Beiträge von Iunia Axilla

    Am liebsten wäre Axilla bei dem süffisanten Unterton irgendwo im Erdboden versunken. Aber sie konnte ihrem Wettpartner hier nicht einfach so das Feld überlassen, immerhin war ihr Wortgefecht auch so etwas wie eine kleine Schlacht. Und ein Soldat weicht nicht zurück! “Wohl eher für Waffenkunst und Taktik, die ich hier beide etwas vermisse“, gab sie zurück und konnte nur hoffen, dass das Wärmegefühl an ihren Wangen von der Sonne herrührte und sie nicht errötet war. Auch wenn es wohl unwahrscheinlich war, dass die Sonne gerade jetzt wärmer war als noch vor einer halben Stunde.


    Allerdings gab ihr die Tatsache ein klein wenig Sicherheit, dass ihre persönliche Verwirrungstaktik aufgegangen war, und der junge Mann ihren unbedarften Ausrutscher nicht auch zu einem beschämenden Kommentar nutzte, sondern stattdessen lieber von dem Axilla unbekannten Gladiator erzählte. Mit zwanzig Siegen in Folge war dieser Mactator wohl sehr gut gewesen. Das schafften nicht viele, überhaupt so viele Siege für sich zu verbuchen. Bestimmt war ihm da schon mehrfach die Freiheit angeboten worden. Die meisten Gladiatoren erlangten diese schon nach einem dutzend Siege. Bedachte man die Tatsache, dass ein Gladiator meistens nur drei oder vier Mal im Jahr kämpfte und viele auch ihren Wunden erlagen, hieß so eine Serie ja schon einiges!
    “Ich dachte, Licinius wär bei Artaxata nur auf Tigranes getroffen...“, murmelte sie halblaut mehr zu sich selber, aber im Grunde war es auch egal. In der Arena nahm man es da ohnehin nicht so genau, es ging mehr um das große Ganze. Und es war ja auch der größte Teil der Leute weniger an den geschichtlichen Schlachten und deren einzelner Aspekte interessiert – oder wusste auch nur etwas davon – sondern viel eher am reinen Kampf und dem Blut. Es hatte schon einen Grund, warum die meisten der Plätze für diejenigen ohne Stand reserviert waren, auch wenn diese Plätze in den oberen Rängen waren, wo man weniger sah als auf den Rängen für den Ordo Senatorius oder den Equestris, auf dem auch sie Platz genommen hatte. Aber die Karten an sich waren ja umsonst, man musste nur rechtzeitig eine holen.


    Der Sklave kam zurück und gab ihr ein paar Datteln und Feigen. Axilla nahm sie mit einem Lächeln an, auch wenn ihr fast noch etwas noch süßeres vorgeschwebt hätte. Irgendwas mit Honig vielleicht. Aber vielleicht hatte der Verkäufer damit nichts, und Datteln und Feigen waren auch lecker. Sie bedankte sich leise und behielt die Früchte erst einmal in der Hand.
    Sie hörte dem jungen Mann weiter zu, wie er von dem Kampf zwischen den beiden Gladiatoren erzählte. Es hatte etwas von einer griechischen Tragödie, dass ein Freund den anderen tötete. Vielleicht wie in Aischylos' Werk Sieben gegen Theben, wo sich die Zwillingsbrüder Eteokles und Polyneikes im Streit um das Erbe des Ödipus schließlich gegenseitig töteten. Oder noch eine Spur grausamer und tragischer.
    “Das ist sehr beklagenswert. Ein Freund sollte den anderen nicht töten müssen. Fides ist nicht nur eine Tugend gegenüber dem Befehlshaber, sondern auch gegenüber einem Freund. Und pietas ebenso.“ Axilla war ehrlich betroffen, was wohl auch an der lebhaften Erzählweise ihres Gegenübers liegen mochte. Aber sie meinte es auch ehrlich. Ein Freund sollte den anderen nicht aus Pflichterfüllung töten müssen. Das war tragisch, wenn es doch geschah.


    In Gedanken einen Moment ganz weit weg kam die Frage nach Tarraco für Axilla etwas plötzlich. Sie blinzelte kurz, und in Gedanken noch nicht wieder ganz bei der Sache war sie wohl ehrlicher, als sie es üblicherweise einem Fremden gegenüber gewesen wäre.
    “Ja, mein Vater war Tribun der Legio in Hispania. Und er hatte ein Stück Land, etwa einen Tag mit dem Pferd von Tarraco entfernt, zwei Tage zu Fuß, wenn man der Straße nach Nordwesten folgt, und dann nach Westen abbiegt.“ Ihr Blick wurde etwas glasig, als sie sich daran erinnerte. “Eine villa rustica, nichts besonderes. Ein bisschen Getreide, ein wenig Wein, Schafe, Ziegen. Viel Wald. Und ein Bach.“ Axilla lächelte verträumt und traurig, und versuchte dann, die Erinnerung wegzublinzeln. “Ich lebte da, bis ich fünfzehn war. Und du? Aus deinem 'auch' schließe ich, du kommst auch aus Hispania?“ Der einfachste Weg, von sich selbst abzulenken, war, etwas zu fragen. Also fragte Axilla.

    Axilla stapfte sich ihren Weg hinaus. Sie war doch aufgebrachter, als sie zugeben wollte. Dieser komische Kerl hatte sie veralbert! Und zwar nicht gerade wenig. Wie konnte der nur all diese Frage stellen? Als ob man einfach so selber bestimmen könnte, was Recht und was Unrecht ist, richtig und falsch. Gut und Böse! Für Axilla war das etwas Absolutes und Unantastbares. So wie Tag und Nacht! Da konnte man ja auch nicht einfach hergehen und sagen, da entschied man jetzt selber darüber, ob es jetzt Tag war oder Nacht. Und genauso wenig konnte man einfach selber die Regeln der Gesellschaft bewerten. Die Welt war nunmal so, wie sie war. Da konnte man nicht einfach hergehen und sagen, das wäre alles ganz anders!
    Es gab nur eine einzige gute Sache an dieser ganzen Begegnung: Ihre Übelkeit war vergessen.


    “Du musst ihn wirklich beeindruckt haben“ hörte sie amüsiert schräg hinter sich ihre Nachbarin, die im Gegensatz zu ihr Richtung Ausgang beinahe tanzte.
    Axilla blieb stehen und sah sie etwas konsterniert an. “Diesen unmöglichen Kerl? Ist mir egal, ob der beeindruckt ist.“, blaffte sie, auch wenn ihre Nachbarin nun unverdienterweise ihren Zorn abbekam.
    Doch diese lies sich davon gar nicht weiter beeindrucken. Die schaute nur einmal kurz und kicherte dann belustigt. “Oh, Iunia, Iunia. Du weißt gar nicht, wer das war, oder?“
    “Nein, weiß ich nicht“, gab sie zu. “Aber es interessiert mich auch ehrlich gesagt gar nicht. Das war ein unmöglicher, selbstgefälliger Kerl, der... der... du kannst dir ja nicht vorstellen, was der mich gefragt hat!“
    “Oh, er wollte mit dir schlafen?“ Es klang irgendwie eifersüchtig. Was Axilla dann doch etwas verwirrte, wo ihre Nachbarin doch heute genau den Kerl auch gekriegt hatte, den sie zwischen ihren Schenkeln hatte haben wollen.
    “Nein, das nicht. Aber er... er... ach, er ist... so...gnnnnn.“ Axilla machte eine Geste mit ihren Fäusten, als wolle sie den Kerl am liebsten erdrücken. Und in gewisser Weise stimmte das auch, sie hätte ihm den Hals umdrehen können.
    Doch ihre Nachbarin grinste nur noch mehr und kicherte vor sich hin. Sie schloss zu Axilla auf und legte ihr einen warmen Arm um die Schultern rüttelte einmal fast schon schwesterlich an ihr und gab ihr sogar unvorbereitet einen Kuss auf die Stirn, was Axilla noch mehr verwirrte als alles andere. “Manchmal vergess ich, wie jung du bist.“
    “Ich werde zwanzig!“ Das war wirklich nicht mehr jung zu nennen.
    Aber Axillas Nachbarin lachte nur noch einmal auf, hakte sich bei ihr ein und schlenderte so Arm in Arm in Richtung Ausgang.


