Beiträge von Iunia Serrana

    Serrana erwiderte Umbricius' Lächeln dankbar, als sie erkannte, dass er ihr ihren damaligen Aussetzer bei der Cena offenbar wirklich nicht übeln nahm. Bei seiner nächsten Bemerkung stieg ihr jedoch eine verlegene Röte ins Gesicht, denn über dieses Thema war ihr selbst noch nicht allzu vertraut.


    "Ich...ähm...ja, du hast Recht. Sedulus und ich erwarten ein Kind......Im Winter." fügte sie schließlich noch hinzu, als sei diese Information in irgendeiner Weise interessant für den jungen Verwandten ihres Mannes. Nach wie vor reichlich verlegen, zupfte Serrana ein wenig am Faltenwurf ihres Kleides herum und sah ihn erst wieder direkt an, nachdem er das Thema gewechselt hatte. "Ja, das kann ich mir vorstellen." nickte sie dann. "In den ersten Tagen ist man voll und ganz damit beschäftigt, sich an das neue Haus und vor allem an Rom zu gewöhnen, aber irgendwann reicht das dann nicht mehr aus. So ist es mir damals auch gegangen, aber dann bin ich recht schnell dem Cultus Deorum beigetreten." Serrana sah Umbricius nachdenklich an, dann kam ihr ein Gedanke. "Wäre das denn nichts für dich? In den Dienst der Götter zu treten?"

    "Mit einer Anderen? Was für eine Andere?" Serranas Augen verengten sich leicht, als sie Sedulus misstrauisch von der Seite ansah. Sie war noch nie besonders gut darin gewesen, feine Nuancen aus Bemerkungen herauszuhören, ganz abgesehen davon, dass ihr gerade erst wachsendes Selbstbewusstsein noch lange nicht über der Vorstellung einer möglichen Konkurrentin schwebte.
    "Mit "zusammen war" meinte ich das, was letzte Nacht gewesen ist." erklärte sie dann ein wenig verlegen und griff schnell erneut zum Käse hinüber, doch immerhin verfärbten sich diesmal nur ihre Ohren leicht rot und nicht ihr komplettes Gesicht. Die Bemerkungen ihres Ehemanns zum Thema Schwangerschaft und ihr Beginn gefielen Serrana nach wie vor nicht, und ihre gerunzelte Stirn entspannte sich erst wieder bei dem hoffnungsvollen Wörtchen Zeit. "Ja, ganz viel Zeit. Das hört sich gut an." murmelte sie schon deutlich zufriedener, während sie in ihrer liegenden Position auf der Bank noch ein kleines bisschen in die eine oder andere Richtung rutschte, um es sich und ihrem Mann möglichst bequem zu machen. "Das lasse ich mir nicht zweimal sagen." Serrana räkelte sich wohlig und hob nur leicht ihren Kopf in die Höhe, um seinen Kuss zu erwidern.

