Er klang nicht unbedingt erfreut über ihre Frage. Vielleicht war es auch nicht das passende Thema für eine Hochzeit. Nein: Es war ganz sicher nicht das passende Thema für eine Hochzeit, wenn man von Krieg, Tod und Gefallenen sprach. Nur im Gegensatz zu den wohl unverfänglichen Themen wie Wetter, neueste Mode oder auch vergangene wie zukünftige Spiele, Theateraufführungen oder sonstigen gesellschaftlichen Anlässe, die Axilla allesamt zumeist sterbenslangweilig fand, interessierte sie das wirklich. Sie wollte wissen, dass die Legionen des Reiches machten, was sie dachten, was die Männer dort erlebten. Sie wollte wissen, was an den Grenzen des Reiches geschah, wie die Lage war, welche Schwierigkeiten dort herrschten. Für sie war das nicht schrecklich und grausam. Gut, ein bisschen vielleicht, sie war auch nur ein Mensch. Aber viel mehr als das erinnerte es sie an die einzige Zeit, in der sie sich wirklich sicher und beschützt gefühlt hatte.
“Mein Vater war Tribun. Und er hat mir beigebracht, nie wegzulaufen.“ Sie sagte es halb im Scherz, um die betrübliche Stimmung, die sich auszubreiten schien, zu lockern, doch war sie sich nicht sicher, ob es auch etwas half. Vermutlich eher nicht, da Massa sogleich einen Sklaven mit Wein herwinkte und sich nachschenken ließ.
Als Massa sie aufforderte, zu trinken, sah sie kurz auf den Becher. Er nahm aus seinem einen kräftigen Schluck, und sie wusste nicht sicher, ob er ihr etwas erzählen würde, wenn sie jetzt nicht mit ihm trinken würde. Ist ja nur ein kleiner Becher. Ich ess nachher noch ein wenig. Der wird schon nicht so stark sein... Und so nahm sie einen weiteren Schluck auf nüchternen Magen und hörte zu.
Und Massa erzählte von einem halben Gemetzel. Doch nicht so, wie Castricius Tegula, Vaters Schwertbruder und engster freund, es getan hätte. Bei dem lauten und oft vulgären Mann hatte es immer glorreich geklungen. Er hatte solche Erzählungen immer geschlossen mit dem Satz “Ein wahres Fest für Mars!“ Und Massa erzählte es auch nicht wie ihr Vater, der die Tapferkeit und Standhaftigkeit der Männer lobte, der vor allem ihr die Taktik erklärte, indem sie ihre Spielsachen und die vielen von ihm geschnitzten Figuren in Schlachtreihen auf dem Atriumsfußboden einfach aufstellten und so die einzelnen Züge nachstellten.
So wie Massa es erzählte, klang es, als bedauere er es. Als er schließlich endete zu erzählen von den Toten und den Verletzten, von all dem Blut und den Verlusten, und noch einmal einen großen Schluck Wein hinunterstürzte, sah Axilla ihn einen Moment lang nur an. Er hatte so ein Tausend-Meilen-Starren und blickte einfach nur vor sich hin, ohne irgendwas zu sehen.
“Ihr habt getan, was getan werden musste“, erklärte sie und hörte sich dabei irgendwie etwas langsam an. Ihre Zunge fühlte sich irgendwie schwer an und ihre Gedanken hefteten sich immer wieder an einzelnen Gedankengängen fest. Aber sie war nicht betrunken! Nein, betrunken fühlte sich anders an. Vielleicht leicht beschwippst. Sie sollte etwas essen. Nachher. Sie schüttelte die wirren Gedanken beiseite und konzentrierte sich auf das, was sie sagen wollte.
“Durch eure Taten habt ihr Roms Grenzen gesichert. Jeder hier am Tisch kann nur hier sitzen, weil die Legionen die Grenzen des Reiches beschützen und so den Frieden bewahren. Jeder hier kann nur essen, weil aus Ägypten das nötige Korn für die Stadt verschickt wird. Jeder hier trägt schöne Stoffe, die gefärbt sind mit Pigmenten aus Syria, der Purpur kommt aus Kreta, der Weihrauch in den Tempeln kommt aus Judäa. Das Ebenholz der Möbel kommt aus Africa. Alles Dinge, die wir nur haben, weil unsere Legionen dafür Sorge tragen, dass wir sie haben können.
Und mehr noch! Ihr verhindert, dass diese Barbaren vom Ende der Welt hier her kommen und die Kinder erschlagen, römische Frauen schänden und versklaven und die Männer entehren. Ihr verhindert, dass unsere Tempel niedergebrannt und die Götter beleidigt werden. Ihr seid das Schild, das das römische Reich schützt und das blanke Schwert, das über uns alle wacht. Und jeder einzelne Bürger Roms sollte euch die Dankbarkeit erweisen, die ihr verdient habt, durch eure Taten jeden einzelnen Tag!“
Dass sie wohl etwas lauter gesprochen hatte, merkte Axilla erst, als sie ein paar Blicke auf sich fühlte. War ja nicht unbedingt alltäglich, dass eine Frau so vehement das römische Militär verteidigte. Allerdings hatte sie wohl nun genug Wein intus, um sich nicht in ein schamhaftes Lächeln zu retten, sondern mit aufrechter und stolzgeschwellter Brust gerade dazusitzen und kein As darauf zu geben, was die anderen denken mochten.