Beiträge von Iunia Serrana

    "Der Dank ist ganz meinerseits." antwortete Rebenius jovial und geleitete seine beiden Kunden dann zum Ausgang.
    Draussen in der Sonne angekommen, zuckte Adula auf Sedulus' Blick hin nur kaum wahrnehmbar mit den Schultern. Sie persönlich hatte sich gerade erst warmgelaufen, aber erfahrungsgemäß war das bei Leuten in ihrer Begleitung nicht zwangsläufig genauso. Teutus sah in Serranas Augen auch ein wenig erschöpfter aus als ihre unverwüstliche Leibsklavin und da ihre eigenen Füße nach wie vor ein wenig schmerzten, schaute sie sich eine Weile in der Umgebung des Ladens um und wies schließlich auf ein ein niedriges Steinmäuerchen, über dem ein scheinbar uralter Baum seine Zweige erstreckte.


    "Was hältst du davon, wenn wir uns da drüben hinsetzen? Da können wir in Ruhe die Feigen essen und anschließend mit frischen Kräften in den Tempelbezirk hinübergehen."

    "Meinst du, wir haben auch nichts vergessen?" Serranas Stimme war kaum mehr als ein Wispern, als sie sich Calvena zuwandte, denn schließlich befanden sie sich gerade davor, einen wichtigen Schritt auf dem Weg zum Erwachsenwerden zu vollziehen. Die beiden Mädchen hatten ausgiebig gebadet und sich die Haare waschen lassen und standen nun in einfache Hausgewänder gekleidet, mit offenem und noch leicht feuchtem Haar und je einem geflochtenem Korb unter dem Arm vor dem Hausaltar der Casa Iunia. In den Körben befanden sich die Kleider, die sie, einem alten Ritual folgend, vor dem Baden abgelegt hatten und ihr altes Spielzeug, in Serranas Fall ihre Lieblingspuppe und ihr altes Spielzeug. Was für ein Glück, dass ihre Holztiere sich zur Zeit in der Casa Germanica bei Sedulus' Tochter Sabina befanden, es wäre Serrana doch sehr schwer gefallen, ihr letztes spürbares Verbindungsglied zu ihrem Vater endgültig aufzugeben. Ein kurzer Seitenblick zeigte ihr, dass die sonstigen Opfergaben wie Wein, Kuchen und Obst bereit standen, und Serrana atmete erst einmal tief durch, um ein bisschen von der Nervosität loszuwerden, die sie schon den ganzen Tag begleitet hatte und jetzt, gegen Abend, immer stärker wurde. Morgen um die gleiche Zeit würde sie bereits eine verheiratete Frau sein. Unglaublich eigentlich...Da war es schon eine beruhigende Vorstellung, dass Calvena in dieser Nacht bei ihr sein würde, über diese gemeinsamen Erfahrungen und Erinnerungen würden sie sich vermutlich noch als alte Frauen unterhalten können.
    Nach dem Opfer würde es dann in Serranas Cubiculum gehen, wo bereits die alte Quadrata, die langjährige Leibsklavin ihrer Großmutter Laevina, auf die beiden Mädchen wartete, um ihnen beim Anziehen der Tunica recta zu helfen.

    Konnte es sein, dass er sie genauso wenig verstand wie sie ihn? Serrana fand ihre recht holprigen Fragen eigentlich vollkommen einleuchtend, übersah dabei allerdings, dass diese für Menschen, die andere Gedankengänge hatten, kaum nachvollziehbar waren. Aber einen Versuch konnte sie ja noch starten.


