Beiträge von Iunia Axilla

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    Sich vom Anblick seiner Gesprächspartnerin losreißend folgte Lucro ihrem Blick zu der wohlbekannten Stimme. Ihre Haut war noch immer leicht gerötet und ihre Lippen voller, als es Kosmetik allein hätten bewerkstelligen können.
    “Ich hab dich schon überall gesucht! Du warst auf einmal verschwunden und... oh“
    Lucro genoss den Moment, als sie näher kam und ihn schließlich in dem dunklen Garten erkannte, zaghaft und beinahe schüchtern die Augen senkte und kurz tatsächlich noch weiter errötete. “Ich hoffe, ich störe euch nicht bei irgend etwas.“
    “Nein, tust du nicht!“ kam es, ehe der Axier noch zu einer Antwort hatte ansetzen können, schon von seiner Gesprächspartnerin. Ganz offensichtlich hatte er die Kleine ganz ordentlich verärgert, und ebenso offensichtlich konnte sie es nur schwer zurückhalten. Aber es störte ihn nicht, dass er Ziel ihrer Wut war. Wut war gut. Sie war stark, entsetzlich und weit, unbezähmt und ungezwungen. Eines Bacchus würdig. Wie konnte er sie da verdammen, gehörte Raserei doch ganz definitiv zu seinem Kult dazu?
    “Nun, du hörst es“, meinte er nonchalant und ließ sie näher kommen. Die Nachtluft trieb ihren Geruch zu ihm herüber. Sie stank nach Sex. Als sie schließlich ganz nah kam und ihm eine Hand ganz zaghaft, beinah schüchtern kurz auf die Brust legte, während sie ihm einen Begrüßungskuss auf die Wange hauchte, sog er ihren Geruch tief ein. Sex und ein anderer Kerl. Es haftete an ihr wie ein edles Parfum.


    Aber das schönste war der leicht konsternierte Blick der wütenden jungen Frau, als sie sich das Begrüßungsritual anschaute. Ganz offensichtlich hatte ihre gemeinsame Bekannte vergessen, auf ein paar Dinge hinzuweisen. Wie zum Beispiel, dass sie eine Bacchantin war, und sie beide sich gut kannten. Sehr gut sogar, wenn man es genau nahm.
    “Und wie geht es deinem Ehemann, dem werten Luscius Caecina?“ plauderte er munter mit ihr im Gesprächston und übersah somit die Wut des Mädchens. Er konnte an ihrer Haltung ablesen, wie gern sie weg wollte, wie sehr sie sich beherrschte, nicht wegzugehen. Und wie hilflos sie in diesem Moment war, gefangen von den Zwängen der Gesellschaft und der antrainierten Konformität des Seins, die nicht zuließen, dass sie ohne ihre Freundin ging.
    “Oh, ich nehme an, es geht ihm ausgezeichnet. Ich hab ihn einige Monate nun nicht mehr gesehen. Aber seine Briefe klangen recht zuversichtlich.“ Ihre Hand glitt langsam über seine Brust nach unten. Unersättliches kleines Wesen. Dabei verriet ihre verschwitzte Haut und das Glänzen ihrer Augen, dass sie bis vor kurzem noch sehr aktiv gewesen war, und auch ihren Spaß daran gehabt hatte.


    “Ich bin müde. Können wir gehen?“ Die Lüge klang so deutlich hervor, dass Lucro am liebsten noch einmal lachen wollte. Doch blieb es bei einem breiten Grinsen, mit dem er die Hand seines unmittelbaren Gegenübers ergriff und zu seinen Lippen führte, um ihr einen galanten Kuss auf den Handrücken zu hauchen.
    “Ich will euch nicht aufhalten“, meinte er belustigt und ließ die Hand los, ignorierte den sehnsüchtig enttäuschten Blick der einen und den zornigen Blick der anderen gleichermaßen und lehnte sich wieder gegen die Statue.
    Ein leises “Komm jetzt. Bitte!“ war schließlich die Krönung des ganzen, und ein Lachen unterdrückend nippte er an seinem Posca. Die beiden Grazien drehten sich um und machten sich auf den Weg. Er betrachtete noch einmal ausgiebig ihre beiden Silhouetten recht ausgiebig, und hatte dann einen grinsenden Entschluss gefasst. “Achja?!“ rief er ihnen hinterher. “Es würde mich freuen, wenn du deine Freundin wieder mitbringst. Sie gefällt mir.“

    Das sprichst du mit deinem jeweiligen Herrn am besten immer generell ab.


    Ich kann jetzt nicht für Serapio sprechen, von daher will ich jetzt auch nichts falsches sagen. Aber generell haben 99% der Sklavenbesitzer nichts dagegen, wenn die Sklaven-ID schreibt, sie wäre von ihrem Herrn irgendwo hingeschickt worden, um etwas zu besorgen oder zu holen oder auch Briefe zum Cursus Publicus bringen oder einfach mal bei Senator XY nachfragen, ob der Hausherr wieder aus seinem Urlaub auf seiner villa rustica zurück ist... Es muss halt was sein, was die Herren-ID auch machen würde. Da sind irgendwelche Besorgungen oder grad so Sachen wie Briefe zur Post bringen eigentlich immer gut geeignet, so dass der Sklave einen Grund hat, grad "außer Haus" zu sein, wo er dann irgendwo irgendjemanden treffen kann, sei es auf dem Markt oder auf den Straßen.
    Wenn der Sklave eine große Vertrauensposition hat, kann es auch durchaus sein, dass er von seinem Herrn mal einen Tag geschenkt kriegt, wo er machen kann, was er will.
    Maßgeblich ist dabei halt das Verhältnis von Herr zu Sklave, ob der den mit sowas beauftragen würde, bzw. ob der Maiordomus des Hauses (der in vielen Fällen ja selbst Sklave ist) der bespielten ID so viel vertraut, dass derjenige dann nicht abhaut. Von daher ist das für "bockige" Sklaven-ID's dann natürlich schwerer als für fügsame.


    Ich würd sagen, schreib Serapio einfach ne PN und frag ihn da mal generell, wie er das handhaben möchte. Kommunikation ist einfach unübertrefflich :D Aber ich nehme mal an, dass er nichts gegen meine oben genannten Beispiele einzuwenden haben wird.

