Beiträge von Iunia Serrana

    "Sie hat es angenommen! Iuno hat unser Opfer tatsächlich angenommen!" Nach all der Anspannung der letzten Minuten konnte Serrana kaum glauben, wirklich das erlösende Wörtchen "Litatio" gehört zu haben, und nur die etwas sperrige Hochzeitsgarderobe und die doch recht feierliche Atmosphäre im Atrium hielten sie davon ab, jetzt auf und ab zu hüpfen wie ein kleines Kind. Glücklich lächelte sie Sedulus an und erwiderte den Druck seiner Hand, dann wandte sie sich ihrem alten Lehrer zu.


    "Vielen, vielen Dank, ich bin ja so froh, dass du diese Opfer durchgeführt hast." strahlte sie Durmius Verus an, doch ihr Gesichtsausdruck wurde ein wenig besorgt, als dieser sich plötzlich auf der Bank niederließ. Natürlich war der alte Priester nicht mehr mehr der Jüngste, aber dennoch bekam sie jetzt ein etwas schlechtes Gewissen, weil Verus für Calvena und sie so offensichtlich an seine Grenzen gegangen war.


    "Gibt es etwas, das wir dir bringen können? Etwas zu trinken vielleicht? Oder hast du Hunger? Falls dir warm ist, lass ich einen Sklaven kommen, der dir Luft zufächelt..."

    Die Zeit schien nur ganz langsam zu verrinnen, und Serrana hatte keine Vorstellung davon, wieviele Sekunden oder Minuten vergangen waren, seit Durmius Verus mit der Prüfung der Eingeweide ihres Opfertiers begonnen hatte. Sie war so fixiert auf den alten Aedituus, dass alles andere um sie herum an ihr vorbei ging und sie in diesem Moment auch überhaupt nicht interessierte. Ihre ganze Haut schien vor Aufregung und Anspannung zu kribbeln, und Serrana rückte noch ein wenig näher an Sedulus heran und hielt seine Hand fest, als könnte er jeden Moment davonfliegen.


    "Jetzt ist es sicher bald soweit, meinst du nicht?" wisperte sie, ohne den Blick von Durmius Verus zu nehmen.

    "Dir Bescheid gesagt? Wann? In jener Nacht?" Serrana sah Archias einen Augenblick überrascht an und schüttelte dann energisch den Kopf. "Dafür war gar keine Zeit, Leander musste den Arzt holen und Adula hat mir mit Axilla geholfen. Es durfte ja keiner im Haus was mitbekommen, nicht mal ich, wenn es nach Axilla gegangen wäre...Und ausserdem wusste ich ja nicht, wer......" Der Rest des Satzes endete in verlegenem Schweigen, bis Serrana erneut den Kopf schüttelte. "Aber nein, das ist doch Unsinn. Was auch immer Axilla getan hat, um das Kind loszuwerden, sie hat es freiwillig getan. Und ohne Crios' Hilfe wäre sie verblutet, da bin ich mir sicher." Keine Ahnung, warum Archias in ihrer Cousine unbedingt ein Opfer sehen wollte, aber irgendwie wollte sie das auf dem Medicus nicht sitzen lassen. Zumal sich auch Axilla selbst nach jener Nacht niemals über diesen beschwert oder ihm irgendwelche Vorwürfe gemacht hatte...
    Trotzdem war Serrana dieses doch recht intime Thema mehr als unangenehm und so griff sie Archias' Ablenkungsmanöver dankbar auf.


    "Oh, kennengelernt haben wir uns bei den Ludi Romani." erzählte sie lächelnd, und bei der Erinnerung wurden ihre angespannten Gesichtszüge wieder weicher. "Da gab es abends in der Casa Iunia eine Cena, und Sedulus war auch dabei. Aber so richtig...ähm...aufgefallen ist er mir erst auf der Feier bei den Germanicern zu Ehren des Fons. An dem Abend ist meine Großmutter versehentlich ins Impluvium gestürzt und er hat sie wieder rausgezogen. Und dann sind wir ins Gespräch gekommen...und ...naja.."

