Beiträge von Iunia Serrana

    Untersuchen? Damit hatte Serrana nun wirklich nicht gerechet, aber so ungewöhnlich war es nun auch wieder nicht, schließlich wollte sie ja nicht ein x-beliebiges römisches Haus betreten sondern den Kaiserlichen Palast. Etwas unschlüssig drehte sie die Pergamentrolle, die sie in der Hand hielt hin und her und warf dann einen Blick zu Adula, die gleichmütig mit den Schultern zuckte und nicht allzu traurig zu sein schien, dass sie nicht mit hinein konnte.


    "Ähm, ja, ist gut." sagte sie dann, nickte dem jungen Praetorianer zu, und bemühte sich, sich nicht allzuviel von ihrer Verlegenheit anerken zu lassen. Immerhin war er nett und freundich und machte auch nur seine Arbeit.

    Eintönig? Ja, diese Beschreibung passte vermutlich auch hervorragend auf Serranas Leben, bevor sie nach Rom gekommen war und sie nickte automatisch, als Catiena von ihren Erfahrungen berichtete.


    "So ähnlich ging es mir in der Campania auch. Man hat das Gefühl, immer nur von den selben Menschen und Dingen umgeben zu sein und jeden Tag das selbe zu tun. Hier in Rom erlebt man zwar auch nicht ständig großartige Abenteuer, aber es gibt immer etwas neues zu sehen und zu hören.Am Anfang erschlägt es einen förmlich, aber man gewöhnt sich daran." Nun war Serrana auch nach über einem halben Jahr immer noch weit davon entfernt, sich mutig und freudestrahlend in unbekannte Gewässer vorzuwagen, aber ganz so ängstlich wie im letzten August war sie den Göttern sei Dank inzwischen auch nicht mehr. Gerade wollte sie noch einmal ein bisschen bei Catiena nachhaken, als im Eingangsbereich ein roter und ein blonder Haarschopf auftauchten. Sofort sprang Serrana wieder von der Bank um die beiden Neuzugänge zu begrüßen.


    "Calliphana und Chaerea, wie schön euch zu sehen." strahlte sie vergnügt und konnte kurz darauf nur schwer ihre Neugier verbergen. Ein Geschenk, das draussen vor der Taverne wartete? Irgendetwas sperriges vielleicht, das zu schwer zum reintragen war? Aber was sollte das sein? Serrana focht einen kurzen aber vergeblichen Kampf um vornehme Zurückhaltung und flitzte dann mit den Worten "Ich schau nur mal kurz nach" in recht undamenhaftem Tempo quer durch die Taverne und aus der Tür hinaus. Draussen angekommen brauchte sie einen kleinen Augenblick, bis sich ihre Augen wieder an das Tageslicht gewöhnt und registriert hatten, dass dort nicht etwa ein Möbelstück sondern ein lebendiges kleines Fohlen auf sie wartete. Serrana starrte einige Sekunden auf das glänzende braune Fell und die weiße Blesse, die ihr seltsam bekannt vorkamen, und als der Sesterz endlich gefallen war, berührte sie das Tier einmal ganz sacht an den Nüstern und eilte dann wieder ins Innere des Gasthauses zu ihren Freundinnen zurück. Hätte jemand sie gebeten, ihre Gefühle in diesem Moment zu beschreiben, wäre ihr das wohl sehr schwer gefallen, denn die waren ein Mischmasch aus ungläubiger Überraschung, Freude und Befürchtung, vielleicht doch etwas missverstanden zu haben. "Das...ähm...ist doch der kleine Hengst, den Chaerea und Clara Prisca und mir damals im Stall in der Casa Sergia gezeigt haben, oder?" fragte sie und ihr aufgeregter Blick ging zwischen den beiden jungen Frauen hin und her. "Aber den könnt ihr mir doch unmöglich schenken, das ist doch ein viel zu großes Geschenk." fügte sie noch hinzu, natürlich inständig hoffend, dass die beiden keinen Rückzieher machen würden. Ein eigenes Pferd. Sie. Unfassbar.


    Adula dagegen hatte in diesem Moment ganz andere Probleme. Wie hatte sie nur so dumm sein können, den Germanen nach seiner Herkunft zu fragen? Da war es doch im Grunde absehbar gewesen, dass er sich mit einer Gegenfrage revanchieren würde...Verdammter Mist, das hatte man davon, wenn man redete wie ein Wasserfall...


