Beiträge von Iunia Serrana

    "Naja, wirkliches Singen würde ich das noch nicht nennen." schmunzelte Serrana, während die kleine Germanica unbeirrt weiter vor sich hinsummte. An manchen Stellen konnte man die ursprünglichen Worte schon ganz gut erahnen, bei den meisten anderen half nur ein großes Maß an Phantasie. "Aber es zeigt, dass Vina sich Dinge gut merken kann, das wird sie später sicher noch gut gebrauchen können." Die Angesprochene schob derweil eine Weile lang ihre Puppe über den Boden, bevor sie zu ihrem Bruder und dessen Bauklötzchen hinübersah und dann in seine Richtung krabbelte.


    "Wenn das so passieren würde, dann hätte Vina später großes Glück. Dann hoffen wir mal, dass ihr der passende Mann auch über den Weg läuft, schließlich hat ja nicht jeder so viel Glück wie ich." Serrana legte ihrem Mann einen Arm um die Taille und lehnte sich mit ihrem Kopf wie schon dutzende Mal zuvor an seine Schulter, an die sie so eben heranreichte. "Allerdings hoffe ich auch, dass wir bis dahin noch viele Jahre Zeit haben, ich kann mir gar nicht vorstellen, dass ich die Kinder irgendwann einmal ziehen lassen muss." Sie seufzte und runzelte unwillkürlich die Stirn, während sie versuchte sich an das letzte Zusammentreffen mit Sabinas Hauslehrer zu erinnern. "Ich auch nicht, wenn ich ehrlich bin. Ich werde Adula mal auf die Suche nach ihm schicken, was meinst du?"

    Serrana schmunzelte mit einem Blick auf ihre Tochter, die jetzt Bruchstücke eines Kinderliedes vor sich hin zu summen schien, während sie mit ihrer Puppe spielte. "Naja, rein vom Stimmvolumen könnte das klappen, ich bin immer wieder fasziniert, wie laut die Beiden schreien können. Aber ehrlich gesagt hoffe ich schon, dass Vina später einen Mann, der ihr gefällt, auch ohne Schreierei für sich einnehmen kann. Schau nur, wie hübsch sie ist..." fügte sie mit noch hinzu, dabei völlig ausser acht lassend, dass vermutlich jede Mutter in und ausserhalb des römischen Imperiums ihre eigenen Kinder für die schönsten und klügsten überhaupt hielt. Dass Sedulus sie nicht für zu nachgiebig hielt, hörte Serrana natürlich gern, schließlich hatte sie sich über dieses Thema schon die einen oder anderen Gedanken gemacht, ohne eine Idee zu haben, wie sie im Zweifelsfall wirklich strenger werden sollte, wo das doch so gar nicht ihrem Wesen entsprach.
    "Natürlich möchte ich sie nicht gegen mich haben, die Vorstellung ist ja furchtbar." sagte sie aufrichtig erschrocken. "Ich denke, Großmutter ist streng genug für uns alle zusammen, das wird wohl reichen. Und was Gadatas betrifft: vielleicht solltest du mal mit ihm reden, ich könnte mir vorstellen, dass er nichts dagegen hätte, wenn sich sein Aufgabenbereich ein bisschen ausdehnen würde und er nicht mehr ausschließlich für Sabinas Ausbildung zuständig ist."

    Wie schnell sich die Launen bei einem so kleinen Kind abwechseln konnten... In Vinas Augenwinkeln glitzerten noch ein paar Tränen, aber sie stieß bereits wieder einige höchst gutgelaunte Töne aus, während sie an ihrer Puppe herumzupfte und hatte ihr erst Sekunden zurückliegendes Frusterlebnis längst wieder vergessen.


    "Nun, ich hoffe doch sehr, dass sie nicht mehr anfängt zu schreien, wenn sie als Erwachsene ihren Willen nicht bekommt." entgegnete Serrana amüsiert aber auch mit einer leisen Spur Besorgnis, während sie ihre Tochter aufmerksam musterte. "Meinst du, ich bin vielleicht nicht streng genug, Quintus? Vielleicht sollte ich weniger nachgiebig mit den Kindern sein, damit liegt Großmutter mir ständig in den Ohren. Aber ich möchte halt in jedem Fall vermeiden, dass die beiden so aufwachsen müssen wie ich damals bei ihr." Sie seufzte und wandte den Blick ihrem Mann zu, als dieser über Sabinas Lehrer sprach. "Naja, ich eigentlich nicht, von ein paar Briefen abgesehen. Aber ....." jetzt ging ein kleines Grinsen über ihr Gesicht und sie stuppste Sedulus leicht in die Seite ".....er könnte ja deine Briefe für dich schreiben. Dann bekäme Aurelius Ursus auch endlich seine Antwort, das würde ihn sicher freuen." Ihr Mann nahm seine diversen Aufgaben und Pflichten durchaus ernst, aber das Briefeschreiben gehörte ganz offensichtlich nicht zu seinen besonderen Vorlieben, wie sie in den vergangenen Monaten ihrer Ehe hatte beobachten können.