    Im Verstibulum warteten sie dann auf ihre Mäntel, die ein geflissentlicher Sklave ihnen heraussuchte. Bis dahin hatten sie nun in Schweigen verharrt, aber irgendwie nagte das Ganze doch an Axilla, und dieser komische Kerl ließ sie nicht ganz los. Während sie also so dastanden und auf ihre Mäntel warteten, und nachdem Axilla sich wieder auf der Unterlippe herumgekaut hatte, hielt sie es doch nicht mehr aus und fragte also. “Na schön. Wer ist der Kerl?“
    Ihre Nachbarin grinste sie auf eine Art an, die Axilla nicht so ganz gefallen wollte. “Oh, also interessiert er dich doch?“ stichelte sie kurz und erntete dafür von Axilla einen angenervten Blick. Mit einem leichten Lachen fuhr sie daraufhin fort: “Das war Axius Lucro. Ritterstand, aber hat keinen offiziellen Posten. Und.... und hierbei wurde ihre Stimme leise und geheimnisvoll “...er steht dem Kult des Liber Pater vor.“


    Axillas Blick wurde noch eine Spur entsetzter, doch in diesem Moment kam auch schon der Sklave mit den Mänteln, und sie unterließ jede weitere Diskussion jetzt und hier, was ihre Nachbarin mit dem Kult des Bacchus zu tun hatte. Und warum dessen Kultvorsteher offenbar ein Interesse an ihr hegte!
    In ihren Mantel gehüllt, die Kapuze hochgezogen und das Gesicht noch immer verdeckt stieg sie schließlich in die Sänfte, die sie nach Hause bringen sollte.

    Ein Bote brachte einen Brief zur Villa Terentia.



    Ad
    Pontifex pro magistro
    M. Tiberius Durus



    Iunia Axilla M. Tiberio Duro s.d.


    Es freut mich, dir und dem Collegium Pontificum mitteilen zu können, dass die Arbeiten am Templum Martis ultoris abgeschlossen sind und das Bauwerk wieder in seiner alten Pracht erstrahlen kann. Mir und auch meinem Architekten wäre es eine große Freude, wenn wir dich oder einen deiner Gesandten zur Bauabnahme begrüßen dürften, auf dass du oder ein anderer aus dem ehrwürdigen Collegium sich von der Vollständigkeit der Arbeit überzeugen kann.
    Sofern du es wünscht, steht dir Kephalos auch selbstverständlich für Rückfragen zur Verfügung. Teile mir in diesem Fall bitte einen Termin mit, an dem er – oder auch ich, nach deinem Belieben - dich aufsuchen kann. Zu diesem Punkt wäre es auch statthaft, die Fragen der noch ausstehenden Bezahlung zu klären.


    In freudiger Erwartung einer Antwort.


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    Sim-Off:

    Huch, total übersehen. Peinlich. Asche auf mein Haupt.


    Wie er sie kannte? Axilla sah wieder zurück zu Imperiosus und errötete leicht. Diese Unterhaltung hatte etwas ungewöhnlich Vertrautes an sich, und es war ein merkwürdiges Gefühl, diese Sicherheit und – nun ja – Vertrautheit zwischen ihnen. Eigentlich kannte Axilla Imperiosus kaum. Sie waren zwar auf dem Schiff von Alexandria nach Rom zwei Wochen direkt beieinander gewesen, aber Axilla hatte sich die meiste Zeit übergeben und Imperiosus die meiste Zeit mit den Matrosen gezecht und gespielt. Und in Alexandria hatten sie sich ja auch nur ein paar Mal unterhalten. Und dennoch schätzte er ihre Lebhaftigkeit ein, und das Urteil schien sehr positiv auszufallen, obwohl Axilla wohl lebhafter war, als einer römischen Matrone angemessen.


    Sie wusste nicht so recht, was sie darauf antworten sollte. Also begnügte sie sich mit diesem errötenden Lächeln und sah wieder hinaus aus dem Fenster und in den Garten. Es war ein wirklich sehr, sehr schöner Ausblick. Und auch der Ausblick auf ihre Zukunft war einerseits beängstigend, andererseits auch wundervoll sicher. Zum ersten Mal seit langer Zeit würde Axilla wieder sicher sein.


    “Heute abend?“ holte sie die Frage von Imperiosus wieder aus ihren Gedanken, und ihr Blick löste sich wieder von dem Grün. Ihr fiel Impis Cousin und seine Läuse wieder ein, und erneut fühlte sie so eine Art Phantomjucken. Instinktiv kratzte sie sich am Arm. “Ähm, also... ich würde sehr gern mit dir essen, aber ich weiß nicht, was dein Vetter davon halten würde. Wir hatten ja nicht unbedingt einen guten Start. Und ich weiß nicht, ob das da so gut wäre...“

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    Die Balken des Daches waren an Ort und Stelle, und mit Konterlattung versehen wurden die Dachziegel wieder einer nach dem anderen verlegt, fein säuberlich Reihe für Reihe. Von den alten Ziegeln konnte der Großteil erhalten werden, so dass nur ein geringer Teil ersetzt werden musste. Und nachdem Kephalos einen Händler aufgetan hatte, der tatsächlich ihm Ziegel liefern konnte, und diese nicht für den Curator operum publicorum reserviert hatte, der scheinbar halb Rom neu eindecken wollte, konnte es auch vollständig wieder gedeckt werden. Sogar das Wetter spielte mit und blieb trocken und sonnig, so dass sie hier nicht mit Schaffellen hastig die entstandenen Löcher abdecken mussten, um das Wasser am Eindringen in das Gebälk zu hindern.


    Und auch das Loch in der Tempelküche war erst immer weiter geschrumpft und schließlich ganz geschlossen, und nach einer weiteren Woche des Wartens konnte auch auf der festgestampften Erde wieder gefliest werden. Die Balken zur Unterstützung der Wände wurden wieder herausmontiert und abtransportiert. Ebenso wie der Kran vor dem Gebäude abgebaut und wieder zurück in Kephalos' Heim- und Werkstatt getragen wurde.
    Die Tempelküche wurde nach dem gründlichen Säubern wieder eingeräumt und konnte ihren Betrieb wieder aufnehmen.
    Die Tagelöhner erhielten ihren Lohn für die geleistete Arbeit, jeder einzeln von Hand vom Meister selbst bezahlt. Kephalos fand so etwas wichtig, den Männern, die für ihn arbeiteten, abschließend selbst das Geld zu überreichen und so zum einen ihnen für ihre Arbeit zu danken, auf der anderen Seite aber noch einmal deutlich klarzustellen, durch wen sie Arbeit gehabt hatten.
    Mit den Steinmetzen hatte sich Kepahlos schließlich so geeinigt, dass diese für ihre Arbeit die alten Marmorstücke behalten durften – plus eines wahrlich geringen Obulus als Direktbezahlung an die Gehilfen der Steinmetze, den Kephalos auch eigenhändig jedem einzelnen übergab. Vermutlich würden die Männer aus dem eigentlichen Bauschutt noch herrliche kleine Skulpturen bauen und damit zehnmal soviel einnehmen, als sie für ihre Arbeit erhalten hätten. Kephalos wusste, dass sie ihn über den Tisch gezogen hatten. Aber andererseits konnte er mit dem Marmor nichts anfangen, und er musste die Männer ja mit irgendwas bezahlen. Und da war ihm der Spatz in der Hand – die jetzige Schuldenfreiheit – lieber als die Taube auf dem Dach – die Aussicht, den Marmor vielleicht teurer verkaufen zu können. Oder eben auch nicht.



    Und damit war es fertig. Die Statue auf dem Platz, das Dach, die Treppe, die Küche... alles fertig und bereit, dem kriegerischen Gott erneut zur Ehre zu gereichen. Kephalos schritt das gesamte Areal noch einmal ab, ob er auch nichts übersehen hatte. Aber nicht einmal mehr ein Holzsplitter oder Sandkorn zeugte von der Renovierungsarbeit der letzten Wochen. Alles war erledigt. Er hatte es geschafft.

    “Ach, beeindruckt würd ich bei dem Kratzer jetzt nicht sagen“ stichelte Axilla zurück. Wobei besagter Kratzer ganz schön blutete. Vielleicht hätte der Hoplomachus etwas mehr Gerstebrei essen sollen, um etwas mehr Speck auf den Rippen zu haben. Der blutete nicht so. Ein ganz klein wenig machte sich Axilla schon Sorgen.
    Allerdings lenkten sowohl ihr Wettpartner als auch der Kampf sie ja von weiteren Grübeleien gut ab. Offensichtlich hatte der Speer des Hoplomachus das Scutum seines Gegners nicht nur getroffen, sondern hatte es fast durchschlagen, so dass die beiden Waffen nun miteinander verhakt waren. Der junge Mann forderte den Murmillo schon lautstark auf, das zu tun,was wohl das einzig richtige war: Die Chance nutzen und den Hoplomachus anzugreifen, bevor dieser sein Kurzschwert ziehen konnte. Aber irgendwie hörte der nicht Axillas Wettpartner, sondern hielt sich nur stur an seinem Schild weiter fest und zerrte daran herum, stocherte aussichtslos mit seinem Schwert ins Nichts. Wie wollte er denn mit dem Kurzschwert einen Gegner treffen, der über einen passus entfernt stand?


