Beiträge von Gorgus

    Iulia verstand, auch wenn sie sich dies nicht anmerken ließ. Sie beendete ihr Werk, legte die Frau mit gewaltiger Kraftanstrengung auf die Seite und begann von neuem die andere Seite zu reinigen.


    Ungeachtet der immer lauteren Schreie, die durch die zerschlagene Tür in die Hütte drangen, führte Iulia ihr Werk fort und sorgte dafür, dass die Frau ihren Verletzungen nicht erlag. Zumindest hoffte das Mädchen, dass sie dafür sorgte. Als sie geendet hatte erhob sie sich, verließ den Raum, und blieb einen Moment lang schreck starr stehen...


    In der definiten Aussicht des Endes ihrer Reise hatten Gorgus und seine Mannen das letzte Fass der Pandora geöffnet (und falls das nicht reichen sollte, die letzten Fässer Wein und Bier dazu), und auf dem Strand fand eine Orgie statt die an Gewalttätigkeit und Wildheit wohl nicht zu überbieten war. Die Nachricht, dass man Pluto bald gegenübertreten würde, hatte eingeschlagen wie eine Bombe, und Mechanismen in Gang gesetzt die wohl jedes Maß an menschlicher Würde und Moral hinwegfegten. Während sich Gorgus damit begnügte sich in eine Ecke zu hocken und weiter seinen finsteren Gedanken zu folgen, verbrachte der Rest der Mannschaft den Abend in ungehemmter Zügellosigkeit. Einige wenige tranken sich noch vor Sonnenuntergang in die Besinnungslosigkeit, während andere eine Untergangsfeier veranstalteten die die junge Iulia wohl nie vergessen würde. Nackt tanzten die einen durch die Reihen der Zechenden, andere vergingen sich ungehemmt an den Frauen, und andere einfach an sich selbst. Gesungen wurde laut, getrunken wurde viel, und beachtet wurde hier niemand, im Untergang war sich jeder selbst der nächste. Die tote Sklavin, die wie ein Mahnmal in der Luft hing, hatte hier eher den Effekt einer makabren Dekoration, als den Wink mit dem Grabstein.


    Als das junge Mädchen wieder die alte Hütte, die mal Gorgus Refugium gewesen, zurückkam, kniete sie sich mit einem Eimer voll Wasser neben die Frau und schöpfte mit einer kleinen Schale Flüssigkeit, die sie danach der Römerin einflößte...


    "Es geht zuende...", murmelte sie Tränenerstickt, der weggebrochene Panzer hatte auch jegliche Selbstbeherrschung verschwinden lassen, und die Grausamkeit der letzten Tage lastete wie ein schwerer Felsen auf dem Gemüt des Kindes, "Es geht zuende."

    In den schrecklichen Momenten, in denen die Römerin ihren Lebenswillen verlor, verlor Iulia ihre Kindheit. Sie hatte sich oft davor retten können, hatte die schrecklichsten Dinge mit angesehen, und immer wieder mit viel Mühe eine Erklärung dafür gefunden die ihr ihre unbeschwerte Kindlichkeit erhielt, wenn auch immer weiter verdüsterte.


    Das, was Gorgus nun mit der Römerin anstellte, nachdem sie es nicht gewagt hatte ihn zu töten, ließ Iulia in ihrem Einfallsreichtum um Erklärungen an die Grenzen stoßen. Es ging einfach nicht mehr. Bei jedem Schlag, und jedem Tritt, den Gorgus der hilflos am Boden liegenden Frau verpasste zerbrach in Iulia immer mehr ein Stück dessen, was sich vor den Wochen bei ihrer Entführung durch die Piraten einen starken Panzer gebastelt hatte.
    Wären es nur die Schläge gewesen, ihr Vater hatte dazu geneigt unwillige Sklaven zu verprügeln, hätte es ihr einfach nur weh getan. Sie tat ihr leid, diese Frau. Doch was er danach mit ihr anstellte war das finale Ende eines Horrors, wie man ihn nicht einmal dem schlimmsten Verbrechern zumuten mochte, zumindest in Iulias Augen.


