Noch immer war Axilla am Schwanken, ob sie etwas sagen sollte oder nicht. Nicht, weil sie ihr Geheimnis unbedingt für sich behalten wollte, sondern eher, weil sie ernsthafte befürchtungen hatte, das Gespräch damit abzuwürgen. So saß sie also nur da und nahm zaghaft etwas Fleisch und Gemüse. Vespa hatte sich wirklich alle Mühe gegeben, es sah wirklich wundervoll aus. Axilla wollte gerade etwas dazu sagen, als die Aurelia das auch schon tat, gefolgt von einer Frage von Seiana, und Axilla kam sich dann dumm vor, noch etwas dazwischenwerfen zu wollen. Sie konnte das nicht so gut, diesen Umgang in der Gesellschaft. Dieses einfach fröhlich drauf los reden in einem Kreis von Frauen. Bei Männern hatte sie da weniger Probleme, die sahen einen nicht an, als wollten sie einen auffressen, wenn man mal etwas ein wenig verdrehte. Überhaupt waren Männer sehr viel einfacher, zumindest die meisten. Die verziehen einem mit einem Lächeln, und wurden großzügig mit einem Augenaufschlag. Frauen nicht. Eher im Gegenteil. Je mehr man versuchte, sie für sich zu gewinnen, umso weniger mochten sie einen. Auch wenn Axilla da nicht wirklich böse war, sie mochte Frauen umgekehrt auch nur in den wenigsten Fällen.
Und der Grund, warum das so war, den lieferte auch gleich wieder die Aurelia sehr lautstark und hochnäsig. Den hochwohlgeborenen Aureliern ging es also gut, auch wenn der plebs etwas anderes behaupten mochte. Und wie sie das sagte. Der Plebs. Als wären Plebejer per se etwas viel schlechteres, ein ungebildetes Volk, das nur stupide irgendwelchen Blödsinn faselte. Und üble Gerüchte verbreitete. Wie beispielsweise die beiden Plebejerinnen hier am Tisch, die bei der Acta arbeiteten. Oder auch die Plebejerin, die eine Verwandte des Kaisers war.
Wut war eine interessante Sache. Wenn Axilla normal war, war sie meist zu schüchtern und zu sehr darauf bedacht, nichts falsches zu sagen, als dass sie auch nur vernünftig die Zähne auseinander bekam. Dann gab sie sich selbst die Schuld, wenn etwas gegen ihren Willen lief, und dann sah sie ihre eigenen Unzulänglichkeiten viel deutlicher als die der anderen.
Aber wenn sie wütend war, war das anders. Nicht, dass sie dann besser überlegen könnte, oder logischer wäre. Auch fehlte ihr die kühle Beherrschung, die manch anderen dann beseelte. Nein, bei ihr manifestierte sich das einfach in einer schlagfertigen Bissigkeit, die man ihr sonst wohl nur schwer zutrauen würde. Und ihr Gehirn fand irgendwo eine Information, um dem Gegner mit eben jenem Scharfsinn etwas vor den Latz zu knallen.
“Sag, Aurelia, waren deine Vorfahren bis vor zwei Generationen nicht auch noch Plebejer? Ich meine, die Aurelier wurden in den Adel erst erhoben, besitzen aber kein Geblütsrecht darauf.“ Ein unschuldiges Lächeln zierte Axillas Gesicht, das sicher nicht das geringste von ihrer Wut zeigen mochte.
Plebs, wenn sie das hörte! Sie selbst war eine Iunia, vom ältesten römischen Geschlecht überhaupt. Und das war ursprünglich patrizisch gewesen! Und nur dank Marcus Brutus Torheit waren sie es heute nicht mehr. Dennoch ließ sich Axilla sicher nicht sagen, dass ihr Blut unedler war als das einer Aurelia, selbst wenn die sich bei den Flaviern einheirateten.