    Serrana seufzte innerlich auf, als Archias noch einmal nachhakte. Sie würde es doch jetzt nicht etwa noch einmal erklären müssen, schließlich hatte sie sich für einen Tag oft genug an dieses peinliche Thema herangewagt! Nein, scheinbar nicht, denn er machte gleich selbst weiter, nur konnte sie aufgrund seiner Husterei fast nichts verstehen. Sollte das ein Name gewesen sein?
    Ein paar Sekunden war sie versucht weiterzubohren, doch dann ließ sie es trotz aller Neugier doch sein. Axilla würde bald heiraten, und Archias hatte mit der alten Sache nichts zu tun. Zumal ihr der Name ohnehin nichts sagen würde, und der wahre Schuldige ohnehin nicht wert zu sein schien, dass man sich seiner über Gebühr erinnerte.


    "Ist schon gut, ich glaub's dir ja." sagte sie schnell, auch um ihn davon abzuhalten, mehr Details über sein Liebesleben mit ihrer Cousine zum Besten zu geben, als sie wirklich wissen wollte. Je näher ihre Hochzeit rückte, desto mehr beschäftigte sich Serrana bewusst oder auch unbewusst mit diesem Thema und mit den diversen Bildern in ihrem Kopf, und allmählich tauchten nun unfreiwillig auch Axilla und Archias als Darsteller auf. Als hätte sie Angst, er könnte ungefragt ihre Gedanken lesen, sah nun Serrana ihrerseits angestrengt zu Boden und nickte nur, als er über die missglückte Abtreibung sprach. "Ja, das kann ich verstehen, ich hab auch furchtbare Angst gehabt in jener Nacht. Ich hab wirklich gedacht, dass sie stirbt, weißt du?" Serrana schüttelte sich kurz, um die unangenehmen Erinnerungen wieder abzuschütteln, sah Archias dann jedoch wieder überrascht an.
    "Wieso nennst du den Medicus denn einen Kurpfuscher? Immerhin hat er Axillla das Leben gerettet, und er machte auf mich auch einen netten und vor allem kompetenten Eindruck." Dass sie diesen Eindruck nicht zuletzt während ihres eigenen Besuchs bei Crios gewonnen hatte, verschwieg Serrana natürlich. Schließlich hatten ihre persönlichen Probleme nichts mit dieser Geschichte zu tun, und ausserdem war sie froh, wenn sie bis zur Hochzeit nicht allzuviel darüber nachdenken musste.


    "Ja, ganz bestimmt." nickte sie ein wenig geistesabwesend und ließ dabei unbeabsichtigt offen, ob sich ihre Zustimmung nun auf sein Schuldeingeständnis oder die hoffnungsvollen Wünsche für dir Zukunft bezog.

    Hatte ihr das Ergebnis der Leberschau noch ein kurzes Durchatmen beschert, so war es mit Serranas innerer Ruhe schnell wieder vorbei, als Durmius Verus sich daran schickte, nun die beiden Lämmer zu Ehren von Iuno zu opfern.
    Nach einer ihr schier unendlich vorkommenden Weile ertönte schließlich das Litatio, das anzeigte, dass das erste Opfer von der Göttin angenommen worden war. Serrana lächelte erfreut zu Calvena und Valerian hinüber, deren Ehe nun endgültig unter einem guten Stern stand und hielt dann die Luft an, als man das zweite Lamm zu ihrem alten Lehrer brachte. Jetzt ging es um Sedulus und sie selbst, und Serrana war unendlich froh, dass er in diesem Moment an ihrer Seite stand und ihre Hand hielt. Er schien irgendetwas zu murmeln, aber es war so leise, dass sie es nicht verstehen konnte. Serrana drückte einmal kurz seine Hand und lächelte zu ihm hoch, dann schaute sie wieder gebannt zu Durmius Verus und wartete auf seine Reaktion. Tun konnte sie jetzt nichts mehr, nur darauf hoffen und beten, dass Iuno ihnen ihre Gnade erweisen würde.

    Serrana beobachtete Sedulus, während dieser sich ebenfalls vorbereitete, und als sie sah, welche Mühe er sich dabei zum Teil vermutlich auch ihr zuliebe machte, obwohl er ganz offensichtlich müde und normalerweise nicht der Allerfrommste unter der Götter Sonne war, da überflutete sie plötzlich eine Welle der Zuneigung von unglaublicher Intensität, die ein Mensch mit etwas mehr Lebenserfahrung vermutlich schnell als Liebe identifiziert hätte.
    Eigentlich war der ganze Tag schon voll von Gefühlen gewesen, angefangen von Sedulus' offiziellen Heiratsantrag bei Silanus, über das gemeinsame Einkaufen der Opfergaben bis hin zu seinen großzügigen Geschenken und dem gemeinsamen Gebet im Tempel der Minerva. Und dennoch kam der ganz große Moment der Erkenntnis erst hier und jetzt, und auch in einem eher unspektakulären Moment.
    Einen Moment lang ließ Serrana ihren Blick noch auf ihm ruhen, dann ging sie auf den Altar vor dem Kultbild zu und streute etwas Benzoe auf die dafür vorgesehene Glut, bevor sie sich in die richtige Position begab und sich mit geschlossenen Augen auf ihr Gebet konzentrierte.