    Als Gorgus weg war, hockte sie immernoch stundenlang da, starrte auf die geschändete und einfach liegen gelassene Römerin, die in ihrem eigenen Blut und dem der toten Sklavin lag, die Gorgus mit sich genommen hatte. Ihr Geist schien still zu stehen, weil er es nicht wagte sich mit dem zu befassen was die Augen gerade unerbittlich in ihm abgeladen hatten.


    Als er es letztendlich tat, blinzelte Iulia einmal. Und das Kind in ihr starb, starb denselben Tod in den die blonde Frau sich gerettet hatte. Als sie sich erhob, war sie ruhig. Zu ruhig, mit leerem Blick, noch unfähig zu irgendwelchen Reaktionen.


    Sie ging nach draußen, und nahm garnicht mehr wahr wie Gorgus' Männer die tote Sklavin entstellt zwischen zwei Bäumen, gestreckt wie ein billiger Fahnenflüchtiger der Armee, aufhängten, und so der später brüllenden Sonne auslieferten.


    Iulia beachtete all das nicht. Sie ging in die Barracken, holte sich einen Eimer und ein Stück Tuch, kehrte zum Strand zurück und später mit einem mit Salzwasser gefüllten Eimer zurück in die Barracke, die so viel Grauen geboren hatte.


    Sie hockte sich neben die Frau, und begann sie zu säubern. Von all den Spuren die die grausamen Tage unter Gorgus Piraten an ihr hinterlassen hatten. Sie dachte nicht daran dass Salzwasser schmerzen konnte, wusste nur was ihre Mutter ihr immer wieder eingetrichtert hatte: Meerwasser ist gesund, es heilt. Und das tat sie nun... sie versuchte zu heilen, heilen was Gorgus zerstört hatte. Vielleicht nicht nur um die Frau zu retten, sondern auch ein Stück von sich selbst.

    Ric hin in den Ketten wie ein nasser Sack. Nur roch er wie ein verbrannter Sack.
    Die Stelle, an der die Männer das glühende Eisen in seine Seite gedrückt hatten schmerzte nichtmehr, sie war taub, tot. Der Rest seines Körpers litt dafür umso mehr, es schien als hätte die brennende Wunde gleichsam alle Nerven in ihm in Brand gesetzt.
    Nachdem die Klinge entfernt worden war, und der Schmerz immer mehr nachließ, aber nie vollkommen verschwand, dämmerte auch Rics Geist.


    Mit schwachen Zügen saugte er jeden Tropfen Wasser in sich auf, auch wenn das Wasser Raumtemperatur hatte, fühlte es sich so an als würde es direkt aus den Alpen kommen. Nur für ihn..


    Er stöhnte, als er seinen Kopf zu weit bewegte, in Wirklichkeit nur eine schwache Geste, aber für Ric schon zu viel um es verkraften zu können. So hing er da nun, und harrte der Dinge die ihm da kommen mögen.

    Ric schwamm durch ein Meer aus Schmerz. Die Gestalten der Marineinfanteristen nahm er garnicht mehr wahr, auch nicht das Erscheinen des Offiziers... das einzige was ihm noch durch den Kopf ging war Gorgus, sein Kapitän..


    "Gorgus, Gorgus, des Messers Schneide, Gorgus, Gorgus, Wolf auf der Weide, Gorgus, Gorgus, Blut unser Lohn, Gorgus, Gorgus, Plutos dunkler Sohn."


    Er lallte kaum verständlich, aber mit zunehmender Insbrunst, soviel wie sein gepeinigter Körper noch an Kräften zuließ...


    "Gorgus, Gorgus, Schlitzer der Kehlen, Gorgus, Gorgus, Fährmann der Seelen, Gorgus, Gorgus, Insel in blutigem Meer, Gorgus, Gorgus, Pluto zur Wehr."


    Immer tiefer driftete der Geist des Piraten in die heilenge Umarmung des Wahnsinns ab, egal wohin, nur vom Schmerz wollte er weg...


    "Gorgus, Gorgus, Aiacums Plage, Gorgus, Gorgus, der Tod kommt bei Tage, Gorgus, Gorgus, blutroter Wind, Gorgus, Gorgus, Plutos menschliches Kind."


    Der Reim ging noch einige Strophen so weiter... es war ein altes Gedicht dass die Piraten in Gorgus' Abwesenheit gedichtet, und nie den Mut es in seiner Gegenwart zu singen hatten.