    Sie brauchte es nicht? Wenn es doch nur so wäre... Allein bei der Vorstellung, sich von der Flüssigkeit in dem unscheinbaren Fläschchen trennen zu müssen, krampfte sich bereits Serranas Magen zusammen. Wenn sie einmal weg war, dann war sie wirklich weg. Natürlich bestand immer die Möglichkeit, zur Taberna zu gehen, und sich von Crios einen neuen Trank mischen zu lassen. Aber was dann? Ein neues Versteck, neue Lügen? Und noch dazu ein Sedulus, der vermutlich viel genauer auf das achten würde, was Serrana vor dem Schlafengehen tat? Sie wusste jetzt schon, dass sie das niemals durchalten würde. Ganz abgesehen davon, dass es ein großer Unterschied war, ob man einem sehr wichtigen Menschen etwas verschwieg oder ihn gezielt belog...Serranas Herzschlag, der sich gerade erst ein wenig beruhigt hatte, beschleunigte sich erneut und sie hatte das Gefühl, das Echo in ihrem Kopf widerhallen zu hören. Es dauerte eine geraume Weile, bis sie in der Lage war, zu dem kleinen Beistelltisch hinüberzugreifen, die Amphore aus ihrem Versteck zu ziehen und diese Sedulus in die Hand zu drücken, bevor sie das Gesicht erneut an seiner Brust barg, um nicht ansehen zu müssen, was er damit tat. Nie zuvor in ihrem Leben hate sie sich derart erbärmlich schwach gefühlt, und vermutlich war es diese beschämende Erkenntnis, die Serrana dazu brachte, mit der Wahrheit herauszurücken. So schmerzhaft das Ganze jetzt auch war, verschaffte es ihr vielleicht trotzdem die Möglichkeit irgendwie eine neue Richtung einzuschlagen, auch wenn sie im Moment nicht die geringste Ahnung hatte, welche das sein sollte. "Das mit dem Kind macht mir Angst." murmelte sie schließlich, ohne den Blick zu heben und wenigstens zu versuchen, Sedulus in der Dunkelheit des Zimmers anzusehen. Was sollte er nur von einer Frau denken, die sich vor der elementarsten Pflicht jeder Ehefrau fürchtete? "Ich hab ständig Albträume deswegen, und der Trank....er..er hilft mir dabei, einfach schlafen zu können und nicht mehr ständig daran zu denken." Sie spürte seine Hand auf ihrem Haar und hätte am liebsten einfach losgeheult wie ein kleines Kind, aber das verhinderte ihr Stolz dann doch. Auf die Idee, das Sedulus ihr wochenlanges Schweigen als Mangel an Vertrauen in ihn interpretierte, kam Serrana nicht ansatzweise. Natürlich vertraute sie ihm, aber die Angst, in seinen Augen an Wertschätzung und Respekt zu verlieren, war viel zu groß um auch andere Überlegungen zuzulassen.

    Natürlich war die Wahrscheinlichkeit für ein derartiges Szenario gleich null, aber das war Serrana egal, dafür war diese Aussage unendlich romantisch! Sie seufzte auf und machte sich unwillkürlich daran, sich den dramatischen Ablauf der Ereignisse vorzustellen: sie selbst als tragische Heldin und Sedulus als strahlenden Retter und Gnaeus Balbus, der Fischkopf.... Konnte es tatsächlich sein, dass ihr das Gesicht dieses Menschen kaum noch präsent war? Unglaublich, dabei war der Abscheu seinerzeit immerhin so groß gewesen, dass er die alles andere als mutige Serrana aus der lauschigen Campania ins riesige Rom getrieben hatte... "Du glaubst gar nicht, wie froh ich bin, dass es anders gekommen ist." sagte sie leise und strich langsam mit ihren Fingern den unbedeckten Teil seines Arms entlang, den Sedulus um sie gelegt hatte. "Jetzt wo ich mit dir...zusammen war, wird mir erst klar, wie grauenhaft es mit ihm geworden wäre." Serrana schüttelte sich unwillkürlich und griff nach ihrem Wasserbecher, aus dem sie einen großen Schluck trank, bevor sich ihre Stirn plötzlich in Falten legte. "Beim ersten Mal schon? Unsinn, das glaub ich nicht." sagte sie, energisch den Kopf schüttelnd und damit die Vorträge, die sie selbst vor noch nicht allzu langer Zeit sowohl ihrer Cousine als auch deren zukünftigen Gatten gehalten hatte, Lügen strafend. Gut, dass Sedulus diese Bemerkung nicht schon früher am Tag gemacht hatte, sonst hätte seine frischgebackene Gattin wohl mit deutlich weniger "Elan" an seiner Hausführung teilgenommen.
    "Irgendwann können wir gern Kinder haben, aber jetzt möchte ich dich erst einmal ganz für mich allein." Ein kurzer prüfender Seitenblick, dann wagte Serrana es schließlich doch, zog die Beine hoch auf die Bank, drehte sich ein wenig um die eigene Achse, und machte es sich schließlich, den Kopf in Sedulus Schoß gelegt, gemütlich. "Oh, so ist es schön." murmelte sie zufrieden. "Wenn du magst, können wir gleich auch gern tauschen."