    "Also es ging nicht eher, weil du verlobt warst, richtig?"Serrana runzelte die Stirn und feilte in Gedanken mit einiger Mühsal an ihren weiteren Formulierungen. "Aber dann war das doch sicher eine politische Verbindung, oder? Und dann hast du Axilla kennengelernt und dich verliebt." Eigentlich eine logische Schlussfolgerung, schließlich waren Liebesheiraten wie die ihre vor allem in der gehobenen Gesellschaft bei weitem die Ausnahme. Ja, so musste es gewesen sein, auf diese Weise konnte Serrana die ganze Geschichte unter "tragisch aber romantisch" verbuchen und selbst ihre langgehegten moralischen Grundsätze wurden nicht allzu stark strapaziert. Zwar hatte Axilla ihr mal davon erzählt, dass Archias und sie nur Freunde waren, aber warum sollte es nicht so angefangen haben? Sie lehnte sich zufrieden zurück und sah Archias nun schon deutlich entspannter an, während sie auf seine Antwort wartete.

    Was stimmte? Dass er und Axilla heiraten würden? Dass sie eigentlich keine Affaire miteinander hätten haben dürfen? Dass er verlobt gewesen war? Serranas Blick stand dem von Archias an Verwirrung in nichts nach, und eine kleine Stimme in ihrem Inneren flüsterte ihr zu, wie angenehm es doch sein würde, jetzt wieder nach dem langerprobten Verhaltensmuster zu handeln und sich schnell und und unauffällig aus dieser Geschichte zurückzuziehen. Eine kleine Weile rang sie mit sich, dann entschied sich Serrana dafür, ausnahmsweise einmal eine unangenehme Sache einfach durchzuziehen.


    "Was ich eigentlich sagen wollte..." ein erneutes Räuspern folgte, dann überwand sie sich und sah Archias direkt in die Augen. "Dir scheint doch wirklich was an Axilla zu liegen und...ähm... auch an ihrem Kind. Warum hat das dann alles so lange gedauert?" So, jetzt war es raus. Vielleicht warf er sie wegen dieser indiskreten Frage jetzt raus, aber wenigstens hatte sie sich überwunden sie überhaupt zu stellen.

    Serranas Verwirrung steigerte sich noch, als Archias plötzlich loslachte. Was hatte sie denn nur so Witziges gesagt? Einige Sekunden später löste sich dieses Rätsel von ganz allein und sie lief wieder rot an, dieses mal allerdings dunkelrot. Sedulus war stellvertretender Vorsitzender eines Rennstalls? Davon hatte sie bislang keine Ahnung gehabt, denn über diesem Thema hatten sie sich noch nie unterhalten. Wie überaus peinlich...


    "Oh ja,...ähm...natürlich." Die Antwort fiel ein wenig zu kläglich aus, um glaubwürdig zu sein, und Serrana zog es vor, mal wieder den Boden in Augenschein zu nehmen. Zum Thema Silanus sagte sie gar nichts mehr, sondern nickte nur kurz zu den Ausführungen des Aeliers. Die Sache war schon ziemlich mysteriös, aber jetzt und hier würden sie sie ohnehin nicht lösen können.
    Mal? Serranas Augen weiteten sich noch ein bisschen, bis sie seinen Scherz endlich verstanden hatte und sich sofort in Gedanken dafür verfluchte, nicht ein wenig schlagfertiger zu sein. Statt dessen grinste sie ein wenig schief zurück, räusperte sich dann und überlegte, wie sie ihr Problem am besten in Worte fassen konnte.


    "Also,..ähm...ich finde es ja gut, dass Axilla und du jetzt heiratet, aber ich ...äh...verstehe irgendwie nicht, warum ihr erst jetzt....also...naja..." Götter, war das schwer, warum hatte sie denn nicht den Mund gehalten? "Wobei ihr ja eigentlich gar nicht ....ich meine, Axilla hat mir ja gesagt, dass ...äh du schon verlobt warst." Statt besser wurde es immer schlimmer, und Serrana holte erst einmal tief Luft, aber für einen Rückzug war es jetzt ohnehin zu spät. Hätte sie zu diesem Zeitpunkt bereits ein bisschen mehr Lebenserfahrung und -weisheit besessen, dann hätte sie sich vermutlich weit weniger über diese Dinge gewundert. Und dass sie selbst einfach nur unglaubliches Glück gehabt hatte, direkt bei ihrem ersten gesellschaftlichen Großerereignis direkt den passenden und dazu auch noch ledigen Mann fürs Leben zu finden, kam ihr überhaupt nicht in den Sinn.