    Ja was denn nun?
    Ric wusste nicht was tun, das glühende Eisen dass in seiner Brust löste Schmerzen aus die fern von dem waren was er sich jemand hätte vorstellen konnte. Kurzzeitig wurde ihm schwarz vor Augen, als sich die glühende Spitze immer tiefer in seine Seite bohrte.


    Das Stroh dass in seinem Mund steckte verhinderte dass er vor Schmerz den ganzen Carcer zusammenbrüllte, aber auch, dass er antworten konnte. Wäre er bei klarem Verstand, würde er den Leuten, die ihn hier folterten, eine gewisse Handlungslogik absprechen, da er aber Höllenqualen erlitt, ward dies dem Leser überlassen... :D

    Normalerweise hätte Gorgus bei diesem Anblick gelächelt. Gelächelt ob des letzten verbliebenen Rests an Menschenwürde in dieser Frau, an Lebenswillen und Wut.


    Doch nicht einmal das gönnte man ihm.


    Mit einer ruhigen Bewegung nahm er ihr das Messer aus der Hand, drehte es herum und betrachtete es mit leerem Blick.
    Dann schlug er sie nieder.


    Der Rausch, den Gorgus nur vom Töten kannte, bemächtigte sich seiner auf ein Neues, und dieses Mal holte er sich sein Opfer an Land. Durch die Störung ihrer Kaperfahrt durch die Classis hatte sich in Gorgus' routiniertem Töten-Feiern-Ficken einiges verdreht, und das machte ihn tierisch wütend.


    Das folgende war, dass er seine Wut an ihr ausließ. Nicht etwas weil sie es gewagt hatte sich gegen ihn zu erheben, sondern eher, weil sie es letztendlich doch nicht gewagt hatte. Seine Wut über soviel Unzuverlässigkeit der Menschen steigerte sich dieses Mal in unkontrollierten Hass. Und der entlud sich direkt auf die Frau.


    Es war das erste Mal für Gorgus, dass er eine Frau verprügelte, und er fühlte sich alles andere als gut dabei. Und doch, es erleichterte ihn. Der Tag an sich führte zu keinem guten Ende, das wusste er, und so verschaffte er sich durch das Erleichterung, was er normalerweise nur in seinem Kopf ablaufen ließ.


    Am Ende wusste er nicht einmal mehr selbst wie oft er zugeschlagen und getreten hatte, die Vergangenheit lag wie ein roter Film auf der Szenerie vor ihm.
    Iulia saß in ihrer Ecke und hielt die Augen geschlossen, als wollte sie die schreckliche Wirklichkeit ausblenden, die vor ihr statt fand. Und selbst Gorgus hatte Schwierigkeiten zurück zu finden, aus dem rot brüllenden Licht der Wut und des Hasses auf die dunklen Pfade, die er seit Jahren sein Reich nannte.


    Erst als er sie, weniger durch Lusterlösung als aus männlicher Verzweiflung, am Ende der Tortur noch einmal emotionslos schändete, gelangte wieder so etwas wie Klarheit in sein Hirn.


    Es ging zu Ende.


    Jetzt wusste er es, Pluto würde kommen. Und sie würden ihm einen Empfang bereiten der dem eines Gottes würdig war.


    Nachdem er sich von der Römerin zurückgezogen hatte, strich er seine blutverschmierte Kleidung glatt und zog die Leiche der Sklavin mit finsterem Blick aus der Hütte zu seinen Leuten. Sie würde als Omen über der Lagune hängen, bis der Gott eintraf.

    "Meine Fresse, was denkst du denn? Wir haben diesen...", wollte Riculaeus (der definitiv helvetische Vorfahren hatte, und zudem nie Atembeschwerden) gerade beginnen, als er einen Schlag in die Magengrube verspürte, wieder in den Trog gesteckt wurde und schließlich noch mehr Wasser schluckte.
    Eigentlich wollte er lachen. Die folterten hier tatsächlich gerade einen Mann, der jahrelang zur See gefahren war, mit WASSER.