    So viele Nächte war es gut gegangen, doch in dieser schien der geheime Pakt, den Serrana mit dem Trank des Medicus bereits vor Monaten eingegangen war, endgültig seinem Ende entgegen zu gehen. "Ich geb sie dir morgen früh, versprochen." brachte sie nach einigem Ringen schließlich zustande. Mittlerweile kannte sie Sedulus zu gut, um davon auszugehen, dass er das bis zum nächsten Tag vergessen haben würde, aber aus irgendeinem Grund war es Serrana wichtig, dass das Fläschchen zumindest noch für den Rest dieser Nach an ihrer Seite bleiben würde. Als Sedulus dann plötzlich näher an sie heranrückte und sie in seine Arme nahm, entglitt ihr unwillkürlich ein Laut, der einem erstickten Schluchzen recht nahe kam. Serrana sog die sie umgebende Wärme und das damit verbundene Gefühl der Sicherheit förmlich in sich auf und schlang die Arme um den Körper ihres Mannes, während sie ihr Gesicht, wie schon so häufig zuvor, an seine Brust legte. "Bitte, kannst du mich eine Weile einfach so festhalten?" bat sie mit einer Mischung aus Verzweiflung und Scham. Wie sollte sie ihm denn nur jemals die Wahrheit beibringen? 'Verrückt, vollkommen verrückt...' In einer Endlosschleife zog immer wieder Axillas Bemerkung durch Serranas Verstand. Schlimm genug, dass ihre Cousine sie offensichtlich bereits für wahnsinnig hielt, in Sedulus' Fall konnnte sie das unter gar keinen Umständen riskieren. Serrana sog den Duft seiner Haut ein, und spürte, wie sie in seiner Umarmung allmählich ein wenig ruhiger wurde. Nur noch ein paar Minuten, dann würde sie vielleicht sogar schlafen können. Und mit etwas Glück würde Sedulus dann auch nicht weiter nachbohren, und sie brauchte sich in seinen Augen nicht lächerlich zu machen.

    Serrana seufzte leise. Sedulus hatte natürlich recht, die Toten waren tot, und es brachte nichts, darüber nachzudenken, was vielleicht hätte sein können, wenn... Zum Glück brachte sie seine nächste Bemerkung schnell wieder auf andere Gedanken.
    "Ja, da bin ich auch froh." bestätigte sie und hob kurz den Kopf, um seinen Kuss erwidern zu können. "Wenn wir uns nicht kennengelernt hätten, hätte ich vielleicht doch noch diesen schrecklichen Menschen aus Nola heiraten müssen, den Großmutter damals für mich ausgesucht hat." Sie schüttelte sich voller Widerwillen und bemühte sich, die Bilder, die sich automatisch in ihrem Kopf formten, schnell wieder loszuwerden. Kaum war ihr das gelungen, da störte schon der nächste Satz ihren Seelenfrieden, und Serrana richtete sich erneut auf.
    "Nachwuchs? Naja, irgendwann bestimmt. Aber von den zweimal doch bestimmt noch nicht, oder?" Eigentlich dreimal, aber spielte ja schließlich keine Rolle. Schwanger wurde man, wenn überhaupt, irgendwann nach einigen Monaten, oder so. So hatte es sich zumindest Serrana zurechtgelegt, denn das verschaffte ihr noch eine gewisse Verschnaufspause, bevor es mit der Familienplanung wirklich ernst wurde.

    "Immerhin werden wir uns wohl niemals um unser Essen streiten müssen, du bekommst alle Tiere mit einem Fell und ich nehme die mit den Flossen." Es war ein schöner und unbeschwerter Moment, ohne größere Sorgen und Probleme, und Serrana hätte ihn gern noch ein Weilchen ausgedehnt. Aber die Papierstapel auf dem Tisch zeigten deutlich, dass Sedulus noch eine Menge zu tun hatte, und auch für sie wurde es allmählich Zeit, sich auf den Weg zum Tempel zu machen.


    "Ja, das ist wohl allmählich wirklich nicht mehr zu leugnen." Ihre Hand glitt unwillkürlich ein weiteres mal hinunter zu ihrem Bauch und blieb einen kurzen Moment auf der kleinen Wölbung liegen. Seltsam, dass diese Berührung sie immer zu beruhigen schien, und das, obwohl ihr der Gedanke an diese Schwnagerschaft und ihr mögliches Ende nach wie vor so viel Angst einjagte.


    "Ich werde jetzt hinüber zum Tempel gehen, wir sehen uns heute abend bei der Cena." Serrana gab ihrem Mann noch einen letzten Kuss, dann verließ sie sein Büro und ging hinauf in ihr Cubiculum, um sich umzuziehen.

    Warum in der Götter Namen hatte er denn nur ausgerechnet in diesem Moment wach werden müssen? Serrana war zwar nach wie vor hellwach, trotzdem war es eine ganz schöne Herausforderung für sie, sich von einer Sekunde auf die andere eine überzeugende Ausrede einfallen zu lassen.


