein bisschen stolz.
„Die sind wirklich hübsch, oder?“
Axilla beschloss einfach, so zu tun, als wäre das das allernormalste der Welt und als würde jeder das Würfelspiel lieben. -
Er war lustig. Axilla mochte lustige Menschen, deshalb bekam er schon mal einen Pluspunkt. Aber sollte sie ihm wirklich sagen, dass sie ein Amulett gegen Liebeskummer suchte? Das klang so kindisch, und es war doch gerade so lustig hier mit ihm.
„Ach, nur einen kleinen Zauber, damit ich besser schlafen kann. Ich wälz mich immer so unruhig im Bett herum, weißt du?“
Dass der letzte Satz nicht unbedingt besser war und eigentlich kein so gutes Gesprächsthema, merkte Axilla erst hinterher. Sie biss sich kurz auf die vorschnelle Zunge. Die musste sie wirklich noch besser in den Griff bekommen. Am besten, sie startete ein kleines Ablenkungsmanöver.
„Und was treibt dich hierher?“ -
Axilla schaute zwischen dem Frosch und Timos hin und her. Er verzog keine Miene. Aber die Geschichte war so abstrus, sowas albernes hatte sie ja noch nie gehört.
„In einen Frosch verwandelt? Durch einen Kuss?“
Sie sah nochmal zwischen Frosch und Mann hin und her. Sie musste grinsen.
„Du veralberst mich doch? Es ist nicht nett, arme Mädchen zu veralbern.“
Jetzt musste sie richtig lachen. Bestimmt veralberte er sie. Sowas konnte doch gar nicht stimmen. Warum sollte sich ein Mädchen einfach so durch einen Kuss in einen Frosch verwandeln? -
„Ach, du kennst dich mit Zauberei aus?“
Da er sich jetzt so direkt neben sie stellte, wandte sich ihm Axilla richtig zu und musterte ihn noch einmal etwas eingehender. Seine Augen waren grau bemerkte sie. Und er war bestimmt über eine handbreit größer als sie.
„Nun, wenn du mir sagen kannst, wofür der getrocknete Frosch gut sein soll, bin ich ernsthaft beeindruckt.“
Herausfordernd schaute sie ihn an. Sie war sicher kein Mädchen, das sofort immer gleich rot anlief und einen Rückzieher machte, wenn ein Mann näher kam und nur noch wie doof kicherte. Nein, sie war ein Spieler, und sie wusste das. -
„Oh, tut mir wirklich leid, ich war wohl ganz in Gedanken.“
Das war jetzt schon ein klein wenig peinlich. Verlegen kratzte sich Axilla am Arm. Das konnte doch nicht angehen, dass sie hier gar nichts mehr mitbekam!
Und als wäre das nicht genug, fiel ihr auch noch etwas anderes siedend heiß wieder ein.
„Oh, das hab ich ja ganz vergessen! Oh, Urgulania, ich bin in letzter Zeit wirklich zu nichts mehr zu gebrauchen.
Marcus Achilleos war vor zwei Tagen hier. Ich hab ihn zufällig beim Fest des Alexanders vor einer Woche oder so kennen gelernt. Auf jeden Fall meinte er, du kennst ihn wohl auch, und vor zwei Tagen also war er hier und hat mich besucht – naja, eigentlich nicht besucht, er wollte sich entschuldigen, wegen so einer kleinen dummen Sache am Tor, aber ist ja auch egal. Und auf jeden Fall hat er mir gesagt, ich soll dir auch noch Grüße ausrichten und sagen, dass es ihm leid täte, dass er dich nicht auch besuchen gekommen ist, aber er fährt nach Athen zu seinem Großvater und dann weiter nach Rom und kommt wohl nicht dazu. Aber er hat versprochen zu schreiben. Also mir. Und dir wollte er glaube ich einen Reisebericht schenken. Von Han.“
Hatte sie etwas vergessen? Nein, Axilla meinte, dass sie alles ausgerichtet hatte. Also lächelte sie, ehe sie noch mal über ihre ähnlich einem Wasserfall dahingesprudelten Worte nachdachte.
„Das war jetzt etwas durcheinander, oder?“ -
Der Ladenbesitzer kümmerte sich auch sogleich um den jungen Mann, und Axilla versuchte nicht allzu auffällig zu lauschen. Das war ja auch eine schlechte Angewohnheit von ihr. Aber was sollte sie schon machen? Weghören ging ja auch nicht immer, und wenn die Götter gewollt hätten, dass sie nicht alles mitbekam, hätten sie ihr nicht so gute Ohren gegeben. Aber was die beiden tuschelten bekam sie dann doch nicht mit.
Und plötzlich war der Ladenbesitzer im hinteren Teil verschwunden und sie war mit dem Griechen allein. Sie musterte grade auffällig unauffällig verschiedene Amulette – darunter eines mit einem getrockneten Frosch, wofür auch immer der gut sein sollte – als der Grieche sie in ihrer Muttersprache ansprach. Dazu noch ziemlich gut, was sie doch etwas erstaunt herüberschauen ließ. Die meisten Bewohner dieser Stadt sprachen einen griechischen Mix, der grade so als Koine durchgehen mochte und den Axilla nicht immer vollständig verstand. Da war ein Grieche, der gutes Latein sprach, schon mal eine Ausnahme.