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    So langsam nahm die Sache Gestalt an. Das Dach war nach wenigen Tagen abgedeckt und auch schon die Balken waren maßgenommen worden. Im Moment bestand hier das größte Problem in der Statik der Dachkonstruktion, ob diese auch dann hielt, wenn man die schimmeligen Balken erst entfernte und dann die neuen einsetzte, natürlich einen nach dem anderen, oder ob man zur Sicherheit noch einen Stützbalken in der Mitte des Daches zum First desselben anbringen wollte, um ein eventuelles Absacken zu verhindern. Schließlich entschied Kephalos sich für den teureren Weg und ließ einen Holzbalken einziehen, der festgehämmert das Gewicht des Mittelbalkens trug und später aus der Balkenlage wieder herausgenommen werden würde.
    Als besagter Balken hochgehievt wurde, war Kephalos selbst draußen und beobachtete die Arbeiten. Mit Seilen war das massive Holzstück am Kran befestigt und wurde mittels Flaschenzug und Winde vorsichtig hochgezogen, während oben schon drei Tagelöhner und zwei Zimmerleute warteten, um das Stück in Empfang zu nehmen. Mittels einer Leine half unten noch einer von Kephalos' eigenen Gehilfen, dass der Balken nicht durch eine plötzliche Bewegung noch gegen den Tempel schlug, während er immer weiter in die Höhe gehievt wurde. Die kritische Stelle war dennoch die Übergabe, die mit einigen Rufen und noch mehr Schweiß dann langsam und bedächtig durchgeführt wurde. Immerhin wollte kein Arbeiter in die Tiefe stürzen, ebensowenig wie man das Holz hinabfallen lassen konnte. Und den Kran konnte man nun einmal nicht einfach so schwenken, so dass es mittels Seil und Zugkraft und einem kleinen Gebet an Mars, niemanden vom Dach seines Tempels zu stoßen, daherging.


    Doch schließlich war der Stützbalken oben, und es ließ für die richtigen Balken hoffen, dass diese ihren Weg in die Höhe ebenso hinaufschaffen würden, ebenso wie die verschimmelten Balken ihren nach unten. Um den Tempel nicht am Ende zu beschädigen konnte man diese ja auch nicht einfach hinabwerfen. Von der Gefahr, jemanden auf dem belebten Platz am Ende zu treffen, ganz zu schweigen.
    Kephalos überließ also die Zimmerleute ihrem Handwerk – aufs Dach zu gehen würde ihm sowieso nie einfallen, er war ja nicht lebensmüde – und ging wieder hinein ins Innere des Tempels, um die dortigen Arbeiten auch unter die Lupe zu nehmen.


    Hier in der Küche waren die Stützbalken für die Wände schon eingezogen worden. Wie zwei gewaltige X lagen hier recht nah beim Rand je ein Balkenkreuz und stützte die tragenden Wände nach außen, so dass der Druck gewahrt blieb, während die Mitte des Raumes eben jenen Druck nicht mehr aufbrachte. Die Bodenfliesen waren entfernt und mit sämtlichem noch in der Küche befindlichen gerät nach draußen geschafft worden. An ihrer Stelle breitete sich ein Loch im Boden aus, groß genug, dass darin drei Männer arbeiten und graben konnten, die ihr Schaufelwerk in Holzeimer schaufelten, welche von wiederum drei anderen Männern an Seilen aus der Grube gezogen und dann nach draußen gebracht wurden. Das Erdreich brauchte man schließlich später noch, um das Loch wieder aufzufüllen. Kephalos betrachtete, was die Männer hier der Erde entrissen, genau. Es musste einen Grund geben, warum die Raummitte abgesackt war, und eben jenen gedachte er zu finden. Und es war recht unzufriedenstellend, dass bislang nur gute, dunkle Tonerde zutage gefördert worden war. Selbige sollte eben nicht nachgeben und so den Riss in den Fliesen verursacht haben. Doch vermutlich konnte er schon froh sein, dass seine Arbeiter hier nicht auf Wasser gestoßen waren. Eine Wasserader direkt unter dem Tempel hätte verheerende Folgen nach sich gezogen. Folgen, die er lieber nicht dem Collegium Pontificum erklären wollte. Wer erzählte seinem Auftraggeber schon gerne, dass ihr schönes Bauwerk früher oder später unterhölt werde und egal, was man tat, einstürzen würde?

    Es dauerte eine sprachlose Weile, in der Axilla mehr nach Luft schnappte, aber keine richtige Antwort auf diese Feststellung fand, bevor sie wieder etwas sagte. “Aber... so funktioniert das nicht!“ Man konnte ja nicht einfach selber entscheiden, was schicklich war und was nicht. Das war etwas absolutes, etwas vollkommenes. Eine Idee nach platonischen Vorstellungen, sozusagen, etwas, das einfach so war und als solches Erkannt wurde. Wie die Idee des Guten und die des Bösen. Wie Größe. Wie Götter! Da gab es für Axilla keinen Spielraum, in dem jemand selbst, vor allem nicht sie, entscheiden konnte! Das war einfach so!


    Nur ihr Gegenüber schien das nicht begreifen zu wollen. Denn fast direkt danach kam wieder dieses amüsierte Lächeln, das in Axilla etwas Wut hervorrief. Der Kerl nahm sie wohl nicht für voll! “Und wer sagt, dass es so nicht funktioniert?“ kam da auch schon die nächste Frage von amüsiert verzogenen Lippen, während er sich direkt neben ihr leger an eine Statue lehnte und zu ihr runterschaute.
    Ein weiteres 'alle' lag Axilla auf den Lippen, aber soweit waren sie ja eben schon gewesen. Ihre Hände ballten sich zu trotzigen Fäusten, gerade nach unten gereckt, und ihr Kinn ging trotzig nach oben. “Ich!“ verkündete sie fest und ein wenig ärgerlich ihrem lächelnden Gegenüber.
    Doch beeindruckte diesen das wenig. Er grinste nur noch mehr, strahlte Axilla fast an. “Ah, sehr gut, du lernst schnell“, meinte er sichtlich erfreut und fachte Axillas Zorn damit nur noch mehr an. Wie konnte dieser impertinente Kerl nur dastehen und sie so angrinsen? Und vor allem: Warum ließ sie das mit sich machen?
    Ihre Lippen pressten sich zornig aufeinander, und sie vergaß über ihren Ärger ganz ihre Angst, ihre zittrigen Knie und den Geschmack nach Galle in ihrem Mund, der nur von dem des Poscas hinweggespült worden war. Sie vergaß sogar, wie freizügig ihr Kleid geschnitten war, als sie sich unbewusst größer machte und ihren Körper anspannte, um diesem Grinser entgegenzutreten. “Danke für das Kompliment. Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest?“


