Serrana, die bei der Frage nach der Geschichte automatisch den Kopf geschüttelt hatte, hing während Romanas Erzählung wie gebannt an deren Lippen und musste bei dem drastischen Ende schlucken, bevor sie schließlich nickte. Natürlich wären ihr in dieser Situation aufbauende Worte und die Versicherung, dass schon alles gut gehen würde, lieber gewesen. Aber im Grunde war es auch Serrana klar, dass selbst Romana, Vestalin hin oder her, ihr eine solche nicht geben konnte. Ganz abgesehen davon, dass es für die Claudia sprach, dass sie nicht den für sie beide vermutlich angenehmeren Weg wählte, sondern ihre Freundin mit der unangenehmen Wahrheit konfrontierte und sie dadurch zwang, sich damit auseinanderzusetzen. Fast übergangslos wurde Serrana von einer erneuten Welle der ihr mittlerweile schon so vertrauten Angst überrollt und es dauerte eine ganze Weile, bis sich auch ein anderer Gedanke seinen Weg in ihren Verstand gebahnt hatte, welcher im Moment sehr erfolgreich von gänzlich irrationaler Panik blockiert wurde.
Ja, es konnte durchaus sein, dass sie bei der Geburt ihres Kindes starb. Und ja, sollte dieser Fall eintreten, dann würde sie noch vor Ablauf eines Jahres tot sein und niemals älter werden als sechzehn. Aber es musste ja nicht zwangsläufig geschehen. Ja, ihre Mutter war verblutet, aber andere Frauen taten das nicht. Ihre Großmutter zum Beispiel war immer noch gesund und munter, und die hatte immerhin drei Kinder zur Welt gebracht. Und Axilla hatte sowohl ihre gescheiterte Abtreibung als auch eine Fehlgeburt überstanden, auch wenn es zumindest im ersten Fall eine Weile nicht danach ausgesehen hatte. Und die war von ihrer Konstitution her auch nicht unbedingt robuster und gesünder als sie selbst.
Langsam und geräuschvoll stieß Serrana die Luft, die sich in ihren Lungen angesammelt hatte, wieder aus und nickte dann erneut. „Ja, ich weiß, was du meinst, und du hast sicher Recht. Ich muss irgendwie einen Weg finden, mit dieser unseligen Angst fertig zu werden. Die führt ohnehin zu nichts, und ich schade damit nur mir selbst.“ Das war natürlich leichter gesagt als getan, denn das eigentlich so grausame an der Angst war ja, dass sie sich nicht nach den Regeln des vernunftbegabten Denkens richtete, sondern ihre Opfer immer wieder in unbedachten Momenten überfiel und alles andere ausschaltete.
Und dann tat sich plötzlich und eigentlich gar nicht mehr erhofft doch noch eine Tür auf, und Serrana starrte Romana kurz voller neu erwachter Hoffnung an.
„Ein Lamm?“ fragte sie überrascht nach und ließ den Blick einmal quer durch das Vestibulum der Vestalinnen gleiten, als könnte besagtes Tier jeden Moment in einer der Ecken des großen Raumes auftauchen. „Und damit könnest du herausfinden, ob….oh, aber wo bekommen wir jetzt so schnell ein Lamm her?“