    "... wir haben diesen Dreckskahn aufgebracht und uns genommen was wir wollten. Und da kamt ihr... ", er erstarrte, als er das glühende Eisen sah. Jetzt wurde es dreckig, und ein großer Teil der Selbstsicherheit des Piraten ging gerade schonmal in Plutos Reich baden um die Lage zu checken. Er hatte nicht die geringste Ahnung was da etzt für Schmerzen auf ihn zukommen würden, immerhin war er bisher immer zuverlässig auf der Gewinnerseite gewesen.


    "Bei Pluto. Ihr verdammten Hurensöhne!"

    Die Tür flog auf, und Gorgus stand in dem Stück Holz das mal eine Tür gewesen war... er hatte selten miese Laune. Sein Körper roch nach Qualm und Seewasser, die Kleidung wie immer nach solchen Fahrten blutverschmiert... er suchte sie.
    Er hatte Leute verloren. Nicht dass es ihn wirklich berührte, aber es ärgerte ihn, weil es ihm das Gefühl gab ihnen nicht gut genug beigebracht zu haben warum sie überhaupt hier waren... und die Tatsache dass die Classis nun wusste mit wem sie es zu tun hatte, versetzte ihn in eine Art düsteren Rausch. Das Ende kam... und zuvor wollte er noch einiges an Spaß mitnehmen.


    Er entdeckte Iulia, die ihn in eine Ecke gekauert anstarrte... dann fiel ihm die Frau auf, die am Boden lag. War das nicht die Sklavin? Sie war tot... auch dies tat Gorgus sofort ab, wo war die Frau? Iulia blickte ihn mit einer Panik an die er so garnicht bei ihr kannte... oder... sie blickte garnicht ihn an. Sie blickte an ihm vorbei... mit einer blitzschnellen Bewegung wandte Gorgus sich um, um der Frau zu begegnen die er sein Eigen nannte..

    Ric fühlte sich arg hochgerissen, und ehe er sich versah kam zu den Stellen seines Körpers, die schmerzten, auch noch sein Gesicht hinzu... so begann es also. Pluto prüfte ihn...


    "Ich... ich... Kriegsschiff?", stammelte der Mann, bevor er immer wieder in einen Trog mit Wasser getaucht wurde, und jedes Mal wenn er wieder hervor kam prustete er das Wasser aus seinen Lungen...


    "Das Kriegsschiff,... achja...", hustete er bei einer neuen Tauchtour, "Das war uns einfach im Weg. Wir waren fast fertig... und da kamt ihr, gerüstete Deppen...", ein leises aber gequältes Lachen kam über seine Lippen, der Schmerz vermischt mit Heiterkeit, eine üble Mischung.

    Ric lag in einem Dämmerzustand. Das war nicht schön. Zwar verspürte er die Schmerzen nicht, die ihm seine Verletzungen immer wieder ins Hirn meldeten, doch er musste sich in einem Zustand halber Bewusstheit immer wieder klarmachen: er hatte versagt.


    Es wäre so einfach gewesen... auf den Boden legen, mit Blut und Gedärm einschmieren, weiter rumliegen, warten bis jemand vorbeikommt und dann einfach zustechen. Aber nö.. es hatte nicht funktioniert. Und genau deshalb wurde er von Gorgus zurückgelassen, auf diesem brennenden Kahn. Es war schon fast Ironie, dass er von denen gerettet wurde, die er töten sollte, und von jenen zurückgelassen, mit denen er die letzten paar Jahre in einträchtiger Finsterniss verbracht hatte.


    Er stöhnte laut auf... er hatte versagt. Trotz der Verletzungen, der gekonnten Verbände, er wusste was auf ihn zukommen würde. Pluto. Er wollte zu Pluto... schwach, mit unendlich schwacher Hand fühlte er den Weg bis zu den Verletzungen auf seinem Körper... die Verbände, lösen. Doch zu schwer... sie wogen Tonnen... er konnte es nicht. Die Finger versagten ihm seinen Dienst, das, wofür sie eigentlich da waren...


    So wie er...

    Das schöne an Dunkelheit war: sie war dunkel.


    Als der letzte der vier nachrückenden Marinesoldaten die Enterbrücke überquert hatte, gab Gorgus das Zeichen, das dafür sorgte dass unmittelbar die Hölle losbrach. Zu aller erst durchschlugen Zelacus und Cephalus die dicken Seile, die unter Deck dafür sorgten dass der nahezu durchgehackte Hauptmast nicht umfiel. Die Folge war dass der dicke Baum mit einem dröhnenden Ächzen kippte, im Fallen das halbe Oberdeck aufriss und mit ohrenbetäubenden Lärm auf den Vorschiff des anbei liegenden Classiskahns aufprallte.