    Doch anstatt dass der Kerl nun wenigstens den Anstand hatte, zerknirscht zu sein und sie gehen zu lassen, lachte er. So richtig laut. Herzhaft. Und Axilla wollte am liebsten platzen vor Wut. Sie holte schon Luft, um ihrer Empörung eben solche zu machen, als der Mann beschwichtigend die Hand hob.
    “Verzeih, ich wollte dich nicht verärgern.“ Noch immer kicherte er vor sich hin. Fällt dir ja früh ein, dachte Axilla nur noch immer zornig und sah ihn an, als wolle sie ihn am liebsten aufspießen lassen. Derweil für der Fremde einfach fort. “Ich wollte nur herausfinden, was so ein bezauberndes Wesen mit wachem Verstand auf so einer Feier macht, wenn es ihr doch gar nicht gefällt und ihren Wertvorstellungen widerspricht.“
    Axilla, weit entfernt davon, besänftigt zu sein, mahlte mit den Zähnen leicht aufeinander. “Ich bin hier nur als Begleitung“, zischte sie beinahe. Der Abend war eine einzige Katastrophe. Wäre sie doch nur nie hier hergekommen! Auch wenn der Terentier dann angenommen hätte, dass sie ihn absichtlich fehlgeleitet hätte. Dennoch wäre das wohl besser gewesen als erst beinahe vergewaltigt und anschließend verspottet zu werden.
    “Ah, dann stellt sich die Frage, warum du dann jetzt allein bist.“
    Der Kerl hörte einfach nicht auf! Was sollte Axilla da schon sagen? Weil ihre Nachbarin hier über die Klinen hopste und einen der männlichen Gäste grade zuritt, als wär er ein bockiges Wildpferd, und sich davon noch von der Zunge einer pflichtbewussten Sklavin helfen ließ, weil Axilla diese Helferrolle nicht gewollt hatte? Wohl kaum.


    Doch kam sie nicht dazu, ihm etwas weiteres nur bemüht beherrschtes an den Kopf zu knallen, als eben jene Nachbarin auch mit leicht torkelndem Gang im Garten auftauchte und Axilla mit einem fröhlichen, halb gesungenen “HIER steckst du also“ begrüßte und dieses unglückselige Gespräch damit glücklicherweise erst einmal unterbrach.

    Zitat

    Original von Manius Tiberius Durus
    Posca ist ja vermutlich auch nur billiger, umgekippter Wein. Also gabs vermutlich anfangs Wein, später Essigwasser.


    Ich glaub, du verwechselst das grade mit Lora (Tresterwein).
    Essig entsteht durch aerobe Gärung (also mit Sauerstoff), Wein durch anaerobe (also in geschlossenen Behältern). Essig macht man nicht, indem man Wein einfach schlecht werden lässt :D


    Natürlich wurde auch gekippter Wein verwendet, einfach weil man den ja nicht ganz schlecht werden lassen wollte, aber eigentlich ist das dann nur ein günstigerer Posca-Ersatz. "Richtiger" Essig wird von Anfang an zu Essig verarbeitet.


    Angeblich steht im "De re rustica" von Lucius Iunius Moderatus Columella drin, wie man alles Essig herstellen kann, nur hab ich das leider nicht. :D

    Nachdem Imperiosus in den Raum nachgekommen war, sah Axilla sich erst einmal um. Der Raum war wirklich sehr schön. Er hatte sogar einen Teppich! Axilla traute sich gar nicht so recht, mit ihren Sandalae darüber zu gehen. Zwar hatte sie sich diesmal brav in der Sänfte hertragen lassen und war nicht gelaufen, und sie hatte ja auch gar nicht ihre Calcei an, sondern die fürs Haus gedachten Sandalae, trotzdem hatte sie das Gefühl, sie würde das Ding noch schmutzig machen. Und so tänzelte sie fast daran vorbei zum Fenster. Im Vorbeigehen sah sie noch eine Vase auf einem Tischchen stehen, das ganz zierlich wirkte. Und reichlich teuer. Aber wahrscheinlich nicht halb so teuer wie die Blumen, die darauf standen.
    Fast schon ehrfürchtig ging Axilla darauf zu, als sie die Blüten erkannte, vergaß dabei sogar ganz den Teppich. Nur ganz vorsichtig legte sie einen Finger unter eines der zartrosa Blütenköpfchen und hob es ganz, ganz vorsichtig an. Fast zärtlich besah sie sich die feine Maserung, die dunkelrosa Streifen auf dem blassrosa Grund, die von der Mitte der verschlungenen Blüte zu den Äußeren Blättern gingen. Das waren wirklich Orchideen aus dem Paneion. Wo hatte Imperiosus die denn her? Die waren unheimlich wertvoll.
    Axilla erinnerte sich, dass sie vor Urzeiten mal Cleonymus gebeten hatte, ihr welche zu schicken. Sie hatte sie dem aurelischen Aedil schenken wollen, der ihre Betriebe genehmigt hatte. Der hatte Orchideen sehr gern gehabt. Doch mittlerweile war der Mann tot, und sie hatte keine Orchideen erhalten. Und nun waren die Blumen hier, warteten auf sie in diesem Zimmer, als wären sie schon immer in Rom gewesen.


    Mit einem zaghaften Lächeln schaute Axilla kurz zu Imperiosus auf, weil der gerade die Fenster zum Garten erwähnte. Automatisch wanderte ihr Blick dahin, und sich von der Pflanze lösend ging sie hinüber und setzte sich in den Fensterrahmen, lehnte ihren Rücken leicht daran und zog die Beine auf die Fensterbank hoch. Ihr Blick ging zum Garten hin, zum Grün. Die Fenster boten wirklich einen schönen Blick darauf und waren so großzügig, dass wirklich die Luft gut und kühl herein konnte. Im Winter würde man mit Kohlebecken etwas heizen müssen, aber im Sommer war es nun wunderbar.
    Sie lächelte versonnen, als Imperiosus sie nach ihrer Meinung fragte. Ihr Blick glitt zurück durch den Raum, zu dem dunklen Schreibtisch und dem Schrank. Axilla hatte noch nie einen Schrank besessen. Ihre Kleider lagen alle bislang immer in der Truhe am Fußende ihres Bettes, und das nicht immer unbedingt sorgfältig gefaltet. Und dann war ihr Blick auch schon auf dem Bett, und obwohl Axilla nicht frigide war, wurde sie dabei ganz kurz ganz leicht rot. Es war noch immer ein sehr seltsames Wissen, dass sie und Imperiosus dort in nicht allzu langer Zeit... Aprospos, wann war die Hochzeit überhaupt?
    “Das Zimmer ist wirklich wunderschön.“ Axilla lächelte Imperiosus offen an. Ein bisschen war sie ja doch besorgt, hier irgendwas kaputt zu machen. Und Impis Gesicht zu sehen, wenn sie die Rüstung ihres Vaters auf dem harten Holzgestell hier im Raum aufstellen würde und sie mit einem weichen Tuch einfetten würde. Das wäre wohl das komplette Gegenteil zum Rest des Raumes. Axilla fühlte sich jetzt schon etwas verlegen deswegen und sah lächelnd beiseite.
    “Ich glaube, wenn du jetzt nicht sagst, dass du noch ein viel schöneres Zimmer versteckt hattest, würde ich dieses hier gleich nehmen. Wenn das dir recht ist.“