    Da Serrana nicht gerade der spontanste Mensch unter der Götter Sonne war, hatte sie leichte Schwierigkeiten, den Gedankengängen des Aeliers zu folgen und nickte nur leicht überrumpelt am Ende seines Redeschwalls.


    "Ähm, ja, vielleicht hast du Recht. Ich müsste allerdings noch Sedulus fragen, ob er an dem Tag Zeit hat, mit mir dort hinzugehen." Natürlich hoffte Serrana sehr, dass dem so war, denn irgendwie hörte sich das alles schon furchtbar aufregend an, ganz abgesehen davon, dass sie sich gerade mal wieder den Stempel "Landei" selbst auf die Stirn gedrück hatte, und den galt es irgendwie wieder zu entfernen.
    Bislang war das Gespräch deutlich angenehmer und einfacher verlaufen, als Serrana es sich erhofft hatte, aber leider kam Archias jetzt auf ein Thema zu sprechen, bei dem sie schon größere Schwierigkeiten hatte. Silanus...Sie überlegte ein Weilchen hin und her, wie sie am besten antworten sollte und entschied sich dann für die Wahrheit. Schließlich würde der Aelier bald ohnehin zur Familie gehören, daher musste sie sich für ihn auch keine öffentlichkeitswirksame Erklärung einfallen lassen.


    "Ehrlich gesagt weiß ich das nicht genau." Sie zuckte leicht mit den Schultern und wich Archias' Blick aus, während sie weiterredete. "Er ist Hals über Kopf abgereist, ohne eine Nachricht zu hinterlassen , und ich hoffe einfach mal, dass es ihm einigermaßen gut geht. Vielleicht meldet er sich ja bald." Es war für Serrana schon ein harter Schlag gewesen, dass das iunische Familienoberhaupt nicht bei ihrer Hochzeit dabei sein würde, aber ändern ließ sich das jetzt ohnehin nicht mehr. Und dankenswerterweise hielt der riesige Berg an Vorbereitungen sie auch davon ab, sich allzu viele Gedanken darüber zu machen.
    Sie hob wieder den Blick und sah kurz zwischen ihrem Banknachbarn und dem von ihm gefertigten Möbelstück hin und her. Ob sie sich einfach trauen sollte? Bislang hatte sie an dem Aelier nichts Unangehmes oder Angsteinflößendes festellen können, vielleicht würde sie ja sogar eine Antwort bekommen, die ihr ein bisschen dabei helfen würde, Axilla und ihn besser zu verstehen.


    "Sag mal," begann sie ausgeprochen zögerlich, und wieder ging ihr Blick hinüber zu dem Holzbett," dürfte ich dich etwas fragen?"

    "Eine sehr gute Wahl, Senator." Auf ein Zeichen von Rebenius nahm der Sklave ihm den Schlauch ab und begann, zwei Amphoren von unterschiedlicher Größe mit dem gewünschten Wein abzufüllen. "Die kleinere Amphore kostet 14 und die größere 20 Sesterzen, und erlaub mir bitte, dir und deiner künftigen Gattin dies hier als kleine Aufmerksamkeit zu eurer baldigen Vermählung zu schenken." Mit diesen Worten suchte der Weinhändler eine weitere bereits versiegelte Amphore aus seinem Angebot heraus und überreichte sie Sedulus. "Dieser Wein kommt aus Lesbos und ist auch ein ganz ausgezeichnetes Tröpfchen."


    Serrana warf einen Blick auf die zahlreichen Körbe, Krüge, Pakete und Säckchen, die sich mittlerweile in Sedulus' und ihren Armen und Händen und vor allem denen der beiden Sklaven angesammelt hatten und konnte nur mit Mühe ein Schmunzeln unterdrücken. Wenn sie das alles zu den Tempeln transportieren wollten, hatten sie noch ganz schön was zu tun.