    Das Ergebnis war nicht halb so unwirksam wie Gorgus befürchtet hatte, doch auch nicht halb so erfolgreich. Der schwere Mast war zu weit nach vorne gekippt, hatte die halbe Spitze aufgeschlagen und lag nun halb in den Trümmern, halb auf der Rammspitze des Kahns verheddert. Nun galt es schnell zu sein.


    Flammen brachen aus dem Totenschiff, als mehrere Flammen in präparierte Stellen geworfen worden waren, und das Feuer breitete sich dankbar in dem mit Pech und Blut getränkten Unterdeck aus, aus dem Scagus und Olaripanus stürmten und sich ohne Rücksicht auf das eigene Wohl über die Reling in Richtung der versteckt liegenden Todeskarpfen lag.


    Bevor die vier enternden Soldaten zu Atem kamen, hatten zwei von ihnen schon Dolche im Unterleib stecken, die zwei mit Blut und Opferinnereien verschmierte Piraten ihnen aus dem Liegen in die Rüstung gedrückt hatten. Gorgus selbst hatte den ersten Soldaten mit einem platzierten Dolchwurf auf die Planken befördert, und zog diesem nun den in der Kehle steckenden Dolch in großzügigen Bogen wieder heraus, während er beobachtete wie Ric durch einen Schwerthieb des Soldaten, den er eigentlich umlegen sollte, zu Boden ging. Pittulus erging es nicht viel besser. Zwar schaffte er es irgendwie dem Soldaten das Messer durch den Schenkel zu ziehen, doch dachte der Mann nicht daran zu verbluten ohne wenigstens seinen Mörder mit zu Pluto zu nehmen, noch im Fallen fand das Schwert des Soldaten seinen Weg in die Schulter des Piraten und dadurch, was das Leben des Mörders schneller auslöschte als das des Ermordeten.


    Gorgus dachte nicht eine Sekunde daran den verwundeten Ric zu retten, auch er schwang sich als letzter mit einem Satz die Reling herunter zur Todeskarpfen, ließ sich Heck nieder und gab Scipio den Befehl zur Flucht. Mit eiserner Miene zogen die Piraten die Ruder der Todeskarpfen durch die salzige Flut, die immer stärker von schwarzem Rauch überzogen wurde, und brachten sich immer stärker auf Abstand zu den beiden ineinander verkeilten Schiffen, deren Schicksal ein so heißes war.


    Ob das gekaperte Totenschiff nun den Kahn der Classis mit in das brennende Verderben riss konnte Gorgus nicht wissen, er hoffte es imständig. Pluto würde dankbar sein...

    Gorgus hing unter Deck an einer losen Planke und hielt die Luft an.. unwillkürlich. Jahrelange Verbrechen und Grausamkeiten trieben einem nicht die Spannung aus dem Leib, sobald es mal wieder darum ging Tod zu geben, und nicht zu nehmen.


    Gespannt hatte man beobachtet wie das Schiff der Classis nähergekommen war, und Scipio hatte das Entermanöver aus seiner Vergangenheit beschrieben... diese Leute waren nicht dumm.
    Ebensowenig allerdings Gorgus.


    Während das Oberdeck vor Blut nur so triefte, und die darin liegenden Leichen mit leeren Augen vor sich hinglotzten wartete man unter Deck, versteckt hinter aufgerissenen und umgestoßenen Kisten und unter Ruderbänken, darauf dass der vorgeschickte Soldat sich zeigte. Alles ließ auf eine erfolgreiche Plünderung des Schiffs aus... im Gestank des Blutes fiel ein weiterer Geruch garnicht mal so stark auf...


    Man wartete, die Schritte des Soldaten hallten knarzend unter Deck wieder, und die Gestalten die unten warteten blickten fragend abwechselnd nach oben und zu Gorgus... doch er ließ nichts geschehen. Einer war definitiv zu wenig.