    Der leicht säuerliche Geschmack des Essigwassers überlegerte den der Galle, der zuvor noch Axillas Mund ausgefüllt hatte. Sie kannte ihn gut, erweckte er doch immer dieselbe Erinnerungen in ihr. Wann immer sie mit ihrem Vater einmal unterwegs gewesen war, hatte sie immer aus seiner Feldflasche trinken dürfen, und darin war immer Posca gewesen. Sie konnte sich gar nicht an eine Zeit davor erinnern, der Geschmack von Posca und das Lächeln ihres Vaters, wenn sie von der Säure den Mund verzog gehörten zu den ältesten Dingen, die durch Axillas Geist huschten.
    Aber jetzt und hier gehörten sie nicht hin. Axilla konnte jetzt nicht an ihren Vater denken, nicht an diesem Ort. Wenn er sehen würde, wie sein Mädchen geworden war, wo sie hingegangen war, und schlimmer, wie sie von dort geflüchtet war, um sich hier im Garten feige zu übergeben... Nein Axilla vertrieb alle Gedanken an ihn und den Posca und gab den Becher mit noch etwas zittrigen Gliedern an den seltsamen Fremden zurück, der sie aufmerksam dabei beobachtete. Nicht wirklich unfreundlich, noch nicht einmal aufdringlich, dennoch hatte es etwas an sich, was Axilla eine Gänsehaut bereitete. Als würde er auf irgendetwas warten, als sollte sie etwas tun oder sagen. Nur wusste sie nicht, was das sein sollte.
    “Danke“, sagte sie dann schließlich noch, als sie ihm den Becher zurückreichte. Kurz strichen seine Finger dabei über ihre, und Axilla konnte nicht mit Sicherheit sagen, ob das Absicht war oder nicht. Sie zog ihre Hand wieder zu sich zurück, schlang ihren Arm um ihren Bauch und bedeckte sich somit notdürftig etwas mehr.
    “Gern geschehen.“


    Stille breitete sich zwischen ihnen beiden aus, während Axilla überlegte, was sie sagen sollte und beiseite sah. Kurz überlegte sie, ob sie noch einmal darauf hinweisen sollte, dass sie an ihm nicht interessiert war, aber das war dann vielleicht doch etwas sehr unhöflich. Und die Art, wie sie da stand, leicht von ihm abgewandt, sich am Arm kratzend und überall in die Gegend schauend, geradezu nach einer Ausrede suchend, das sollte eigentlich Zeichen genug sein. Und dennoch ging er nicht, blieb nur in aller Stille stehen und sah sie an, nippte ab und an an seinem Posca und schaute sie einfach nur an.
    Gerade an dem Moment, als das Schweigen nicht mehr nur unangenehm, sondern nicht mehr auszuhalten war, als Axilla Luft holte, um sich zu entschuldigen und zu gehen, schon die ersten gemurmelten Worte auf den Lippen hatte, redete er wieder.
    “Gefällt dir die Feier?“
    Äh... nein, nicht so sehr“, antwortete Axilla ehrlich und fuhr schnell fort. “Ich warte eigentlich nur auf meine Freundin, um wieder heimzugehen. Ich denke, ich gehe sie mal suchen.“
    “Warum nicht?“ Die Frage klang etwas überrascht, fast gekränkt, aber die Haltung des Mannes blieb weiterhin offen und – nunja, ungefährlich.
    Axilla hatte gerade mal einen Schritt gemacht, als sie also wieder stehen blieb und in Erklärungsnot kam. “Warum nicht?“ wiederholte sie etwas dümmlich, um Zeit zu schinden. Nun, vermutlich, weil soeben der Mörder ihrer Cousine versucht hatte, sie mit Gewalt zu nehmen, sie angefasst und gestreichelt hatte, wie Axilla es ihm nie hatte erlauben wollen und sie ihrer eigenen Feigheit hatte ins Auge sehen müssen. Vielleicht, weil ihr jetzt der Sinn nach allem stand, aber nicht nach Spaß und erst recht nicht nach Sex, und sie somit hier nichts zu suchen hatte. “Es schickt sich nicht“ antwortete sie stattdessen moralisch, wartete noch eine kurze Sekunde und wollte dann weiter gehen auf der Suche nach ihrer Nachbarin. Sie wollte wirklich nach Hause jetzt. Zur Not auch allein. Sie würde die Sänfte einfach dann wieder herschicken, leer. Das würde schon gehen.
    “Schickt sich nicht“, murmelte der Mann ihr gegenüber und verzog den Mund wie jemand, der um ein Geheimnis wusste, was die soeben gegebene Antwort etwas lächerlich machte. Axilla ging an ihm vorbei in gebührendem Abstand, suchte den Weg durch den Garten, der zurück zum Tablinum führen würde, als er sie doch nochmal aufhielt. “Wer sagt, dass es sich nicht schickt?“
    “Na... alle.“ Axilla hatte die Aussage vor allen Dingen deshalb gewählt, weil sie ihrer Meinung nach unstrittig war und keiner weiteren Diskussion bedurfte. Aus einem moralischen Blickwinkel betrachtet war das hier vielleicht nicht gesetzwidrig oder wirklich verwerflich, aber eben auch nicht schicklich.
    “Alle... hmm... hmm...“ Mit grübelndem Gesichtsaudruck kam er zu ihr herüber, folgte ihr zu dem Weg. Diesmal zwang sich Axilla, ruhig stehen zu bleiben, nicht wieder wegzulaufen wie gerade eben. Sie wollte sich nicht zweimal an einem Abend Schande machen. Und so wartete sie, bis er neben ihr stand, ohne aufdringlich zu werden. Dennoch fühlte Axilla sich unbehaglich.
    “Ja, alle“, bekräftigte sie noch einmal, diesmal schärfer. Der Mann lächelte nur fein. “Also ich nicht“, bemerkte er recht amüsiert und brachte Axilla damit erneut in Erklärungsnot.
    “Ja, aber... du bist ja auch nicht die ganze Gesellschaft.“ Und die zerriss sich gern das Maul über die Sittenlosigkeit ihrer Mitmenschen.
    “Du doch auch nicht“, stellte der Unbekannte noch immer amüsiert fest. “Du bist nur du, und ich bin nur ich. Sollten wir da nicht auch, nur du und nur ich, selber entscheiden, was schicklich ist?“
    Und darauf hatte Axilla erstmal keine kluge Antwort.

    Naja, ich würd in dem Fall sagen, da greifen die Spielregeln unter dem Punkt Historie:
    http://www.imperiumromanum.net/cms.php?a=97#txt607


    Wenn also grad dieses Gesetz nirgends im IR wirklich zum Gesetz erhoben wurde mit eben diesem Inhalt, dann weicht das IR halt hier von der Geshcichte ab, und wenn du das zur Historifizierung so beitragen möchtest, dann geht der Weg halt über die Diskussion im Senat. Würd ich jetzt mal ganz platt so sagen.