    "Vielen Dank, Rebenius, das ist sehr großzügig von dir." strahlte sie den Weinhändler an und wandte sich dann wieder Sedulus zu. "Sollen wir jetzt direkt zu den Tempeln gehen oder wollen wir eine kleine Pause machen?"

    Septima zweifelte also nicht an ihrer Tugend. Das war beruhigend, und Serrana atmete erleichtert auf. Die Tiberia wirkte immer recht locker, aber wer wusste schon, wie ernst es ihr trotzdem mit sittlichen und moralischen Grundsätzen war, schließlich war sie ja eine Patrizierin.
    Und ob es ihr wirklich weiterhalf, eine Figur wie eine Gartenstatue zu haben...
    "Ja, meinst du wirklich?" fragte sie noch ein wenig zweifelnd nach und warf einen kritischen Blick an sich und ihren bescheidenen Rundungen herunter. Ideal hin oder her, Serrana hätte trotzdem gern ein wenig mehr Oberweite besessen, aber wenn Septima sich da so sicher war...
    Die Besonderheiten des weiblichen Körpers wurden jetzt aber schlagartig von denen des männlichen Körpers abgelöst, und Serrana verschlug es bei der nächsten Frage ihrer Pronuba glatt die Sprache. Wandbilder dieser Art hatte die recht unbedarfte Iunia natürlich schon Dutzende gesehen, hatte sich darüber allerdings noch nie allzu große Gedanken gemacht, da es mit ihrem eigenen Leben nichts zu tun gehabt hatte. Bis jetzt zumindest. Serrana spürte, wie sich ihr bei Septimas Ausführungen ein wenig der Hals zusammenzog, schüttelte dann jedoch vehement den Kopf. "Nein, nicht dass ich wüsste." sagte sie schnell und mit hochrotem Kopf. Du liebe Güte, was für ein Thema, und verstehen tat sie es auch nicht wirklich. Wofür war denn so etwas überhaupt nötig?"Das klingt ein wenig gruselig, finde ich."

    Ja, da hatte Sedulus recht. Serrana hatte keine allzu großen Erfahrungen mit den verschiedenen Weinsorten, aber dieser schmeckte wirklich gut, vollmundig und trotzdem nicht zu schwer, und das, obwohl Rebenius die Probe natürlich nicht mit Wasser verdünnt hatte.


    "Nun, ich kann natürlich nicht für die Göttinnen sprechen, aber mir schmeckt er sehr gut." antwortete sie Sedulus lächelnd und probierte direkt noch einen kleinen Schluck, bevor sie den Becher wieder auf dem Tisch abstellte.


    Als Rebenius von Serranas Zugehörigkeit zum Cultus Deorum erfuhr, verbeugte er sich gleich noch einmal. "Nun, dann freut es mich doppelt, dich heute in meinem Laden begrüßen zu dürfen, Iunia. Unter meinen Kunden befinden sich viele deiner werten Kollegen. Senator Germanicus und du könnt euch sicher sein, dass meine Weine auch den höchsten Ansprüchen Genüge tragen." Rebenius blieb bei diesen Worten ganz entspannt und ruhig und lächelte vergnügt, da er wusste, dass seine Ware jeder noch so eingehenden Prüfung standhalten würde. Dafür war sie ja auch nicht allzu billig.


    "Wollen wir davon etwas für das Opfer mitnehmen?" wandte Serrana sich an ihren Verlobten. "Oder möchtest du lieber noch eine andere Sorte probieren?"

    Eine ganze Weile schon hatte die Olive ein wenig nervös, aber doch gemächlich ihre Bahnen auf dem Tisch gezogen, doch als das Wörtchen "Coitus" so seelenruhig aus Septimas Munde kam, da machte sie plötzlich einen Satz und flog in hohem Bogen in das nächstgelegene Beet.