    Es war nun nicht so als dass Gorgus die immer näherkommenden Classisfritzen für dumm hielt. Alles andere als das... aber er wusste auch wie die ersten Momente des Andockens ablaufen würden, und das alleine reichte ihn um zu verwirklichen was er sich ausgedacht hatte. Der Handelskahn trieb immernoch wie ein Totenschiff bar jedes Lebenszeichens im Wind, der Mast der Todeskarpfen war abgenommen und blankgelegt, es KONNTE garnicht schiefgehen... zumindest hoffte Gorgus das.


    Nach elend langen Minuten war das Schiff der Classis nahe genug gekommen, und auf dem Totenschiff wartete man unsichtbar, aber gespannt auf das beginnende Entermanöver...

    Das Handelsschiff trieb mit gesetzten Segeln auf dem Wasser bei nicht unbeträchtlicher Geschwindigkeit... die kleine Scholle der Piraten hing fest vertäut auf der Steuerbordseite und knallte immer wieder mit smackes gegen das weitaus größere Handelsschiff, auf dem mittlerweile niemand mehr am Leben war, der vorher zur ursprünglichen Mannschaft gehörte.


    Auf dem Deck des Kahns herrschte Totenstille... überall lagen Leichen herum, alle blutbesudelt, einige mit Schnittwunden, andere mit fehlenden Gliedern... es war klar zu sehen dass auf dem Deck ein schwerer Kampf stattgefunden hatte, mit unklarem Ausgang. Es war nichtmehr auszumachen wer zu den Angreifern gehörte, die offenbar wieder verschwunden waren, und wer vorher zur Besatzung gehörte.

    Gorgus hatte keinen einzigen Gedanken mehr an die letzte Nacht verschwendet. Für ihn war es vollkommen natürlich, sich zu nehmen was er wollte, und so war ihm das geschehene auch mehr als nur gleichgültig. Ein klein wenig Anerkennung hatte er sich abgerungen, für die Länge der Gegenwehr, die die Frau geleistet hatte, doch war diese Anerkennung im Meer untergegangen, mit dem Gorgus sich für kommende Taten gereinigt hatte.


    Nun stand er hier am Strand und überblickte die Schiffung der Karpfen, mit der sie heute einen kleinen Ausflug aufs Meer machen wollten... es war nicht so als hätten sie es bitter nötig gehabt, doch war eine kleinere Fahrt nach einer größeren immer etwas was sie zurück auf den Boden der Tatsachen holte... so auch dieses Mal.


    Es entging ihm nicht dass sein neuster Zugang sich selbstständig machte, und im Lager der Gruppe umherwandelte. Es war nicht so, dass sie niemand entdeckte. In dieser Lagune konnte man nicht einfach unentdeckt durch die Gegend laufen, vor allem weil die Frauen quasi immer an allen möglichen Stellen mit Haushaltskram zu tun hatten, während die Männer sich mit der See und Männerkram beschäftigen, nein. Die Lagune war einfach zu klein, man war unter sich, wenn man von Gorgus Hütte am linken Ausläufer mal absah.
    Er folgte ihr mit seinem Blick, und schon bald fand er heraus wonach sie eigentlich suchte: nach ihrer Sklavin, die den Männern am vorigen Abend noch recht egal gewesen war. Nach ihrer Rückkehr heute würde das natürlich wieder anders aussehen... kurz starrte er ihr noch nach als sie in die Hütte trat, und rechnete fast damit dass eine der Frauen sie wieder verjagen würde, was aber nicht geschah. Warum auch immer. Er wandte sich wieder dem Schiff zu, was nun ablegebereit vor ihm lag... die Schritte durch das Wasser zum Boot waren schnell gegangen, und bald stand er am Heck und gab das Kommando für die Ruder... langsam aber sicher schob sich die Karpfen aus der Lagune heraus.


    Keinen Blick warf Gorgus zurück zu der Stelle an dem die Frau, SEINE Frau, verschwunden war. Sie würden sich noch früh genug wiedersehen...

    "CLASSIS!!!", brüllte Scipio vom großen Aufbau in der Mitte des Schiffs, so dass es auch wirklich jeder mitbekam.
    Alle hetzten an die Backbordseite um sich das nahende Schiff zu beschauen, nur Gorgus zog seelenruhig seine Klinge aus dem zuckenden Leib des ehemaligen Kapitäns des großen Handelskahn, den sie gerade aufgebracht hatten, und überlegte wie er sich und den seinen die drohende Gefahr doch noch ein Weilchen vom Leib halten konnte.