    Warum Luca wieder ins Lateinische gewechselt war, wusste Axilla nicht. Aber sie wollte jetzt nicht so neugierig sein und nachfragen, warum er lieber gebrochen ihre Sprache redete als flüssig seine eigene, wo er doch wusste, dass sie ihn verstehen konnte. Im Grunde war es auch egal, auch wenn sie so genauer zuhören musste.


    Sie ließen die Subura hinter sich und betraten den weißen Platz des Forum Augusti im Zentrum der Stadt. Hier war das Gedränge der Leute fast noch schlimmer als in den Straßen, aus denen sie gekommen waren, auch wenn es jetzt hauptsächlich auch Sänften waren, die Platz wegnahmen, nebst den hunderten Leuten, die auf den Foren irgendetwas suchten, sei es Zugang zu einem der Tempel, sei es die Aufmerksamkeit, irgendwo eine Rede oder einfach nur den schnellsten Weg von einem Ort zum anderen. Auf den Foren Roms war meist reger Betrieb.
    Ein wenig Aufregung beschlich Axilla dann doch, als Luca meinte, er würde ihre Grüße ausrichten. Sie hatte keine Ahnung, wie Flaccus darauf wohl reagieren würde, oder ob er dem Sklaven dann gar Gram war. Mit ihr hatte er ja keinen Kontakt mehr gesucht, so dass sie es nicht wissen konnte. Und einerseits wäre sie gern Mäuschen, wenn Luca es dem Flavier sagte. Einfach, um seine Reaktion zu sehen. Auf der anderen Seite hatte sie auch Angst, vor genau dieser Reaktion. Eine zwiespältige Angelegenheit. Eine, über die sie nicht weiter nachdenken wollte, also konzentrierte sie sich lieber auf Lucas Beschreibung.


    Meer und Erde... Axilla konnte es sich gut vorstellen bei der Beschreibung. Wobei sie die brechenden Wellen nicht ganz so romantisch fand, wie sie vermutlich waren. “Ja, ich bin wahrscheinlich weiter gereist als die meisten Menschen. Zwei Mal mit einem Schiff! Oh, ich hab jedes Mal gedacht, ich muss sterben.“ Was auch der Grund war, warum Axilla Wellen alles andere als romantisch fand. “Mir ist dabei die ganze Zeit nur elend gewesen. Ich bin nicht böse, wenn ich nie wieder ein Schiff besteigen muss. Auch wenn ich Alexandria gern wiedersehen würde.“ Oder Hispania. Aber das sagte sie nicht. Die Villa auf dem weiten Land, mit seinem Weinhügel und dem nahen Wald, mit dem alten, knorrigen Baum auf dem Hof, mit der trockenen Erde, die nie wirklich genug abwarf, mit den Schafen auf den Weiden, die das trockene Gras im Sommer fraßen... all das hatte seine Bedeutung für Heimat schon verloren, ehe sie es verlassen musste. An dem Tag, als Castricus Tegula gekommen war, und nur die Rüstung ihres Vaters mitgebracht hatte und sein Schwert. Und endgültig, als sie das Anwesen nach dem Tod der Mutter verkaufen musste. Nein, dorthin gab es kein Zurück.


    Axilla versuchte, sich über die kreuz und quer laufenden Menschen hinweg zu orientieren und zur richtigen Straße zu gelangen, um Luca weiterleiten zu können. Er wollte sie über irgendetwas belehren, was sie nicht so ganz verstand. Vielleicht lag es an der Sprachbarriere, dass er sich einfach nicht gut ausdrücken konnte, oder doch am Inhalt. Axilla wusste es nicht genau. Für sie klang es so, als sollte sie ihr Schicksal nicht annehmen, sondern dagegen aufbegehren.
    Aber wie sollte sie das machen? Ihre Familie entehren und tun, wonach ihr der Sinn stand? Die Gesellschaft brüskieren und sich nicht als brave Haustochter der Gens Iunia zeigen? Wie ein Kind selbstsüchtig nur das tun, wonach ihr der Sinn stand? Den guten Namen ihres Vaters entehren, nur um sich selbst für den Moment besser zu fühlen?
    Das ging nicht. Ein einzelner Mensch in dieser Welt konnte nicht überleben. Man brauchte die Familie. Man brauchte seine Gens. Man brauchte die Sicherheit in dieser kleinen Gemeinschaft. Und diese funktionierte nur mit Gehorsam. Sie lehnte sich schon so oft auf, begehrte gegen die Ungerechtigkeiten, war wilder, als sie sollte. Aber dennoch würde ihr nie in den Sinn kommen, ihr Schicksal anzuzweifeln. Selbst Götter hatten ein Schicksal! Warum sollte sie ihres dann ändern wollen?
    “Nein, um ehrlich zu sein, versteh ich das nicht“, meinte sie mit zweifelndem Lächeln. Bestimmt lag es nur an der Sprache. Luca sah ihr nicht verrückt aus. Er konnte selber doch auch nicht für sein Leben entscheiden, so als Sklave. Noch weniger als sie als Frau.


    Aber inzwischen waren sie auch an der Straße angekommen – und Axilla bemerkte zu ihrer Schande, dass es einfacher gewesen wäre, sie wären hinter dem Marstempel entlanggegangen und nicht hier kreuz und quer über den Platz.
    “Zur Villa Flavia geht es da lang. Du folgst einfach dieser breiten Straße, durch die Porta Sanquaris hindurch und immer weiter den Quirinal hoch. Irgendwann kommt dann auch der Templum Salutis und etwas weiter der Templum Quirini.“ Und von da musste Luca ja definitiv nach Hause finden.

    [Blockierte Grafik: http://img843.imageshack.us/img843/3899/kephalos.jpg]


    Nachdem Kephalos den Tagelöhnern lang und breit erklärt hatte, was wessen Aufgabe war, konnte die Arbeit auch losgehen. Zuerst wurde die Tempelküche ausgeräumt, sofern das die Priester nicht ohnehin selbst erledigt hatten, und dann die Bodenplatten dort entfernt, was mit einigem Muskelaufwand und einem Stemmeisen geschah. Leider zerbrachen die Tölpel dabei so viele, dass Kephalos schließlich wutschnaubend und schimpfend hinausging und seinem Gesellen das Anweisen an dieser Stelle erst einmal überließ.


    Draußen am Baukran wurde inzwischen eine Winde angebracht, ein einfaches Holzkonstrukt mit Drehkreuz, das von 4 Männern leicht gedreht werden konnte und dank eines steinernen Fußes das nötige Gewicht besaß, um nicht zu verrutschen. Kephalos wäre es lieber gewesen, es mit Holzpflöcken in der Erde zu arretieren, nur war das hier auf dem Platz leider nicht möglich. Es würde auch so gehen. Es würde müssen.
    Zwei andere seiner Gehilfen hatten hier die Aufsicht und erklärten gerade den Tagelöhnern, dass sie das Dach abdecken sollten, von wo bis wo, und dass jede zerbrochene Schindel ihnen vom Lohn abgezogen würde. Was bei dem niedrigen Lohn hieß, dass wer mehr als eine zerbrach, gleich gehen konnte, da er nichts mehr verdienen würde. Allerdings hatte Kephalos die Kosten für das Holz und für den Marmor etwas unterschätzt, so dass der von ihm geplante Puffer bereits ausgeschöpft war und sie so an anderen Ecken sparen mussten, soweit dies möglich war. Dem Collegium Pontificium zu erklären, dass er sich verkalkuliert hatte und mehr Geld bräuchte, würde ungemein schwerer sein, als diesen armen Tölpeln hier Feuer unterm Hintern zu machen und sie zur Vorsicht zu mahnen.