    Serrana, die plötzlich das Gefühl hatte, wieder in der endlos schaukelnden Sänfte zu liegen, umgeben von einem besorgten Ehemann, hektischen Bediensteten und einer Septima, die ebenso nervös und elend war wie sie selbst, nickte. "Ja, es war wirklich furchtbar, und ich hoffe, dass ich so etwas nicht noch einmal erleben werde. Aber ich bin trotzdem unendlich froh, dass wir noch rechtzeitig aus Mantua weggekommen sind. Wenn wir dort geblieben wären, und eins der Kinder wäre krank geworden..." Sie schluckte und griff schnell erneut zu ihrem Weinkelch. Die Männer unterhielten sich mittlerweile über einen gemeinsamen Bekannten, und Serrana horchte leicht verwirrt auf. "Terentius Primus und deine Schwester, Valerian? Aber was ist denn mit seiner Frau passiert, die mit ihm auf unserer Hochzeit war? Diese hübsche Dunkelhaarige..."

    "Es wird ihn sicher freuen, dich kennenzulernen." nickte Serrana, und das schlechte Gewissen stellte sich direkt wieder ein, diesmal, weil sie ihrerseits noch keinerlei Anstalten unternommen hatte, den kränkelnden Verwandten auf seinem Landgut zu besuchen, obwohl in der Zwischenzeit schon mehr als genug Zeit vergangen war. Dass Silanus und sie sich in der kurzen Zeit ihres gemeinsamen Lebens in der Casa Iunia kaum näher gekommen waren, funktionierte als Ausrede auch nur bedingt, daher war Serrana höchst dankbar für den Themenwechsel, den Priscus ihr kurz darauf lieferte.


    "Oja, das haben wir." erklärte sie schnell und mit unüberhörbarem Stolz in der Stimme. "Quintus hat eine Tochter aus erster Ehe, ihr Name ist Sabina. Und gemeinsam haben wir noch Victorius und Laevina, sie sind Zwillinge. Die beiden fangen gerade erst an zu laufen und zu sprechen." Serrana sah von Priscus hinüber zu Sedulus und wieder zurück und lächelte dann. "Ja, da hast du wohl Recht. Du musst wissen, dass ich ursprünglich einen ganz anderen Mann heiraten sollte, und ich bin heute noch unendlich froh darüber, dass ich es geschafft habe, das zu verhindern. Ich wäre mit Sicherheit todunglücklich geworden."

    Es fiel Serrana nicht ganz leicht, Mareis Wortschwall zur Gänze mitzubekommen, da die Kleine immer wieder das Thema wechselte, und Serrana zudem noch ein wachsames Auge auf ihren Sohn behalten wollte. Der schien sich bei dem Sklavenmädchen ganz offensichtlich ausgesprochen wohl zu fühlen und ließ sich jetzt, in beiden Händen immer noch Strähnen ihrer dunklen Haare, auf ihrem Schoß nieder. "Dieser Cimon scheint ein ganz besonderer Mensch zu sein, du kannst froh sein, dass er sich so um dich kümmert und dir all diese Dinge beibringt." erklärte Serrana, bevor sich ihr Gesicht bei einer weiteren arglosen Bemerkung des Mädchens kurz verdunkelte. "Ja, Sabinas leibliche Mutter ist nicht mehr da, sie ist vor einigen Jahren krank geworden und gestorben." Immer noch besser eine Mutter, die starb als eine, die das eigene Kind verkaufte, dachte sie dann, beschloss jedoch, in diesem Fall lieber nicht weiter nachzuhaken und dem Mädchen zu ersparen, über ihre offenbar nicht allzu schöne Vergangenheit zu sprechen. Sie war zwar nur eine Sklavin, aber trotzdem...