    "Oh, große Venus Verticordia, höre deine Diener Quintus Germanicus Sedulus und Iunia Serrana an, die hierhergekommen sind um dir ein Opfer zu bringen, das dir zusteht."


    "Oh, Venus, Göttin der Liebe, der Schönheit und der Fruchtbarkeit, nimm diese Früchte, diesen Kuchen und diesen Wein an und schenke uns und unserer Verbindung deinen Segen, auf das unsere Liebe die Zeiten und alle Stürme überdauern möge."
    Während sie sprach, ließ Serrana sich von Sedulus nach und nach die einzelnen Gaben anreichen und platzierte sie sorgfältig auf dem Altar, bevor sie ihr Gebet mit einer Rechtsdrehung beendete und zurück zu ihrem Verlobten ging um sich einen Moment lang noch still neben ihn zu stellen und still weiterzubeten..

    Am Ende war es Archias doch noch gelungen, Serrana zu überraschen. Mit einer offiziellen Ankündigung einer baldigen Hochzeit mit ihrer Cousine hatte sie gerechnet, aber nicht damit, dass der Aelier diese gleich hier an Ort und Stelle feiern würde. Irgendwie hatte diese Szene fast etwas unwirkliches. Die das ganze Stadion ausfüllenden sich hin und her wiegenden und lautstarken Massen und mittendrin zwei Menschen, die die uralte Vermählungsformel sprachen und sich gegenseitig als Mann und Frau annahmen. Serrana stellte wieder einmal fest, von welch schlichter Schönheit diese einfachen Worte waren, zumal es offensichtlich war, dass beiden ganz offensichtlich ernst mit dem war, was sie sagten. Und erstaunlicherweise schien Axilla, der die entsprechenden Traditionen eigentlich doch so wichtig waren, auch nichts gegen diesen doch recht ungewöhnlichen Zeitpunkt und -Ort für eine Hochzeit einzuwenden zu haben. Aber egal, Hauptsache, es hatte jetzt alles seine Ordnung und aus dem Liebespaar war ein "anständiges" Ehepaar geworden.


    "Ich wünsche euch beiden alles Gute für die Zukunft." sagte sie an Archias und Axilla gewandt, nachdem sie sich auch erhoben hatte. Keine Ahnung, ob vor allem ihre Cousine ihr das abnehmen würde, aber die Glückwünsche waren, jetzt wo sie die Hintergrundsgeschichte ein bisschen besser kannte, wirklich aufrichtig und ernst gemeint, auch wenn Serrana derzeit keine besondere Verbundenheit zu Axilla verspürte und daher auch auf eine Umarmung verzichtete, die nur eine Inszenierung für die Zuschauer gewesen wäre.

    "Das ist doch dummes Zeug." Serrana schüttelte erneut den Kopf, als sei sie ein Hauslehrer und Archias ein besonders lernresistenter Schüler, bevor sie mit dem Zeigefinger in der Luft herumwirbelte. "Dann könnten auch nur diejenigen über Gladiatorenkämpfe sprechen, die schon mal selbst in der Arena gestanden haben, oder nur die, die bereits eine Quadriga gelenkt haben über Pferderennen!"
    Und warum regte sich Archias überhaupt so über das Wort Mätresse auf? Wie sollte man es denn sonst nennen, wenn jemand über einen längeren Zeitraum eine Affaire mit einer Frau unterhielt, mit der er nicht verheiratet war? Schon lustig, dass der Aelier auf der einen Seite derartig schmerzfrei und auf der anderen so empfindlich sein konnte...
    Für einen Moment lang hatte Serrana sich mit einem siegessicheren Lächeln auf dem Gesicht entspannt zurück gelehnt, doch dann geriet sie erneut ins Grübeln. Natürlich war es möglich, dass Archias ihr gerade etwas vorflunkerte, aber irgendwie schien ihm seine Entrüstung echt zu sein. Das warf zwar ihre Theorie über den Haufen, machte ihn ihr aber immerhin auch wieder deutlich sympathischer.