    “Was machst du denn da? Wirf den Schild weg und kämpfe! Das lernt schon jeder TIRO im ersten Monat! Schild plus Hasta gleich böse Dinge!“ Axilla konnte sich das Rumgeziehe da unten auch kaum anschauen. Und was machte der Hoplomachus? Anstatt den blöden Stecken da zu lassen, wo er war, und sein Kurzschwert aus der Schildhand in die Waffenhand zu nehmen, und den verdammten VORTEIL zu nutzen, dass der Murmillo mit dem zusätzlichen Gewicht an der Schildhand wohl kaum vernünftig würde blocken können – immerhin benutzte die Legion aus genau diesem Grund ein Pilum, eben weil mit viel Gewicht so ein Schild untragbar wurde – was machte der Hoplomachus da? Tanzte Ringelrein mit dem Murmillo und zog und zerrte am Speer so lange, bis er ihn wieder frei hatte und zurücktaumeln konnte.
    Axilla starrte recht fassungslos auf das Schauspiel, das sich ihr bot. Gleich verlangte der Hoplomachus noch eine Pause, so wie er jetzt schnaufte. Aber was lieferte sich dieser Hornochse auch einen Zweikampf um diese depperte Hasta?


    “Hm?“ machte sie im ersten Moment nur auf die Frage des jungen Mannes. Vor lauter Ärgern über das Rumgezerre da unten hatte sie ganz vergessen, auf ihn zu achten, und musste kurz überlegen, was er gesagt hatte. “Oh, achso. Ja, die sind wirklich vom Ludus Magnus. So komisch das auch grad aussehen mag.“ Sie fragte sich immernoch, warum der Murmillo nicht einfach das Schild weggeworfen und den Hoplomachus mit bloßer Masse und der Waffe in der Hand überwältigt hatte. Das wäre doch DIE Gelegenheit gewesen. “Ich glaub, in der Legio würden die beiden heute Abend wenn nicht ausgepeitscht werden, dann auf jeden Fall Latrinen ausheben.“ Erst folgte auf die Worte ein schiefes Grinsen, das dann doch in einem peinlich berührten endete, begleitet von einem Beiseite-Gucken. Saß sie grade ernsthaft im Theatrum Flavium und erklärte einem Wildfremden, was man mit ungeschickten Kerlen, die ihre Aufgaben nicht erfüllten, bei der Legio anstellte? Sie als Frau?


    Am besten, sie tat das, was sie in so einem Fall immer tat: Sie redete einfach weiter, als wär nichts gewesen, und versuchte ihr Gegenüber mit viel Charme und noch mehr Worten einfach zu verwirren, bis der Gesprächspartner so verwirrt war, dass er den eigentlichen Fauxpas vergessen hatte.
    “Und nein, ich kenne Mactator nicht. Welcher Klasse gehörte er denn an? Auch Murmillo? Ich bin erst seit... im Frühjahr sind es zwei Jahre, die ich in Rom bin. Und davor hab ich nie wirklich Gladiatorenspiele gesehen. Außer einmal, als mein Vater mich nach Tarraco mitgenommen hat. Da gab es Spiele, oh, und ein Wagenrennen. Ist aber schon eine Weile her.“ Kurz schweiften Axillas Gedanken ab zu jenem Tag. Sie war nicht alt gewesen. Vielleicht zehn. Vielleicht etwas jünger. Sie wusste noch, dass sie bei einem Freund ihres Vaters in der Stadt gewohnt hatten. Es war wunderschön für sie gewesen. Nicht wegen des Abenteuers, sondern einfach, weil sie viel mit ihrem Vater beisammen gewesen war. Er war fast zwei Wochen daheim gewesen.


    Sie merkte, wie ihre Gedanken abdrifteten, und ergriff die Gelegenheit, dass der Mann gerade seinen Sklaven losschickte, etwas zu kaufen. “Oh, kannst du mir bitte auch etwas mitbringen. Irgendwas süßes, egal was.“ Sie fragte Malachi nach ihrem Beutel. Der Gladiator trug ihn für sie, das war Axilla lieber. Am Kleid konnte man den nicht so gut einfach irgendwo in eine Falte stecken, und er wurde weniger wahrscheinlich angerempelt und beklaut als sie. Als er ihn ihr reichte, fischte sie etwas Silber heraus und drückte es Delon in die Hand. Irgendwas süßes würde dafür schon zu haben sein.
    Dass sie sich hier frecherweise den Sklaven eines anderen „ausborgte“, bemerkte sie noch nicht einmal wirklich.

    Immer mehr Kleidung musste dem Verlangen weichen. Axilla hörte das Reißen der teuren Seide, und doch störte es sie nicht. Ihretwegen hätte Vala sie ihr mit den Zähnen vom Leib reißen mögen und zu winzigen Fetzen zerstückeln, es war ihr gleich, solange sie nur endlich endlich ganz bei ihm sein konnte, seine Haut auf ihrer fühlen, seine Wärme, seine Berührung. Im Garten hätte schon kniehoch der Schnee liegen müssen, als dass sie etwas anderes hätte wollen können.
    Schließlich, endlich konnte sie seine Haut fühlen, und wie im Rausch fing sie an, ihn zu küssen, bisweilen gar zu beißen, wenn das Verlangen nach ihm zu groß wurde und ihr Körper die Spannung anders nicht auszuhalten schien. Aber sie wollte ihn, ihn fühlen, ihn riechen, ihn schmecken. Ihn atmen! Bereitwillig ließ sie sich von ihm zu Boden dirigieren. Nur kurz flackerte noch ein kleiner Zweifel durch ihren Blick, als er sie das erste Mal nackt betrachtete. Doch nicht ob der Situation. Axilla wusste, dass das hier vom gesellschaftlichen Standpunkt aus gesehen vollkommen falsch war, und genauso wusste sie, dass es ihr vollkommen egal war, dass sie das hier wollte und sonst nichts in diesem Leben. Nur fühlte sie Unsicherheit, ob sie, nach all der Zeit des Wartens, des Hoffens und Nicht-hoffen-Wollens, für ihn auch wirklich genug war. Ob sie ihm gefiel.


    Es dauerte keine drei Herzschläge, ehe sie Gewissheit darüber hatte, als er zu ihr kam, um ihren Körper mit Händen und Lippen zu erforschen. Bereitwillig bog sie sich ihm entgegen, zog ihn zu sich, ließ ihn nur ungenügend unterdrückt wissen, welche seiner Berührungen ihr Blut noch mehr in Wallung brachten als ohnehin schon. Das Tier in ihr hatte die Kontrolle übernommen, so lange sorgsam eingezwängt in das Korsett aus Moral und Verpflichtung, dass es jetzt seine Freiheit umso mehr genoss. Und es kannte keine Worte, brauchte keine Worte für das, was hier geschah. Es wollte nur den Moment, den Genuss und das Gefühl auskosten, und diesen Mann hier vor Axilla, mit jeder Faser seines Seins.
    Und so war es für Axilla schwer, dieser nach Erfüllung lechzenden Seite wieder soweit Zügel anzulegen und sie in ihre Schranken zu weißen, um der Frage des Germanen mit mehr als einem tiefen, kehligen stöhnen zu antworten. Sie keuchte, sah schuldbewusst kurz an sich herab und schmiegte sich nur noch enger an Vala, um die Stelle seinem blick zu entziehen. Sie wollte doch perfekt sein für ihn.
    “Ich war ein Kind..... und bin auf einen Baum geklettert“, ihre Stimme überschlug sich fast vor Lust, als sie weiterhin seine Lippen an ihrem Hals fühlte. Bereitwillig reckte sie ihren Hals, als präsentiere sie ihm ihre Kehle, auf dass er nur zum tödlichen Biss ansetzen musste. “Ein Ast gab nach, und ich bin... darauf gefallen.“
    Ein anderer Baum, ein anderer Ast. Axillas Blick fiel auf den Ast, der Vala vorhin auf den Kopf gefallen war. Vielleicht stimmte es, was ihr Vater gesagt hatte, und sie war wirklich mehr den Nymphen zugehörig als den Menschen. Egal, wie es auch war, welcher Geist, welche Manifestation des Göttlichen oder des Schicksals auch gerade diesen Ast hatte brechen lassen, Axilla liebte es dafür. So aufrichtig, wie nicht einmal Plato es sich hätte vorstellen mögen.


    Ihre Lippen suchten sich wieder einen Weg zu seiner Haut, ihre Hände unterstützten den Mund dabei, führen über Valas Körper. Er hatte viele Narben, nicht nur eine. Und dennoch war er für Axilla so perfekt, wie er nur hätte sein können. Das Tier in die Schranken verwiesen – zumindest für den Moment – kam sie aber erstmals dazu, sie richtig zu bemerken. Ihre Finger fuhren über einige, die sie noch nicht gekannt hatte vom Tiberhafen. Die noch nicht so alt waren wie manch andere, noch nicht so verwachsen und erstarrt. Ihr Blick blieb darauf heften, und ein unbändiges Gemisch aus Wut und Angst befiel sie. “Die, die das getan haben?“ fragte sie, auch wenn sie damit das, was sie begehrte, noch weiter verzögerte. Aber die Frage drang so heftig in ihren Geist, beflügelte das Tier, das sich wild knurrend irgendwo hinter ihrer Stirn zum neuerlichen Angriff formierte, sie musste sie stellen. “Sind die tot?“

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    Zwei Tage später – nachdem der erste Balken richtig saß und anständig verzimmert war – folgte auch der zweite Balken auf dieselbe Weise. Freisegen, vorsichtig herablassen, zersägen und verkaufen, und im Anschluss den neuen Balken schönen dunklen Holzes in die Höhe ziehen und dort verzimmern. Kephalos war durchaus zufrieden, wie sauber und schnell die Arbeiten am Dach voranschritten.