    "Ach, das hab ich manchmal, ist halb so wild." wiegelte sie schließlich in betont unbeschwertem Ton ab und war zum ersten Mal froh über die Dunkelheit, die Sedulus daran hinderte, ihre Augen zu sehen. Kaum hatte sie für ein paar Sekunden aufgeatmet, da fuhr ihr der nächste Schreck in die Glieder. Er wollte die Amphore sehen? Aber warum denn nur? Serrana wollte unter keinen Umständen, dass Sedulus bemerkte, wie stark ihr nächtlicher Trost und Helfer in der Not wirklich war. Und ganz sicher wollte sie nicht, dass er ihn trank. Es war ohnehin nicht mehr allzu viel davon übrig, weil sie es seit geraumer Zeit nicht geschafft hatte, sich in der Taberna Nachschub zu holen. Sie konnte unmöglich riskieren, dass für sie dann nicht mehr genug übrig bleiben würde, ohne die Gewissheit, im Notfall davon trinken zu können, würde sie bestimmt wahnsinnig werden...


    "Das glaub ich nicht, der Trank ist speziell für Frauen, den hat mir eine Kräuterfrau auf dem Mercatus verkauft." sagte sie schnell. "Und ausserdem würde er dir bestimmt nicht zusagen, er schmeckt nämlich irgendwie nach....nach Fisch. Wirklich eklig..."

    Minute um Minute verging, während Serrana stocksteif und ins Dunkle starrend da lag, und ohne, dass sie es bewusst steuerte, wanderte ihre Hand Digitus um Digitus hinüber zu dem kleinen Tischchen neben ihrem Bett, bis ihre Finger endlich die rauhe Oberfläche der kleinen Amphore ertasteten und diese instinktiv umschlossen. Aus irgendeinem Grund machte bereits diese Berührung Serrana ein wenig ruhiger und sie war nach wie vor unschlüssig, ob sie wirklich etwas trinken sollte, als Sedulus' Stimme aus dem Dunkeln sie plötzlich zusammenfahren ließ. Als sie seine Hand auf der ihren spürte, ließ sie das Fläschen sofort schuldbewusst wieder los und stopfte es schnell unter ein Unterkleid, das bereits seit geraumer Zeit als Tarnung fungiert hatte.


    "Oh, das ist nichts, wirklich. Nur ein....ähm... leichter Stärkungstrunk, mit dem ich besser schlafen kann." sagte sie schnell und erneut schlug ihr das Herz bis zum Hals, wenn auch diesmal aus anderen Gründen.

    Serrana verkniff sich eine entsprechende Antwort, aber ein kleines Lächeln glitt trotzdem über ihr Gesicht. Bislang war sie noch nicht an dem Punkt angekommen, wo sie laut mit der Faust auf den Tisch haute, aber sie hatte die Erfahrung gemacht, dass man mit sanfter Hartnäckigkeit meistens ebenso gut ans gewünschte Ziel kommen konnte.


    "Falls dir das parthische Huhn wirklich nicht schmecken sollte, was ich eigentlich nicht glaube, dann brauchst du es auch nicht zu loben. Das mache ich dann schon." sagte sie lächelnd und kraulte dabei eher unbewusst den Nacken ihres Mannes. "Hauptsache, du machst keine von deinen Bemerkungen, du weißt schon..."Einen Moment lang war Serrana damit beschäftigt, seinen Kuss zu erwidern, dann musste sie unwillkürlich lachen.
    "Ich verstehe gar nicht, warum du so ungern Fisch ißt. Im Moment könnte ich den ganzen Tag Fisch und Muscheln essen....." Serranas Augen begannen zu leuchten, während die Bewohner ganzer Ozeane an ihrem inneren Auge vorbeischwammen.
    "Komisch, oder? Auf andere Sachen hab ich kaum Appetit, höchstens noch auf diese leckere scharfe Sauce, die Helena immer macht...."

