Beiträge von Iunia Axilla

    Noch immer war Axilla am Schwanken, ob sie etwas sagen sollte oder nicht. Nicht, weil sie ihr Geheimnis unbedingt für sich behalten wollte, sondern eher, weil sie ernsthafte befürchtungen hatte, das Gespräch damit abzuwürgen. So saß sie also nur da und nahm zaghaft etwas Fleisch und Gemüse. Vespa hatte sich wirklich alle Mühe gegeben, es sah wirklich wundervoll aus. Axilla wollte gerade etwas dazu sagen, als die Aurelia das auch schon tat, gefolgt von einer Frage von Seiana, und Axilla kam sich dann dumm vor, noch etwas dazwischenwerfen zu wollen. Sie konnte das nicht so gut, diesen Umgang in der Gesellschaft. Dieses einfach fröhlich drauf los reden in einem Kreis von Frauen. Bei Männern hatte sie da weniger Probleme, die sahen einen nicht an, als wollten sie einen auffressen, wenn man mal etwas ein wenig verdrehte. Überhaupt waren Männer sehr viel einfacher, zumindest die meisten. Die verziehen einem mit einem Lächeln, und wurden großzügig mit einem Augenaufschlag. Frauen nicht. Eher im Gegenteil. Je mehr man versuchte, sie für sich zu gewinnen, umso weniger mochten sie einen. Auch wenn Axilla da nicht wirklich böse war, sie mochte Frauen umgekehrt auch nur in den wenigsten Fällen.
    Und der Grund, warum das so war, den lieferte auch gleich wieder die Aurelia sehr lautstark und hochnäsig. Den hochwohlgeborenen Aureliern ging es also gut, auch wenn der plebs etwas anderes behaupten mochte. Und wie sie das sagte. Der Plebs. Als wären Plebejer per se etwas viel schlechteres, ein ungebildetes Volk, das nur stupide irgendwelchen Blödsinn faselte. Und üble Gerüchte verbreitete. Wie beispielsweise die beiden Plebejerinnen hier am Tisch, die bei der Acta arbeiteten. Oder auch die Plebejerin, die eine Verwandte des Kaisers war.


    Wut war eine interessante Sache. Wenn Axilla normal war, war sie meist zu schüchtern und zu sehr darauf bedacht, nichts falsches zu sagen, als dass sie auch nur vernünftig die Zähne auseinander bekam. Dann gab sie sich selbst die Schuld, wenn etwas gegen ihren Willen lief, und dann sah sie ihre eigenen Unzulänglichkeiten viel deutlicher als die der anderen.
    Aber wenn sie wütend war, war das anders. Nicht, dass sie dann besser überlegen könnte, oder logischer wäre. Auch fehlte ihr die kühle Beherrschung, die manch anderen dann beseelte. Nein, bei ihr manifestierte sich das einfach in einer schlagfertigen Bissigkeit, die man ihr sonst wohl nur schwer zutrauen würde. Und ihr Gehirn fand irgendwo eine Information, um dem Gegner mit eben jenem Scharfsinn etwas vor den Latz zu knallen.
    “Sag, Aurelia, waren deine Vorfahren bis vor zwei Generationen nicht auch noch Plebejer? Ich meine, die Aurelier wurden in den Adel erst erhoben, besitzen aber kein Geblütsrecht darauf.“ Ein unschuldiges Lächeln zierte Axillas Gesicht, das sicher nicht das geringste von ihrer Wut zeigen mochte.
    Plebs, wenn sie das hörte! Sie selbst war eine Iunia, vom ältesten römischen Geschlecht überhaupt. Und das war ursprünglich patrizisch gewesen! Und nur dank Marcus Brutus Torheit waren sie es heute nicht mehr. Dennoch ließ sich Axilla sicher nicht sagen, dass ihr Blut unedler war als das einer Aurelia, selbst wenn die sich bei den Flaviern einheirateten.

    Da Axilla bereits eine Weile in der Bibliothek an den Bücherregalen stand, entfiel das aufhelfen natürlich. Stattdessen kam Flaccus auf sie zu, sah sie an. Axilla blickte einen Augenblick lang unsicher lächelnd zurück, nur um sich Sekunden später in einer überraschenden Umarmung wiederzufinden. Sie wurde umarmt. Einfach so. Nicht sie hatte jemanden umarmt – was durchaus zu ihrem Gemüt passen könnte – nein, da war jemand anderes, der sie einfach so umarmte. Und Flaccus ließ sie auch nicht mehr richtig los, sondern ließ seine Hand in ihrem Rücken, während er mit der anderen Hand nach draußen wies. Und zum Abschied, bei dem er sie an Aglaia verwies, führte er sie auch mit eben jener Hand in ihrem Rücken mit leichtem Druck schon in die richtige Richtung.
    Axilla war zu verwirrt, um wirklich spritzig und schlüssig auf seine Anspielung mit der Tunika eingehen zu können. Abgesehen davon, dass sie sich ohnehin unschlüssig war, ob es angebracht war, mit Flaccus zu flirten. Er war so... so... sie konnte ihn nicht richtig erfassen. Er war ganz offensichtlich als Mann, und doch konnte Axilla ihn nicht so richtig als solchen wahrnehmen. Ihm fehlte vollkommen dieser wilde, jagende Zug, den Axilla sonst doch meistens zum Vorschein brachte. Und auch, wenn er jetzt etwas sagte, was in diese Richtung ging, war das dennoch nicht dasselbe. Im Gegenteil, es verwirrte eher noch mehr.