    Auch das Loch in der Tempelküche füllte sich mehr und mehr, durch die Ruhephasen zur Verdichtung des Bodens allerdings dauerte das ganze länger als der eigentlich viel kompliziertere Eingriff am Dach des Tempels. Dennoch war auch hier ein Ende in Sicht. In wenigen Tagen würde man hier wieder neu verfliesen können und anschließend die Tempelküche wieder einräumen, auf dass die Innereien der Tiere den Göttern zu ehren gekocht und anschließend verbrannt werden konnten, ohne auf die Behelfsküche, die hinter dem Tempel aufgestellt worden war, zurückgreifen zu müssen. Kephalos war sich sicher, dass der Aedituus des Tempels diesen Zustand eher heute als morgen herbeisehnte.


    Das größte Hochgefühl beschlich den Griechen aber, als der Steinmetzmeister ihm erklärte, sie hätten die Arbeit fertig gestellt und könnten nun mit dem Austausch der Treppenstufe und der Bodenplatte beginnen. Das Pferdeohr war bereits mit einem Metallstift vorsichtig am Kopf der Statue befestigt worden und mit aus dem abgeschlagenen Marmor fein zermahlenem Kies als Mörtelmasse verklebt worden. Natürlich sah man den Riss noch. Zaubern konnte Kephalos auch nicht, und der Steinmetz erst recht nicht. Aber immerhin hatte das Pferd wieder zwei Ohren, die hielten! Und wenn man nicht zu genau hinsah, bemerkte man es auch nicht.
    Mit viel Muskelkraft und einem Stemmeisen wurde also die alte Treppenstufe des Tempels gelockert und mit noch mehr Vorsicht, um ja nichts an den umliegenden Platten zu beschädigen, aus der Treppe herausgelöst. Hier war es jetzt aber Kephalos selbst, der ein Auge auf das alte Material hatte, denn ob in der Mitte zerbrochen oder nicht: Das war Luna-Marmor, so rein und weiß wie unschuldiger Schnee. Und genug davon, dass er noch immer wertvoll war, auch wenn er nicht für eine große Statue oder Büste reichen mochte. Kephalos würde schon jemanden finden, der ihm den Marmor abnahm. Vermutlich sogar der Steinmetz hier selbst, der ja auch nicht dumm war. Andernfalls hätte Kephalos ihn kaum mit diesem Auftrag beehrt.


    Die neue Stufe wurde ganz vorsichtig eingepasst mit Hilfe der Gehilfen des Steinmetzes und denen von Kephalos selbst. Das Material war so teuer, das – egal, wie schweißtreibend die Arbeit auch war – der Architekt daran keinen Tagelöhner lassen wollte. Das hier war wie eine Geburt. Auch wenn es mit jedem Dilettant wohl ging, waren erfahrene Hände vorzuziehen.
    Es dauerte gewiss eine Stunde des vorsichtigen Rückens und Einschlämmens mit feinem Sand, der dem Marmor ermöglichte, in das entstandene Loch zu gleiten und dort fest mit den restlichen Stufen zu verschmelzen. Immer wieder wurde Sand und Wasser nachgegossen, damit der Stein nicht auf den anderen kratzte, bis er schließlich und endlich an seinem Platz saß, und kein Zehntel digitus mehr hätte bewegt werden können. Der Steinmetz hatte wirklich ganze Arbeit geleistet. Kephalos war so euphorisch, dass er dem Mann ganz überschwänglich die Hand schüttelte und ihn beinahe noch umarmt hätte. Es war geschafft! Das wichtigste war geschafft!

    Die erhoffte Ablenkung hielt weniger lang an als erwartet, auch wenn der junge Mann sie fröhlich angrinste und auf ihre Wette einging. Nur das erhoffte Gespräch blieb irgendwie aus, denn er widmete fast sofort seine Aufmerksamkeit wieder den Kämpfern. Eigentlich auch völlig logisch, eben deshalb hatten sie ja gewettet. Und was sollten sie auch groß miteinander reden? 'Oh, schönes Wetter heute, nicht wahr?' 'Ja, nicht so heiß wie vor drei Wochen' 'Ja, genau, schon viel kühler und angenehmer'....
    Axilla schüttelte die frustrierenden Gedanken beiseite und versuchte sich auf den Kampf zu konzentrieren. Der fing gleich erstmal mit einem bisschen Blut an, auf Seiten des Murmillos. Axilla zog kurz die Luft ein, als sie das Rot sah. Vermutlich nicht mehr als ein Kratzer, dennoch war das erste Blut geflossen, und die geifernde Menge um sie herum nahm es mit Freuden an. Ihr Wettpartner eher weniger, der ein Wort dabei ausstieß, was sie schon seit ewiger Zeit nicht mehr gehört hatte. Das letzte Mal, als sich ein Sklave einen Hammer hatte auf den Fuß fallen lassen, damals noch in Hispania. Das war Ewigkeiten her. Axilla hatte es ganz vergessen. Und sie wäre nie auf die Idee gekommen, sich gerade heute unter diesen Umständen daran zu erinnern.


    Der junge Mann versuchte, die Menge zu einem Aufmunterungsgesang zu bewegen, um die Kämpfer anzufeuern. Allerdings machte ihm der summa rudis, der oberste Schiedsrichter, da einen Strick daraus, denn der kam zu den beiden Kämpfern gelaufen und redete auf sie ein. “Was ist passiert? Hat einer gegen die Regeln verstoßen?“ fragte Axilla ihren Custos Corporis neben sich. Doch der zuckte nur die Schultern, als wisse er es selber nicht. Die Reaktion der Leute um Axilla herum aber zeigte, dass die das auch nicht so ganz verstanden. Irgendwo rechts von ihr fing einer an zu singen. “Schiri, wir wissen wo deine Sänfte steht...“
    Axilla musste kichern, just in dem Moment, als der junge Mann sich wieder ihr zudrehte und meinte, der Kratzer halte seinen Murmillo nicht auf. “Oh, noch ist der Kampf nicht vorbei“, meinte sie keck zurück. “Der Hoplomachus scheint nicht so beeindruckt.“


    Wobei Axilla einen Moment später ihre große Klappe schon beinahe verfluchte, als der Murmillo mit einem geschickten Vorstoß die Verteidigung des Hoplomachus durchbrach und ihn am Schildarm erwischt. “Oh, Mann! Nutz doch deine Reichweite!“ schimpfte sie dem Hoplomachus entgegen, obwohl der das auf die Entfernung in dem ganzen Stimmengewirr wohl kaum hören würde. Trotzdem sollte der Mann besser seine Stärken auszuspielen wissen, fand Axilla. Auch wenn sie insgeheim trotz der Wette dem Murmillo aufgrund dessen Aufmachung den Sieg mehr gönnte. Auch wenn das hieß, dass sie hundert Sesterzen verlieren würde.
    Sie lächelte wieder dem jungen Mann entgegen. “Das war nur ein Glückstreffer“, erklärte sie lächelnd. “Du wirst schon sehen, gleich wird... AH! Treffer!“ Von dem heftigen Stoß auf den Schild des Murmillos abgelenkt vergaß Axilla, was sie eben hatte sagen wollen. Es war irgendwas kokettes gewesen, aber jetzt war es weg. Und ihre Aufmerksamkeit für den Moment auf das Ziehen und Zerren um den Schild des Murmillos gefangen. Dass der das Schild mit diesem zusätzliche Gewicht noch so festhalten konnte... der musste wirklich sehr kräftig sein. Axilla war aufrecht beeindruckt.

    Im ersten Moment hatte Axilla schon gedacht, etwas falsch gemacht zu haben. Die Frage verwirrte sie, und bar jeder Antwort schaute sie Vala einfach nur an, sah dem Wechselspiel von Licht und Schatten in seinen grauen Augen zu, dieser Mischung aus Verwunderung und etwas anderem, bei dem Axilla sich nicht sicher war. Lust, oder vielleicht auch Freude. Aber sie traute sich nicht, es als das zu sehen, aus Angst, von diesem Gedanken so empor gehoben zu werden, um doch noch tiefer zu stürzen als je zuvor nach ihren Begegnungen mit dem Germanen.
    Und so war es eine gefühlte Ewigkeit des Schweigens zischen ihnen, in denen Axilla einfach nur stumm dastand und nicht wusste, in welche Richtung sie weiter schreiten sollte, um an ihr Ziel zu gelangen. Sie wünschte sich gar nicht viel. Nur einen Moment, einen einzigen Moment des Glücks, ohne Sorge, ohne Gedanken. Einen Moment Freiheit. Einen Moment im Traum. Nur genug, um ein wenig Hoffnung in die raue Wirklichkeit hinüber zu retten. Nur ein kleines bisschen.