    "Dann warst du es eben doch nicht." gab sie, höchst widerwillig und mit leicht trotzigem Unterton in der Stimme zu. "Es passte halt alles so gut zusammen, und Axilla hat ja selbst erzählt, dass es zwei Jahre her ist, das mit dem Soldaten, du weisst schon. Naja, und da dachte ich....ist ja auch egal..." Serrana spürte, wie sie allmählich von der so bequemen Position der Anklägerin in die der Verteidigung rutschte, und das passte ihr überhaupt nicht. "Tut mir leid, dass ich dir das unterstellt habe." grummelte sie leise. "Aber ein Stoffel bist du trotzdem, auch wenn du meine Cousine nicht entehrt hast. Der November ist schließlich auch schon ganz schön lange her." Und wie war das mit dem Gedicht gewesen? Axilla hatte eins für seine Verlobte geschrieben, hatte sie das richtig verstanden? Nein, besser nicht nachhaken, nur die Götter wussten, welch seltsame Geschichte sie damit wieder aufrütteln würde!

    Konnte es sein, dass Sedulus mittlerweile ein wenig müde war? Immerhin war ja ein langer Tag mit schier endlosen Fußmärschen durch halb Rom gewesen, aber nach dem Gebet und dem kleinen Opfer zu Ehren der Liebesgöttin würden sie ja endgültig ausruhen können.
    Serrana zwinkerte ihrem Verlobten aufmunternd zu und beugte sich dann auch über das hiesige Wasserbecken, um die rituelle Reinigung vorzunehmen. „Möge dieses Wasser alle Unreinheiten von meinem Körper waschen. Reinige das Fleisch. Reinige den Geist. So ist es!“Ihr Haar hing bereits seit dem Besuch im Tempel der Minerva auf dem Forum Nervae offen den Rücken herab, daher musste Serrana nur erneut aus ihren Sandalen schlüpfen, bevor sie kurz die verbliebenen Früchte, Kuchen und den Wein für das Opfer für Venus kontrollierte. Schließlich sollte ja alles seine Ordnung haben, damit die Göttin auch zufrieden war und ihnen ihren Segen für ihre bevorstehende Hochzeit gab.

    Happy Birthday, liebe Septima und genieß den Tag! Alles Gute und Liebe für das nächste Jahr und für die knapp 100 danach selbstverständlich auch =)

    Ja, wollte er es nicht begreifen oder konnte er es schlichtweg nicht? Alles, was Serrana Archias in ihrem moralischen Zorn an den Kopf warf, schien wirkungslos an ihm abzuprallen. Und nicht nur das: als wäre seine Uneinsichtigkeit nicht schon schlimm genug, spielte er jetzt auch noch die beleidigte lukanische Wurst!


    "Ach, und warum kann ich das nicht beurteilen? Vermutlich weil ich noch nicht...nicht....gepoppt habe, oder wie du das nennst!" Mittlerweile war Serrana so sauer, dass sie sogar vergaß bei diesem ach so bösen Wort rechtzeitig rot zu werden. "Du hast davon ja scheinbar noch nie was gehört, aber mir hat man beigebracht, dass unverheiratete Jungfrauen tabu sind. Ich begreife einfach nicht, wie du dir Axilla zwei Jahre lang als Mätresse halten konntest und dich dann auch noch anderweitig verlobt hast, das geht einfach nicht in meinen Kopf." Wie zur Bestätigung schüttelte Serrana nun eben diesen und rieb sich dann die mittlerweile schmerzenden Schläfen. "Vielleicht hat sie dir ja deshalb nichts von dem Kind erzählt, weil sie gedacht hat, du heiratest sie sowieso nicht. Das würde mich jedenfalls nicht wundern, bei so einem dickfelligen Stoffel, wie du es offenbar bist." Ein erneutes wütendes Schnauben, dann griff Serrana wieder nach ihrem Kelch. Allmählich stand ihr der Sinn wirklich nach unverdünntem Wein, vielleicht ließ sie das Ganze in leicht benebeltem Zustand besser aushalten.

    Serrana unterdrückte mit Mühe ein Kichern, als Sedulus versicherte, er würde ihr nicht widersprechen. Normalerweise hätte sie sich fragen müssen, ob sie vielleicht eine etwas einschüchternde Wirkung hatte, aber er lächelte ja, also war seine Bemerkung wohl kaum ernst gemeint.


