Sie brauchte es nicht? Wenn es doch nur so wäre... Allein bei der Vorstellung, sich von der Flüssigkeit in dem unscheinbaren Fläschchen trennen zu müssen, krampfte sich bereits Serranas Magen zusammen. Wenn sie einmal weg war, dann war sie wirklich weg. Natürlich bestand immer die Möglichkeit, zur Taberna zu gehen, und sich von Crios einen neuen Trank mischen zu lassen. Aber was dann? Ein neues Versteck, neue Lügen? Und noch dazu ein Sedulus, der vermutlich viel genauer auf das achten würde, was Serrana vor dem Schlafengehen tat? Sie wusste jetzt schon, dass sie das niemals durchalten würde. Ganz abgesehen davon, dass es ein großer Unterschied war, ob man einem sehr wichtigen Menschen etwas verschwieg oder ihn gezielt belog...Serranas Herzschlag, der sich gerade erst ein wenig beruhigt hatte, beschleunigte sich erneut und sie hatte das Gefühl, das Echo in ihrem Kopf widerhallen zu hören. Es dauerte eine geraume Weile, bis sie in der Lage war, zu dem kleinen Beistelltisch hinüberzugreifen, die Amphore aus ihrem Versteck zu ziehen und diese Sedulus in die Hand zu drücken, bevor sie das Gesicht erneut an seiner Brust barg, um nicht ansehen zu müssen, was er damit tat. Nie zuvor in ihrem Leben hate sie sich derart erbärmlich schwach gefühlt, und vermutlich war es diese beschämende Erkenntnis, die Serrana dazu brachte, mit der Wahrheit herauszurücken. So schmerzhaft das Ganze jetzt auch war, verschaffte es ihr vielleicht trotzdem die Möglichkeit irgendwie eine neue Richtung einzuschlagen, auch wenn sie im Moment nicht die geringste Ahnung hatte, welche das sein sollte. "Das mit dem Kind macht mir Angst." murmelte sie schließlich, ohne den Blick zu heben und wenigstens zu versuchen, Sedulus in der Dunkelheit des Zimmers anzusehen. Was sollte er nur von einer Frau denken, die sich vor der elementarsten Pflicht jeder Ehefrau fürchtete? "Ich hab ständig Albträume deswegen, und der Trank....er..er hilft mir dabei, einfach schlafen zu können und nicht mehr ständig daran zu denken." Sie spürte seine Hand auf ihrem Haar und hätte am liebsten einfach losgeheult wie ein kleines Kind, aber das verhinderte ihr Stolz dann doch. Auf die Idee, das Sedulus ihr wochenlanges Schweigen als Mangel an Vertrauen in ihn interpretierte, kam Serrana nicht ansatzweise. Natürlich vertraute sie ihm, aber die Angst, in seinen Augen an Wertschätzung und Respekt zu verlieren, war viel zu groß um auch andere Überlegungen zuzulassen.