    Und dann, ohne dass Axilla gewusst hätte, wie oder warum – und ohne sich darüber weitere Gedanken zu machen – zog Vala sie an sich. Und die ganze Schwere der Welt schien von Axillas schmalen Schultern in diesem Moment zu fallen. Sie war im Traum, in einem süßen faunschen Traum, und egal, was passieren würde, egal, was auch weiter geschehen würde, sie wollte jede Sekunde davon in sich aufnehmen wie einen Schatz.
    Sie fühlte seinen Körper durch den Stoff ihrer Haut, seinen Atem auf ihrem Gesicht und ihrem Hals. Sie sah einfach nur zu ihm hoch mit halb geschlossenen Augen, blickte schweigend in seine grauen Augen. Ihre Hände lagen an seiner Brust, fühlten seine Muskeln durch den Stoff, bis das Zittern ihres Körpers soweit zunahm, dass sie meinte, es würde ihren Körper zerreißen. Er war ihr so nah, dass sie jede Bewegung fühlen konnte, jeden Atemzug. Jede Narbe. Ihre Hand lag auf der Stelle, wo sie ihn vor so unendlich langer Zeit einmal unvorsichtigerweise berührt hatte, damals am Hafen. Der Splitter eines Speeres... schoss es ihr durch den Kopf, als ihre Hand über die Stelle strich. Sie hatte es nicht vergessen.
    Sein Duft stieg ihr in die Nase wie ein Aphrodisiakum. Warme Haut, vielleicht Leder, vielleicht Eisen, definitiv MANN. Axilla wollte ihn nie verlieren. Am liebsten hätte sie sich wie ein Katze ihren Kopf an ihm gerieben, und ihn an sich zu haben, an ihrer Kleidung, ihrer Haut, um aller Welt für immer und alle Zeit zu sagen, dass sie ihm gehörte. Und er ihr. Wenigstens für einen Augenblick, so flüchtig wie dieser Duft.


    Als er sie endlich erlöste, sie noch mehr an sich zog und küsste, brach etwas in Axilla sich seinen Weg frei. Es war, als wäre eine Kette tief in ihrem Innersten gerissen und hätte etwas losgelassen, das um so vieles älter war als sie. Machtvoller. Dunkler. Vergessen war, dass hier noch Sklaven um sie herum standen. Vergessen der Garten. Vergessen, wer und was sie war. Vergessen ihre Verlobung. Vergessen irgendwelche Folgen. Alles was zählte, alles was existierte, war dieser Mann hier vor ihr, den sie mit einer nie erlebten Leidenschaft zurückküsste. Den sie an sich zog, gegen den sie ihren Körper schmiegte. Der definitiv zu viel Kleidung noch anhatte!
    Ohne den Kuss zu unterbrechen, löste sich eine ihrer Hände, suchte nach einer Fibel, nach seinem Gürtel, nach irgendwas, das diese unsägliche Barriere zwischen ihnen beiden entfernen würde. Schließlich zog sie am Stoff selbst, diesem unbändigen Verlangen in sich in aller Deutlichkeit nachgebend. Sie wollte nur noch seine Haut auf der ihren spüren.

    Finde ich aber auch suboptimal. Zum einen muss dann der arme Postler jedes Mal die SL nerven, damit die würfelt, ob denn der Brief ankommt oder nicht, (oder die SL darf nach jedem geposteten Brief da das Ergebnis dazuposten, was die sicher auch "freuen" dürfte :D ). Und zum anderen führt das dann eher dazu, dass Leute die Briefe, die ankommen sollen, per PN schicken und der Empfänger die dann jeweils postet, wie er den BRief grade liest, um das zu umgehen, und der ganze Sinn und Zweck ist ad absurdum geführt. Weil mal ehrlich, willst du jeden abstrafen, der nciht den CP benutzt? Machen ja jetzt schon lange nicht alle.


    Und - da geb ich Serapio recht - es schneidet schon auch in die Selbstbestimmung der ID's ein. Gut, kann man anführen, dass es auch nichts anderes ist, wie wenn eine Gottheit sich irgendwo einmischt, das zerstört manche Schwangerschaftspläne auch schonmal (wobei man da auch abseits von göttlichem Eingriff das gewünschte Endergebnis forcieren kann). Dennoch würde sowas meiner Meinung nach nur dazu führen, dass die SL sich mit noch mehr Geheule rumschlagen darf, während ich einen wirklichen Zugewinn jetzt nicht wirklich sehe. Klar, historisch gingen schonmal Briefe verloren. Historisch gingen auch Schiffe unter und die Leute erkrankten an allem möglichen Blödsinn und starben daran. Deshalb hoff ich trotzdem, dass Pluto jetzt nicht einen Tobsuchtsanfall kriegt und mal die Sterberate der historischen ein wenig anpasst :D

    Wenn ich das richtig sehe, gibt es in Ägypten grade keine ID, die dafür zuständig ist. Und auch keine in Germania. Im Moment sind du und Avarus die einzigen ID's im gesamten CP, wenn ich jetzt nicht jemanden komplett übersehe. Von daher sollte das vielleicht besser kommuniziert werden, wenn jeder nur strikt seinen Aufgabenbereich macht und der Rest liegen bleibt. Zumindest mit der SL sollte das dann kommuniziert werden, was in so einem Fall passiert.

    Hmm, ich überleg grad, wie man das wohl diplomatisch formulieren kann, was ich sagen will, aber ich weiß nicht, ob ich das hinkrieg. Also folgendes nicht auf die Goldwaage legen.


    Ich will jetzt auch niemanden angreifen oder die Idee als solche schlecht machen. Nur finde ich ganz persönlich, dass, wenn man einen SimOn-Posten annimmt, der mit SimOff-Arbeit verbunden ist (wie in diesem Fall das Zustellen der SimOn-Post), und dafür auch Woche für Woche 750 Sesterzen annimmt und sich auch sonst in der WiSim recht aktiv zeigt, also dieses Pixelgeld auch investiert und ausgibt zum eigenen Nutzen, dann hat man meines Erachtens auch die Verpflichtung, seine Aufgabe sorgfältig und gewissenhaft zu erledigen. Ich kann doch nicht Geld - auch wenn es nur Pixel in einer Programmmaske sind! - nehmen und nichts dafür tun?


    Und tut mir leid, und das folgende soll auch kein Angriff gegen dich sein, Aculeo, aber offensichtliche Mängel in der Ausführung eben jener SimOff-Arbeit jetzt als Absicht zu verkaufen, finde ich persönlich den komplett falschen Weg. Ich such mir ja auch keinen Posten, auf dem ich dann nur den Sessel warmhalte und nichts tue, im Gegenteil, ich persönlich mach sogar einige Sachen ohne Pixelgeld. Dann sollten die, die das Geld nehmen, ihre Aufgaben erst recht ernst nehmen und gewissenhaft durchführen.


    Wenn der CP damit im Moment überarbeitet ist, dann sollte man einen Aufruf starten, dass neue Mitarbeiter gesucht werden, oder eine bessere Bezahlung eingeführt werden etc.. Aber zu sagen "Ja, lass uns doch Post manchmal komplett vergessen, passiert ja jetzt auch schon, nur dann ist es Absicht!", das widerspricht meiner Auffassung von Pflichterfüllung.


    Just my 2 Cent

    Sie war eine Närrin! Wenn sie ihren Mund gehalten hätte, wenn sie nichts gesagt hätte, dieser Moment hätte perfekt sein können. Er war hier, bei ihr, hielt sie im Arm, küsste sie... und sie machte alles kaputt. Idiot, Idiot, Idiot! hallte es durch ihre Gedanken als Vorwurf an sich selbst, und als sie in Valas Gesicht sah, diesen Schmerz darin sah, als er sie schließlich losließ, war es schon beinahe zu viel für sie. Warum hatte sie nicht einfach den Mund halten können und den Göttern für diesen einen Moment danken können? Wollte sie denn unbedingt unglücklich sein?
    Er entzog sich ihrem Griff, und Axilla ließ den Stoff seiner Tunika los. Ihre Hand, jetzt ohne Ziel oder Daseinszweck, schlang sich um ihren Bauch, als könne sie den sich ausbreitenden Schmerz so eindämmen. Der andere Arm folgte, umschlang den zitternden Körper, und Axilla stand mit vor dem Bauch verschränkten Armen einfach da wie ein Häuflein Elend und sah Vala hinterher. Die zwei Schritte zwischen ihnen erschienen ihr eher wie die Meerenge von Gibraltar, sie auf der einen Säule des Hercules, Vala auf der anderen. In Sicht, und doch unerreichbar.


    Närrin!