    "Ist Baldemar nicht der germanische Leibwächter von Tiberia Septima?" fragte sie stattdessen. "Ich glaube, meine Leibsklavin Adula kennt ihn ganz gut. Du hast sie sicher schon einmal hier im Haus gesehen, sie ist sehr groß und stark für eine Frau."


    Serrana rang auf Mareis Bitte hin einen Moment mit dem wie immer großen Drang, ihren Sohn immer und überall vor möglichen Gefahren zu behüten. Er war doch noch so klein und konnte kaum laufen, was da alles passieren konnte... Andererseits gab sich das Mädchen unübersehbar große Mühe mit Victorius und war noch keine Sekunde lang unachtsam mit ihm gewesen. "Ich werde erst mit Victorius kurz zurück in sein Cubiculum gehen, damit die Amme ihn für den Garten fertigmachen kann. Du kannst ja in der Zwischenzeit den Ball aus den Sklavenquartieren holen und dann zum Kinderzimmer kommen. Dann können wir gemeinsam hinunter in den Hortus gehen. Was meinst du?"

    Serrana sah ihren Mann überrascht an. "Aber nein, das stimmt doch gar nicht, da solltest du dir keine Vorwürfe machen. Du schaust doch wirklich regelmäßig bei den Kindern vorbei und sprichst mit ihnen. Die meisten Männer beschäftigen sich erst mit ihrem Nachwuchs, wenn der schon fast erwachsen ist. Wobei Vina und Victorius sicher nichts dagegen hätten, wenn sie dich noch häufiger sehen würden, aber deine Pflichten als Senator gehen nun mal vor." Sie reckte sich kurz ein wenig in die Höhe, um Sedulus einen Kuss zu geben, musste dann jedoch, nach einem weiteren Blick auf den gemeinsamen Sohn, losprusten. "Mädchenkleider? Nein, ich glaub nicht, dass Marei aus Victorius ein Mädchen machen möchte. Ausserdem schadet ihm ein gewisses Rhytmusgefühl nicht, dann kommt er später wenigstens nicht aus dem Tritt, falls er mal zur Armee gehen sollte und marschieren muss." Vina hatte inzwischen ihre Puppe entdeckt, die, für sie unerreichbar, auf einem kleinen Tisch lag, und begann mit austreckten Händen zu brüllen, bis Serrana ein wenig abwesend nach dem Spielzeug griff und es ihrer Tochter hinunter reichte, die sofort einen deutlich zufriedeneren Gesichtsausdruck aufsetzte und sich mit dem Hintern auf den Boden plumpsen ließ.


    "Eine andere Aufgabe für Gadatas...hm...aber was? Vielleicht als Scriba?"

    "Silanus hat sich aus gesundheitlichen Gründen auf sein Landgut zurückgezogen, kurz bevor Quintus und ich geheiratet haben." erklärte Serrana und erinnerte sich mit schlechtem Gewissen daran, dass sie ihrem Verwandten auch schon seit geraumer Zeit mal wieder einen Brief hatte schreiben wollen. "Seitdem ist er nicht mehr in Rom gewesen, denn leider scheint es ihm nach wie vor nicht besser zu gehen. Es ist das selbe Gut, auf dem Narcissa....zuletzt gelebt hat." Bei Priscus' Bemerkung musste sie lachen, und sie versuchte sich den Rest Unbehagen, der sich nicht so schnell hatte vertreiben lassen, nicht anmerken zu lassen.


    "Da hast du wohl recht, unsere Familie hat in dieser Hinsicht wohl einiges vorzuweisen. Gerüchte aller Art über den Praefectus Urbi hat es immer schon gegeben, aber in letzter Zeit begegnet man ihnen überall in Rom. Trotzdem solltest du vorsichtig sein, mit wem du darüber sprichst, Priscus, dieser Mann hat seine Ohren scheinbar überall, und er könnte dir sehr schaden, wenn er das wollte." Serrana kannte Narcissas Bruder bislang kaum, doch der Gedanke, ihr neugewonnener Verwandter könnte sich, kaum in Rom angekommen, unbedacht in Gefahr bringen, machte sie nichtsdestotrotz unruhig und weckte das Befürnis, ihn davor zu bewahren.

    Serrana stellte sich den ordinären, lauten und selbstgefälligen Vescularius angetan mit kaiserlichem Purpur und umringt von einem Pulk Praetorianer vor und schauderte.