    “Ähm, ja. Gut, danke.“ Nicht besonders originell, aber das war Axilla selten, wenn sie verwirrt war. Und im Moment war sie es noch mehr als üblicherweise. “Dann hoffe ich, du hast noch einen schönen Abend. Vale.“ Das letzte war nun doch wieder fröhlicher gesprochen, so gut war ihre Selbstbeherrschung dann doch irgendwie. Auch wenn Axilla aus diesem Burschen hier nicht schlau wurde. Aber das machte auch nichts, es war ja nicht so, als ob der Rest der männlichen Bevölkerung sich unbedingt als durchschaubarer präsentiert hätte.


    Und so folgte Axilla Aglaia. An der Porta warteten auch schon ihre Sklaven auf sie, um sie sicher nach Hause zu bringen.

    Nachdem das Schreiben des Consuls gekommen war, war Axilla doch ein wenig aufgeregt gewesen. Sicher, es ging nur um Honig, und sie wusste noch nicht einmal, um wieviel Honig überhaupt. Aber es war trotzdem der amtierende Consul, mit dem sie darüber sprechen würde, und sie konnte nur hoffen, sich nicht lächerlich zu machen.
    Und so ließ sie von Levi an der Porta anklopfen und sich anmelden.
    “Die ehrenwerte Iunia Axilla ist auf Einladung des ehrenwerten Consuln Purgitius Macer hier, um mit ihm zu reden.“ Der junge Jude hielt dem Ianitor das Schreiben hin, während Axilla dahinter wartete und versuchte, sich nichts von ihrer Nervosität anmerken zu lassen.


    Sim-Off:

    Entschuldige, irgendwie ging das hier im ganzen Wiehnachtstrubel unter

    DAS war seine Lieblingsstelle? Bei all den Schlachten, dem Kämpfen, dem Leid, dem Heros, dem Verrat und der Intrige, bei all diesen kolossalen Menschheitsgeißeln suchte er eine Stelle über tanzende Jünglinge und Jungfern? Axilla versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, und während er sang, drehte sie sich auch wieder dem Regal zu und ließ ihre Finger über die Schriften gleiten. Er hatte recht, diese Stelle war sicher nicht annähernd so heldenhaft wie die über Hektors Tod. Und Axilla drehte sich wohlweißlich nur halb zu Flaccus, wie beiläufig, als sie gutgelaunt auf seine Frage antwortete.
    “Dafür aber eindeutig fröhlicher und leichter.“


    Sklaven kamen herbei und entzündeten Öllampen. Axilla war ein wenig verwundert, wie schnell scheinbar doch die Zeit vergangen war. So lange hatte sie eigentlich gar nicht vorgehabt, zu bleiben. Sie hatte zwar heute am Abend nicht wirklich mehr etwas vor, allerdings war ihr Gespräch jetzt auch nicht derartig, dass sie deshalb bis tief in die Nacht hätte bleiben wollen. Immerhin waren sie nur zu zweit hier, und sicherlich würde Flaccus nicht wollen, dass sie zur Cena blieb und dann seinen verwandten über den weg lief. Piso war da schon sehr deutlich gewesen auf der Hochzeit von Nigrina, was da die Meinung über Axilla war. Und sie wollte Flaccus auch nicht in Bedrängnis bringen.
    Sie lauschte kurz, und tatsächlich, der Donner hatte aufgehört, und sie hörte auch keinen Regen. Vielleicht regnete es dennoch, aber nicht mehr stark. “Ich glaube, das Gewitter ist vorüber“, stellte sie lächelnd fest.

    Eine Klage war ja eigentlich das, was Axilla nach Möglichkeit vermeiden wollte. Sie wollte sich nicht öffentlich mit Salinator anlegen. Sie wollte nicht, dass er am Ende noch Seneca nach Afrika versetzte. (Wenn er Germanicus Sedulus als Serranas Mann mitsamt ihr dorthin versetzen würde, damit könnte sie ja leben. Aber ihren Vetter hatte sie doch gern und gern in ihrer Nähe.) Und sie wollte auch nicht, dass alle erfuhren, was mit Archias geschehen war, wie er gewesen war. Am Ende spekulierten die Leute dann noch, dass der Wahnsinn in der Familie läge oder so etwas. Und sie wollte auch nicht als Witwe eines Verrückten gelten.
    “Nein, nein, Brief klingt gut. Ich denke, soviel Zeit sollte dann doch sein, wenn dadurch ein größerer Eklat verhindert werden kann.“


    Jetzt, so im Nachhinein, war Axilla froh, hergekommen zu sein. Sie hatte so viel Angst davor gehabt, was der Tiberier sagen oder denken könnte, dass sie sich eigentlich gar nie mit dem Gedanken beschäftigt hatte, was sie machen sollte, wenn er tatsächlich zustimmte. Und jetzt war die Nervosität in geregelten Bahnen, alles schien seinen Gang zu gehen, und sie hatte keine Ahnung, was sie jetzt noch machen oder tun sollte.
    “Brauchst du dafür meine Hilfe, oder muss ich noch etwas tun?“ Sie wollte ja gerne mithelfen. Sie wollte das ja nicht alles auf Durus' Schultern abwälzen. Und sie hatte auch noch keine Ahnung, wie sie ihm dafür danken sollte.