    “Es tut mir leid...“, kam es noch gequälter von ihren Lippen. Wag es ja nicht, jetzt zu heulen! Sie versuchte, sich zusammen zu reißen und ruhig zu atmen. Wenn sie jetzt weinte, machte sie erst recht alles kaputt. Was auch immer das hier war, wie auch immer es entstanden war. Axilla verstand ohnehin nicht, was an diesem Abend anders war als an den vielen zuvor, an denen auch nie etwas passiert war. An denen Vala sich ihr auch immer und immer wieder entzogen und sie allein und tugendhaft zurückgelassen hatte. Jedes Mal war etwas dazwischen gekommen, und Axilla war sich sicher, dass es ihre Schuld war. Auch heute. Warum nur musste sie ihn von sich stoßen mit diesen Worten?
    “Ja, ich bin eine Iunia...“ murmelte sie noch und blickte zu dem Pan, der noch immer mild lächelnd hinter dem Germanen aufragte und in den Garten blickte. Und zum allerersten Mal wünschte sich Axilla beinahe, sie wäre keine Iunia.


    Wer sagt, dass es sich nicht schickt? hallte eine andere Stimme kurz durch ihren Kopf. Und die Frage erzeugte ein Echo tief in ihr, das zum ersten Mal einen Sinn zu ergeben schien. Tugend und Dignitas sagten ihr, sie sollte ihn gehen lassen und ein für alle Mal sein lassen, ihn vergessen. Aber jeder andere Teil ihrer Seele wusste, dass sie das nicht konnte, außer sie würde sich selbst tot gegenüber jeglichem Gefühl machen. Erwachsen.
    “Aber es ist mir egal, ob er glücklich ist“, hörte sie sich selbst sagen, und es war die reine Wahrheit. Sie mochte Imperiosus, sie wollte ihm nichts böses. Sie war froh, wenn er glücklich war. Aber sie liebte ihn nicht. Nicht so wie Vala. Auf den sie zutrat, nur einen Schritt, um wieder vor dieser Mauer zu stehen, die sie zwischen ihnen beiden durch dieses vermaledeite Versprechen gebaut hatte.
    Nur diesmal ließ sie sich nicht davon abhalten. Ein zweiter Schritt folgte, und ihre Hand legte sich zitternd und sanft auf seine Schulter. Sie wollte nicht, dass er jetzt ging. “Es ist mir egal, ob er glücklich ist“, wiederholte sie noch einmal, leiser und sich der Schwere der Worte bewusster.

    Seine Antwort folgte rasch, wenngleich nicht auf die Art und Weise, die Axilla erwartet hatte. Sie hatte schon gedacht, er würde Lachen über ihre einfältige Erklärung, oder doch noch wütend werden, wie er es für gewöhnlich tat, wenn sie etwas dummes oder unbedarftes sagte. Oder einfach nur weiter scherzen, ihr Garten wolle ihn umbringen, und ihr damit mehr schlechtes Gewissen einzureden, als er auch nur erahnte. Am liebsten wollte sie den dummen Baum eigenhändig fällen, hatte er den Duccier doch verletzt. Dummes Gestrüpp auch, das ihr nicht einmal das bisschen ruhige Zweisamkeit mit dem Germanen gönnte, nicht einmal einen vernünftigen, ruhigen Abschied, ehe er ans andere Ende der Welt vor ihr floh!
    Doch nichts dergleichen kam. Im Gegenteil. Er ergriff ihre Hand, und ungläubig schaute Axilla runter zu der Berührung, den Blick auf seinen Griff geheftet wie man sonst nur ein göttliches Wunder anstarren mochte. Zu gebannt, um weg zu sehen, und doch nicht glaubend, was man da sah. Ich träume, stand für Axilla mit einem Mal fest, da keine andere Erklärung hierfür gelten konnte, als Vala sie zu sich herzog und sie ihm perplex entgegenstolperte. Sie glaubte es auch noch nicht, als sein Finger sich unter ihr Kinn legte und es leicht anhob, als ihr Herz so schnell gegen ihre Brust hämmerte, dass sie meinte, er müsse es auch hören oder sogar sehen, und er sich diese Winzigkeit, die doch eine Ewigkeit war, zu ihr runterbeugte und sie küsste.


    Ein Schauer ging durch ihren gesamten Körper, so heftig, dass auch er ihr Zucken spüren musste. Ihre Knie wurden weich und wollten nachgeben, und doch stand Axilla da und ließ sich zitternd küssen. Es war anders als der Kuss in der Bibliothek, länger und irgendwie sanfter, als sie sich mit einer Hand an Valas Brust abstützte, sich an dem Stoff festhielt, als hätte sie Angst, er könne sie wieder so loslassen wie damals zwischen den Schriftrollen. Ihre Augen waren geschlossen und ihr Mund öffnete sich zaghaft dem seinen, sie schmeckte noch das Blut, und die Gans, und ganz leicht dahinter das Süßholz, das er so gerne kaute. Und sie küsste ihn einfach, hier mitten im Garten und in der Dunkelheit, und wusste nicht so recht, ob sie lachen oder doch lieber heulen sollte deswegen.


    Es hieß, die zweitgrausamste Strafe der Götter sei es, einem Menschen nicht zu geben, was er sich von Herzen wünschte. Aber die grausamste war es, wenn sie es gewährten. Und es war auch jetzt grausam für Axilla, die von diesem Moment so oft geträumt hatte, dass sie auch jetzt nicht wusste, ob sie wach war oder schlief, ihn hier bei sich zu haben, ihn zu schmecken und zu riechen, und dabei zu wissen, dass er gehen würde. Und dass sie ein Versprechen gegeben hatte, das sie nicht brechen würde können, um bei ihm zu sein. Sie unterbrach den Kuss und senkte den Kopf, schuldbewusst. “Ich heirate wieder“ schoss es aus Axilla heraus, die weiterhin ein anderes Versprechen ignorierte und Vala weiterhin festhielt. Sie konnte ihn nicht loslassen. Aber sie konnte ihn auch nicht anlügen.

    Im Grunde genommen mochte Axilla die Arena nicht besonders. Oh, sie mochte das Kämpfen der Gladiatoren, die blitzenden Schwerter, die Technik. Sie liebte es, den Kämpfern zuzusehen, zu sehen, wie sie Lücken in ihrer Verteidigung künstlich offen ließen, um einen Angriff zu provozieren, ihr Können, wenn sie diesen dann blockten und zum Gegenangriff ansetzten. Sie mochte auch die Regeln, die das ganze nicht nur ein Hauen und Stechen sein ließ, sondern ein wirklicher Kampf, der mitunter eine halbe Stunde lang sein konnte oder noch mehr. Sie mochte die Musik. Sie mochte den Sand und den Schweiß.
    Was sie nicht mochte, war das Sterben, weshalb sie nie zur Mittagszeit eine Vorstellung besuchte, wenn die Hinrichtungen stattfanden. Sie hatte ncihts gegen Blut oder gegen eine gerechte Strafe. Sie wollte nur nicht unbedingt dabei zusehen. Ihr genügte es, zu wissen, dass Brandstifter verbrannt wurden, um die Qualen ihrer Opfer nachzuempfinden. Ihr genügte es zu wissen, dass Mörder durch eine solche Klinge starben, wie sie sie gegen ihre Opfer geführt hatten. Sie musste da nicht zuschauen.


    Und was sie auch nicht mochte, waren die vielen Menschen um sie herum! Schon beim Einlass hatte Axilla sich erheblich beengt gefühlt, auch wenn Malachi direkt neben ihr die Leute davon abhielt, ihr zu sehr auf die Pelle zu rücken und die vielen Eingänge des Theaters dafür sorgten, dass nicht die gesamte Masse durch ein enges Tor gezwängt wurde. So hielt sie ihre Tessera nur dem Kontrolleur für ihren Eingang entgegen und nach einem kurzen Gang und einem kleinen Aufstieg in die Tribüne war sie im Grunde schon am Platz. Dennoch fand sie es hier schon fast zu voll, so viele Menschen auf einem Haufen waren ein Anblick für sich.
    “Sind auch Kämpfer des Ludus Dacicus dabei?“ fragte sie Malachi neben sich. Da er dort trainierte, musste er es ja wissen. Aber er schüttelte nur schweigend den Kopf. Schade, Axilla mochte die Kämpfer dort.


    Axilla sah zu der Loge des Editors, und im ersten Moment musste sie zweimal hinsehen ob des vielen Rots. Einen Augenblick lang hätte sie geglaubt, der Kaiser säße dort, allerdings verriet die Masse des Mannes dann doch den Vescularier hinter all dem Pomp. Und wenn sie noch genauer hinsah, erkannte sie noch eine weitere Gestalt bei ihm. Ein Schauer lief Axilla kalt den Rücken hinunter, als sie den Terentier direkt beim PU sah. Schnell sah sie beiseite und bekämpfte das flaue Gefühl in ihrem Magen durch Ignorieren.
    Und ein junger Mann eine Reihe vor ihr half ihr dabei, auch wenn das wohl nicht seine Absicht war. Er fragte nach einer Wette auf den Hoplomachus. Eigentlich mochte Axilla Murmillones lieber. Die hatten entfernt Ähnlichkeit mit Legionären – wobei sie aus demselben Grund Provocatores noch lieber hatte. Hoplomachi hingegen sahen doch eher aus wie Griechen aus den Erzählungen von vor hundert Jahren, bewaffnet mit Lanze und kleinem Rundschild. Doch in diesem speziellen Fall war ihr ihre eigene Ablenkung wichtiger als irgendwelche Sympathien. Und einhundert Sesterzen konnte sie sich für eine kleine Wette schon erlauben, da sie das ja nicht regelmäßig so machte. Das hieß im Zweifelsfall ein goldener Armreif weniger, und aus diesen machte sie sich ja sowieso nichts.
    “Ich!“ rief sie ihm also entgegen und ließ es fröhlich klingen. “Sofern du bereit bist, auch gegen eine Frau zu verlieren“, fügte sie etwas frecher noch hinzu und lächelte den Mann an, der nur wenige Jahre älter sein mochte als sie.