    "Nein, natürlich möchte ich nicht, dass dieser Unmensch Kaiser wird, allein die Vorstellung ist schon schrecklich. Und an Valerian hatte ich nicht gedacht, tut mir Leid." sagte sie dann mit einem Anflug von Schuldbewusstsein. Sich über einen Salinator, der in sicherer Entfernung unpopuläre Entscheidungen traf aufzuregen, war eine Sache, aber wenn der selbe Mann seine Finger nach der eigenen Familie ausstreckte, nahm das Ganze eine wesentlich bedrohlichere und unmittelbarere Komponente an. "Weiß Valerian eigentlich etwas von deinen und Priscas Plänen?"

    "Silanus....., ja, ich glaube du hast recht." antwortete Serrana und runzelte die Stirn, während sie versuchte, sich ein vor langer Zeit geführtes Gespräch mit Narcissa wieder ins Gedächtnis zu rufen. "Sie hat mir erzählt, dass ihr Vater sie unbedingt mit ihm verheiraten wollte, und dass sie deshalb eine Zeitlang bei ihm in Germanien auf seinem Stützpunkt war. Aber sie haben sich wohl überhaupt nicht verstanden und sich mehrfach gestritten, naja, und irgendwann war Silanus einverstanden, dass Narcissa hierher nach Rom kommt. Danach war von einer Heirat zwischen den beiden keine Rede mehr..." Serrana seufzte und zuckte mit den Schultern. "Mehr weiß ich nicht, da müsstest du schon Silanus schreiben und ihn selbst fragen, allerdings geht es ihm schon seit einiger Zeit gesundheitlich nicht besonders gut." Während die beiden Männer sich über die aktuelle Lage des Heeres unterhielten, schweiften Serranas Gedanken erneut in die Vergangenheit ab. Silanus hatte nach seiner Rückkehr nach Rom kaum ein Wort über Narcissa verloren, was auch immer zwischen den beiden vorgefallen war, würde vermutlich für immer ein Geheimnis bleiben. Erst als das Gespräch auf den Kaiser und Salinator kam, sah sie wieder auf und erinnerte sich sogleich mit einem gewissen Unbehaben an die Unterhaltung, die sie vor noch nicht allzu langer Zeit mit Calvena im Garten geführt hatte.


    "Beunruhigend? Inwiefern?"

    Victorius kam gar nicht auf die Idee sich auszuruhen, dafür war seine neue Bekanntschaft viel zu interessant und er entschieden zu neugierig. Den Umstand, dass das Mädchen für einen Augenblick durch die Unterhaltung mit seiner Mutter abgelenkt war, ausnutzend, nutzte er die Gelegenheit und griff erneut mit beiden Händen nach ihren dunklen Haaren, ohne jedoch allzu fest daran zu ziehen.


    "Ja, Aurelius Ursus kenne ich wohl." antworte Serrana lächelnd, und betrachtete die kleine Sklavin mit ähnlicher Faszination wie ihr Sohn, wenn auch aus ganz anderen Gründen. Ob sie selbst während ihrer Kindheit wohl ein einziges Mal so frei von der Leber weg geredet hatte wie dieses Mädchen? Wohl kaum, schließlich fiel es ihr das selbst als Erwachsene immer noch schwer, auch wenn sie sich schon ein gutes Stück weit von der verschüchterten 15jährigen entfernt hatte, die vor einigen Jahren nach Rom gekommen war. "Und was dieser Cimon sagt, ist richtig und sehr weise, du solltest auch weiterhin auf ihn hören." Irgendwie kam ihr der Name dieses Sklaven bekannt vor, ob es sich dabei eventuell um den großen Nubier handelte, der sich meist in unmittelbarer Nähe zu Septimas Mann aufhielt? "Nun ja, Sabina hat ja schon eine Mama, auch wenn die nicht mehr bei uns sondern im Elysium ist." beantwortete sie dann Mareis Frage. "Trotzdem bin ich natürlich da für sie, wenn sie Fragen hat oder Hilfe braucht. All die Dinge, die ihre richtige Mutter jetzt nicht mehr machen kann, weißt du. Und Victorius ein Tänzer..." sie musste lachen. "Ich glaub, das wäre keine so gute Idee für den Sohn eines Senators. Da solltest du ihm vielleicht doch lieber Ballwerfen beibringen, vielleicht draussen im Hortus, was meinst du?."