    Wenngleich diese Worte wohl für jeden durchschaubar gewesen wären als bloße Übertreibung, für Axilla waren sie es nicht, und so stand sie einen Moment etwas perplex da. Wehrlose Bürgerin, der er helfen musste? Axilla hätte nicht gedacht, an irgendwen irgendwann mal zu geraten, der wirklich so edel dachte. Und es dauerte einen Moment, bis sie zumindest nicht mehr sicher war, dass er es so meinte, wie er es sagte. Dennoch war sie versucht, zu fragen, ob er das wirklich ernst meinte.
    Zum Glück jedoch kam er ihr mit weiteren Fragen zuvor. Nicht, dass Axilla auf die eine bessere Antwort hätte, aber es bewahrte sie zumindest vor der Peinlichkeit mit einem 'Wirklich?' sich vollkommen als einfältiges Kind zu brandmarken.
    “Was meinst du, was ist am Vielversprechendsten? Ich kenne den Vescularier ja gar nicht, ich hab ihn nur einmal gesehen, als er auf der Hochzeit meiner Cousine während des Opfers dazwischengeredet hat.“ Axilla zuckte etwas hilflos die Schultern. “Aber wenn wir es vielleicht erst einmal versuchen könnten, ohne dass es allzu öffentlich wird, wäre es glaube ich am besten, oder?“

    Irgendwie hatte Axilla das Gefühl, dass der Mann da vor ihr sie auf den Arm nehmen wollte. Und das nicht besonders gut.
    “Ich dachte, der Ludus Magnus sei eine staatliche Schule?“ fragte sie ein wenig verwirrt. Womit eben jener eben auch keinen Lanista hätte. Abgesehen davon, dass Lanista, also Besitzer einer Gladiatorentruppe, sowieso nur jemand werden konnte, der frei war. Und sie hatte nicht vor, Malachi frei zu lassen. Zumindest jetzt noch nicht.

    Das war auch Axilla sehr bewusst. Es war nicht nur rechtswidrig, es war unrecht, was Salinator getan hatte. Und jeder Mensch mit Augen im Kopf würde das auch sehen können. Was aber noch lange nicht hieß, dass irgendein Richter sich auch trauen würde, das so zu sagen. Es war durchaus ein gefährliches Spiel, das Axilla hier spielte. Aber es war das einzig richtige. Man konnte nicht behaupten aufrecht und gut zu sein, wenn man es nicht war, wenn es schwierig wurde. Ihr Vater hatte das mitunter gesagt. Die eigene Ehre war nichts, was man an- und ablegen konnte wie ein Mantel. Und auch, wenn Axilla durchaus Angst davor hatte, was alles passieren könnte, sie wollte es wenigstens versucht haben.


    “Dann... hilfst du mir?“ Axilla kam sich blöd bei dieser Frage vor. Sie stand immernoch direkt neben Tiberius Durus, betrachtete sein graumeliertes Haar, seine Falten, seinen Gesichtsausdruck beim Überlegen. Er war nicht mehr ganz so furchteinflößend wie vorhin aus der Entfernung, und dennoch hatte sie sich nicht getraut, diese Frage zu stellen. Und jetzt, wo sie sie stellte, kam sie sich vor wie ein Kind.

    Gleich mit den ersten beiden Sätzen zerschlug Durus Axillas Hoffnung, das ganze möglichst unauffällig zu einem für sie positiven Ende zu bekommen. Natürlich war ihr bewusst, dass Salinator wohl nicht alles gleich wieder zurückgeben würde, nur weil ein Consular ihn mal nett – oder auch weniger nett – fragte. Und schon gar nicht wegen einer Iunia, die keinen Senator oder Feldherren in der unmittelbaren Verwandtschaft hatte. Dennoch war da diese vage Hoffnung gewesen, dass sie vielleicht nicht erklären müsste, ihr Mann habe nicht mehr alle Amphoren auf dem Regal gehabt.