    Er lehnte ihr Hilfsangebot ab und stand langsam auf, schüttelte sich dabei noch den Rest an Holzstückchen und Krümeln von sich ab, um zur Wasserschale zu gehen. Axilla fühlte sich so dumm und einfältig, es überhaupt angeboten zu haben. Was hatte sie sich dabei denn gedacht? Dass ein gestandener Kerl nicht fähig wäre, sich selber um ein paar Kratzer zu kümmern?
    Sie hörte die nur halb unterdrückten Flüche hinter sich, wo Vala sich großzügig wusch, und erinnerte sich daran, dass sie noch immer kniete – und ihrem Kleid so vermutlich ein paar hübsche Grasflecken zuführte. Hör auf zu träumen, dumme Nuss, schalt sie sich selbst und versuchte explizit, nicht über Valas Aussage von vorhin nachzudenken. Etwas linkisch stand sie auf und klopfte sich das Gras vom Kleid, während Vala seine Bekanntschaft mit der Substanz schloss, die in einigen Jahrhunderten ein schlauer Kopf einmal Jod nennen würde. Nur brauchte Vala dazu bedeutend länger als Axilla fürs Aufstehen. Also stand sie da, bemüht, nicht nachzudenken, und kratzte sich verlegen am Unterarm. Sie sah zu Vala hinüber, wie er mit dem Wasser kämpfte, wie es an seinem Gesicht herablief und in seinen Kragen – und sie hoffte nur, dass Levi nicht zu viel der roten Asche ins Wasser gemischt hatte, da es sonst noch häßliche Flecken geben würde, die kaum eine Seife herausbekommen würde. Allerdings war ja auch nicht geplant gewesen, dass Vala sich großzügig mit den Händen das Gesicht wusch, anstatt nur mit dem Lappen vorsichtig zu tupfen, wie Axilla es getan hätte. Sie wollte schon zu ihm hin und ihn darauf aufmerksam machen, zuckte dann aber doch wieder zurück und traute sich nicht. Alles in ihr drängte zu Vala hin, und doch war es, als wäre eine Mauer um ihn herum gezogen, und jedes Mal, wenn Axilla im Begriff war, ihn zu berühren, wurde sie davon abgehalten.


    Und dann war der Moment auch schon wieder vorbei, ungenutzt verstrichen wie so viele andere schon zuvor, in denen Axilla einfach zu ängstlich gewesen war, das zu tun, was sie wollte. Axilla hätte ihm im Vorüberziehen zuwinken können, so untätig wie sie gewesen war.
    Vala drehte sich ihr wieder zu. An ihm glänzte noch immer das Wasser, und er lächelte sie auf diese Art an, die Axilla schon immer durcheinander brachte. Er meint das nicht so, sagte sie sich zum x-ten Male selbst, um ihre Beherrschung und Haltung zu bewahren. Ihre Dignitas, an die Urgulania sie nicht nur einmal erinnert hatte.
    “Ähm, ja, das sind persische Äpfel. Malum persicum heißt die Pflanze“, erklärte Axilla verlegen auf die erste Frage, nur um von der zweiten Aussage dann umso heftiger getroffen zu werden.
    Er meint das nicht so! brüllte sie sich selbst in Gedanken zu, um jedwede Spekulation darüber zu vermeiden, wie Vala es gemeint haben könnte. Es klang sehr eindeutig nach etwas, nach dem es einfach nicht klingen konnte, und was vermutlich nur so aussah, weil Axilla es sich wünschte. Vielleicht war sie auch auf dem Faun eingeschlafen und träumte das gerade eben. Obwohl sich das Gefühl, im Boden versinken zu wollen, sehr real anfühlte.
    Er trat wieder zu ihr, und ein Teil von Axilla wollte vor ihm zurückweichen, ein anderer zu ihm hin. Sie selbst blieb wie ein braver Soldat gerade stehen – wenngleich Soldaten wohl nicht mit leicht geröteten Wangen beiseite schauten oder sich auf der Unterlippe herumbissen, während sie verlegen zur Seite blickten. “Welche Dummheiten denn?“ fragte sie und mühte sich, unbedarft zu klingen. “Nach Ägypten reisen zu wollen ist doch nicht dumm. Und vielleicht ist es ja auch nicht, dass mein Garten dich nicht mag, sondern das er dich sehr gern hat und nur nicht will, dass du gehst?“ Sie kam sich noch linkischer und ungeschickter vor, als ohnehin schon. Aber seine Worte machten sie unruhig und nervös. Sie wollte nicht daran denken, wie er sie tatsächlich gemeint haben könnte. So oft hatte sie das schon gedacht, und am Ende war doch nie mehr zwischen ihnen gewesen als ein einziger Kuss zwischen heruntergefallenen Schriftrollen.

    [Blockierte Grafik: http://img843.imageshack.us/img843/3899/kephalos.jpg]


    Auch nach mehreren Tagen war die Grabung nicht auf Wasser gestoßen, lediglich etwas Sand, der wohl nachgegeben hatte und so den Riss zu verantworten hatte. Kephalos war mit diesem Ergebnis durchaus zufrieden, waren so doch die Schreckgespenster eines möglichen Hohlraums oder einer unterhöhlenden Wasserader ausgeräumt.
    Nachdem also der Baugrund untersucht war , konnte endlich mit der Wiederauffüllung begonnen werden. Dafür ließ Kephalos feinen Kies heranschaffen, gewonnen aus ausgetrockneten Seitenufern des Tibers, von der steten Strömung in Jahrhunderten fein gemahlen, und mit der ausgehobenen Erde vermengen, um sie so zu verdichten, ehe er, Eimer für Eimer, das ausgehobene Loch wieder auffüllen ließ, Schicht für Schicht, ehe diese mit Fußbrettern festgestampft wurde. Dann wurde der Grund einen Tag ruhen gelassen, ehe die nächste Schicht verfüllt wurde, um so sicherzugehen, dass der Boden dieses Mal die nötige Festigkeit erreichen würde, sollte er noch einmal nachgeben.


    Auch die Fugen des Mauerwerks waren inzwischen von den Maurern fein verspachtelt wurden. Nachdem die alten Fugen mit Wasser und einer Bürste von allen Unreinheiten befreit worden waren, bis kein Fleckchen mehr von Grünspan befallen war, hatte man die Fugen trocknen lassen, um dann mit frischem Mörtel (einige sagten, dieser sei die größte Errungenschaft aller römischen Erfindungen) die ausgewaschenen Stellen nachzuziehen und glattzuspachteln. Inzwischen waren sie auch fertig und trockneten in der spätsommerlichen Sonne, um für die nächsten hundert Jahre zu halten.


    Und auch das Dach kam gut voran. Nachdem der Stützbalken eingezogen worden war, hatten die Tagelöhner sich an die Arbeit gemacht. Mit einer Säge bewaffnet hatten sie den verschimmelten Balken am oberen Ende abgesägt, während zwei weitere den Balken stützten, so dass er nicht auf die Sparren fallen konnte, sobald er durchgesägt war. Danach war er vorsichtig abgelegt worden und mit Seilen so verschnürt, dass er am Kran herabgelassen werden konnte, gesichert mit einem Halteseil sowohl oben am Dach als auch unten am Boten, um in jedem Fall zu verhindern, dass das vom Schimmel grünschwarze Holz gegen die weißen Tempelsäulen schlug. Unten am Boden angekommen wurde das Ding in handlichere Stücke zersägt und auf einen Haufen geworfen. Für ein As konnte jeder, der wollte, sich ein Stück mitnehmen. Zum Bauen war das Holz nicht mehr geeignet in diesem Zustand, Kephalos wollte es noch nicht einmal berühren. Aber Holz war ein knappes Gut, so knapp, dass die meisten der römischen Öfen mit getrockneten Kuhfladen oder Pferdeäpfeln beheizt wurden. Und es fanden sich genug Leute, die auch dieses schimmelige Holz für den günstigen Preis bereitwillig abnahmen. Und so kostete die Entsorgung Kephalos nicht nur nichts, sondern brachte sogar noch ein bisschen Kleingeld zurück, auch wenn es wirklich nur minimale Beträge waren.
    Unterdessen wurde auch schon der neue Balken nach oben gezogen, noch vorsichtiger als der alte herabgelassen worden war. Der Kran stöhnte unter dem Gewicht des abgelagerten Holzes, als die dicken Seile sich spannten, und die Winde drehte sich von mehreren Männern bewegt nur langsam, um Stück für Stück das Bauteil nach Oben zu befördern. Dort wurde es wie schon der Stützbalken einige Tage zuvor vorsichtig in Empfang genommen und erst einmal ins Gebälk gelegt. Hier waren wieder die Zimmerleute gefragt, die mit Hilfe der Muskelkraft der Tagelöhner und viel Schweiß nun den Balken an die Stelle einpassten und ihn mit Holzzapfen und einigem an Hämmern fest verankerten. Dieses Unterfangen dauerte den ganzen Tag an, nur um am nächsten Tag mit dem zweiten Balken exakt wiederholt zu werden.