    "Fein, dann wollen wir mal." Hand in Hand und gefolgt von Adula und Teutus verließen Sedulus und Serrana den Tempel der Minerva wieder und machten sich auf den Weg zum Aventin.

    Eigentlich hätten ihr nach der vielen Lauferei kreuz und quer durch die Stadt schon längst die Füße abfallen müssen, aber Serrana war von den diversen Einkäufen und dem vorangegangenen Besuch im Tempel der Minerva so aufgekratzt, dass sie davon gar nichts mitbekam. Auch dieser letzte Weg vom Forum Nervae zum Aventin schien ihr wie im Flug vergangen zu sein, und sie drückte glücklich Sedulus' Hand, als sie ihr Ziel, den Tempel der Venus Verticordia erreicht hatten.


    "Da sind wir schon." strahlte sie und betrachtete für einen kurzen Augenblick die anderen Gläubigen, die sich gerade hier aufhielten. "Stell dir vor, hier kommen auch ganz viele Leute her, die unglücklich verliebt sind, ist es nicht schön, dass wir das Problem nicht haben?" Nein, in dieser Hinsicht hatte Serrana wirklich Glück gehabt, sie war in ihrem jungen Leben bislang vor Liebeskummer aller Art verschont worden.

    "Naja, ich hab vielleicht das Gebet gesprochen, aber das Opfer ist schließlich von uns beiden." beharrte Serrana und griff dann nach Sedulus' Hand. "Wollen wir dann jetzt zum Tempel der Venus gehen? Es gibt einen auf dem Aventin, da müssen wir allerdings nochmal ein Stück laufen."

    "Nein, war er nicht." entgegnete Serrana ärgerlich, obwohl sie sich in dieser Hinsicht gar nicht sicher sein konnte. Woher sollte sie auch wissen, in welchen Regionen sich der Germane bereits herumgetrieben hatte? Und dennoch war Duccius Vala kein wirklich geeigneter Verdächtiger für den Räuber von Axillas Unschuld, dafür war es im Dezember zu offensichtlich gewesen, dass sie ihn gerade erst kennengelernt hatte. Davon abgesehen war er auch nicht älter als sie, und ihre Cousine hatte damals so etwas in der Art angedeutet. Serrana hatte sich in Gedanken gerade dazu durchgerungen, dieses leidige und ohnehin nicht mehr zu ändernde Rätsel fürs Erste auf Eis zu legen, da malte sich der Aelier, ohne es zu ahnen, selbst ein riesiges und weithin leuchtendes Kreuz auf die Stirn. Er war ja dabei? Also doch...
    Serrana stellte ihren Becher schnell wieder ab, obwohl sie gerade höchst versucht war, Archias diesen an den Kopf zu werfen, oder noch besser, darauf zu zerschlagen und ballte dann die Hände zu Fäusten, während sie ihn anfunkelte, als hätte er gerade Rom in Brand gesetzt.


    "Ach, du warst also dabei, ja? Und es ist dir nicht mal peinlich das zuzugeben...Du bist ein...ein...ein richtig fieser und unmoralischer Lustmolch! Ein unverheiratetes und unschuldiges junges Mädchen mit Wein betrunken zu machen und dann zu entehren! Und dann auch noch zwei Jahre lang zu behaupten, du seist ihr "Freund! Pah!" Serrana schnaubte verächtlich, bevor sie voller Elan weiterzeterte. "Und jetzt, wo du dich wegen des Kindes endlich mal bequemt hast sie zu heiraten, machst du dir Gedanken wegen dieses Germanen, das ist ja wohl der Hammer!"