    "Weiß nicht genau." brummte sie und starrte geradeaus in die Taverne hinein, um Baldemars Blick ausweichen zu können, der sie nun vermutlich wie so viele andere für schlichtweg schwachsinnig halten musste. Dabei gab es eigentlich kaum eine andere Möglichkeit, um ihr Wissen über ihre Herkunft passend in Worte zu kleiden. Adula hatte 20 ihrer etwa 25 Lebensjahre in der Sklaverei verbracht, aber ganz tief in ihr drin waren noch Erinnerungen an ein anderes Leben unter Menschen, bei denen ihr Aussehen ganz normal gewesen war. Sie wusste auch, dass sie einst einen anderen Namen gehabt hatte, bevor irgendein Witzbold unter den Sklavenhändlern sie nach einem Berg weit nördlich von Rom benannt hatte. Ob er ihr irgendwann wieder einfallen würde? Aber was sollte das bringen?

    Warum war sie nur selbst hergekommen? Allein der Anblick der vollbewaffneten und ausgerüsteten Praetorianer vor dem Tor reichte schon aus, um Serrana den kalten Schweiss auf die Stirn zu treiben, und der Gedanke, dass sie sich gerade vor dem kaiserlichen Palast befand, machte die Sache auch nicht einfacher. Ein ungeduldiges Scharren zu ihrer Rechten machte ihr deutlich, dass Adula, wie so häufig, deutlich unbeeindruckter von der Umgebung war als sie selbst, und das gab letztendlich den Ausschlag. Serrana atmete ein paar mal tief ein und aus, räusperte sich und trat dann auf einen der so einschüchternden Wachposten zu.


    "Salve, mein Name ist Iunia Serrana. Ich möchte gern zu Aelius Archias, falls das möglich ist."

    Es fiel ihr fast ein wenig schwer, sich wieder von dieser kleinen, von aussen so unscheinbaren Fundgrube an wunderschönen Dingen wieder loszureissen. Mit leichtem Bedauern in der Stimme verabschiedete sich auch Serrana von der Ägypterin, die ihr beim Herausgehen noch zuzuzwinkern schien, und trat dann hinter Sedulus wieder hinaus in die kleine Seitenstraße, wo sie erst einmal blinzeln musste, um sich wieder an das helle Tageslicht zu gewöhnen.
    Am Umladehafen war sie bislang noch nie gewesen, aber da heute ohnehin ein Tag für ungewöhnliche Premieren zu sein schien, passte auch der ganz gut ins Bild.


    "Oja, das bin ich allerdings." antwortete sie mit einem Lächeln und drückte leicht seine Hand. "Die Kleider sind wirklich wunderschön, auch wenn ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen kann, das blaue irgendeinem anderen Menschen vorzuführen als dir." Ein ähnliches Kribbeln wie im Laden lief kurz durch ihren Körper, während ihr Daumen eher unbewusst über die Haut seiner Hand strich, bevor sie sich fast unwillig wieder auf andere Dinge konzentrierte. "Aber jetzt sollten wir uns lieber wieder um unser Opfer kümmern, sonst schaffen wir es nicht mehr rechtzeitig in die beiden Tempel."

    Es war zwar nicht das erste Kompliment, das sie aus Sedulus' Mund hörte, aber trotzdem freute sie sich über dieses spezielle Lob an diesem speziellen Ort ganz besonders, denn es gab ihr zum vielleicht erstem Mal das Gefühl, nicht wie bislang vielleicht ein hübsches Mädchen, sondern eine attraktive erwachsene Frau zu sein, und das war für Serrana eine ganz neue Erfahrung. Noch war diese Rolle ungewohnt und ein wenig fremd, aber sie hatte auch etwas ungemein reizvolles, auch wenn vieles derzeit noch im Dunkeln liegen mochte.
    "Vielen Dank" sagte sie schlicht aber mit leuchtenden Augen, und betrat dann zum letzten Mal die kleine Kabine, wo sogar das Umziehen jetzt schon etwas souveräner klappte.
    Als sie den Gesamtpreis hörte, zuckte sie nochmal leicht zusammen, da sich dieser im Vergleich zu ihrem Verdienst im Tempel unglaublich hoch anhörte, und drückte das Paket mit den beiden Kleidern dann umso sorgfältiger an sich, nachdem die Schneiderin es ihr übergeben hatte. Um nichts in der Welt würde sie die so schnell wieder hergeben...


    Wein? Achja, der Wein, den hatte sie im Gefecht der Eitelkeiten ja komplett vergessen! "Oja, natürlich." sagte sie schnell, um sich von ihrer vorübergehenden Verwirrung nichts anmerken zu lassen und nickte bekräftigend. "Diesmal wirst aber du mich führen müssen, ich weiß nämlich nicht, wo der Händler, von dem du gesprochen hast, seinen Laden hat."