    Durus erklärte weiter, und brach dann mitten drin ab, um nach der Höhe des beschlagnahmten Besitzes zu fragen. Axilla blinzelte kurz und überlegte einen kurzen Moment. Es war viel gewesen, was eingezogen worden war. Sehr viel.
    “Die Besitzurkunden für 2 Salti Ackerland nahe Ravenna, die Besitzurkunden für seine Betriebe – ein Architekt, ein Fernhandel, ein Mosaikenleger und ein Obstbauer, nebst all den Waren und Sklaven, die dort gearbeitet haben. Bestimmt ein Warenwert von 100 Aurei. Daneben dasselbe in bar aus der Truhe des Hauses. Und mindestens fünf gut ausgebildete Sklaven, von denen ich weiß. Und welche ich auch wiederhaben möchte.“ Axilla überlegte noch einmal kurz, ob sie etwas vergessen hatte, aber sie glaubte, das waren die wichtigsten Punkte. Der Rest waren Kleinigkeiten, die auch nicht weiter interessierten und angesichts der Menge an waren und Gold auch wirklich zu vernachlässigen waren. Salinator hatte nicht mal eben nur eine Beleidigung geahndet, für die man vielleicht 10 Aurei Strafe hätte zahlen müssen. Vielleicht auch 20. Nein, er hatte sich ganz außerordentlich bereichert, und das auf Axillas Kosten.
    “Das ist jetzt inklusive meiner Dos“, ergänzte Axilla kurz noch erklärend, als ob das einen großen Unterschied machen würde.

    Auch, wenn er jetzt wieder freundlich tat, Axilla blieb kerzengerade. Als Piso ihr einen Stuhl anbot, setzte sie sich zwar, aber so akkurat und korrekt, dass man beinahe schon glauben mochte, jemand habe sie ausgetauscht. Und noch immer blieb ihr Blick stur auf die Wand gerichtet, ebenso kerzengerade wie alles andere an ihr. Das Lächeln zu erwidern wäre ihr nicht einmal dann in den Sinn gekommen, wenn sie es wirklich registriert hätte. Oder gesehen hätte, wie der Flavier sie jetzt gerade ansah.
    “Ja, ich weiß, wer du bist“, entgegnete sie nur reichlich emotionslos im Hinsitzen, als er sie so erschrocken ansprach. Was hatte er denn gedacht? Dass sie sich in der Tür geirrt hatte? Nein. Endlich war Axilla so weit, zu erkennen, dass sie hier an eine Grenze gestoßen war. Piso war es egal, wenn sie ihn freundlich anlächelte. Ihm war es egal gewesen, dass sie seine Freundschaft gesucht hatte, um Archias Willen. Ihm war es ebenso egal gewesen, dass sie mit Archias befreundet war, als er sie betrunken gemacht und ins Bett geschleift hatte. Im Grunde war ihm alles an ihr egal, so glaubte sie, zu wissen. Das einzige, was offenbar zählte, war völlig korrekte Gefühlskälte. So, wie Seiana sie an den Tag legen konnte. Und die war ihm nicht egal gewesen. Und genau das bekam er jetzt auch, und nichts anderes.


    Als er anfing, zum Brief an den Kaiser etwas zusammenzustammeln und zu ergründen, was sie denn von ihm wollte, musste Axilla noch einmal einhaken. “Ja, dem Kaiser. Ich habe in dem Brief auch erwähnt, welch große Hilfe du bei der Beisetzung von archias warst und dass es wohl eine gute Idee wäre, dich zum Senator zu ernennen. Aber“, bevor er hier ihr ins Wort fallen konnte, hob sie gleich die Hand und gebot so Schweigen. “... da er den Brief wohl ohnehin nicht gelesen hat, erübrigt es sich wohl auch, mir hierfür irgendwie Dank auszusprechen. Verzeih mir, falls dieses Vorgehen ohnehin zu forsch war. Bevor du mich bei der Sponsalia über die Art unserer... Bekanntschaft aufgeklärt hast, war ich einigen irrigen Annahmen unterlegen.“
    Es fühlte sich falsch an, so zu reden. Ganz und gar falsch. Das war nicht sie. So redete Axilla eigentlich nicht. Nie. Und es fühlte sich an, als würde sie diesen anderen Teil, den sie eigentlich selber von sich lieber mochte, langsam mit einem dicken Kissen fein säuberlich ersticken, um ihn anschließend in Stücke zu hacken und an die wilden Tiere zu verfüttern. Es fühlte sich kurz gesagt entsetzlich an, aber dennoch konnte Axilla in dieser Situation nicht anders. Es war ein Schutz, den sie aufbaute, um sich ja keine Blöße zu geben und sich wieder in eine Lage zu bringen, in der Piso sie angreifen konnte. Axilla hatte viele Fehler. Sogar verdammt viele Fehler. Aber den Fehler, einen Fehler zweimal zu machen, nur sehr bedingt.