    "Danke für deine Sorge, aber es wird schon gehen." lächelte Serrana den Decimer an und ließ sich von einem Sklaven einen Becher mit stark verdünntem Wein reichen. Dankbar nahm sie zu Kenntnis, dass Sedulus sich bereits danach erkundigte, ob ihren Gästen das Essen schmeckte. Ihre eigene Reaktion vor einigen Minuten war schließlich alles andere als eine überzeugende Werbung für die Helenas Kochkunst gewesen, und auch wenn die Köchin an dem Übelkeitsanfall vollkommen schuldlos gewesen war, hatte Serrana das Gefühl, für sie in die Bresche springen zu müssen.


    "Ich glaube nicht, dass wir Helena freiwillig hergeben würden. Sie gibt sich wirklich sehr viel Mühe mit allem, was in diesem Haus auf den Tisch kommt." Es ging also gerade um das berufliche Weiterkommen, ein Thema, das für Umbricius, der gerade erst in Rom angekommen, und Decimus Verus, der nach langer Abwesenheit zurückgekehrt war, sicher eine immense Bedeutung besaß. Serrana machte es sich wieder auf ihrer Kline bequem und sah neugierig zwischen den anwesenden Männern hin und her.

    Den Kopf nach wie vor an seiner Schulter nickte Serrana nachdenklich. "Nein, vermutlich nicht. Schließlich hast du dich ja auch nicht davon abbringen lassen, als dein Onkel diese komischen Bemerkungen über mein Alter gemacht hat." In Serranas Stimme mischte sich jetzt ein ärgerlicher Unterton und sie schnaubte leise. "Erinnerst du noch, auf der Verlobungsfeier von Calliphana und Centho? Da hat er fast so getan, als wäre ich zwölf, dabei war ich schon fünfzehn! Pah!" Serrana, die sich spätestens seit ihrer Heirat ungemein erwachsen fühlte, schnaubte erneut und nahm sich noch ein paar Trauben aus der Schale, bevor sie es sich wieder gemütlich machte "Weißt du, was komisch ist?" fragte sie dann, diesmal in etwas wehmütigerem Ton. "Ich habe sogar fünf Onkel, weil mein Vater so viele Brüder hatte. Und trotzdem hab ich keinen von denen je kennengelernt. So eine große Familie, und alle sind sie tot..." Sie schüttelte den Kopf, um diesen traurigen Gedanken wieder loszuwerden und fand auch recht schnell eine geeignete Ablenkung, die sie sogar ein wenig zum kichern brachte. "Nein, das wäre natürlich ein furchtbarer Skandal gewesen, nicht auzudenken. Die eigene Nichte zu ehelichen, du liebe Güte, stell dir das nur vor! Kaiser Claudius hat das ja getan, und dem ist es alles andere als gut bekommen." Erneut musste sie ein kleines Gähnen unterdrücken und Serrana dachte daran, wie schön es sein musste, sich jetzt einfach auf der Bank auszustrecken und den Kopf in den Schoß ihres Mannes zu legen, um ein bisschen zu träumen. Ob er wohl etwas dagegen haben würde? "Wann man es macht und wie oft?" hakte Serrana stattdessen mit der ihr eigenen Naivität nach."Ich hätte nie gedacht, dass es dabei so viel zu bedenken gibt. Aber eigentlich ist das auch egal, Spaß gemacht hat es auf jeden Fall." Ein zufriedenes Lächeln erschien auf Serranas Zügen, während sie weiter auf ihren Trauben herumkaute.

    Serrana spürte, wie sie ein wenig rot wurde, aber Dontas schien ihren Fauxpas nicht allzu übel zu nehmen, und daher nickte sie erleichtert zu seinen Worten.


    "Nun, da hast du sicher recht. Es gibt so viele Frauen hier in Rom, da wirst du sicher bald eine finden, die dir gefällt." Bei der Erwähnung ihrer eigenen Hochzeit wurden Serranas Gesichtszüge automatisch weicher und sie lächelte. "Ja, das ist wahr. Mein Mann und ich haben erst Anfang April geheiratet. Vielen Dank, dass du daran gedacht hast und für deine Wünsche."