    Kephalos ging weiter zu seinem eigentlichen Ziel, verscheuchte dabei mit ein paar harschen Gesten und noch harscheren Worten ein paar der Zuschauer, die einfach nur im Weg herum standen und den Kran angafften, und bahnte sich seinen Weg zu den bereits auf ihn wartenden Steinmetzen. Es waren drei, die er sich hatte empfehlen lassen, und mit denen er nun die auszuführenden Arbeiten durchging. Da sie neben der Pferdestatue standen, fing er mit dem abgebrochenen Ohr auch gleich an, für das wohl ein größeres Bruchstück der jungfräulich weiß in der Somme schimmernden Blöcke ausreichen würde.
    Die gesprungene Bodenplatte ein paar Schritte weiter wurde in Augenschein genommen, und es ging weiter zu den Treppenstufen, die “So exakt als irgend möglich!“ zu kopieren waren, so dass später ein Unterschied nicht erkennbar wäre. Hierfür würde der größere Block gebraucht werden, während der kleinere die Platte auf dem Platz und die an der Opferstätte ersetzen sollten. Kephalos konnte nur hoffen, dass die Männer wirklich so geschickt waren und den Block teilen konnten, ohne allzu viel Material zu verschwenden. Aber sie schienen zuversichtlich, ja geradezu ehrfürchtig, mit solch edlem Material umgehen zu dürfen, als sie schließlich von den Stufen zum Opferaltar gingen und wohl den schwierigsten Teil ihrer Aufgabe in Augenschein nahmen: Die Platte mit der Halterung für die großen Opfertiere. Hier mussten sie den teuren Marmor genau einfassen, dass er nicht riss und den Metallring sicher hielt. Hier wirkten sie schon nicht mehr ganz so selbstsicher, aber selbstsicher genug, dass Kephalos es auf den Versuch ankommen ließ. Andernfalls würden sie den Marmor ersetzen müssen. Und das wäre für alle Beteiligten unangenehm.

    Was sollte Axilla da erst sagen? In der Casa Iunia wohnte sie inzwischen ja auch wieder ganz allein, von ein paar Anstandsbesuchen von Seneca dann und wann mal abgesehen, und natürlich von den Sklaven. Aber die Iunier waren zahlenmäßig nicht mehr als die Pompeier. Die Casa in Alexandria stand inzwischen sogar wieder leer, abgesehen von den Sklaven, die sie bewirtschafteten. Silanus war irgendwo in Hispania, und Merula, ihr liebster Cousin, war auch zu ihm gereist, soweit sie wusste. Und wenn sie jetzt Imperiosus heiraten würde, würde die Casa in Rom auch wieder leer stehen, außer wenn sie oder Seneca sie mal besuchten.
    Ein kleines Gefühl der Trauer beschlich Axilla, aber sie lächelte es weg, als Imperiosus meinte, die eine Tür führe in sein Schlafzimmer. Und er wollte ihr das Zimmer direkt gegenüber zeigen. Axilla kannte sich im Haus jetzt nicht gut genug aus, um zu wissen, welches Zimmer wo hin zeigen würde, aber es war ein schönes, wenngleich seltsames Gefühl, dass Imperiosus sie wohl gern in seiner Nähe haben wollte. Wo er doch selber sagte, dass so viele Zimmer leer stehen würden und er sie damit auch viel weiter von seinem Schlafzimmer entfernt hätte platzieren können. Sofern ihr das Zimmer gefiel.
    “Dann schauen wir es uns doch an“, meinte sie lächelnd und öffnete einfach frech die Tür, um an ihm vorbei ins Zimmer hineinzuschlüpfen und sich frech grinsend zu ihm umzudrehen. Kurz ging der Gedanke durch ihren Kopf, dass sie jetzt das Zimmer aussuchen würde, in dem er sie wohl später nachts aufsuchen würde. Oder von dem aus sie ihn aufsuchen würde, wenn er das zuließ. Ein noch seltsameres und aufregendes Gefühl. Und es vertrieb sehr effektiv die Gedanken an Traurigkeit.

    Als Vala sich verschluckte, wandte sich Axilla doch wieder ihm zu, wollte ihm helfen, wusste aber gar nicht wie. Was konnte sie schon dagegen machen, dass er hier scheinbar erstickte. Sie trat neben ihn, winkte schon nach einem Sklaven, als die Olive dann doch in hohem Bogen in den Garten segelte, woraufhin Vala noch aufstand und sie unter einen Busch kickte.
    Jetzt standen sie also beide, Axilla noch immer leicht besorgt, Vala puterrot, und er begann mit seinen Fragen, die Axilla so gut wie möglich beantworten wollte. Sie erzählte ihm von Alexander dem Großen, den die Ägypter für ihren Gott gehalten hatten, wie zuvor ihre Pharaonen, und dass sie diesen Titel, Basileus, seitdem jedem ihrer Herrscher angedeihen ließen, erst den Ptolemäern, dann den römischen Kaisern, und sich nur diesem unterordneten. Dass die Provinz Alexandria Privatbesitz des Kaisers war, und dieser der Stadt Alexandria das Recht eingeräumt hatte, sich selbst zu verwalten, weshalb sie nur dem Kaiser Untertan war, nicht jedoch dem Reich. Sie erzählte von den einzelnen Posten, von der Wichtigkeit des Gymnasiarchos und dass Vala zu diesem gehen musste, um sich das alexandrinische Bürgerrecht eintragen zu lassen, von der Ephebie, die dieser mit den jungen Griechen durchführte, von der engen Verknüpfung von Sport und Wissenschaft in allen Dingen, die die Griechen anstrebten, Perfektion des Körpers, Perfektion des Geistes.
    Dann sprachen sie über die Stadtviertel, dass er sich aus Rhakotis fernhalten sollte. Axilla verwies ihn an das Kapeleion Archaon als Gasthaus, und daran, dass er Cleonymus sagen konnte, er sei ein Freund von ihr, dann bekäme er vielleicht einen besseren Preis. Sie wollte ihm ja anbieten, dass er auch in der Villa Iunia leben konnte, in Basileia, dem sichersten und schönsten Viertel Alexandrias, aber sie wollte nicht aufdringlich erscheinen und traute sich noch nicht so recht.
    Und vom Museion, sehr lang sprachen sie vom Museion. Vom Aufbau, von der Lage, den verschiedenen Einrichtungen, der Sternwarte, die ihres Gleichen suchte, von den Häusern der Ärzte, die weltberühmt waren. Und natürlich von der Bibliothek mit ihren tausenden von Schriften, die sie über die Jahrhunderte gesammelt hatten, in Sprachen aus aller Herren Länder, sogar aus Ländern, die es gar nicht mehr gab. Sofern das Feuer sie verschont hatte, als Augustus bei seiner Eroberung das Museion in Brand gesetzt hatte.