    Er sprach von Salinator, und wie dieser Mann war. Abgesehen von ein paar eher höflichen Blicken in seine Richtung hatte Axilla bislang nur die Wand angeschaut. Lediglich bei 'germanischer Bauer' blickte sie einmal fast schon reflexartig in seine Richtung und sah ihn einen Moment lang streitlustig an. Es war ein Reflex, den Axilla nicht unterdrücken konnte, so gern sie auch wollte.
    So oft hatte sie mit Archias wegen Vala gestritten. So oft hatte sie ihn verteidigt, wenn ihr Mann ihm wieder irgendwelche Mordpläne oder ähnlich wirres Zeug unterstellt hatte. So oft hatte sie davon geredet, wie edel und gut Vala eigentlich war. Es war wie ein Reflex, der einfach auslöste, auch jetzt bei Piso, wenn jemand diese Wendung benutzte. Ein 'Vala ist nicht so' lag ihr schon auf der Zunge, ehe ihr ein paar Dinge wieder bewusst wurden. Das hier war nicht Archias, der sich über Vala ausließ. Das hier war Piso. Und es ging auch nicht um Vala. Und selbst, wenn es um diesen gegangen wäre, sie hätte sich wohl bei ihren Worten verschlucken müssen. Vielleicht war Vala nicht so, aber Vala war auch nicht so, als dass er überhaupt Notiz von Axilla nahm. Sie war niemand. Und er nun in Mantua, sein Militärtribunat ableisten. Sie hatte den Bericht der Acta selbst Korrektur gelesen. Es gab nichts, was sie verteidigen sollte. Auch nicht reflexartig.
    Und doch verpasste es ihr noch einen Stich, der sie, weitaus weicher und verletzter, zu Boden schauen ließ.
    “Ich denke nicht, dass du mit ihm reden musst. Ich wollte Tiberius Durus um juristischen Rat fragen, was man tun könnte. Ich will zumindest meine Dos zurück haben. Und die Sklaven, denen Archias die Freiheit versprochen hatte.“ In ihrer Stimme hatte sich etwas geändert, was kaum zu überhören war. Axilla war traurig, das ließ sich nicht leugnen, und sie kämpfte um die Gefühlskälte, die sie eben noch besessen hatte.
    Sie räusperte sich und bemühte sich um eine geradere Haltung. Doch gerade, als sie meinte, sich wieder gefangen zu haben, kam Piso danna uf einmal mit einer Entschuldigung bezüglich Flaccus heraus. Jetzt schaute sie ihn doch noch einmal an, und einen Moment lang kämpften Wut, Verletztheit und erstaunen in ihrem Gesicht. Sie öffnete den Mund, als wolle sie etwas sagen, und sah dann doch wieder beiseite. Lediglich in ihren Händen ging der Kampf noch etwas weiter, wo sich ihre Hände leicht zu Fäusten ballten. “Ich weiß nicht, was du meinst. Er und ich hatten Gelegenheit, unser Gespräch fortzusetzen und werden selbiges wohl auch noch öfter tun. Und mehr ist das ohnehin nicht.“ Und wenn doch, würde sie es ihm ganz sicher nicht sagen. Axilla hing an ihrem Kopf. Sie hatte ihn schon so lange und hatte sich an ihn gewöhnt.

    [Blockierte Grafik: http://img39.imageshack.us/img39/9646/araros.jpg]


    Na also, ging doch. Araros überlegte nur kurz, ob er die Herrin stören sollte. Oder Hadrianus Iustus bezüglich des Namens des Sklavens berichtigen sollte...Eigentlich hatten sie mit den Ludi nichts zu tun, aber es wäre vielleicht falsch, dem Procurator hier die Tür vor der Nase zuzuschlagen, nachdem Araros schon impliziert hatte, dass seine Herrin da war.


    "Folge mir bitte", wies er also den Gast an und führte ihn ins Innere.

    Araros führte den Mann hinein ins Tablinum, wo er gebeten wurde, zu warten, bis die Herrin erschien. Inzwischen möge er doch Platz nehmen, und ein weiterer, pflichtschuldiger Sklave fragte, ob er etwas Wein trinken wolle


    Er musste nicht lang warten, nach ein paar Minuten erschien Axilla schon. Sie war nicht so fein hergerichtet, wie wenn sie ausging, aber doch fein genug für eine römische Dame, die Besuch empfing.
    “Salve, Hadrianus. Mein Ianitor meinte, du möchtest mit mir bezüglich meines Custos Corporis sprechen?“ begrüßte sie ihn auch sogleich und kam sofort zur Sache.

    Axilla hatte keine Ahnung, ob er ihre Erklärung verstanden hatte. Er sah nicht so wirklich danach aus, so fragend wie er schaute, aber sie konnte jetzt ja schlecht einfach aus dem blauen Dunst heraus anfangen, ihre Sicht weiter zu erklären. Abgesehen davon, dass sie sich absolut nicht sicher war, ob sie dann verständlicher wäre. Aber wenigstens den peinlichen Moment schienen sie überwunden zu haben, Flaccus schien sich wieder gefasst zu haben. Oder aber, er war von ihren Worten so verwirrt, dass er vergessen hatte, zu weinen, so genau konnte Axilla das nicht sagen. Und eigentlich wollte sie es so genau auch gar nicht wissen. Sie war da immer noch ein wenig verstört wegen dieser ganzen Situation.
    Was jetzt ihr Gesagtes damit zu tun hatte, dass Hektor ein Schützling Apolls war, wusste sie nicht wirklich, aber sie griff es auf, einfach um weiter zu reden und den Moment nicht noch peinlicher werden zu lassen, als es ohnehin schon war. “Ja, war er. Und der Herr des Silbernen Bogens hat ihn ja dann auch später gerächt, wenn man so will.“ Immerhin starb Achill durch einen von Apoll gelenkten Pfeil.


