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Mittag. Eine erste Verschnaufpause im Training – oder eine Unterbrechung, je nachdem, wo man stand. Zusammen mit seinen Brüdern ging Malachi zur Essensausgabe. Jeder hatte seine Schale und seinen Löffel, und ohne irgendein Wort, ohne Scherz oder gar Streit, standen sie alle an, ließen sich ihre Kelle Essen und einen Kanten Brot geben, um zu ihren Plätzen zu gehen. Es war jeden Tag dasselbe Ritual, derselbe Ablauf. Die alten Gladiatoren vollführten dies genauso routiniert wie davor die Übungen mit dem Schwert: Schweigend, präzise und ohne auch nur darüber nachzudenken.
Nur die neueren hatten da Probleme. Ein Novicus – ein Freiwilliger, soweit Malachi wusste – stellte eine Frage: Was das da in seiner Schale war. Das Ergebnis war, dass einer der Doctores ihm einen Schlag in den Rücken mit dem Stock verpasste, so dass dieser die Hälfte seines Essens verschüttete. Die harschen, gebrüllten Worte, die folgten, ließen aber keinen Zweifel daran dass er sich “AN SEINEN PLATZ SETZEN!“ sollte. Und “WEHE, EIN TROPFEN ESSEN LANDET AUF DEM BODEN!“, dann würde dieser “MISTKÄFER VON EINEM SCHWÄCHLING!“ den Doctor erst von der wirklich unangenehmen Seite kennenlernen. Danach war wieder Totenstille.
Ein anderer Novicus zitterte so sehr, dass er beinahe seine Schale nicht zum Platz tragen konnte. Die Ketten rasselten bei jeder Bewegung. Sein Gesicht sah blass aus. Ein sehr guter Kandidat für das Spiel.
“20 Sesterz'n auf den Griech'n“, meinte Ferox vergnügt, als das Essen eröffnet worden war und zumindest den älteren Gladiatoren ein leises Gespräch gestattet war. (Oder besser gesagt, es wurde nicht so drakonisch geahndet.)
Der Nubier ließ seinen Kennerblick ebenfalls über die neuesten Brüder gleiten. Seinem schwarzen Gesicht war keine Regung anzumerken, bis zu dem Zeitpunkt, als er mit einem Lächeln eine herausstechend weiße Reihe Zähne zu zeigen. “Eine gute Wahl, Thraker, gute Wahl. Doch glaube ich, du bist vorschnell. Ich denke viel eher, dass unser Auctorati dort drüben das rennen machen wird. Was meinst du, Matinius?“
Seitdem Genucius Matinius die Sache mit den Spottpreisen bei den Gladiatoren vom Ludus Magnus gehört hatte, hatte er beständig schlechte Laune. Er schaufelte momentan lustlos sein Essen in sich hinein und brütete in seinen Gedanken. Seine Frau stand an der Essensausgabe und half den Bediensteten, zusammenzuräumen. Sie war eine echte luda (und nicht zu verwechseln mit einer lupa) und solange ihr Mann hier als Gladiator arbeitete, lebte sie mitsamt ihrer Familie hier und half bei den Aufgaben, die sie erledigen konnte. Die beiden hatten wohl einen lauteren Streit gehabt, was noch mehr zur Verdrießlichkeit des Genuciers beitrug.
Er schaute nur kurz missmutig auf. “Der Parther“, meinte er so lustlos wie alles andere und widmete sich dann seinem Essen wieder.
“Der Parther? Bist du sicher, Mann?“
“Lass ihn, Nubius, lass ihn. Sein Geld is' mir sehr willkomm'n, ich bin mir nicht zu fein, 's ihm abzuknöpf'n'.“ Ferox lachte sein dreckiges, unangenehmes Lachen, bis ein Aufseher hersah. Augenblicklich verstummte er und beugte sich über sein Essen. “Pst. Jude! Malack! Was meinst'n du? Willst mich nich' auch 'n bisschen reicher machen?“
Malachi sah von seinem Essen auf und blickte über die Neulinge. “Ich denke, der Nubier nimmt dich aus. Wie jedes Mal.“ Er beteiligte ich nicht am Spiel.
Die Regeln des Spiels waren ganz einfach. Die Neulinge waren die Anstrengung des Trainings nicht gewohnt. Und sie mussten essen, wenn es Essen gab. Sie durften sich nicht erst ausruhen und entspannen, bis sie so weit waren. Was zur Folge hatte, dass immer mindestens einer sich die Seele aus dem Leib kotzte. Oder anfing, unkontrolliert zu heulen und zu schluchzen und danach zu jammern, hier heraus zu dürfen/dass seine Mutter ihm half/dass die Götter ihm das Schicksal ersparten. Und nun schlossen die übrigen Tische kleine Wetten ab, wer das denn sein würde. Manchmal brachen auch mehrere zusammen, dann wurde der Topf gestaffelt ausgeschüttet. Der erste bekam den Löwenanteil, der zweite noch ein wenig und der Dritte vielleicht seinen Einsatz wieder.
Und es dauerte auch nicht lange, bis das Spiel anfing. Der zitternde Grieche, auf den Ferox gesetzt hatte, zitterte immernoch und aß nicht einen Happen. Solang, bis zwei Ausbilder herbei kamen und erst auf ihn einredeten mit eindeutigen Worten, und schließlich dann einer ihn festhielt und der andere ihm erst einmal einen Löffel Getreidebrei in dem Mund stopfte. Wenn der Befehl lautete, zu essen, wurde gegessen. Die Männer brauchten die Nahrung, um durchhalten zu können.
Der Schwätzer, auf den der Nubier gesetzt hatte, hatte unterdessen zu essen angefangen. Langsam, sich immer wieder die Rippen haltend. Der Doctor vorhin war nicht zimperlich mit ihm umgesprungen. Während also der Grieche zu heulen anfing, als die beiden Aufseher ihn zum Essen zwangen, wurde er immer blasser und verschwitzter. Und schließlich schaffte er es noch gerade so eben, aufzustehen und sich vom Tisch abzuwenden, ehe sich hauptsächlich Galle und ein wenig Puls einen Weg von seinem Magen zum Steinboden suchten. Ein Aufschrei des Ekels folgte von den Umstehenden.
Der Grieche wurde losgelassen, weil die beiden Aufseher erst einmal Ordnung in die Gladiatoren bringen mussten – was sie auch mit einigen gebellten Befehlen recht schnell schafften. “WEITERESSEN!“ war dabei noch das freundlichste, und wurde umgesetzt. Als alle wieder saßen, wurde der Auctoratus von den beiden erst einmal abgeführt und zum Medicus verfrachtet. Schlagen als Strafe half da – noch – nicht viel, aber das würde folgen, wenn er nicht mehr ganz so geschwächt war.
Malachi wandte sich an Ferox. “Hab ich doch gesagt. Er gewinnt immer.“
Ferox maulte etwas unverständliches in seiner Muttersprache und reckte dem Nubier die Faust entgegen, die dieser mit selber Geste berührte, womit klar war, dass Ferox seine 20 Sesterzen bezahlen würde. Sobald er sie hatte. Dem Genucius erließ der Nubier seinen Einsatz.