    Als sie den Ausdruck in Sedulus' Gesicht bemerkte, gesellte sich zu Serranas Nervosität noch ein anderes, nicht minder aufregendes Gefühl hinzu, das wie eine warme Welle nach und nach ihren ganzen Körper erfasste und schließlich als Kribbeln in Fingerspitzen und Zehen ausklang.
    Gezielt mit ihren weiblichen Reizen zu kokettieren, hatte sie bislang noch nicht gelernt, aber dass Sedulus ihr Anblick in diesem Kleid gefiel, war unübersehbar und führte dazu, dass Serrana sich wieder ein Stück weit entspannte, und das, obwohl sie sich nach wie vor so bekleidet vorkam wie ein lucanisches Würstchen bei der Cena. Aber schließlich war es ja auch ihr zukünftiger Ehemann, dem sie sich hier derart präsentierte und offenbarte, und das machte eine Menge aus.


    In Serranas Lächeln, als er jetzt auf sie zukam, schwangen sowohl Aufregung, als auch Erleichterung und ein nicht geringes Maß an diffuser Spannung und Vorfreude mit. "Ja, es gefällt mir." antwortete sie zwar ein wenig leise, aber ohne zu zögern, auch wenn sie nur einen winzig kleinen Blick in den Spiegel riskiert hatte, bevor sie hinter dem Vorhang hervorgetreten war.


    Ein Lächeln umspielte die Mundwinkeln der Schneiderin, während sie zuerst das Paar betrachtete und dann auf die Frage des Mannes antwortete.
    "Nun, dieses Kleid steht dem anderen in Sachen Qualität in nichts nach, aber da du dich bereits für das pfirsichfarbene entschieden hast, würde ich dir dieses für 250 Sesterzen überlassen."

    Serrana kommentierte Sedulus' Bemerkung über Laevina mit einem Lächeln. Irgendwie schien sich keiner der Germanicer, oder zumindest kein Familienmitglied, mit dem sie bereits näher zu tun gehabt hatte, sich besonders von ihrer Großmutter beeindrucken zu lassen. Calvena war zwar bereits mehrfach mit Laevina aneinander geraten und hatte sich übel mit ihr gestritten, aber das hatte sie offenbar nicht nachdrücklich beeindruckt. Ob sie selbst diesen Punkt auch noch mal erreichen würde? Gelegenheiten dazu würden sich ja in absehbarer Zeit genug bieten, wenn sie erst einmal wieder unter ein und dem selben Dach lebten.
    Serrana seufzte leise auf, erfreulicherweise blieben ihr bis zu dieser Bewährungsprobe ja noch einige Wochen Gnadenfrist...


    "Nein, gefehlt hat es mir wirklich an nichts." nickte sie wahrheitsgemäß. Die Beziehung zwischen Großmutter und Enkelin war zwar immer distanziert und nie von offen gezeigter Zuneigung geprägt gewesen, aber das war in vielen anderen traditionell römischen Familien vermutlich auch nicht anders. Davon abgesehen hatte Laevina jedoch peinlich genau darauf geachtet, ihr alles beizubringen, was eine in der Gesellschaft respektierte Frau wissen musste, und das kam Serrana jetzt auch in einigen Dingen zugute. Trotzdem fielen ihr auf Anhieb ein Dutzend Gesprächsthemen ein, die ihr angenehmer waren und praktischerweise bot sich direkt auch wieder ein günstiges Stichwort.


    "Die Compitalia habe ich leider versäumt. Aber vielleicht kannst du mir ja ein bisschen was darüber erzählen, Sabina. Und hat dir das Ponyreiten Spaß gemacht?"

    Serranas Blick ging eine Weile unschlüssig zwischen Sedulus, dem blauen Kleid und dem Vorhang hin und her, und als sie merkte, dass ihr niemand die Entscheidung abnehmen würde, seufzte sie einmal, griff dann schnell nach dem Kleid und huschte wieder hinter den Vorhang, bevor sie es sich anders überlegen konnte. Am liebsten wäre sie jetzt aus dem Laden geflohen, aber schließlich war Sedulus so großzügig, ihr ein, vielleicht sogar zwei Kleider zu schenken, da konnte sie sich doch nicht so anstellen. Ihre Finger waren derart zittrig, dass sie Schwierigkeiten dabei hatte, die goldene Kordel des ersten Kleides zu lösen, um dieses auszuziehen, aber zu ihrer großen Erleichterung folgte ihr die Schneiderin auch diesmal und half ihr mit kundigen Handbewegungen beim Umziehen. "Mach dir keine Gedanken, Kleines, es gibt nichts, was du verbergen müsstest." sagte sie nach getanem Werk mit einem feinen Lächeln und tätschelte aufmunternd Serranas unbedeckten Arm. Diese nickte ein wenig kläglich, holte noch einmal tief Luft und trat dann vor den Vorhang. Auf die Idee, sich wieder um ihre Achse zu drehen, kam sie diesmal vor lauter Aufregung erst gar nicht und sie war sich auch höchst unsicher, wohin sie mit ihren Armen sollte. Irgendetwas damit zu verdecken, wie sie es instinktiv am liebsten getan hätte, wäre vermutlich im höchsten Maße kindisch und albern, daher versuchte Serrana, diese einfach so locker wie möglich hängen zu lassen.