    Gut, sehr ergiebig war das Thema nicht gerade. Daher lenkte Axilla schnell wieder ab, indem sie sich wieder abwandte, den Schriftrollen zu, und ihre Hände suchend darübergleiten ließ. “Welche Stelle ist denn dir die liebste?“ fragte sie, hauptsächlich um überhaupt etwas zu fragen und so den peinlichen Moment vergessen zu machen.

    Er winkte ihr leicht zu, und einen Moment blieb Axilla unschlüssig stehen. Meinte er das ernst? Sie sollte es ihm ins Ohr flüstern? Kurz zögerte sie mit einem reichlich fragenden Gesichtsausdruck, dann, langsam und stockend, kam sie auf ihn zu. Er meinte das wirklich ernst. Axilla kam sich reichlich albern vor, aber... der Senator meinte das wirklich ernst.
    Als sie dann nah genug war – und froh, frisch gebadet zu haben, bevor sie hergekommen war. Wer hätte schon denken können, dass sie dem Tiberier so auf die Pelle rücken würde? - kam sie sich noch ein wenig alberner vor. Und der Tiberier irgendwie weniger furchteinflößend. Während sie sich ihm näherte, hatte sie ausgiebig Gelegenheit, ihn zu studieren. Er hatte schon ein paar Falten. Also, so richtige. Und sein Haar sah lustig aus mit diesen hellgrauen Stellen überall. Das Kind in Axilla wollte es am liebsten anfassen, wo sie sich aber doch beherrschen konnte. Aber lustig war es alle Mal.
    Was dazu führte, dass Axilla, statt zur Sache zu kommen, einen Moment in unsicheres Schweigen verfiel und den Tiberier auffällig unauffällig musterte. Sie musste sich regelrecht einen Ruck geben, um ernst zu werden. Angesichts der Tatsache, dass sich am Grund ihres Besuches hier nichts geändert hatte, ging das glücklicherweise recht rasch.
    “Also, mein Mann, er war ein wenig... verwirrt. Er hat sich Dinge eingebildet, manchmal, die so nicht waren. Und er war sehr eifersüchtig. Es ist so...“
    Vielleicht war es ein wenig viel, um das alles zu flüstern, aber ein wenig musste sie das wohl erklären. “Auf der Hochzeit von Aurelius Ursus und ...ähm... Tiberia Septima“, die ja mit ihm verwandt war, wie Axilla gerade erschreckt feststellte “hat er meiner Begleitung eine Schüssel Süßspeise über den Kopf gekippt und später geschworen, er hätte das getan, weil mein Begleiter mich hätte umbringen wollen. Und später... ich hab ein Kind verloren, wo er dann meinte, das sei umgebracht worden. Solche Dinge eben.“ Axilla war es peinlich, davon zu reden. Ihr Blick war nicht mehr auf das eben noch amüsante, graue Haar gerichtet, sondern beständig zu Boden ins Nirgendwo und ihre Stimme nur ein zartes Wispern.
    “Ich könnte mir vorstellen, dass er auch so eine Phantasie in Bezug auf Salinator hegte und ihn deshalb beleidigt hat. Etwas schlimmeres als Worte kann ich mir nicht vorstellen. Aber es muss an dem Tag gewesen sein, an dem er auch vom tarpejischen Felsen gesprungen ist, davor kann es nicht gewesen sein. Wir waren eben erst aus Ravenna zurück und davor ist bestimmt nichts vorgefallen. Dafür kann ich mich verbürgen. Aber an diesem einen Tag... ich war nicht zuhause, ich war in der Casa Iunia. Ich weiß nicht, was da vorgefallen ist.“
    Ein weiterer Gedanke kam Axilla, aber den traute sie sich nicht zu äußern. Wenn es wirklich an diesem Tag geschehen war und Archias wirklich Salinator beleidigt hatte, vielleicht war er ja gar nicht gesprungen. Vielleicht war er gesprungen worden...

    Weinte er etwa? Nachdem Axilla sich wieder herumgedreht hatte, wurde ihr Lächeln ein wenig zweifelnder. Tatsächlich, das war ganz eindeutig eine Träne. Flaccus weinte.
    Irgendwas verrückte sich gerade in Axillas Weltbild. Männer weinten nicht. Schon gar nicht, wenn es jemand sehen konnte. Erst recht keine Frau. Und unter gar keinen Umständen wegen ein paar Zeilen eines uralten Hymnos. Irgendwas war hier kaputt, und dieses etwas verstörte Axilla so ein ganz kleines bisschen.
    Und dann sagte er auch nichts, sondern sah sie nur ganz entrückt an! Das machte die ganze Sache langsam unheimlich. Als er dann doch noch was sagte, machte das die ganze Sache nicht unbedingt einfacher. Axilla hatte ja schon bemerkt, dass er sich mitunter mehr als blumig ausdrückte, aber das jetzt war schon... sie war sich nicht mal sicher, ob das jetzt ein Kompliment oder eine Kritik war. “Ich glaube, Iason hat das wirklich nur im Scherz gesagt.“ So ein wenig legte sich Axillas Stirn in falten, und ihr war es nichtmal so unrecht, dass sie gerade stand und er saß. So war sie etwas höher als er, und es vermittelte ein Gefühl von Sicherheit, wenn man das Gefühl hatte, im Zweifelsfall schnell weglaufen zu können. Das hier war jetzt schon etwas mehr als unheimlich. Männer weinten nicht! Frauen durften vielleicht mal weinen, aber in der Öffentlichkeit auch nur, wenn jemand gestorben war. Auch wenn Axilla schonmal auf der Straße zusammengebrochen war vor weinen. Aber da war Urgulania gestorben, womit das ja wieder unter die Ausnahme fiel, wann man weinen durfte.
    Vielleicht lag das auch an den Flaviern? Gut, Axilla kannte außer Flaccus nur Piso. Aber der war auch recht nah am Wasser gebaut. Wobei Archias Tod da vielleicht kein Maßstab war, wegen dem Piso Rotz und Wasser geheult hatte an verschiedensten Begebenheiten. Axilla wollte sie nicht alle über einen Kamm scheren, aber es klang irgendwo logisch. Auch wenn sie nie gehört hätte, dass ein Senator Flavius Gracchus irgendwo mal geweint hätte.


