Livianus Pythermon
"Der persönliche Wert spielt in der Tat eine Rolle - niemand wird von einem einfachen Arbeiter verlangen, dass er einen Ochsen opfert. Aber genauso wenig werden die Götter unzufrieden sein, wenn die Magistrate in Rom als Repräsentanten des ganzen Imperiums mit zu einem großen Feiertag mit nichts als einem Stückchen Brot auftauchen."
beantwortete der Aedituus erst einmal die Frage, um dann noch etwas weiter zu gehen:
"Der persönliche Wert ist aber nicht nur als Kostenfaktor gemeint: Denke nur daran, dass ein Junge zu den Liberalia seine Bulla opfert. Der Materialwert ist da nicht sehr hoch, aber für den Jungen hat dieses Medaillon eine große Bedeutung.
Für Staatsopfer - und da schließe ich die öffentlichen Opfer der Civitas ein - spielt ein persönlicher Wert aber natürlich kaum eine Rolle. Hier ist es eher wichtig, dass wir im Rahmen bleiben, indem wir einerseits nicht zu knausrig sind, andererseits die Götter aber nicht an allzu teure Geschenke gewöhnen, die wir uns langfristig nicht leisten können."
Das Prinzip des "Do ut des" hatte Curio allerdings schon ganz gut verstanden - trotzdem gab es aber auch hier noch ein paar weitere Erklärungen:
"Auch das ist korrekt. Neben einem Opfer kann es aber auch ein Gelübde sein - alles in allem können wir alle Kultakte aber als eine Art Rechtsvertrag mit den Göttern betrachten. Gelobe ich eine Votivgabe für meine Gesundung, muss ich dieses Versprechen einlösen. Gelobe ich einen Tempel oder einen Schrein, muss auch dies gebaut werden.
Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass wir nicht wie die Völker im Osten vor unseren Göttern im Staub kriechen müssen, als wären wir Nichtse. Wir sind die Vertragspartner der Götter und können ihnen - zumindest in gewisser Weise - auf Augenhöhe begegnen. Deshalb ist es im römischen Ritus unüblich, sich zu verneigen oder gar vor den Göttern auf den Boden zu werfen. Wir stehen Auge in Auge mit den Göttern und wie bei einem Vertragsabschluss sprechen wir unsere Formel und erwarten, dass die Götter die Vertragsinhalte einhalten. Tun sie das nicht, sind wir auch zu keinen weiteren Gaben verpflichtet.
Zumindest, falls wir nicht beim Vollzug des Rechtsaktes einen Fehler gemacht haben und die Götter das Opfer deshalb nicht annehmen. Sicherlich weißt du, dass vor allem in alter Zeit in Rom auch jeder Rechtsakt mit einer Art Ritual verbunden war, das ganz genau befolgt werden musste, damit er gültig wurde. Dieses Prinzip lebt in der römischen Religion fort. Was weißt du übrigens zur Annahme und Ablehnung von Opfern - und was im letzteren Fall zu tun ist?"
MPC