    "Also so sieht es aus." sagte sie leise und zwang sich, vom Boden hoch und Sedulus in die Augen zu sehen. Was sollte diese Anstellerei überhaupt, schließlich war es erst ein paar Stunden her, dass er schon eine ganze Menge von ihrem Körper zu Gesicht bekommen hatte. Allerdings hatte sie darüber vorher nicht nachdenken müssen, es hatte sich einfach aus der Situation ergeben, und Serrana war viel zu abgelenkt gewesen, um sich hätte schämen zu können. Ob man so etwas wohl lernen konnte? Vielleicht sollte sie Septima danach fragen, die war ja schließlich schon verheiratet...

    Eigentlich war sie sich fast sicher gewesen, dass Sedulus auf diesen Preis ablehnend oder zumindest entsetzt reagieren würde, aber nichts dergleichen geschah. Entweder wollte er ihr wirklich eine unglaubliche Freude machen, oder die Vermögensverhältnisse der Germanicer waren derart entspannt, das 270 Sesterzen kein allzu großes Loch reissen würden. Und wenn sie ihn sich so ansah, dann schien es am ehesten eine Kombination aus beiden Dingen zu sein.
    Auf die Idee, noch nach einem weiteren Kleid Ausschau zu halten, wäre sie gar nicht gekommen, aber als Sedulus nachhakte, folgte Serrana automatisch seinem Blick und ging dann zu dem hellblauen Kleid hinüber,das es ihm ganz offensichtlich angetan hatte.
    Fast ein wenig scheu berührte sie das zarte Gewebe und bemerkte erst auf den zweiten Blick, wie ungemein durchscheinend es war. Was für ein wundervoller Stoff, aber dieses Kleid, wenn man es überhaupt so nennen konnte, war ja im höchsten Maße unanständig! Serranas Wangen röteten sich aus einer Mischung aus Aufregung, Nervosität und schlechtem Gewissen, dann drehte sie sich zu ihrem Verlobten um und fragte mit leicht zittriger Stimme:


    "Ähm, was meinst du, soll ich das auch mal anprobieren?" Eigentlich war sie ja ausgesprochen neugierig, wie dieses Gewand an ihr aussehen würde, aber bei dem Gedanken, Sedulus gleich mit diesem Hauch von Nichts entgegen zu treten, schlug ihr bereits das Herz bis zum Hals.

    Selbstzweifel und mangelndes Selbstbewusstsein hin oder her, bereits beim ersten Blick in den Spiegel war Serrana sich ziemlich sicher gewesen, dass dieses Kleid ungemein vorteilhaft an ihr aussah, und Sedulus' Blick fegte auch noch die letzte Unsicherheit beiseite. Sie drehte sich gleich noch einmal, dieses Mal ein bisschen schneller und strahlte ihn und die Schneiderin an. Ob ihr das Kleid gefiel? Ob sie es haben wollte? Was waren denn das nur für Fragen? Natürlich wollte sie!
    Da es ihr selbst ein wenig die Sprache verschlagen hatte, brachte sie nur ein stummes Nicken hervor und sah dann gespannt zu der Schneiderin hinüber, um nur wenige Augenblicke später entsetzt die Augen aufzureissen.


    "Nun, werter Senator, du siehst sicher, dass dieses Kleid aus bester Seide gemacht und exquisit gearbeitet worden ist. Daher muss ich dafür 270 Sesterzen verlangen und selbst das ist noch fast geschenkt." antworte die Ägypterin an Sedulus gewandt und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln.

    Serrana folgte Sedulus' Fingerzeig und ihr Gesicht erhellte sich noch ein bisschen mehr, als sie das besagte Kleid von der Auslage nahm und es vor sich hielt. "Oja, das ist schön. Einen Moment, ja?"
    Bevor er die Chance hatte, noch irgendwas zu sagen, schlüpfte Serrana mit besagtem Kleid hinter den diskret im hinteren Teil des Ladens aufgespannten Vorhang, um aus ihrem Kleid zu schlüpfen. Nur einen Moment später schien der pfirsichfarbene Stoff wie von ganz allein über ihre Haut zu gleiten und Serrana genoss dieses Gefühl, das sich fast wie eine Liebkosung anfühlte. Nachdem die Schneiderin dazugekommen war und ein wenig an dem Faltenwurf des Kleides herumgezupft hatte, bis die feinen goldfarbenen Träger und die gleichfarbige Kordel, mit der der Stoff unter der Brust geschnürt und an der richtigen Stelle gehalten wurde, perfekt saßen, warf Serrana einen Blick in den großen polierten Kupferspiegel und konnte sich gar nicht sattsehen. Leider war sie dank ihres kleinen und zierlichen Körperbaus nicht allzu üppig ausgestattet, aber in diesem Kleid machten sogar ihre Rundungen etwas her. Ob es Sedulus auch gefallen würde? Ein wenig unsicher und verlegen öffnete sie den Vorhang und trat dann wieder in den Laden hinaus, bevor sie sich langsam einmal um die eigene Achse drehte.