    Die kleine Germanica quittierte den Kuss ihres Vaters mit einem erfreuten "Bappa" und kniff diesen ihrerseits mit ihren kurzen Fingern in die Wange, bevor sie diese wiederum in den Mund steckte und gespannt zwischen ihren Eltern hin und her sah, als könne sie bereits jedes Wort der Unterhaltung verstehen.
    Serrana sah auf Sedulus' Frage hin automatisch zu Victorius hinunter und nickte dann. "Und ob er das kann. Victorius läuft sogar schon ziemlich gut, die Amme sagt, dass er ihr bereits mehrfach ausgebüchst ist. Und stell dir vor, mit etwas Hilfestellung tanzt er sogar, das hat ihm die kleine Sklavin von Septima beigebracht. Unser Sohn scheint offenbar musikalisch zu sein, wär hätte das gedacht...." Serrana setzte Vina wieder auf dem Boden ab und ging hinüber Victorius, dem sie automatisch durch seine immer ein wenig strubbeligen Flaumhaare fuhr. Victorius hatte zwar nichts dagegen, ab und zu gemütlich im Arm seiner Mutter zu liegen und beschmust zu werden, aber dieses ständige Umziehen und Kämmen war nun so gar nicht seine Welt, daher krabbelte er schnell aus Serranas Reichweite hinaus, die ihm ein wenig wehmütig hinterher sah, und griff erneut nach seinen Holztieren.


    "Nun, ich denke doch, dass Gadatas nach wie vor ein Auge auf Sabina hat, auch wenn sie in der Stadt unterwegs ist. Er würde uns sicher sofort informieren, wenn sie sich in eine gefährliche Situation bringen sollte. Und eine bessere Abschreckung als ein ganztägiger Aufenthalt in Großmutters Räumen und unter ihrer Aufsicht gibt es nicht, da spreche ich aus eigener Erfahrung."

    Eine wohlig warme Welle ging bei Sedulus' Bemerkung durch Serranas Körper. Dass sie ihm das erste Mal bei besagten Ludi aufgefallen war, war ihr nicht neu, denn er hatte es ihr bereits bei einer früheren Gelegenheit erzählt. Aber der Umstand, dass er es hier und jetzt und noch dazu in Anwesenheit eines Dritten erwähnte, zeigte, welche Bedeutung diese Kleinigkeit immer noch für ihn hatte und dass es ihm keinerlei Probleme bereitete zu diesen Gefühlen für sie zu stehen. Ihre gemeinsame Geschichte hatte sich damals sehr schnell entwickelt, und erst nach und nach war Serrana wirklich bewusst geworden, welches Glück sie doch gehabt hatte den Mann zu heiraten, in den sie auch verliebt gewesen war. Ein Umstand, der alles andere als selbstverständlich war, entsprach es doch viel eher den römischen Gepflogenheiten, Ehen aus politischen oder finanziellen Gründen zu schließen. "Damals war ich gerade erst seit ein paar Wochen in Rom, und es war mein erstes großes gesellschaftliches Ereignis." wandte sie sich erklärend an Priscus, nachdem sie kurz die Hand ihres Mannes gedrückt hatte. "Meine Garderobe war wirklich sehr klein und alles andere als beeindruckend, aber dann hat Narcissa mich unter ihre Fittiche genommen und mir ein passendes Kleid anfertigen lassen. Es war wunderschön, aus einem ganz hellen und zarten Rosa." Serrana merkte, wie sie ins Schwärmen geriet und hielt ein wenig verlegen inne. "Für diese Dinge hatte Narcissa ein unglaublich gutes Auge, sie selbst sah immer perfekt aus. Wäre sie nicht so früh gestorben, dann hätten die Männer sich sicher um sie geschlagen, da bin ich mir ganz sicher." Vor den jungen Iunius schien sich für einen winzigen Augenblick der Schemen seiner schwarzhaarigen und blauäuigigen Schwester zu schieben, doch dann verschwand er ebenso schnell wieder, wie er gekommen war. Serrana konzentrierte sich wieder voll und ganz auf ihren Verwandten, wedelte dann jedoch aufgeregt mit der Hand in der Luft herum. "So etwas darfst du nicht sagen, Priscus, und schon gar keine Witze darüber machen. Es sind schon so viele Mitglieder unserer Familie jung gestorben, dass es für lange Zeit reichen sollte. Und du wirst sicher ein langes und erfülltes Leben haben, zumindest wünsche ich mir das."