    Aber so langsam ging es voran.

    Auch wenn Vala sich aufrichtete und von schwereren Verletzungen verschont schien, hörte Axillas Herz nicht auf, vor Sorge wild gegen ihre Brust zu hämmern. Alles in ihr drängte sich danach, ihn auch zu berühren, ihm aufzuhelfen, ihm wenigstens den Dreck von der Toga zu klopfen und ihm zu helfen. Aber sie durfte nicht, und noch hilfloser als ohnehin schon saß sie neben Vala. Immer wieder zuckte ihre Hand seinen Bewegungen hinterher, als wolle sie doch ihm bei seinem Tun helfen, und doch tat sie im Grunde nichts, als dasitzen und warten. Was sie eigentlich schon immer tat, wenn es um den Duccier ging: dasitzen und warten.
    Auf den Hinweis zur mangelnden Gastfreundschaft ihrer Hausbotanik wurde Axilla verlegen rot und sah hilflos lächelnd kurz zu Boden. Was sollte sie darauf sagen? Sollte sie sich nochmals entschuldigen? Sollte sie ihm sagen, dass es sicher nicht so war? Dass ihr Garten ihn doch nicht nicht-mögen konnte, wo sie als Herrin dieses Gartens ihn doch nicht nur bloß mochte, sondern sich jede Sekunde seiner Gegenwart nach ihm sehnte? Nein, das sicher nicht. Oder sollte sie Cicero zitieren aus seinem unvollendetem Werk über das Schicksal, dass es selbiges vielleicht gar nicht gab, da man sich fragen musste, ob die Dinge, die geschahen, auch zufällig so geschehen würden, wenn gerade niemand da war? Das war wohl auch ein wenig zu hoch getragen.


    Und so saß sie einfach nur da und lächelte verlegen beiseite, bemerkte nicht, wie Vala sie für diesen Moment ansah, und wurde von seinen folgenden Worten endgültig aus jeglichem Konzept, welches sie haben mochte, gebracht. “Ich...bin...?“ kam es perplex und wenig eloquent über ihre Lippen, als sie zu Vala wieder zurückschaute. Er saß inzwischen, war dabei so groß wie sie im Knien, und sah sie einfach nur an. Sah ihr direkt in die Augen. Und sie verlor sich in seinen, wie schon damals am Tiberhafen, oder jedes Mal danach, wenn sie ihm gegenüber gestanden hatte.


    Schließlich war es Levi, der ihr ihre Sprache wiederbrachte, nebst der angewiesenen Schale mit Wasser, einem Lappen und einem kleinen Holzkästchen, in dem das fein gemahlene Pulver aus roten Meerschwämmen war, das besonders gut bei allen Dingen des Kopfes wirken sollte. Eigentlich war es ja zum Einnehmen, wenn sich ein Kropf bildete, aber es half auch gut beim Auswaschen von Kopfverletzungen, auch wenn das Zeug brannte wie sonst noch eins.
    Als Levi also damit ankam und Axilla aus ihrer Betrachtung riss, sah sie ihn beinahe ärgerlich kurz an, war dann aber doch froh über die Unterbrechung, ehe sie noch was dummes gesagt hätte. “Stell es dort drüben ab“, wies sie den Sklaven mit zittriger Stimme an und sah erst dann wieder zurück zu Vala. Sie wusste noch immer nicht so recht, was sie sagen sollte, aber sie konnte ihn ja nicht nur die ganze Zeit ansehen wie ein verliebtes Mondkalb. Ohne noch einmal den Blick zu seinen Augen zu heben, aus Angst sich dort ein weiteres Mal zu verlieren, plapperte sie verlegen los. “Das ist zum Abwaschen des Blutes, und falls du sonst noch Kratzer hast, und... es brennt ein wenig. Wenn du erlaubst, dann helf ich dir dabei. Also, wenn du willst und nichts dagegen hast, dass ich dich da berühre. Und... du bist ja gar nicht so richtig verletzt, aber vielleicht möchtest du dir trotzdem das Gesicht waschen.“

    Axilla indes merkte nichts von Valas Unkonzentriertheit. Ihr Blick ging stur in den mittlerweile nachtschwarzen Garten und hing sich an einer der aufgestellten Fackeln auf. Sie hatte ein stumpfes Tausend-Meilen-Starren aufgelegt und blickte in die hell zuckende Flamme, ohne sie wirklich zu sehen, und antwortete fast mechanisch auf die fragen.
    “Ja, du musst dir unbedingt beim Gymnasiarchos die Proxenie eintragen lassen, sonst zählst du in Alexandria nicht als Bürger. Und im Museion dürfen auch nur Bürger lernen und lehren, und das römische Bürgerrecht zählt da nicht.“ Sie erzählte einfach weiter, hatte ihren Kopf mittlerweile an den steinernen Faun gelehnt. So langsam wurde ihr klar, dass das hier ein Abschiednehmen war. Ein richtiges, nicht nur eines bis zum nächsten Wiedersehen. Vala würde lange Zeit in Ägypten sein, und wenn er wiederkam – nein, falls er wiederkam! - würde sie verheiratet sein, vielleicht schon Kinder haben, wenn die Götter ein wenig Barmherzigkeit kannten einen Sohn. Das hier, was immer das auch sein mochte, es endete, und das auf die traurigste aller denkbaren Arten. Und so langsam fing Axilla an, das auch in ihrem Herzen zu verstehen. Es fühlte sich fast ein wenig an wie sterben, nur kälter.


    Die nächste Frage kam ein wenig fahrig, wie Axilla trotz allem noch halbherzig bemerkte, wurde dann aber von einem lauten Knacken unterbrochen, dem ein dumpfer Schlag folgte. Aus ihren eigenen trübseligen Gedanken von dem Geräusch gerissen, blickte Axilla blinzelnd auf. Ihre Augen hatten vom beständigen Blick in die Flammen etwas zu tränen begonnen, was sie erst jetzt bemerkte, aber das war auch im Moment nicht so wichtig. Viel wichtiger war: Wo war Vala hin?
    Es dauerte einen Herzschlag, ehe sie ihren Blick von der Höhe, in der der germanische Kopf sich sonst befand, nach unten senkte, und den am Boden liegenden Duccier bemerkte, nebst Ast. “Vala!“ rief sie erschrocken aus und kletterte so hastig von der Steinstatue herunter, dass sie mit einer Sandale daran hängen blieb und vornüber kippte, sich mit den Händen gerade noch so am Boden abfangend und kurz auf die Knie fallend, ehe sie die wenigen Schritte zu ihm schnell überbrückt hatte. Hastig riss sie noch im Niederknien den Zweig beiseite. “Das tut mir leid, das tut mir leid, tut mir leid. Das ist noch nie passiert!“ fing sie hastig an, sich zu entschuldigen, und besah sich das ganze Unglück. Vala hatte die Augen offen, aber er blutete, und er hatte einige Striemen im Gesicht. Ihre Hände zuckten vor, wollten ihn berühren. Aber sie hatte es ihm versprochen, ihn nie, nie wieder einfach so zu berühren, und trotz allem hielt dieses Versprechen sie davon ab, obwohl alles in ihr danach drängte, sich durch Herstellung dieses einfachen Körperkontakts davon zu überzeugen, dass die Verletzungen nur oberflächlich waren.
    “LEVI!“ brüllte sie erschrocken nach ihrem Leibsklaven. “Bring Wasser, und einen Lappen, und von dem roten Meerschwammpulver!“schleuderte sie ihm entgegen, als er diesen einen Schritt aus der Dunkelheit vom Rand des Gartens in ihr Blickfeld gemacht hatte. Sofort verschwand der Sklave eiligst, um Befohlenes herbeizuschaffen.
    “Es tut mir so leid. Geht es dir gut? Du blutest“, flüsterte sie ängstlich neben ihm kniend weiter. Sie verstand nicht so wirklich, was soeben geschehen war, und es war ihr auch egal. In diesem einen Moment war ihr Herz nur ganz an Valas Seite, und jeder trübe Gedanke, jeder Atemzug von eben fortgewischt von ehrlicher und aufrechter Sorge