    Sie war noch wach. Hellwach sogar, und das, obwohl sie sich vor über einer Stunde gemeinsam mit Sedulus schlafen gelegt hatte. Kein Wunder eigentlich, denn so ging es Serrana eigentlich schon seit etlichen Nächten, zumindest in den Nächten, in denen sie nicht direkt vorsorglich einen Schluck aus der kleinen Amphore mit dem Schlaftrunk nahm, ohne dass ihr Mann davon etwas mitbekam. Serrana lauschte in die Dunkelheit und verspürte Wehmut und auch ein wenig Neid, als sie seine regelmäßigen Atemzüge hörte, die ihr zeigten, dass er im Gegensatz zu ihr längst tief und fest schlief.
    Und ob diese elende Unfähigkeit, ohne fremde Hilfe einschlafen zu können, nicht schon schlimm genug war, spürte sie, wie die unterschwellig stets präsente Nervosität allmählich stärker wurde und vermutlich schon bald wieder einmal in eine Angstattacke umschlagen würde. Die Angst vor der Angst, noch vor wenigen Monaten hätte sie nie vermutet, dass es so etwas überhaupt gab. Serrana atmete ein paar mal so tief wie möglich ein und aus, und versuchte ihren sich zunehmend beschleunigenden Puls wieder zu beruhigen. Jetzt ein Schluck von dem Trank, und in ein paar Minuten würde sich alles auflösen, und sie würde friedlich einschlafen können... Serrana seufzte und dachte an das unauffällige Fläschchen, dass sie in der kleinen Kommode neben ihrem Bett versteckt hatte. Nur ein Handgriff, und dann würde endlich Ruhe sein...Aber schließlich hatte sie sich fest vorgenommen, endlich ohne diesen Trank auszukommen, und sei es auch nur, um Axilla zu beweisen, dass sie keine Drogen brauchte.
    Die Minuten vergingen, aber die Angst verging nicht, im Gegenteil. Wie schon früher so häufig, brach sie in immer kürzeren Wellen über Serrana herein, und diese krallte sich mit einer Hand in das Laken, während sie spürte, wie sich ihr Körper allmählich mit kalten Schweiss überzog und ihr Herz immer lauter schlug. Götter, warum konnte das denn nicht endlich vorbei sein... Serrana entfuhr ein kaum hörbares Wimmern und sie konzentrierte sich weiter auf ihren Atem. Atmen, atmen, einfach weiteratmen und bloß nicht dabei denken. So würde sie es vielleicht noch eine Weile aushalten können.

    Sedulus' Augen leuchteten bei der Erwähnung seiner favorisierten "Mahlzeiten" derart offensichtlich auf, dass Serrana lächeln musste. "Na gut, was hältst du von diesem Vorschlag? Du probierst heute das parthische Huhn und lässt dir nichts anmerken, auch wenn es dir nicht schmecken sollte. Helena macht sich damit wirklich große Mühe, und ein Lob wäre ihr da bestimmt wichtig. Und ich sorge dafür, dass es in den nächsten Tagen Rind oder Fleisch gibt. Und vielleicht ein paar Muscheln für mich, aber die brauchst du ja nicht zu essen." In der letzten Zeit hatte sie einen regelrechten Heisshunger auf Muscheln entwickelt, aber das wollte sie in Gegenwart eines so offensichtlichen Gegners von Meeresfrüchten lieber nicht erwähnen.

    Serrana legte für einen Moment das Brot aus der Hand und sah ihren Mann erneut und diesmal etwas prüfender an. "Natürlich ist das so. Machst du dir deswegen etwa Gedanken? Wegen des Altersunterschieds, meine ich?" Sie schüttelte ein wenig ungläubig den Kopf und stuppste ihn erneut in die Seite. "Ich geb ja zu, dass es am Anfang etwas komisch war, ausgerechnet in Calvenas Onkel verliebt zu sein, aber zum Glück bist du ja ihr Onkel und nicht meiner." Serrana griff jetzt herzhaft in den Teller mit den Trauben und fischte ein paar besonders dicke heraus, bevor sie sich wieder an Sedulus' Seite kuschelte. "Ich kenne jedenfalls keinen anderen, mit dem ich so gern zusammen bin wie mit dir, und das wird auch ganz sicher so bleiben." Während sie langsam die Trauben zerkaute und den fruchtigen Geschmack in ihrem Mund genoss, begannen Serranas Gedanken wieder angenehm zu verschwimmen und sie unterdrückte ein wohliges Gähnen. "Oh, meinst du das kommt DA von? Naja, du wirst es schon wissen, du hast es ja schon viel häufiger getan als ich. Dann werde ich mich wohl daran gewöhnen, von jetzt an häufiger müde zu sein."