    "Was meinst du?"

    "Vielen Dank, Septima, das wünsche ich dir und deinem Mann auch." antwortete Serrana erleichtert und musterte Septima dabei verstohlen. Unglücklich wirkte die Tiberia wirklich nicht, zwar nicht unglaublich verliebt aber auch in keinster Weise unzufrieden.
    Sie erwiderte das verschwörerische Zwinkern ihrer Freundin mit einem Kichern und griff schnell und reichlich verlegen nach den Oliven, die diese ihr entgegenschob. Vor noch nicht allzulanger Zeit hatte sie der Natur um ein Haar bereits ihren Lauf gelassen, und Serrana war es immer noch peinlich, wie schnell sie doch bereit gewesen war, von den moralischen Grundsätzen, die sie immer für unumstößlich gehalten hatte, selbst abzuweichen ohne dass allzu viel Überredungskunst dafür nötig gewesen wäre.
    Und trotzdem oder gerade deshalb blieben da natürlich noch einige Fragen offen, aber ob sie die Septima so einfach stellen konnte?


    "Naja, ich bin mir wegen ein paar Sachen schon noch etwas unsicher." begann sie zögerlich und rollte die Olive, die sie gerade aus der Schale genommen hatte, ein wenig auf dem Tisch hin und her. "Also, was die Hochzeit selbst angeht, hoffe ich einfach, dass alles irgendwie laufen wird und ich keine peinlichen Fehler machen werde. Aber dafür gibt es Traditionen und Regeln, an die ich mich halten kann, deshalb denke ich, dass das das irgendwie schon klappen wird. Ich hoffe nur,dass das auch so bleibt, wenn die Gäste erstmal weg sind....du weißt schon."

    Nachdem Sedulus seine Zustimmung gegeben hatte, stellte Serrana sich leicht auf die Zehenspitzen, um sich in dem geschäftigen Treiben um sie herum besser orientieren zu können. Wo genau sollte der Laden der Ägypterin denn noch gewesen sein? In irgendeiner vom Mercatus abzweigenden Seitenstraße mit einer kleinen griechischen Taverna an der Ecke, oder nicht? Sie hatte sich fast einmal komplett einmal um die eigene Achse gedreht, als sie das entsprechende Lokal schließlich entdeckte. "Ich glaub, dort drüben ist es." deutete sie in besagte Richtung und überquerte dann gemeinsam mit Sedulus und mit den beiden Sklaven im Schlepptau den Platz, bevor sie nach kurzer Suche den Laden der ägyptischen Schneiderin fanden und betraten.
    Das Geschäft war nicht sehr groß, dennoch hatte Serrana sofort das Gefühl, in eine völlig andere und reizvolle Welt einzutauchen. Stoffe und Kleider überall und das in einer solchen Vielfalt an Materialien und Farben, dass sie sich gar nicht entscheiden konnte, wo sie mit der Suche anfangen sollte, nachdem sie von der Verkäuferin freundlich begrüßt worden waren.
    Kurz glitten ihre Finger über die ihr aus ihrer eigenen Garderobe sehr vertrauten Leinen- und Wollstoffe, doch sobald sie das erste Kleid aus Seide berührt hatte, hatten alle anderen Materialien schlagartig ihren Reiz, zumindest für heute, verloren. "Fühl doch mal, wie zart und weich sich das anfühlt." sagte sie andächtig und drehte sich dabei leicht zu Sedulus um. "Der muss ganz wundervoll auf der Haut liegen und ist bestimmt ganz leicht." Am liebsten wäre sie direkt in eins der entsprechenden Kleider geschlüpft, aber in welches nur? Auf den ersten Blick sahen sie alle unglaublich schön aus, wiesen allerdings auch die eine oder andere Gemeinsamkeit auf. Fast alle Gewänder ließen die Arme unbedeckt und wurden an den Schultern nur durch mehr oder weniger feine Träger in verschiedenen Formen und Materialien gehalten, und bei einem Kleid blieb die eine Schulter sogar ganz unbedeckt. Und wirklich "sittsam" in dem Sinne, wie es ihre Großmutter verstand, waren sie alle nicht, aber das hatte Serrana eigentlich auch nicht erwartet, da sie sich noch gut an Calvenas nachtblaues Kleid auf den Fontinalia erinnern konnte.