    "Öhm, ich glaube schon, ja...." murmelte Serrana höchst verlegen und faltete schnell die Hände auf ihrem Schoß, bevor sie vor Schreck noch weitere Oliven oder andere Dinge in den Garten schnippen konnte und sah Septima jetzt direkt an. "Ein wenig weiß ich ja schon darüber, aber...aber nicht, weil ich es selbst schon getan hätte...das musst du mir wirklich glauben." Du liebe Güte, was sollte Septima nur für einen Eindruck von ihr bekommen, wenn sie so dumm daher redete. Aber zugeben, dass sie von ihrer unverheirateten Cousine einige recht anschauliche und hilfreiche Erklärungen bekommen hatte, konnte Serrana ja unmöglich, ohne sie beide in Verlegenheit zu bringen.
    "Ich weiß auch nicht, ob ich wirklich Angst davor habe,...naja...ein bisschen vielleicht schon..., aber...es fängt ja schon vorher an kompliziert zu sein, finde ich zumindest." Serrana stieß einen Seufzer aus und griff dann doch wieder zu einer neuen Olive, die nun ihrerseits begann, auf dem Tisch ihre Bahnen zu ziehen. "Weißt du, Sedulus hat mich ja noch nie ohne meine Kleider gesehen. Was ist denn, wenn er...also wenn ich ihm nicht gefalle so ganz ...ähm nackt? Ich wünschte wirklich, ich hätte zumindest ein bisschen mehr Busen..." Noch ein Seufzer und ein kurzer aber unverkennbar neidischer Blick auf Septimas beindruckende Rundungen folgten, bevor die Olive wieder ihre Richtung änderte und dann weiterkreiste.

    Serrana war tatsächlich ein wenig verwirrt, als sich Archias völlig ungezwungen direkt neben ihr nieder ließ, aber da sie ohnehin völlig aufgeregt und angespannt war, fiel das vermutlich nicht weiter auf. Ausserdem sprach der Aelier direkt weiter, und das lenkte Serrana genug ab, um sich schnell wieder mit wichtigeren Dingen zu beschäftigen. Blau also. Und dass es ein Sohn werden würde, hatte er ja bereits vorher erwähnt. Serrana lag die Frage auf der Zunge, woher er diese Gewissheit nahm, was das Geschlecht seines künftigen Kindes betraf, aber da ihr dieses Thema ohnehin schon ausgesprochen peinlich war, hielt sie sich lieber zurück und beschränkte sich auf ein zustimmendes Nicken. Auch wenn sich Axillas Kind doch noch als Mädchen entpuppen sollte, würde dieses sicher nichts gegen die blaue Farbe einzuwenden haben, nachdem es sich erstmal an den Rest seines Bettes gewöhnt hatte.


    "Ja, das stimmt." Serranas Blick verlor ein wenig von seiner Anspannung, als Archias Sedulus' Namen erwähnte. Ihr unbewusstes Lächeln wurde jedoch schon schnell durch einen recht erstaunten Gesichtsausdruck ersetzt.
    "Ein Wagenrennen? Oh...." Auf eine solche Idee wäre Serrana von allein vermutlich nie gekommen, schließlich rangierten die Spiele, und alles was dazugehörte ganz unten auf Großmutters Liste der sinnvollen Betätigungen für junge Frauen. Was natürlich nicht bedeutete, dass sie Serrana nicht interessierten..."Das hört sich spannend an, ich bin noch nie bei so einem Rennen gewesen." Für einen kurzen Moment lang war ihre Nervosität fast komplett vergangen, kam jedoch schlagartig zurück, als Archias die Einladung erst las und dann kommentierte. "Ähm ja, ich weiß, tut mir leid." murmelte sie, und ihr Gesicht fühlte sich derart heiss an, dass es vermutlich inzwischen dunkelrot war. "Eigentlich wollte...also, ich wollte eigentlich schon vor ein paar Tagen kommen, aber...ähm...ich hab es nicht geschafft." Ich hab mich nicht getraut hätte es vermutlich besser getroffen, aber das in Gegenwart eines gänzlich unbekannten Mannes zuzugeben, bekam Serrana dann doch nicht geregelt. Überhaupt war sie im Moment bereits völlig überfordert, weil sie Archias eigentlich ganz nett fand, und dass obwohl er gemessen an den moralischen Grundsätzen, die Serrana immer so bereitwillig und unreflektiert eingehalten und verteidigt hatte, eigentlich doch ein schlechter Mensch sein musste. Manchmal sehnte sie sich tatsächlich nach den lange vergangenen Zeiten in der Campania zurück, als das Wort ihrer Großmutter unangefochtenes Gesetz gewesen und sie in Verbindung mit einem praktischen Schwarz-Weiß-Denkschema jahrelang davor bewahrt hatte, sich eigene Gedanken und eine eigene Meinung bilden zu müssen.