    Serrana hatte nur ungern ihren gemütlichen Platz an Sedulus Schulter verlassen, doch allmählich knurrte ihr Magen wirklich unüberhörbar und so griff sie nach einem Stück Käse und etwas Brot und biss herzhaft hinein. Das tat wirklich gut, wie lange war es eigentlich her, dass sie etwas gegessen hatte? Beim gestrigen Festmahl war sie auf jeden Fall viel zu nervös gewesen, um mehr als ein paar Bissen zu sich zu nehmen. Friedlich kauend saß sie an der Seite ihres Mannes, doch bei seiner Bemerkung sah sie in überrascht an. "Weil du älter bist als ich? Unsinn, die paar Jahre fallen doch gar nicht auf." sagte sie mit einem Zwinkern, obwohl sie es vollkommen ernst meinte. Schließlich gab es junge Burschen in ihrem Alter, die ihr von ihrem Verhalten her bereits älter vorkamen als Sedulus. "Ich hab nur gedacht, du könntest eventuell müde sein, weil ich selbst ein bisschen schläfrig bin. Das liegt sicher noch an der Hitze im Caldarium, und weil wir so lange drin geblieben sind."

    Die Legionen waren nun wirklich das allerletzte gewesen, woran Serrana bei ihrer Planung des Abendessens gedacht hatte... So ein Ärger aber auch, schließlich hätte es nicht allzu viel Mühe gekostet, dieses parthische Huhn als thrakisches Huhn zu verkaufen. Oder gab es da auch irgendwelche militärischen Debakel?


    "Tut mir leid, dass dir das Huhn so gar nicht zusagt. Aber das Zicklein wird dir ganz sicher schmecken, das ist gute alte römische Hausmannskost." Serrana lächelte zuversichtlich, obwohl sie sich in dieser Hinsicht alles andere als sicher war. "Gibt es denn etwas, was du in den nächsten Tagen gern essen würdest? Dann gebe ich das an Helena weiter." Ganz sicher würde das kein Fisch sein, so gut kannte Serrana ihren Ehemann mittlerweile schon.

    Ad
    Tiberia Septima
    Praetorium
    Castra Legionis I Traianae Piae Fidelis


    Meine liebe Septima,


    du glaubst gar nicht, wie sehr ich mich über deinen Brief gefreut habe, auch wenn es mir noch lieber wäre, wir könnten uns richtig miteinander unterhalten.
    Du hast Recht, seit meiner Hochzeit ist mein Leben wesentlich turbulenter geworden, denn zu meinen Aufgaben im Tempel sind jetzt auch noch die einer Matrona gekommen. Meine Hochzeitsnacht war wirklich schön, und ich schäme mich schon fast, dass ich vorher solche Angst davor hatte. Sedulus war ganz sanft und zärtlich mit mir, genauso, wie du es vorausgesagt hattest, und stell dir vor, am nächsten Morgen haben wir sogar im Bal, nein ich glaube, das erzähle ich dir lieber persönlich, ich merke schon, dass ich beim Schreiben rot werde.
    Mit Großmutter wieder unter einem Dach zu leben, ist natürlich nicht so schön, aber das nehme ich gern im Kauf, um bei Sedulus sein zu können. In letzter Zeit hält sie sich auch einigermaßen zurück, vielleicht habe ich durch die Heirat mit einem Senator etwas mehr Gnade in ihren Augen gefunden. Das politische Tagesgeschehen in Rom habe ich zu meiner Schande in der letzten Zeit nicht allzu aufmerksam verfolgt, aber ich verspreche dir, dass ich mir ein paar der Reden anhören und dir dann berichten werde!
    Am liebsten würde ich mich ja sofort auf den Weg machen und euch gemeinsam mit Sedulus in Mantua besuchen, aber es gibt eine Neuigkeit, die bislang noch kaum einer weiß (nicht mal Großmutter): ich bin nämlich schwanger, und Sedulus hat deshalb schon unsere geplante Reise nach Mogontiacum abgesagt, wo wir den Sommer verbringen wollten. Eine komische Vorstellung ist das, irgendwie fühle ich mich selbst fast noch wie ein Kind, und jetzt werde ich bald ein eigenes haben.
    Das soll es für heute sein, liebe Septima, schreib mir doch bitte wieder, ich freue mich jetzt schon auf deinen nächsten Brief.


    mögen die Götter dich beschützen,
    Serrana