    Serrana kannte die kleinen Gesten und Mimikveränderungen ihrer Freundin mittlerweile recht gut, und dass Calvena sich offenbar nicht blind in eine derart unabsehbare Unternehmung stürzen wollte, ließ sie wieder Hoffnung schöpfen. "Ich hab ja nicht gesagt, dass wir abwarten und gar nichts tun sollen." widersprach sie automatisch, obwohl sie selbst, realistisch gesehen, vemutlich genau das getan hätte. "Natürlich will ich nicht, dass dieser Mann Kaiser wird, allein die Vorstellung ist schon absurd...Aber du sagst doch selbst, dass es gefährlich ist. Und schließlich sind wir nicht mehr nur für uns allein verantwortlich, sondern auch für unsere Familien, unsere Kinder." Sie erwiderte Calvenas Blick eindringlich. "Du weißt, ich würde niemals irgendetwas weitergeben, dass dir oder Prisca schaden könnte, aber wird das bei dieser Frau, insofern ihr sie jemals findet, auch so sein? Was, wenn sie Salinator eure Namen nennt, beabsichtigt oder nicht?" Serrana verschränkte die Arme vor dem Körper, ihr war im warmen Garten plötzlich ungemütlich geworden. "Ich werde mich umhören, aber versprich mir, dass ihr nicht einfach so etwas unternehmen werdet. Bitte, Calvena..."

    Als sich die Tür des Kinderzimmers öffnete, hob Serrana den Blick und lächelte, als sie ihren Mann erkannte. Dann sah sie wieder ihre Tochter an, die auf ihren kurzen Beinchen bereits den halben Weg zurückgelegt hatte. Ein wenig wacklig noch und nicht gerade schnell, aber ohne jede fremde Hilfe.


    "Ja, da hast du recht. Es kommt mir noch gar nicht so lange her vor, dass ich die beiden in mir getragen habe, und nun können sie schon so viel. Schau her, Quintus, Vina kann jetzt allein laufen..." Die kleine Germanica hatte mittlerweile auch das letzte Stückchen überwunden und schlang, bei ihrer Mutter angekommen, die Arme um deren Hals und drückte sich an sie. "Das hast du ganz wundervoll gemacht, meine Kleine." sagte diese stolz und drückte einen zärtlichen Kuss auf den weichen Babyflaum, der nach wie vor Laevinas Kopf bedeckte.


    "Sabina ist mit ihren Freunden unterwegs." sagte sie dann, und stemmte sich, nun mit dem Kind auf dem Arm, wieder in die Höhe. "Ich habe nicht den Eindruck, dass es ihr schlecht geht, sie wirkt eigentlich recht zufrieden. Großmutter hat ein Programm ausgearbeitet, dass aus ihr eine respektable junge Römerin machen soll, aber wenn sie mit ihren Pflichten fertig ist, kann sie mit dem Rest ihrer Zeit machen, was sie will. Sogar Großmutter ist Sabinas Benehmen und ihren Leistungen zufrieden, und das will ja schon was heissen."

    [Blockierte Grafik: http://i839.photobucket.com/albums/zz312/Inpa67/Victorius_klein.jpg]


    Das Singen und Tanzen hatte eine Menge Spaß gemacht, aber das nächste Spiel, das sich das Mädchen für ihn ausdachte, gefiel Victorius auch sehr gut. Jedes Antippen quittierte er mit einem fröhlichen Quietschen, und als sie die Hand schließlich wieder sinken ließ, hob er seine eigene und tippte seinerseits zweimal auf ihre Nase, auf diese Weise zweifelsfrei unter Beweis stellend, dass er das "Zweier-Prinzip" noch nicht wirklich verinnerlicht hatte. Wirklich darüber nachdenken konnte er allerdings auch nicht, denn plötzlich stand ein ihm sehr vertrauter Neuankömmling im Raum, und Victorius klatschte in die Hände und stieß ein freudiges Juchzen aus, bevor er seiner Mutter mit Hilfe des Mädchens eine kleine Tanzvorstellung gab.