    Rebenius verbeugte sich leicht und wies dann auf die recht gemütlich aussehenden Tische und Stühle. "Ja, selbstverständlich, Senator, nehmt doch bitte Platz, ich werde euch ein paar Kostproben aus meinem Lager vorführen."
    Er schnippte kurz mit den Fingern, und ein Sklaven eilte aus dem hinteren Teil des Ladens herbei, um zwei Becher auf einem der Tische abzustellen, während Rebenius sich nun Serrana zuwandte, die fasziniert zwischen all den Fässern und Amphoren hin- und herschaute.


    "Es ist mir eine Ehre, dich kennenzulernen, werte Iunia, ich darf mir doch erlauben, dir und dem Senator alles Gute für euer gemeinsames Leben zu wünschen?"


    "Salve, Rebenius" erwiderte sie lächelnd seine freundliche Begrüßung und ließ sich dankbar auf einem der Stühle nieder, wo sie unauffällig ihre vom langen und recht schnellen Marsch schmerzenden Füße aneinander rieb. "Und vielen Dank für deine Wünsche, mögen die Götter uns gewogen sein und sie erfüllen."


    Rebenius deutete eine erneute Verbeugung an, wartete, bis auch Sedulus sich gesetzt hatte und holte dann ein paar aus Ziegenleder gefertigte Schläuche hervor.


    "Nun, wie wäre es zum Beispiel mit diesem Wein hier? Er stammt aus Chios und schmeckt herrlich leicht und fruchtig." Er goss ein wenig von der bernsteinfarbenen Flüssigkeit in die beiden Becher und wartete geduldig ab, bis seine beiden Gäste gekostet hatten.

    Also war es tatsächlich ein Kinderbett. Mit ziemlich viel guten Willen konnte man es tatsächlich auch als solches erkennen, aber aus irgend einem Grund fühlte sich Serrana plötzlich an die Zeit erinnert, als Großmutter Laevina den Ehrgeiz entwickelt hatte, aus Adula eine brauchbare Haushaltssklavin zu machen. Eine Weiterbildungsmaßnahme war damals das Töpfern gewesen, doch Adula hatte anstelle von Bechern oder Schüsseln nur eine riesige Menge an Tonklumpen in allen möglichen Größen produziert, die seltsamerweise alle wie deformierte Enten ausgesehen hatten, bis Laevina sie irgendwann vollkommen entnervt wieder zurück an ihren geliebten Pflug aufs Feld geschickt hatte. Eigentlich war es ja auch vollkommen unerheblich, wie das Bett aussah, das eigentlich überraschende war ja, dass Archias überhaupt eins baute, denn Serrana hatte eigentlich nie daran gezweifelt, dass er sich genauso wenig auf Axillas Kind freute, wie ihre Cousine selbst.


    "Ähm ja, sicher, eigentlich fehlt ja nur noch ein bisschen Farbe." sagte sie schnell und hatte sich bereits mit einem dankbaren Nicken auf der Steinbank niedergelassen, als ihr der eigentliche Grund für ihr Kommen wieder einfiel und sie wieder aufsprang und zögerlich ein paar Schritte auf Archias zuging.


