Beiträge von Iunia Serrana

    Er wollte IHR etwas opfern? Die Bemerkung war aus streng priesterlicher Sicht natürlich indiskutabel, aber sie schmeichelte auch in nicht unerheblicher Weise Serranas Eitelkeit. Nachdem sie sich von ihrer Überraschung erholt hatte, stahl sich wieder ein Lächeln auf ihr Gesicht, da sie sich gerade an Sedulus frühere Anmerkung über die Waffen der Frauen erinnerte. Vielleicht sollte sich doch allmählich mal ein bisschen mehr damit beschäftigen...
    "Hm... wenn du so fragst... wenn wir schon dabei sind, könnten wir auch noch ein paar Früchte kaufen, aber die das können wir auf dem Weg zum Weihrauch erledigen, die Stände sind nämlich gleich dort drüben. Siehst du?" Zwar war Serrana durch Aussicht auf das neue Kleidungsstück ziemlich abgelenkt, aber so ganz konnte auch das nicht ihren Perfektionsdrang in Bezug auf alles, was mit dem Tempel und dem Dienst an den Göttern zusammenhing unterdrücken.


    "Ich würde übrigens gern Benzoe-Körner kaufen, weil die so gut riechen. Oder möchtest du lieber etwas anderes?"

    "Oh, doch doch...ich möchte..." sagte sie schnell und mit recht wenig damenhafter Zurückhaltung, denn der drohende Verlust des noch nicht einmal erworbenen neuen Kleides setzte eine recht ordentliche Habgier in Serrana frei. "Du hast sicher recht, ich weiß, dass ich manchmal albern reagiere, aber irgendwie steckt das in mir drin." Ein kurzer leicht resignierender Seufzer, dann folgte ein erneuter Blick zur anderen Seite des Platzes. "Dann lass uns zuerst den Weihrauch kaufen, dann hab ich den Kopf frei und kann mich auf andere Sachen konzentrieren." Nein, die Option zuzugeben, dass der Gedanke an ein neues Kleid zur Zeit sogar fast aufregender war, als das bevorstehende gemeinsame Opfer im Tempel der Minerva, kam für Serrana nicht in Frage, schließlich wäre das für eine Aeditua auch vollkommen unpassend.

    Serrrana runzelte die Stirn. "Ich glaube, bei den Fontinalia waren wir fast den ganzen Abend an unterschiedlichen Orten." sagte sie nachdenklich. "Ich kann mich auf jeden Fall nicht daran erinnern, dass wir uns vor dem Feuerwerk im Garten und Calvenas Lied schon dort getroffen hätten."
    Allerdings war sie zumindest nach Laevinas Sturz ins Impluvium auch so abgelenkt gewesen (erst in unangenehmer dann in durchaus angenehmer Weise), dass sie auch kaum auf andere Gäste geachtet hatte, aber das zu erwähnen wäre wohl ein wenig zu uncharmant gewesen.
    Ja, die Erinnerung an dieses für sie und ihre Zukunft so ausgesprochen wichtige Fest war wirklich schön und sicher reizvoller als der Gedanke an ihre neuen Aufgaben als Sabinas Stiefmutter.


    "Puh, Mutter hört sich so alt und weise an, finde ich..."Wieder einmal tauchte die altbekannte Nervosität in Serranas Magengegend auf. "Ich war nicht dabei, aber Calvena hat mir gesagt, dass Sedulus' Tochter seine Entscheidung wieder zu heiraten sehr schwer nimmt. Vor einigen Tagen waren die beiden hier zu Besuch, da hat es halbwegs geklappt, aber wer weiß schon, was werden wird, wenn ich erst in der Casa Germanica wohne. Weisst du, im Moment ist es schon schwer genug mir vorzustellen, dass ich vielleicht bald selbst eigene Kinder haben werde, und dann noch ein anderes, schon so großes Kind dazu...." Durchsetzungsfähigkeit war noch nie Serranas große Stärke gewesen, und irgendwie hatte sie das ungute Gefühl, dass Sabina ihr auf diesem Gebiet einiges abverlangen würde.

    "Oh, Weihrauchhändler kenne ich mehrere. Allerdings haben die ihren Stand genau am anderen Ende des Mercatus. Siehst du? Dort drüben!" Serrana wies in die entsprechende Richtung und war in Gedanken bereits bei den Überlegungen, welche Mischung an Harzen und Blüten am wohl am besten geeignet sein würde. Daher dauerte es auch einige Sekunden, bis der Sinn von Sedulus' Ankündigung richtig zu ihr durchgedrungen war.


    "Ein Kleid? Du willst mir ein Kleid kaufen?" fragte sie ungläubig und sah ihn mit großen Augen an. "Aber, ähm, ist so etwas denn nicht ein zu ähm...intim?" Eine solche Frage nur kurze Zeit nach ihrem doch recht innigen Beisammensein in der Bibiotheca zu stellen, war natürlich mehr als albern. Aber es war doch deutlich einfacher, über Großmutters Verhaltenskodex nachzudenken als über ihre eigenen doch recht erschreckenden Mangel an Standhaftigkeit.
    Kaum hatte sie ihre Frage ausgesprochen, da ärgerte sie sich auch schon wieder darüber, denn der Wunsch nach schöner Kleidung setzte sich doch zunehmend gegen mögliche moralische Erwägungen durch.