    "Ob ich mal eins anprobieren soll?" fragte sie mit leuchtenden Augen und drehte sich jetzt endgültig zu ihrem Verlobten um. "Aber welches nur? Und welche Farbe?" So berauschend diese Vielfalt auch war, so hatte sie doch den Nachteil, dass sie eine Entscheidung nicht gerade leicht machte. Irgendwie schienen alle Farben vertreten zu sein, die Auslage wimmelte nur von Rot-, Rosa-, Blau-, Braun- und Grüntönen in den unterschiedlichesten Schattierungen. Es waren sogar Gewänder dabei, die dank der eingewebten Metalfäden gold- und silberfarben aussahen.
    "Was meinst du, welche Farbe würde am besten zu mir passen?"

    Calvenas Hinweis auf Saldirs Schminkkünste steigerten Serranas gute Laune tatsächlich ungemein und sie dankte ihrer Freundin mit einem Lächeln. Natürlich musste man dabei ungemein aufpassen, um die Grenzen des Anständigen und Dezenten nicht zu überschreiten, aber ein bisschen mehr Faszination auf seiten der Anderen wünschte sich Serrana für ihr eigenes Auftreten schon, auch wenn es ihr meistens ganz angenehm war in der Öffentlichkeit nicht allzu sehr beachtet zu werden. Manchmal fragte sie sich wirklich, wer oder was sie eigentlich sein wollte. Auf der einen Seite sehnte sie sich nach mehr Beachtung und Aufregung in ihrem Leben, auf der anderen machte ihr aber die Aussicht auf genau das auch Angst, so dass sie immer wieder in alte Verhaltensmuster zurückfiel und sich in ihr Schneckenhaus zurückzog, sobald sie sich in irgendeiner Situation unwohl fühlte. Jeder drohende Konflikt ganz gleich welcher Art wurde zunächst einmal vermieden und und erst dann angegangen, wenn es sich absolut nicht mehr vermeiden ließ, und das, obwohl es kaum jemanden gab, der sich mehr darüber ärgerte als sie selbst.
    Dass der Schlüssel dazu ganz allein bei ihr selbst lag, war Serrana durchaus bewusst, aber wie so häufig zog sie es auch an diesem Tag vor, sich zunächst einmal Gedanken über andere, weniger unangenehme Dinge, wie zum Beispiel ihre Gäste zu machen.


    "Oja, die Thermen, da würde ich auch sehr gern wieder mal hingehen." sagte sie aufrichtig über diese Idee eines gemeinsamen Besuchs erfreut und zwinkerte Septima zu. "Natürlich müssen es nicht die öffentlichen Bäder sein, allerdings fürchte ich, dass das Balneum in der Casa Iunia für uns alle zu klein wäre, da passen gerade mal zwei oder drei Personen rein." Bei dem Gedanken an die familieneigenen Baderäume tauchte vor Serranas innerem Auge unweigerlich wieder die Erinnerung an das gemeinsame Bad mit Axilla auf und ihr Gesicht verdüsterte sich erneut. Noch so ein Konflikt, vor dessen Aufarbeitung sie sich seit dem letzten Streit schon einige Zeit erfolgreich drückte... Sie grübelte einen kleinen Moment lang, dann griff sie dankbar die nächste Ablenkung auf, die ihr diesmal von Prisca präsentiert wurde.


    "Minos der kretische Stier?" fragte sie überrascht und mit dem Gesichtsausdruck einer Katze, der man eine Schale Milch vor die Nase setzt. So verliebt Serrana im Moment auch sein mochte, blind war sie in der Zwischenzeit nicht geworden, und sie konnte sich noch hervorragend an die optischen Vorzüge des damals von den anwesenden Damen so heiss umkämpften Masseurs erinnern. "Gehört der jetzt wirklich deiner Tante Celerina? Die hat es aber gut..."Bei Priscas Frage nach ihren täglichen und nächtlichen Aktivitäten, spürte Serrana zu ihrem großen Ärger, wie sie wieder einmal leicht rot wurde, denn zumindest einmal hatte sie in der letzten Zeit die Grenzen des von ihr selbst so gern gepredigten vorehelichen Anstands deutlich überschritten. Aber dankenswerterweise war das ja am Tag und nicht in der Nacht geschehen, daher konnte sie Priscas Anspielung dezent übergehen und hoffen, dass sich ihr Gesicht bald wieder ein wenig entfärben würde.