    ~~~


    "Du kannst lesen? Wer hat dir das denn beigebracht?" fragte Serrana mit einer Mischung aus Überraschung und Neugier, schließlich war es nicht unbedingt selbstverständlich, dass Sklaven im Lesen und Schreiben unterrichtet wurden. Sie warf einen Blick auf die Schriftrolle, die Marei zur Seite gelegt hatte und dann hinüber zu dem Regal, aus dem das Mädchen sie vermutlich herausgezogen hatte. "Wenn du versprichst, dass du ganz sorgsam mit den Schriften umgehst, darfst gern häufiger herkommen, um zu üben, versprich mir nur, dass du die Rollen anschließend wieder genau dort hin legst, wo du sie weggenommen hast." Mareis Frage lenkte Serranas Aufmerksamkeit von den Regalen zurück zu dem jungen Sklavenmädchen vor ihr und sie nickte, nachdem sie kurz über deren Redeweise geschmunzelt hatte. Sie selbst hätte in diesem Alter nie und nimmer in Gegenwart einer völlig Fremden den Mund aufbekommen, geschweige denn derart unbeschwert daher plaudern können, und das machte sie noch ein wenig neuigieriger auf das Mädchen. "Ja, ich bin seine Mama." bekräftigte sie mit einem liebevollen Blick auf ihren Filius."Und für Sabina bin ich vielleicht so etwas ähnliches..." Serrana beobachtete mit dem unverkennbaren Stolz einer Mutter, die das eigene Kind für die selbstverständliche Krönung der Welt hält, die Darbietung der beiden Kinder und klatschte am Schluss in die Hände. "Das war wirklich gut. Victorius kann für sein Alter schon wirklich gut laufen, aber dass er auch tanzen kann, das wusste ich bislang nicht."

    "Nun, du solltest es auf jeden Fall versuchen." Serrana nickte bekräftigend. "Gut möglich, dass es deine Albträume verschwinden lässt, schließlich sollte man ja nicht immer gleich vom Schlimmsten ausgehen." So wie sie selbst das auch häufig zu tun pflegte, ging es Serrana in einer nur den Bruchteil einer Sekunde andauernden Phase der Selbsterkenntnis durch den Kopf, aber um sie ging es hier und jetzt ja nicht.
    "Morgen früh passt gut, ich muss erst übermorgen wieder zum Dienst in den Tempel, da können wir uns Zeit lassen. Und was den Rückhalt angeht...," ihre Stimme wurde ein wenig leiser und sie starrte für einen Augenblick auf das mittlerweile schon so vertraute Mosaik auf dem Boden des Atriums, bevor sie wieder ihren Verwandten ansah,"....den brauche ich, ehrlich gesagt, genauso sehr wie du. Weißt du, ich....ach, das erzähle ich dir vielleicht lieber morgen, wenn wir unterwegs sind....oh, da kommt Quintus.." Serrana legte kurz die Hand auf den Unterarm ihres Mannes und lächelte erfreut. "Oja, das wollte ich in der Tat. Quintus, das ist mein Verwandter Titus Iunius Priscus, er ist erst vor kurzem aus Graecia angekommen. Stell dir vor, er ist Narcissas Bruder. Du erinnerst dich doch sicher an meine Cousine, die damals bei den Ludi Romani die Cena in der Casa Iunia mit mir gegeben hat." Und die kurz darauf gestorben war, aber diesen Teil brachte Serrana nicht über die Lippen. "Priscus, das ist mein Mann, Germanicus Sedulus."

    Serrana brauchte der Schilderung ihrer Freundin nur zuzuhören, und schon bildete sich auf ihren Armen eine leichte Gänsehaut. "Das hört sich furchtbar ungemütlich an, vor allem, wenn man die Länge der Reise bedenkt. Wie lang wart ihr denn insgesamt unterwegs, das muss doch endlos gedauert haben..." Sie griff nach ihrem Weinkelch und nahm einen Schluck, bevor sie weiter redete. "Unsere Reise von Mantua zu Septimas Landgut war auch schrecklich. Natürlich war sie nicht annähernd so lang, aber Septima und ich waren beide hochschwanger und hab es mit dem dicken Bauch kaum ausgehalten.. Und ich war gerade aus der Sänfte ausgestiegen, da ist meine Fruchtblase geplatzt. Stell dir vor, das wäre irgendwo unterwegs passiert..." Bei der Vorstellung verstärkte sich Serranas Gänsehaut noch, und sie beeilte sich, das Thema so schnell wie möglich wieder zu wechseln. "Ich könnte mir auch nicht vorstellen, in einem anderen Tempel als dem der Minerva zu arbeiten. Natürlich verehre ich die anderen Götter auch, wie es ihnen gebührt, aber es ist einfach nicht das selbe."