    "Eigentlich bin ich gekommen, um dir das hier zu geben." kam es ein wenig verlegen heraus und dann reichte Serrana ihm die kleine Pergamentrolle. "Vielleicht hat Axilla dir ja erzählt, dass ich bald heiraten werde, und da ihr zwei auch......." erneut ging ihr Blick kurz zu dem Holzbett hinüber"....heiratet, würde es mich freuen, wenn du bei der Feier dabei wärst." Im Grunde war Serrana nicht mal sicher, ob Axilla selbst nach dem letzten Streit überhaupt an ihrer Hochzeit mit Sedulus teilnehmen würde, aber die nicht wirklich unrealistische Möglichkeit, ohne die Anwesenheit eines weiteren Iuniers heiraten zu müssen, war so erschreckend, dass sie sie fürs lerste lieber verdrängte.

    Je näher sie dem Peristyl kamen, desto nervöser wurde sie. Warum, verdammt noch mal, hatte sie die Einladung nicht einfach von Adula an der Pforte abgeben lassen? Dann wäre sie auch nur geringfügig später in die Hände des Adressaten gelangt, mit dem Wunsch nach Sorgfalt und Schnelligkeit konnte sie sich also nicht herausreden. Was ohnehin ein Hohn gewesen wäre, in Anbetracht der Tatsache, dass sie bei ihrer durchaus ambitionierten Hochzeitsplanung vergessen hatte, zwei ihrer eigenen Familienangehörigen einzuladen. Ob die jetzt noch rechtzeitig informiert werden würden, wussten nur die Götter...
    Nein, wenn Serrana ehrlich zu sich war, dann blieb ihr nur die Erkenntnis, dass es vor allem die Neugier auf den ominösen "Caius" gewesen war, die sie neben der Selbstverständlichkeit, den zukünftigen Ehemann ihrer Cousine zu ihrer Hochzeit einzuladen, persönlich hergeführt hatte. Während sie Katander durch die verschiedenen Gänge folgte, malte sich Serrana zum wiederholten Male aus, wie er wohl aussah, der Mann, der in Axillas Gunst sogar Duccius Vala ausgestochen hatte. Noch größer, noch stärker, noch attraktiver, noch selbstbewusster als dieser vielleicht? In Anbetracht der seltsamen Vorgeschichte mit monatelanger Schwangerschaft und verlassener Verlobten besaß er aber ganz sicher eine dunkle, geheimnisvolle und selbstverständlich egoistische Ausstrahlung...
    Eine ganze Phalanx von geheimnisvollen Finsterlingen marschierte vor Serranas innerem Auge vorbei und so starrte sie, im Peristyl angekommen, den von dem Sklaven angesprochenen Mann erstmal nur überrascht an. Das sollte "Caius" sein? Aber der sah ja ganz normal aus. Nichts an ihm war geheimnisvoll oder gar dunkel, er war einfach ein ziemlich großer Mann mit dunklem Haar und gutgeschnittenen aber nicht spektakulären Gesichtszügen. Und ein Jüngling wie Vala war er ganz offensichtlich auch nicht mehr, eher in Sedulus' Alter, soweit Serrana das einschätzen konnte. Und er räkelte sich auch nicht wie ein Verführer aus dem Bilderbuch auf einer purpurgeschmückten Kline sondern arbeitete an....ja, an was? Einem kleinen Boot? Einer Truhe? Serrana brauchte einen Moment, bis sie erkannte, was das kleine Möbelstück einmal werden würde, und auch diese Erkenntnis passte ganz und gar nicht zu ihren Erwartungen.


    Als sie endlich merkte, dass sie sowohl den Mann als auch das kleine Bett viel zu auffällig anstarrte, spürte sie, wie ihr Gesicht vor Verlegenheit heiss wurde und drehte, dankbar etwas in den Händen zu haben, die kleine Pergamentrolle hin und her.


    "Salve, Aelius Archias. Tut mir leid, dass ich dich bei der Arbeit störe. Ich komme wohl ungelegen."