    Die Kommunikation in ihrer Sitzreihe lief wirklich blendend, und die allgemeine Stimmung war kaum noch zu überbieten. Archias hatte Sedulus' Frage nach Quarto in der ihm offenbar eigenen Unbekümmertheit entweder überhört oder verpennt, dieser sah jetzt noch grimmiger drein als draussen vor dem Circus, und Axilla ignorierte sie auch weiterhin. Serrana zuckte entnervt mit den Schultern und beschloss, es ihrer Cousine von jetzt an gleich zu tun, bevor sie Sedulus leicht mit dem Ellenbogen in die Seite stupste. "Nun hör doch auf, so böse zu schauen, da kann man ja Angst kriegen." Ob sie nicht vielleicht doch besser zuhause geblieben wäre? Schließlich gab es noch etliche Dinge zu erledigen und einzupacken, und jetzt schon stapelten sich in ihrem Cubiculum Truhen, Pakete und Körbe, die in wenigen Tagen in die Casa Germanica hinüber geschafft werden würden.
    Dem Rennverlauf zu folgen, hatte Serrana mittlerweile drangegeben, dafür war sie viel zu sehr von anderen Dingen abgelenkt, wie zum Beispiel von Centho und seinen beiden Begleiterinnen. Mit Calliphana hätte sie sich wirklich gern unterhalten und ihr die letzten Neuigkeiten von dem kleinen Hengst erzählt, der neuerdings im Stall der Casa Iunia lebte. Aber die Furia ließ sich ausgerechnet bei Axilla nieder, daher lächelte Serrana nur noch einmal zu ihr und dem anderen Mädchen herüber und beugte sich dann leicht zu Calvena. " Wer ist denn das andere rothaarige Mädchen bei Calliphana und Centho? Ich hab ihren Namen in dem ganzen Krach hier nicht mitbekommen. Ist das auch eine Furia? Die Haarfarbe würde ja passen."Von der Iunia weitgehend unbeachtet war das Rennen inzwischen zuende gegangen, und Serrana sah überrascht hoch, als Archias neben ihr plötzlich aufsprang und die allgemeine Aufmerksamkeit einforderte. Da ihr letztes Gespräch mit ihm in einigen wenigen Punkten auch erhellend gewesen war (die restlichen 95 Prozent hatten aus beidseitiger Irritation und Verwirrung bestanden), reagierte Serrana jetzt nicht allzu überrascht und murmelte nur ein "Ach, sieh an. Aber besser spät als nie." vor sich hin, bevor sie zu Archias hochsah und auf dessen Ankündigung wartete.

    Zitat

    Original von Decima Seiana
    „Nun… es wäre ganz gut, wenn du auch nachts jemanden hättest, zu dem du gehen könntest. Gerade dann scheint es ja am schlimmsten zu sein.“
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    „Heiraten wirst du?“ Crios lächelte flüchtig. „Dann herzlichen Glückwunsch.“ Einen Augenblick schwieg er, ließ den Stylus hin und her wippen und kritzelte dann etwas. Und beschloss dann, offen zu sagen, was er dachte – auch wenn die Iunia genau das ausgeschlossen hatte gerade eben. „Kann es nicht doch sein, dass es daran liegt, dass die Albträume so massiv werden in letzter Zeit? Versteh mich nicht falsch, ich will nicht an deiner Freude zweifeln darüber. Aber… eine Hochzeit bedeutet doch letztlich, dass bald eine Schwangerschaft auf dich zukommen wird. Vorausgesetzt es läuft wie geplant.“ Frauen, verheiratete Frauen, hatten nun mal vorrangig diese Aufgabe: Kinder zu gebären. Erben für den Ehemann. „Hast du dir darüber schon mal Gedanken gemacht? Dass du vielleicht Angst davor hast, was passiert, wenn du schwanger bist?“


    Bei Serranas nächsten Worten runzelte Crios leicht die Stirn. „Du solltest dir wirklich jemanden suchen, der dir nachts helfen kann. Wenn deine jetzige Sklavin nicht geeignet ist, dann versuch eine andere zu finden, die deine Vertraute werden kann. Und schreib auf, an was du dich erinnerst. Die positiven Dinge, meine ich. Vielleicht erinnerst du dich noch an mehr dann, und der Vorteil daran ist, dass du es nachts dann einfach lesen kannst und nicht abhängig bist davon, wie groß deine Angst ist. Einen Trank mische ich dir gerne, gerade für die erste Zeit kann er dir helfen. Aber längerfristig… solltest du versuchen, deine Angst irgendwie zu bekämpfen.“