    Schließlich kam noch eine Frage, warum sie gerade die Zeilen zitiert hatte. Axilla zuckte nur kurz ein wenig fraglos die Schultern. “Ich finde sie schön. Den ganzen Gesang, mit Hektors Kampf und Untergang. Oder nicht schön, sondern... heldenhaft. Jeder große Heroe erlebt Leid, und je größer sein Heros ist, umso mehr Leid müssen er und seine Liebsten ertragen.“ So war das in jeder einzelnen Heldengeschichte. Es gab keinen Helden ohne Schmerz, keinen Triumph ohne Agonie. Es gehörte zusammen. Es konnte niemand ein Held sein, ohne mehr zu leiden als die anderen, ohne mehr zu opfern, mehr zu verlieren. Ein Mann war kein Held, weil er das richtige tat, sondern, weil er sein Schicksal erduldete. Anders kannte Axilla es gar nicht. Und anders wollte sie es auch gar nicht wirklich sehen. Denn durch den Tod ihres Vaters litt auch sie, und für Axilla war er ihr Held. Also ergab das für sie mehr als nur Sinn.
    “Und Hektor, der Pferdebezwinger, ist – finde ich – viel bewundernswerter als Achill, der ihn bezwingt. Jeder sonst rezitiert immer nur den Anfang und den Zorn des Peliden. Ich mag Hektor lieber.“

    Er hatte weder zu noch abgesagt, sondern fragte erst einmal noch weiter. Und brachte Axilla damit in eine kleine Zwickmühle. Wenn sie woltle, dass er ihr half, kam sie wohl nicht darum herum, ihm mehr zu erzählen. Allerdings konnte dieses „mehr“ genausogut dazu führen, dass er nein sagte. Und sie kannte ihn nicht und wusste nicht, wie vertrauenswürdig er denn letztendlich war.
    Was sie aber definitiv wusste, war, dass ihr zu viele Leute hier im Raum waren. “Würde es dir etwas ausmachen, deine Scribae hinauszuschicken? Es ist einfacher, einem Mann zu vertrauen, als einem Dutzend.“

    So langsam fing es an, dass Axilla verwirrt war. Wieso sollte sie die Aelii verklagen, wenn Salinator doch derjenige war, der das ganze Zeug beschlagnahmt hatte? Für sie war das so, als würde sie ihr Problem nur auf andere Schultern abwälzen, und irgendwie war das ja auch nicht das, was sie wollte. Da hing ja so viel mit dran an der ganzen Sache, Seiana, die Betriebe, die Sklaven, selbst Flavius Piso... Da konnte sie doch nicht einfach zum Kaiser gehen und verlangen, dass der sie auszahlte? Oder besser zu seinem Bruder, der Kaiser war ja nominell ein Ulpier.
    “Mein Mann hat ein Testament hinterlassen. Aber darin erbt Flavius Piso seinen Landbesitz und ich den Rest.“ Zumindest in etwa. Der Großteil dessen, was im Testament stand, konnte nicht umgesetzt werden und sprach wohl eher für Axillas Theorie, dass ihr Mann nicht so ganz bei sich war. Und sie hatte keine Ahnung, ob das Testament überhaupt gültig wäre, sollte ihr Mann offiziell für wahnsinnig befunden werden...
    “Ich denke nicht, dass ich die Aelii verklagen möchte. Würdest du mir denn helfen, Salinator dazu zu bringen, erst einmal zu erklären, aus welchen Gründen er das Erbe denn überhaupt an sich geri... genommen hat?“ Axilla sah bei diesen Worten nicht auf. Sie wollte nicht betteln, aber sie wusste, sie würde ihn flehentlich anschauen, wenn sie aufsah. Und sie wollte ihm auch nicht ins Gesicht sehen, wenn er nein sagte.