    Als sie endlich nach einem scheinbar endlosen Irrlauf durch verwinkelte Straßen und Gässchen an ihrem Ziel angekommen waren, war Serrana ganz schön ausser Puste und sah ein wenig sehnsüchtig zu den Stühlen hinüber. Nein, das Ausruhen musste noch ein wenig warten, schließlich waren sie ja mit einem ernsthaften Ansinnen hergekommen. Ein kurzer misstrauischer Seitenblick ging hinüber zu Adula, die so verdächtig gut gelaunt aussah. Kurz nachdem die Horde Kinder an ihnen vorbeigestürzt war, hatte Serrana hinter sich einen dumpfen Aufprall gehört, als wäre jemand mit ziemlicher Wucht gegen die steinerne Häuserwand geprallt. Da sie jedoch so in Eile gewesen war, hatte sie sich danach nicht umgedreht und der leicht verschüchterte Blick, mit dem Teutus Adula musterte, deutete an, dass das wohl die richtige Entscheidung gewesen war.
    Serrana seufzte leicht resigniert und wandte sich dann dem Weinhändler zu, der Sedulus sofort sehr höflich und dienstbeflissen begrüsste.


    "Salve, Senator Germanicus, welche Ehre für meinen bescheidenen Laden. Womit kann ich dir behilflich sein? Wir haben gerade neue und exquisite Lieferungen hereinbekommen, aus Gallien, Hispania und der Campania, wenn es lieber etwas heimatliches sein soll."

    Serrana war sich nicht sicher, wen oder was sie nach dem Öffnen der Porta erwartet hatte. Einen älteren, würdevollen Mann wie Araros vielleicht oder aber eine eher furchteinflößende Gestalt wie den germanischen Hünen bei den Germanicern, aber ganz sicher keinen hübschen jungen Burschen. Andererseits, wessen Domizil von einer Heerschar Praetorianer bewacht wurde, der konnte vermutlich an seine Tür stellen, wen er wollte.
    Und ihr so "normal" aussehendes Gegenüber machte es ihr auch deutlich leichter, ihr Ansinnen vorzubringen.


    "Salve." erwiderte Serrana nach kurzem Räuspern seinen Gruß und bemühte sich um einen halbwegs selbstbewussten Gesichtsausdruck.
    "Mein Name ist Iunia Serrana und ich möchte gern zu Aelius Archias. Vor dem Palast hat man mir gesagt, er sei daheim."

    Nach der Untersuchung, die nur halb so schlimm gewesen war, wie sie befürchtet hatte, folgte Serrana nach einem letzten Blick auf Adula dem jungen Praetorianer zu einer weiteren ehrfurchtgebietenden Porta und dankte ihm dann mit einem Nicken.
    Kurz schwappte noch einmal eine Welle der Nervosität über ihr zusammen, dann riss Serrana sich am Riemen und klopfte kurzentschlossen an die Porta, bevor sie es sich wieder anders überlegen und flüchten konnte.

    Was ihre Großmutter wohl dazu sagen würde, dass sie jetzt ein sündhaft teures Kleid besaß, das maximal zwei Menschen zu Gesicht bekommen würden? Nichts gutes vermutlich, aber da Laevina bei diesen Gelegenheiten wohl eher nicht anwesend sein würde, konnte Serrana ihre Meinung eigentlich auch ganz egal sein. Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen schüttelte sie diesen Gedanken ab und sah überrascht auf, als Sedulus ihr erklärte, wie weit entfernt die von ihm bevorzugte Weinhandlung war. Andererseits weckte der Gedanke an den erwähnten Spaziergang durchaus angenehme Erinnerungen in ihr, so dass sie gegen eine Fortsetzung nichts einzuwenden hatte.


    "Mach dir keine Gedanken, ich bin fast immer mit Adula unterwegs, und die läuft auch immer sehr schnell. Wenn ich gar nicht mehr kann, melde ich mich, dann musst du mich halt tragen." Serrana zwinkerte Sedulus kurz zu und passte sich dann seinem Schritttempo an. Teutus und Adula folgten den Beiden mit ein paar Metern Abstand.