    "Ich werde ja in einigen Wochen umziehen, und bis dahin wird es schon irgendwie gehen." Serrana hatte keine Ahnung, wo sie so schnell eine neue Vertraute herbekommen sollte, der man tatsächlich, wie es das Wort schon nahelegte, voll und ganz vertrauen konnte. Aber wenn sie die Taberna verließ, würde sie schließlich fürs Erste den Trank haben und mit Adula konnte man zwar nicht besonders gut sprechen, aber dafür strahlte sie eine ungeheure Stärke und Ruhe aus. Ganz im Gegensatz zu ihr selbst, denn als Crios so unverblümt ihre schon seit einigen Wochen verdrängten Ängste in Worte fasste, da ballte sich die Furcht wie ein heisser roter Ball in ihren Eingeweiden zusammen, und Serrana biss sich auf die Lippe, um wenigstens nach aussen Haltung zu bewahren. Natürlich hatte er Recht, aber wie sollte sie so etwas zugeben? Wie armselig und schwach war es denn, vor etwas Angst zu haben, das zu den normalsten und natürlichsten Dingen auf der Erde gehörte, und das man von ihr als Ehefrau selbstverständlich erwarten würde? Allein die Vorstellung, dass Sedulus davon erfuhr, war schon furchtbar. Wie sollte er sie da noch länger respektieren können?


    "Danke für deine Glückwünsche. Und hab auch Dank für deine Ratschläge, sobald ich zuhause bin, werde ich daran setzen, alles aufzuschreiben, an das ich mich noch erinnern kann." entgegnete sie, bevor ihr Lächeln deutlich gezwungener wurde. "Und ja, es mag sein, dass ich deshalb etwas nervös bin, aber Kinderkriegen ist ja schließlich etwas ganz normales, nicht wahr? Und vielleicht werde ich ja auch gar nicht schwanger, bei manchen Paaren dauert es ja jahrelang, oder nicht?" Nach einer Bestätigung heischend sah Serrana ihm kurz in die Augen, dann glitt ihr Blick über all die Kräuter, Körbe und Tiegel im Raum. "Wenn...ähm..wenn der Trank irgendwann leer sein sollte, darf ich dann wiederkommen?"

    Was musste man eigentlich tun, damit diesem Mann endlich mal das Grinsen verging? Den konnte scheinbar gar nichts aus seiner Heiterkeit reissen...
    Doch siehe da, noch während Serrana mit ärgerlich gerunzelter Stirn über dieses Phänomen nachdachte, da geschah es plötzlich: das Grinsen verschwand von einer Sekunde auf die andere, und jetzt war es zur Abwechslung einmal er, der ausgesprochen unentspannt wirkte. Die Gründe dafür nachvollziehen konnte sie allerdings nicht, dafür waren seine Äusserungen viel zu verwirrend (und das wahrlich nicht zum ersten Mal). Warum fing er denn jetzt auf einmal wieder mit Duccius Vala an?


    "Duccius Vala und kein Soldat? Ja, hast du dir den mal genauer angeschaut? Der ist doch sooo groß und hat sooo ein breites Kreuz, der war ganz sicher Soldat, oder wie auch immer die das bei den Germanen nennen." ereiferte sich Serrana und gestikulierte dabei mit den Händen herum, um die beeindruckenden duccischen Dimensionen anschaulich zu verdeutlichen, bevor sie bedauernd den Kopf schüttelte. "Aber es macht trotzdem keinen Sinn, schließlich war der ja nie in Ägypten, oder?" Und warum fragte der Aelier denn jetzt so seltsam nach? Sie hatte sich doch eigentlich ganz klar und deutlich ausgedrückt, oder etwa doch nicht? "Wie jetzt, ob du noch was weißt? Du wirst doch wohl wissen, ob du es warst, oder etwa nicht?" Was waren denn das nur für Zustände? Serrana schüttelte erneut den Kopf und kam allmählich zu dem Schluss, dass ihre campanische Erziehung sie wohl nur äusserst lückenhaft auf die möglichen moralischen Untiefen in der Hauptstadt vorbereitet hatte.

    "Meinst du, die Göttin wird unser Opfer und unsere Gebete annehmen?" fragte sie leise, nachdem sie wieder bei ihrem Verlobten angekommen war und legte leicht die Hand auf seinen Arm. Besonders ergriffen oder verklärt sah Sedulus ja nicht gerade aus, aber immerhin grinste er zur Abwechslung auch nicht über das ganze Gesicht.
    "Es ist mir einfach wichtig, dass die Götter uns ihren Segen geben, kannst du das ein bisschen verstehen?" Eine besondere Frömmigkeit erwartete Serrana gar nicht von ihrem künftigen Ehemann, aber der Gedanke, dass er vielleicht nur mit zu den Heiligtümern kam, um ihr einen Gefallen zu tun, gefiel ihr auch nicht besonders.