    Dass Flaccus kurz mit der Antwort zögerte, merkte Axilla zwar, aber sie schon es auf das andere Teilthema. Dass sie damit sogar recht richtig lag, konnte sie nicht wissen, auch wenn sie Flaccus eher unterstellte, dass es ihm nun peinlich war, dass man seine Worte in diese Richtung auslegen konnte, weil er es selber sicher nur scherzhaft gemeint hatte. Axilla konnte sich einfach nicht vorstellen, dass da auch nur ein bisschen Ernst dabei sein könnte. Oder besser, sie konnte es sich schon vorstellen, aber sie wusste, dass das sicher niemals nicht auch nur den Hauch von Realität haben könnte. Die Flavier würden Flaccus umbringen! Oder eher sie...


    Da war es gut, dass er auf den Themenwechsel einging. Eigentlich hatte Axilla es noch nie erlebt, dass jemand mal nicht mitzog, daher war sie über diese kleine Notlösung jedes Mal aufs Neue dankbar. So auch jetzt.


    “Aber mit Unruh
    Sorg' ich, den mutigen Hektor hab' jetzt der edle Achilleus
    Abgeschnitten allein von der Stadt, ins Gefilde verfolgend,
    Und wohl schon ihn gehemmt in seiner entsetzlichen Kühnheit,
    Welche stets ihn beseelt! Denn niemals weilt' er im Haufen;
    Sondern voran flog mutig der Held, und zagte vor niemand!


    Sprach's, und hinweg aus der Kammer enteilte sie, gleich der Mainade,
    Wild ihr pochendes Herz; und es folgten ihr dienende Weiber.
    Aber nachdem sie den Turm und die Schar der Männer erreichet;
    Stand sie und blickt' auf die Mauer umher, und schaute jenen
    Hingeschleift vor Ilios Stadt; und die hurtigen Rosse
    Schleiften ihn sorglos hin zu den räumigen Schiffen Achaias.“

    Axilla sang leise, und ihr Gesang an sich war bestenfalls als mittelmäßig zu bezeichnen. Sie krächzte nicht wie ein Rabe, aber es würde sie wohl dennoch niemand als Musikerin auftreten lassen. Nur ihre Aussprache der alten, ionischen Verse, die war nahezu perfekt. Auch wenn dieser archaische Dialekt in Griechenland fast nicht mehr gebraucht wurde, war er doch vom Attischen und vom Koine aus Alexandria weitestgehend verdrängt, Axilla hatte diesen zuerst gelernt und konnte ihn daher besser als die übrigen griechischen Dialekte.
    Mit einem etwas schüchternen Lächeln drehte sie sich halb zu Flaccus zurück. Jetzt, da das Thema ein anderes war, traute sie sich wieder, zu ihm hinzuschauen. “Mein Lehrer stammte aus Milet. Er meinte zwar, mein ionisch sei gräßlich, aber ich glaube, er wollte mich nur ärgern.“ Das sagte sie nun aber wieder in ihrer Muttersprache.

    Axilla nickte eifrig bei seiner Rückfrage. Natürlich meinte sie das, sonst hätte sie nicht gefragt. Aber Flaccus antwortete ein wenig seltsam. Warum hatte er nur die für ihn wichtigsten mitgenommen, wo er doch umgezogen war? So hatte sie das zumindest verstanden bei allem, was er bislang erzählt hatte. Er hatte in Griechenland gelebt und gelernt, und jetzt, wo er fertig war, war er nach Rom gekommen, um seiner Familie zu Ehren zu verhelfen. Indem er den Cursus Honorum beschritt oder sowas. Bestimmt hatte sie ihn das schon gefragt, aber es war ihr wieder entfallen. Aber seine Aussage jetzt passte da irgendwie nicht so ganz dazu.
    Axilla war noch am nachgrübeln, als Flaccus ein Kompliment anbrachte. Zumindest glaubte Axilla, dass es eines war. Es klang fast, als wollte er mit ihr flirten. Und ganz automatisch wurde sie ein wenig rot.
    “Ach, du willst wirklich deiner Mutter von mir erzählen? Meinst du nicht, dass sie dir dann die Ohren lang zieht, weil sie etwas falsches denken könnte?“ Und so scherzhaft Axilla das auch sagte und so scherzhaft sie das im ersten Moment auch meinte, so unerbittlich traf sie im zweiten Moment die Erkenntnis, dass Flaccus vielleicht genau das hätte meinen können, was sie so angedeutet hatte. Ihr Lächeln gefror die Winzigkeit einer Sekunde, in der sie sich gleich ein wenig abwandte um die Bücher anzusehen. Und gleich darauf stand sie auch noch immer lächelnd auf – und nur die, die sie sehr gut kennen mochten, würden den Unterschied zu einem echten Lächeln sehen. Sie schlenderte zum nächsten Regal und ließ ihre schlanken Finger über die aufgestapelten Schriftrollenkapseln gleiten, einfach um abzulenken.
    Und wie immer, wenn sie sich mit einem schwierigen zu befassen gezwungen war, wechselte sie schleunigst das Thema. Bislang hatte sie damit nur gute Erfahrungen gemacht. “Und welche Werke hast du dann mitgenommen? Als ich umgezogen bin von Tarraco nach Alexandria, hab ich ja alle meine Bücher mitgenommen und stand nicht vor der Qual der Wahl.“ Allerdings hatten alle ihre Bücher auch in eine einzige Truhe gepasst.