    "Oh ähm, eigentlich ist das in meinem Fall ganz unspektakulär." sagte sie schnell, bevor irgend jemand auf falsche Ideen kommen konnte. "Seit ich die Prüfung zur Aeditua bestanden habe, bin ich sehr viel im Tempel und in der übrigen Zeit bin ich mit der Planung der Hochzeit beschäftigt. Ich hätte nie im Leben gedacht, dass man dabei soviel beachten muss. War das bei dir eigentlich auch so?" Die letzte Frage ging an Septima, deren Hochzeit vor einigen Wochen zumindest doch recht überraschend gewesen war.


    Adula hatte sich inzwischen von dem Schreck, plötzlich angesprochen zuu werden, wieder erholt und stellte zu ihrer eigenen Überraschung fest, dass es ihr ausnahmsweise mal nicht ganz so unangenehm war sich zu unterhalten. Dummerweise war sie im Fragen noch ungeübter als im Antworten, daher grübelte sie einen Augenblick über eine geeignete Fortführung des Gesprächs nach und entschied sich schließlich für eine Variante, die auch ihr nicht allzu viel abverlangte.


    "Germane?"

    Achja, das Kleid....Für einige wenige Minuten hatte die Frömmigkeit tatsächlich die Eitelkeit besiegt, aber allmählich meldete sie letztere doch wieder zu Wort.


    "Ähm ja, wenn du meinst...., dann machen wir das zuerst." murmelte sie und bemühte sich, still dabei stehen zu bleiben Eine künftige Senatoren-Gattin musste schließlich jederzeit eine gewissen Würde ausstrahlen, da konnte sie ja nicht vor Aufregung auf und ab hüpfen wie ein kleines Kind. Aber wohin jetzt? Serrana überlegte einen Moment lang, dann fiel ihr wieder etwas ein, das ihre Freundin ihr bereits vor einigen Monaten erzählt hatte.


    "Nun, ähm, vielleicht können wir ja zu der ägyptischen Händlerin gehen, von der Calvena mir erzählt hat. Sie schwärmt immer von den Kleidern dort, daher würd ich sie mir gern mal ansehen. Kannst du dich noch an Calvenas Kleid auf den Fontinalia erinnern? Das hat sie auch dort gekauft..." sprudelte sie dann los und sah Sedulus dabei gespannt an. Ein wenig gewagt war jenes Kleid nämlich schon gewesen, und Calvena hatte ihr kichernd erzählt, dass ihre Großmutter sich ein paar Tage später bei der Cena im Kreise der Familie unglaublich darüber aufgeregt hatte. Serrana hatte zwar keine Ahnung, bei welcher Gelegenheit sie so etwas anziehen sollte, aber allein die Vorstellung, ein solches Kleid zu besitzen war schon ausgesprochen aufregend!

    Täuschte sie sich, oder wirkte Sedulus ein wenig gelangweilt? Serrana, die gern vergaß, dass nicht jeder Mensch von der Aussicht auf einen ausgedehnten Aufenthalt im Tempel, inklusive langem Gebet und ausgiebigem Opfer in Begeisterung versetzt wurde, bezahlte den Weihrauch und ließ sich mit größtem Vergnügen von der Händlerin noch ein paar kleinere Pröbchen mit frisch eingetroffenen Harzen aus den östlichen Provinzen einpacken. Erst nachdem sie sich mit einem strahlenden Lächeln von dieser verabschiedet hatte, drang Sedulus' Frage richtig in ihr Bewusstsein vor.


    "Oja, der Wein. Natürlich. Du hast doch etwas von einer Weinhandlung erwähnt. Kennst du eine besondere, die wir aufsuchen könnten?" fragte sie ein wenig ratlos. Das war nun wieder ein Gebiet, auf dem sie sich alles andere als gut auskannte, auch wenn Wein ein beliebtes Opfer darstellte.

    Nachdem sie mit Argusaugen überwacht hatte, wie jede einzelne Frucht und Nuss in einen der beiden Körbe gewandert war, nickte Serrana zufrieden und wäre beim Anblick der leckeren Feigen fast schon schwach geworden, aber noch waren sie mit dem offiziellen Teil ihres Einkaufs nicht fertig.


    "Jetzt fehlt nur noch der Weihrauch, dann haben wir alles komplett." sagte sie und betrachtete mit einem Seufzer das Gewimmel von Händlern und Kunden um sie herum. "Es gibt eine Händlerin aus Syria, die hat ihren Stand an der Südseite des Platzes. Wir können aussen herum gehen, dann kommen wir wahrscheinlich schneller voran." Sie zupfte Sedulus kurz am Stoff seiner Toga, zeigte die Strecke die sie meinte und führte ihn und die beiden Sklaven dann in die entsprechende Richtung.
    Sie waren noch ein ganzes Stück von ihrem Ziel entfernt, als man inmitten der unglaublichen Vielfalt an Gerüchen auf diesem Markt auch den ersten feinen Duft von unterschiedlichen Harzen und Blüten wahrnehmen konnte. Ohne es zu merken, beschleunigte Serrana ihren Schritt und hielt erst wieder an, als sie vor dem Stand der besagten Händlerin angekommen waren. Die Syrerin war nicht mehr ganz jung, aber das wurde durch ihre großen dunklen Augen, die durch die schwarze Schminke noch geheimnisvoller wirkten, mehr als wett gemacht.