    Dann fiel es ihm ein. Er deutete auf Scipio, und befahl mit ruhiger Stimme: "Du, sorg dafür dass uns der Kahn IMMER auf der Backbordseite nahekommt. Wenn sie die Karpfen entdecken bevor wir fertig sind, ist was los.", die Karpfen war hinter dem großen Handelskahn, und damit von der Backbordseite nicht einzusehen, festgemachht. Dann teilte er die ihn wartend anstarrenden Männer nach dem Zufallsprinzip in Gruppen ein: "Du, du und du, bringt die Leichen unter Deck und trefft Vorbereitungen wie immer. Du, du und du... und auch du... ihr packt an Ladung auf die Karpfen was ihr schaffen könnt. Du, du und du...", er sah die drei letzten Männer mit einem bösartigen Blitzen in den Augen an, und deutete dabei auf den massiven Mast in der Mitte des großen Kahns, "Schnappt euch Äxte."


    Die Classis sollte nur kommen...

    Was ist diese Seuche,
    in unserer Mitte,
    wandelnd in Unrat.
    Nichts erscheint mehr richtig
    Ich fordere Erlösung!


    Die Abenddämmerung lag schwer in der Luft, die Sonne schien in ihrer Röte in der Luft zu verharren, einen unnatürlichen Kampf gegen die Dunkelheit streitend. Fast als hätte sie Mitleid und Sorge um das Schicksal der beiden Frauen, die von Gorgus und den seinen aus ihrem Leben gerissen wurden.
    Der Lauf der Welt machte klar: sie würde versagen. Die Dunkelheit, die in dieser Umgebung immer spürbar, aber des Tages nicht greifbar war, hatte ihren Siegeszug angetreten als die Piraten diesen Flecken Erde in den Vorposten der Hölle verwandelt haben, wenige Meter dem Acheron entrissen und in die irdische Welt geholt, um von hier Tod und Verderben über das Meer zu verbreiten, das sich die Menschen zu eigen gemacht hatten.


    Ich kenne diese Dunkelheit um meiner selbst,
    ich spürte sie schon vor Zeiten,
    die Macht ist dem Dunklen,
    mich nieder zu strecken.


    Mit zunehmender Dunkelheit fanden sich die Wesen dieser Gestade am Strand ein, der vor wenigen Stunden noch voll der Arbeit war. Nun war er ruhig, das Wasser führte seinen ewigen Kampf mit dem sandigen Boden der Lagune, es schien fast friedlich.
    Fast.
    Die ersten Fässer Wein, die herangerollt wurden, besiegelten das Schicksal dieser flüchtigen Ruhe. Lange dauerte es nicht, und die ersten Geschichten wurden erzählt, man saß beieinander, trank, aß, ließ das Unheil der letzten Tage seine Wirkung entfalten.
    Die Männer hatten vorerst genug der Ergötzung am verwundeten Körper der blonden Frau, man hielt Sitzung über das was kommen möge... vor dem Untergang. Die nächste Raubfahrt, es war keine Frage, es war so sicher wie der Aufgang der Sonne, die in neuem Bestreben die Dunkelheit dieser Welt von dannen zu treiben. Gorgus saß bei den seinen, still, wie immer, man wartete nicht darauf dass er etwas sagen würde. Sein Part war es das Vorhaben in realistische Bahnen zu lenken, dafür zu sorgen dass ihre Höllenfahrt nicht zu schnell voranschritt, der Fährmann, der seinen knorrigen Lenkstecken in die vor Blut und Tod schlammigen Gründe des Flusses steckte.
    Was er wollte waren keine Münzen, es war das Leid dass ihm Lohn genug für sein Tun war.


    Still stehe ich, die Tore weit offen,
    den Schmerz fühlend, bar jeder Bewegung,
    Angst empfindent, stehe ich still,
    Beginne es!
    Besser als nichts.