Sie musterte ihn einen Moment. Er sah ja eigentlich ganz nett aus, zwar nicht besonders wohlhabend, aber irgendwie anziehend. Axilla merkte, dass sie noch gar nichts gesagt und nur geschaut hatte, und versuchte sich in ein Lächeln zu retten. Vielleicht hatte er es ja gar nicht bemerkt?
„Ich bin Axilla.” Auf ihren Familiennamen verzichtete sie erstmal. Nicht, dass sie morgen noch Ärger bekam, weil sie sich heute in so einem Laden herumtrieb. Auch wenn sie es sehr aufregend fand, hier zu sein. „Ich würde sagen, der Laden ist abenteuerlich. Bei der Hälfte der Sachen habe ich keine Ahnung, was das überhaupt ist.“ -
Wohin man nicht alles aus Langeweile kam? Nach einem ausgedehnten Spaziergang quer durch die Stadt und nachdem Axilla so ziemlich jedes halbwegs sehenswerte Gebäude in Alexandria in den letzten Tagen besucht hatte, machte sie heute einen Einkaufsbummel. Warum genau sie dabei zum Hafen gegangen war mochte sie selber nicht einmal genau sagen. Vermutlich, weil sie auf der Agora alle Händler schon zur Weißglut getrieben hatte mit ihrem Alles-anschauen-nichts-kaufen. Und auf dem Fremdenmarkt gab es einfach viel mehr von dem ganzen Krimskrams, den sie so gerne sammelte. Die ganzen Gerüche und Geräusche hatten so einen Hauch von Fremde und Gefahr an sich, und das war genau das, was Axilla so sehr liebte: Abenteuer.
Wo sie schon mal da war beschloss sie auch gleich dem Ratschlag einer Sklavin zu folgen. Normalerweise gab Axilla nicht viel auf Ratschläge von irgendjemandem, aber schaden konnte es nicht. Hier in diesem Laden gab es angeblich die besten Amulette gegen Liebeskummer. Und Axilla hatte so die Nase voll davon, sich nachts im Bett zu wälzen und an nichts außer Silanus zu denken und vor lauter Traurigkeit nicht einschlafen zu können. So fremdartig konnten diese Zauberamulette also gar nicht sein, und selbst wenn die Sklavin Unrecht hatte, einen Versuch war es allemal wert.Sie betrat also den Laden, den ein junger Mann fast gleichzeitig mit ihr betreten hatte. Sein Erschrecken beim Betreten warnte sie rechtzeitig vor dem „Trraumfängerr“, wie der Ladenbesitzer so schön sagte. Der sah auf jeden Fall nach Zauberei aus, fand Axilla.
Sie betrat den Laden und fühlte sich ein bisschen deplaziert. In ihrer grünen, langen Tunika und der passenden Palla gegen die Sonne, dazu noch ihre Steckfrisur, war sie wahrscheinlich das allerrömischste im ganzen Haus.
Sie lächelte dem Griechen, der wohl ein paar Jahre älter war als sie, kurz zu und wartete, bis er bedient wurde. Schließlich war er vor ihr eingetreten und die Frage nach dem Amulett war ihr ein klein wenig peinlich. Abgesehen davon war sie neugierig, was es hier sonst noch so gab, und schaute sich einmal um. Es rocht auf jeden Fall sehr ungewohnt hier drinnen. -
Gleich einem Häuflein Elend schlich Axilla durchs Haus. Sie hatte Liebeskummer, fühlte sich müde, und das schlimmste von allem: Ihr war langweilig ohne Ende. Es gab aber auch so rein gar überhaupt nichts, was sie tun konnte, um sich abzulenken. Gar nichts. Für alle Aufgaben gab es Diener, die diese Dinge allesamt besser konnten als sie. Und Arbeit hatte Axilla ja keine, Silanus hatte ihr noch nichts gesagt, und nach dem ganzen Schlamassel und seinen Worten, die sie mehr als nur hart getroffen hatten, würde sie ihn garantiert nicht noch einmal danach fragen. Egal, was er sonst noch gesagt hatte, dass sie wie Freunde zueinander sein sollten, sie würde ihm jetzt aus dem Weg gehen. Auch wenn sich der Schmerz anfühlte, als würde er ewig dauern, bei Liebeskummer half am besten der eiskalte Entzug.
So vor sich hinschleichend und sich langweilend kam Axilla schließlich auch ins Atrium. Zunächst bemerkte sie ihre Cousine gar nicht, die ebenfalls dort saß. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt, auf den Boden zu starren und sich elend zu fühlen. Erst, als sie sich nicht unweit von Urgulania hinsetzte und aufsah, bemerkte sie sie. Ein bisschen verschämt schreckte sie hoch.
„Oh, Urgulania. Ich hab dich ja gar nicht bemerkt. Sitzt du schon lange hier?“
Axilla musste wirklich sehr in Gedanken gewesen sein. Verfluchte Langeweile aber auch.