    Axilla hatte sich inzwischen auf den Schoß der steinernen Faunus-Statue zurückgezogen, der mild lächelnd in den nur von einigen Fackeln erhellten Garten hinausschaute, während Axilla mit glasigem Blick seinem in die Schwärze folgte. Je mehr sie redete, je mehr Vala nicht bemerkte, was Axilla zunehmend schlechter verstecken konnte, umso toter fühlte sie sich, und umso mehr Trost brauchte sie. Zunächst hatte sie sich nur an den halb liegenden Pan gelehnt, irgendwann hatte sie den kleinen Hüpfer gemacht, der ihren Po auf seinen Schoß geschoben hatte, und so saß sie jetzt schon eine Weile, mit baumelnden Beinen, mal nach vorne gebeugt, mal an den steinernen Gott gelehnt, doch fast nie Vala direkt ansehend.
    “Ja, Frauen und Männer haben in Alexandria die gleichen Rechte. Das hat was mit den Ägyptern zu tun. Die glauben daran, dass alle Dinge einer Dualität unterliegen, einem Gleichgewicht der Gegensätze. Stark und Schwach, Hell und Dunkel, und eben Mann und Frau. Das eine kann ohne das andere nicht existieren. Deshalb haben ihre Götter auch alle eine Frau oder einen Mann, wie Serapis und Isis.“
    Das Prinzip von göttlichen Eheschließungen war den Römern zwar durch die Griechen durchaus bekannt, aber eigentlich nicht so strikt umgesetzt, da hier jeder göttliche Aspekt auch allein für sich selbst stand. Klassisch hatten die meisten Götter daher keine direkte Gemahlin oder strikt geregelte Verwandtschaftsverhältnisse.
    “Von daher, wenn eine unverheiratete Frau gerne lernen will, darf sie lernen, und wenn sie lehren will, darf sie lehren. Sofern ihr Vater einverstanden ist. Bei den verheirateten brauchen sie das Einverständnis ihres Mannes. Es sind halt doch Griechen, irgendwie.“ Und die waren da doch sehr strikt. “Braucht nur jeder das Bürgerrecht. Und muss natürlich ein göttergefälliges Leben führen. Ist ja ein Tempel, das Museion.“ Was sie ihm vorhin schon lang und breit erklärt hatte, es daher jetzt nur beinahe tonlos nochmal erwähnte.

    [Blockierte Grafik: http://img843.imageshack.us/img843/3899/kephalos.jpg]


    Das Holz zu besorgen war ein Graus gewesen. Man hätte meinen Können, Kephalos hätte den Dachstuhl aus massivem Gold errichten wollen, so wie sich die Holzhändler angestellt hatte. Vermutlich wäre es sogar leichter gewesen, Gold in Form gießen zu lassen und hier zur Baustelle zu bringen, selbst in tragfähiger Menge, als die paar Balken, die Kephalos nun nach mehrwöchigen Verhandlungen doch erstehen konnte. Auch wenn man über die Toten nicht so denken oder reden sollte, so war es doch das Glück des Architekten gewesen, dass der Kommandant der Classis gestorben und noch kein neuer ins Amt eingeführt war, so dass die Aufträge für den Bau von Schiffen von militärischer Seite aus erstmal auf Eis lagen. Zumindest solange, bis der neue Präfekt dort angekommen wäre. Ein ziemlich knappes Zeitfenster, um den Holzhändlern die Balken, die eigentlich als Schiffsrumpf dienen sollten, abzuschwatzen.
    Aber jetzt waren sie hier, im Schutz der Nacht mit Karren hertransportiert zum Tempel, ebenso wie der Marmor, der bereit lag, um behauen zu werden. Kephalos hatte sich schon nach Steinmetzen erkundigt und diese benachrichtigen lassen, dass er hier am Tempel Arbeit zu vergeben hatte. Die sollten heute ebenfalls ihr Werk beginnen, genauso wie die Tagelöhner, die seine Gesellen am gestrigen Tag ausgewählt hatten.
    Noch war es dunkel, und die Fuhrmänner luden gerade die kleineren Balken für die Arbeiten in der Küche ab. Doch der Morgen dämmerte bereits und würde nicht mehr lang auf sich warten lassen. Also kaum Zeit, das Fuhrwerk wieder aus der Stadt zu bekommen, um den Tagfahrverbot zu entgehen, und ein Grund für Kephalos, doppelt genau auf die Arbeit der Männer zu schauen, dass die nicht in ihrer Eile noch etwas zerbrachen. Es war schwer genug, die ganzen Balken zu organisieren, sie jetzt noch zu beschädigen wäre eine Katastrophe!
    “Passt damit auf!“ bellte der Grieche, als die Männer das Holz einfach zu Boden werfen wollten. Die murrten nur, arbeiteten dann aber gewissenhaft weiter. Und als der Himmel im Osten durch helles Grau anzeigte, dass der neue Tag anstand, waren sie auch fertig und führten ihren Ochsenkarren weg, während ihr Anführer sich von Kephalos einige Münzen in die Hand drücken ließ.
    Was noch fehlte, waren Dachziegel, aber die wollte Kephalos besorgen, während die Erdhubarbeiten vorangingen. Da diese ja gebrannt wurden und nicht Wachsen oder aus dem Fels geschnitten werden mussten, sollten sie leichter zu erhalten sein.


    Kephalos sah sich seine Gehilfen an, die sich noch müde den Schlaf aus den Augen rieb, während in der Ferne vom nicht allzu weiten Ianusbogen her Gesang durch die klare Morgenluft herangetragen wurde. Das allmorgendliche Opfer an den Gott, damit er die Tore zum Göttlichen öffnete, so dass sie ihren übrigen Göttern für den Tag opfern konnten. Kephalos kannte den Brauch mittlerweile, auch wenn er ihn nicht ganz verstand. Das griechische Pantheon hatte nichts vergleichbares. Dort begann jeder Tag mit dem Aufstieg von Helios, ohne dass eine Torgottheit den Weg bereiten musste für die anderen Götter.
    So oder so lauschte er aber dem Gesang und wartete darauf, bis dieser vollendet war und die Stadt so langsam zum Leben erwachte. Nach und nach fanden sich auch die Tagelöhner ein, die angeheuert worden waren, um die ersten Aufräumarbeiten zu beginnen.