    Die Dunkelheit hatte den Ort in festem Griff, und Gorgus erhob sich.
    Kein Blick folgte der Figur des Führers, man wusste was kam.
    Die Schritte zur Hütte, sie waren viele, und doch nicht genug um aufzuschieben was kommen würde. Die Tür, ein Menschenwerk aus Holz, und doch würde sie nicht halten was sie versprach. Still stand sein Schatten im Licht der Feuer vom Strand, die wenigen Öllampen konnten nicht erhellen was von unirdischer Dunkelheit umgeben war.
    Iulia verstand sofort... das Mädchen packte seine kleine Puppe, wortlos, keinen weiteren Blick der Frau schenkend deren Schicksal so düster war wie die Nacht dort draußen. Sie drängte sich an Gorgus vorbei, und suchte Zuflucht in den Hütten der Menschen die sich ein wenig Menschlichkeit erhalten hatten.
    Die Frau war allein.


    Sehen, ich kann es nicht mehr,
    auf all diese Schrecken,
    doch offen sind meine Augen, kein Lid wagt sich zu schließen,
    vor diesem Schrecken der Schande,
    Spüre den Schmerz, das Leben schwindet,
    wenn wir unseren Schrecken begegnen.


    Eine kleine Bewegung, es reichte. Er war bei ihr, an ihr, überall.
    Gorgus wollte. Und er nahm.
    Seine Augen, im Schein der Öllampen hohl wie schwarze Löcher in einer Welt die an Dunkelheit.
    Die nächste Bewegung, in Fetzen lag die Tunika der Frau im Raum, in Fetzen lagen die Stücke Stoff die vormals Gorgus ein menschliches Antlitz gegeben hatten. Sein Atem auf ihrer Haut, kein Gestank der Hölle strich über den Körper der Frau, es war mehr Eiseskälte die sich dort breitmachte wo Lippen und Zähne der Frau an Intimität nahmen was sie sich bis dahin erhalten hatte können.
    Gorgus Hände suchten und fanden, jeder Flecken des weiblichen Körpers war Opfer und Beute, mit jedem Griff wurde Zerbrechlichkeit zerstört, Anmut entrissen, Würde geraubt.
    Gorgus wollte. Und er nahm.
    Es war ein Fest. Jeder verzweifelter Versuch das von Göttern geschenkten Heiligtum zu schützen, es war ein Akt der Hilflosigkeit. Und machte Gorgus nurnoch wilder...
    Bewegung folgte auf Regung, und doch schlug er nicht zu. Das hatte man nur nötig wenn man sich seiner Beute nicht sicher war, und Gorgus war ein Tier, ein wilder Wolf der zielstrebig und mit animalischer Gnadenlosigkeit eroberte was zuvor anderen gehörte.
    Jede Bewegung der Frau, erstickt im Ansatz, dies war keine Vorstellung von Zweisamkeit, dies war kein Kampf ebenbürtiger Gegner, dies war eine Hinrichtung. Eine Hinrichtung der Unschuld.
    Der Körper der Frau, durch schiere Gewalt auf den Boden gedrückt, durch grenzenlose Wildheit genommen, durch unbändige Lust seiner letzten Geheimnisse beraubt, er war nichtmehr.
    Gorgus schrie. Der Mann, der sein Mundwerk so selten gebrauchte wie sonst nur ein Eremit auf den Felsen des Helikon, er schrie. Die Ekstase seiner Taten gipfelten in einem markerschütterndem Schrei, die Zuflucht des Menschengeschlechts, von dannen gefegt durch die Abgründe männlicher Macht.
    Gorgus wollte. Und er hatte sich genommen.


    Der Ekstase folgte Stille. Das angestrengte Atmen von Gorgus verhallte im Raum, der sich langsam an Wirklichkeit zurück gewann. Es blieb kein Moment zweier Menschen, die sich in Gewalt und Wildheit vereint hatten. Gorgus zog sich zurück, verließ die Hütte, kein Blick zurück, nicht einmal ein Gedanke an das was geschehen war verließ die vier Wände.
    Er stürzte sich ins Wasser, ließ die kalten Fluten den Schweiss von seinem Körper waschen, die Kühle seine Sinne beruhigen, ihn wieder Mensch werden nach seiner Tat. Er reinigte sich selbst von den Spuren der vergangenen Gräuel, um Platz zu schaffen für den Schmutz der da kommen möge... und würde.


    Beginnt es!
    Besser als nichts.
    Ich kann nicht mehr schauen,
    all diese Schrecken.