    "Sei gegrüßt Herrin und du natürlich auch, Senator."begrüßte sie Sedulus und Serrana mit einem leichten Nicken des Kopfes und der leichte Akzent in ihrer Stimme unterstrich ihre exotische Ausstrahlung noch. "Sagt Bescheid, wenn ich euch helfen oder das eine oder andere neue Räucherwerk zeigen kann".Serrana nickte ein wenig geistesabwesend und ließ den Blick dann sehnsüchtig über all die Körbchen und deren Inhalt gleiten. Da gab es getrocknete Veilchen-, Jasmin- und Rosenblüten, Lorbeer- und Melissenblätter, Fichtennadeln, Zedernspäne, Styrax und Sandelholz aber auch verschiedene Harze wie Myrrhe, Olibanum und natürlich ihr persönlicher Favorit, Benzoe.


    "Wir hätten gern zwei Säckchen von den Benzoekörnern." sagte sie nachdem sie sich endlich von dem Anblick losgerissen hatte und zeigte auf das bernsteinfarbene Harz. Diese Händlerin brauchte man nicht ausdrücklich um gute Qualität zu bitten, denn sie war sehr um ihren guten Ruf bei den Kunden bedacht, zu denen auch etliche Angehörige des Cultus Deorum zählten.


    "Brauchst du auch noch etwas?" fragte sie Sedulus dann, ohne auch nur auf die Idee zu kommen, dass Weihrauch für ihn nicht ansatzweise so interessant war wie für sie. "Für euren Hausaltar vielleicht?" Den Vorrat in der Casa Iunia hatte sie erst vor kurzem aufgestockt, aber wer wusste schon, ob das bei den Germanicern auch jemand tat. Ihre Großmutter ganz sicher nicht...

    Wie so häufig, wenn es um religiöse Dinge ging, bekam Serrana einen regelrechten Tunneblick und war derart auf die Auslage des Händlers fixiert, dass ihr dessen öliges Auftreten erst auffiel, als er ihr dienstbeflissen entgegenstrahlte und dabei seine letzten vier Beisser entblößte. Leider machten auch die keinen allzu lebensfähigen Eindruck mehr und es fiel ihr ein wenig schwer beim Anblick auf diese Kraterlandschaft einen neutralen Gesichtsausdruck beizubehalten.


    "Wir brauchen Früchte für ein Opfer im Tempel. Füll bitte zwei von diesen Körben da mit Granatäpfeln, Nüssen und einigen Feigen. Und wehe es ist verdorbene Ware dabei, das Opfer ist sehr wichtig, und ich möchte nicht, dass irgendetwas die Göttinnen verärgert." So nachgiebig Serrana in den meisten anderen Dingen auch sein mochte, beim Dienst an den Göttern verstand sie überhaupt keinen Spaß und legte sogar den ihr unterstellten Tempeldienern gegenüber eine ziemliche Strenge an den Tag.


    "Sollen wir uns noch ein paar Früchte für unterwegs mitnehmen?" fragte sie an Sedulus gewandt. "Wir sind ja wahrscheinlich noch eine Weile unterwegs."

    Serrana suchte die Auslagen der entsprechenden Händler mit den Augen ab und zeigte dann auf einen der Stände, der eine relativ große Auswahl an Früchten vorweisen konnte.


    "Jetzt im Winter gibt es natürlich nicht so viele Möglichkeiten, aber was hältst du von ein paar Granatäpfeln, Feigen und Nüssen? Das wären auf jeden Fall schöne Opfergaben, vor allem zusammen mit dem Wein und dem Kuchen. Es muss ja nicht jedesmal ein blutiges Opfer sein."


    Ohne länger darüber nachzudenken, setzte sich Serrana einfach in Richtung ihrer erspähten Einkäufe in Bewegung und hielt erst ein wenig überrascht inne, als Sedulus ohne mit der Wimper zu zucken seine Begeisterung für Benzoe äusserte. Er kannte sich mit den verschiedenen Weihrauchsorten aus? Wer hätte das gedacht?
    Vergnügt legte sie an seiner Seite die letzten Meter bis zum Obststand zurück und strahlte den Verkäufer an.