    Gemeinsam warteten sie auf den Priester, der ihnen Einlass zum Tempel geben sollte, und als der Aedituus schließlich auftauchte, verbrannten sie zur Besänftigung des Gottes noch gemeinschaftlich etwas Weihrauch auf seinen Feuern. Als der Rauch fröhlich und als gutes Omen zum Himmel stieg, fingen sie schließlich an.

    Es folgte ein weiteres “Oh“, ebenso bedauernd wie das erste, auch wenn sie diesmal nichts zu Boden geworfen hatte. “So bald schon.“ Axilla war sich gerade nicht sicher, wann das Amtsjahr denn vorbei war. Noch ein paar Wochen waren es, vielleicht 2 Monate. Aber nicht viel länger. Sehr wenig Zeit.


    Sie wurde unruhig, hatte das Gefühl, gleich zu zerspringen, wenn sie hier weiter untätig neben ihm sitzen würde. Sie nahm noch einmal etwas fahrig einen Schluck von ihrem Saft und stellte den Becher klappernd wieder auf den Tisch. Sie konnte nicht hier sitzen bleiben, hatte wieder dieses Gefühl in sich, dieses Bedürfnis, zu laufen. Zu laufen, bis ihr die Lunge brannte, bis jeder einzelne Muskel schmerzte, bis jeder Schritt wie Donner in ihr widerhallte und das Pochen ihres Herzen alles andere überschattete. Bis der körperliche Schmerz jeden anderen überstieg und wegwischte, bis sie diesen Moment der totalen Erschöpfung und Klarheit erreichte, in dem sie einfach weg wäre.
    Weglaufen konnte sie nicht. Sitzen bleiben aber genausowenig. Also stand sie auf, trat einen Schritt in den Garten hinein, so dass sie seitlich zu Vala stand und er sie im Profil bewundern konnte. Sie verschränkte leicht die Arme vor ihrer Brust und blickte in das satte sommerliche Grün hinein, das langsam immer schattiger wurde, als die untergehende Sonne tiefer als die Hausmauer sank. Vielleicht sollten sie ein paar Fackeln aufstellen lassen, bevor es dunkel wurde.
    “Ja, Alexandria hat eine eigene Verwaltung. Es... technisch gesehen gehört die Stadt nicht zum römischen Reich, daher... ist die Stadtverwaltung nicht der römischen Organisation untergeordnet, sondern verwaltet sich selbst, und... am besten fragst du, was dich da interessiert, dann weiß ich, was ich dir erzählen soll.“
    Kurz sah sie zu Vala hinüber, blickte aber gleich wieder weg. So sehr sie es sich auch einredete, dass es das beste wäre und dass es leichter wäre, sie wollte nicht, dass er ging. Es war eine Sache, jemanden nicht mehr zu sehen, aber zu wissen, wo er war, und dass man ihn sehen könnte, wenn man es nur wollte. Eine völlig andere war es, durch viele Meilen Meer voneinander getrennt zu sein und nicht zu wissen, wie es ihm ging, ihn nicht einmal dann sehen zu können, wenn man wollte.
    “Weißt du denn schon, wo du wohnen wirst?“ Sie versuchte, sich auf die Sache zu konzentrieren, freundschaftlich sich zu benehmen, und nicht wie die Geliebte, die verlassen wurde. Darauf hatte sie keinen Anspruch.

    Auf seine Rückfrage, was denn los sei, winkte Axilla nur unbestimmt ab und ließ das Thema auf sich bewenden. Sie konnte ihm kaum die Wahrheit sagen. Dass es sie quälte, ihn hier so bei sich zu haben, wo er nur eine Armlänge von ihr entfernt war, und doch weiter weg, als sie sich vorstellen konnte, unerreichbar wie die Gestirne. Ansehen ja, anfassen nein. Aber ständig danach sehnen, bis es ihre Seele zerriss, bis sie sich wieder und wieder sagte, dass es nicht ging, nicht gehen sollte und nicht gehen durfte. Dass es gleichgültig sei und sie nicht darüber nachdenken sollte. Dass sie nicht darüber nachdenken wollte. Dass sie auch hier Abschied nahm, still, leise.
    Aber lügen konnte sie genauso wenig. Sie wollte ihn auch gar nicht anlügen, das war... nicht richtig. Also beließ sie es einfach dabei und versuchte, einen Bissen Brot zu nehmen. Doch jedes Mal, wenn sie den Arm hob und der Duft des frisch gebackenen Brotes ihr in die Nase stieg, überkam sie ein unbändiges Gefühl des Ekels, und sie war sich sicher, dass sie nichts essen konnte.


    Vala hingegen ließ es sich sichtlich schmecken, und Axilla war durchaus dankbar dafür. So fiel es weniger auf, dass sie nur da saß, noch immer denselben Bissen Fleisch und dasselbe Stückchen Brot in Händen, ohne etwas tatsächlich zu essen.
    Statt dessen hörte sie zu, wofür er ihren Rat brauchte, als er recht hastig und unkoordiniert begann. Doch bereits bei seinem ersten richtigen Satz war es schon vorbei mit der erhofften Ablenkung. Sie wurde blass, sie fühlte es am kälter werden der Haut, und das Brot entglitt ihren Fingern, was sie aber erst merkte, als es zu Boden fiel. “Oh“ machte sie nur bestürzt mit Blick auf die Scheibe, um die sich wohl später die Vögel zanken würden. Hastig legte Axilla das Fleisch zurück auf den Tisch, ehe es dem Brot noch Gesellschaft leistete, und betete nur, dass Vala das Zittern ihrer Hände nicht bemerkte.
    “Und... und wann willst du gehen?“ fragte sie nach, als der Versuch, sich zur Selbstbeherrschung aufzurufen, kläglich scheiterte. Sie sah Vala dabei nicht einmal an, weil sie wusste, sie wusste, er würde in ihren Augen sehen, warum sie das fragte, dass sie diese Maske der Gleichgültigkeit unmöglich aufrecht erhalten konnte, wo ihr Herz doch gerade in tausend Stücke zersprang.
    “Ich meine, Alexandria, das ist... ganz schön weit weg. Und... eine ziemlich schwerwiegende Entscheidung. Was... was genau brauchst du? Also, ich meine, was willst du wissen?“ Sie bemühte sich, sich zu fangen, sie strengte sich an, so sehr ein Mensch sich nur anstrengen konnte. Es ist ganz gleich. Du heiratest Imperiosus, und wenn er aus deinem Leben verschwindet, ist das doch gut? Auch wenn sie sich selbst diesen Gedanken nicht glauben konnte, so sehr sie ihn sich einreden wollte. Aber wenigstens gab es ihr die nötige Ruhe, das Gespräch sachlich fortzusetzen. Wenngleich sie seinem Blick im Moment nicht standhalten konnte.