    Nachdem auch sie sich bei der Händlerin verabschiedet und das Päckchen mit dem Kuchen in Empfang genommen hatte, überlegte sie einem Moment. "Hm...so viele Sachen fallen mir da gar nicht ein. Ich würde gern noch ein wenig Weihrauch kaufen, im Tempel der Minerva haben wir zwar was, aber ich hätte zur Feier des Tages gern was besonderes. Gibt es denn irgend etwas, das du noch brauchst?" Mit männlichen Kaufbedürfnissen kannte sich Serrana bislang noch nicht allzu gut beziehungsweise gar nicht aus, aber wie Sedulus bereits früher am Tag gesagt hatte: "Frau lernte nie aus!

    Wie gut, dass Sedulus so entscheidungsfreudig war, ihr selbst wäre die Wahl bei all den so ins Auge springenden Kuchen ausgesprochen schwer gefallen. Serrana warf einen kurzen prüfenden Blick auf den Aniskuchen und nickte dann.


    "Ja, du hast recht, das sollten wir tun. Am besten kaufen wir den gleichen für beide Göttinnen, dann fühlt sich keine von beiden schlecht behandelt oder zurückgesetzt."


    Frau Gemahlin? Die Verkäuferin hielt sie für Sedulus' Frau? Wie aufregend sich das anhörte...Serrana sah aus den Augenwinkeln zu ihrem Verlobten hinüber und reckte sich dann ein bisschen, um als vermeintliche Senatoren-Gattin ein wenig mehr Eindruck zu schinden.


    "Ähm ja, das haben wir. Wir hätten gern zwei von den Kuchen mit Anis, bitte."


    Sie tippte Sedulus leicht am Arm an. "Wollen wir danach zum Weinhändler gehen? Den wollten wir doch auch noch besorgen."

    Serrana nickte nur kurz und folgte Sedulus hinüber zum Kuchenstand. Für heute hatte er sich schon genug religiöse Vorträge von ihr anhören müssen, und das eine oder andere stand ihm später im Tempel ohnehin wieder bevor, daher beschloss sie, ihn fürs erste zu verschonen.
    Die Kinder vor dem Stand stoben auseinander und machten den Blick frei auf eine Unmenge von süßen Kostbarkeiten unterschiedlichster Art und Serrana lief das Wasser im Mund zusammen. Ob sie vielleicht...
    Nein, schließlich hatte sie sich ja schon in der Eheregistratur vorgenommen, so schlank wie möglich in ihrer Tunica recta auszusehen.
    Um sich von der großen Versuchung abzulenken, konzentrierte sich Serrana lieber schnell wieder auf das bevorstehende Opfer.


    "Hm, was meinst du? Sollen wir einen von diesen honiggetränkten Weizenkuchen nehmen? Oder einen mit Anis? Oder mit Sesam? Oder vielleicht doch einen einfachen Dinkelkuchen?" Hin und hergerissen zwischen der Versuchung, etwas ganz besonderes zu kaufen und dem Drang, auf Nummer Sicher zu gehen und möglichst an gängige Praktiken zu halten, starrte Serrana zuererst auf das Gebäck und dann wieder auf Sedulus.

    Sollte das bedeuten, dass Axilla versucht hatte sich das Leben zu nehmen? Aber warum denn nur? Was konnte denn schon so schlimm in ihrem Leben verlaufen sein, dass ihr das als der einzige ehrenhafte Ausweg erschienen war? Serrana war sich nicht sicher, ob sie trotz Axillas erwiesenermaßen aufbrausender Art noch einmal nachhaken sollte, doch der weitere Verlauf der Unterhaltung nahm ihr die Entscheidung ab und ließ sie wie ein Häufchen Elend auf ihrem Stuhl zusammensacken. Das Erkenntnis, auf ganzer Linie versagt zu haben wurde nahezu übermächtig, und Serrana stellte sich in Gedanken schon auf weitere Vorwürfe von Seiten ihrer Cousine ein, aber da kam nichts mehr. Gar nichts mehr, denn durch ihr eigenes Weinen hindurch hörte sie, wie sich die Tür ihres Cubiculums öffnete und wieder schloss. Ein deutlicheres Zeichen ihrer Missbilligung und Verachtung hätte Axilla kaum hinterlassen können, und die Demütigung, die Serrana nun zusätzlich empfand, äusserte sich in einem regelrechten Schmerz, der ihren ganzen Körper zu erfassen schien. Etliche Minuten saß sie einfach nur da in einer Mischung aus Selbstvorwürfen und Bitterkeit und fragte sich, ob ihr siebenmonatiger Aufenthalt in der Casa Iunia irgendwelche positiven Spuren hinterlassen würde. Wohl eher nicht, wenn das einzige, was ihr die einzigen anwesenden Familienmitglieder entgegenbrachten, freundliche Gleichgültigkeit und stumme Verachtung waren. Vielleicht waren die Fußspuren, die ihre glorreichen Ahnen hinterlassen hatten, von Anfang an viel zu groß für sie gewesen, und sie hatte es in ihrer kindlichen Naivität nur nicht wahrhaben wollen.
    Diese Erkenntnis war ausgesprochen schmerzhaft, aber irgendwann war Serranas Kopf wieder klar genug, um halbwegs sinnvolle Entscheidungen treffen zu können. Vielleicht hatte sie im Vorfeld ihrer nahenden Hochzeit eine Menge Fehler begangen, aber von nun an würde sie jeglichen Missgriff peinlich genau vermeiden. Das würde die früheren Versäumnisse zwar nicht wieder gut machen, aber ihr immerhin die Möglichkeit einräumen, dieses Haus mit erhobenem Kopf zu verlassen. Zu der Gens, der ihr Verlobter, ihre Großmutter und auch ihre beste Freundin angehörten, fühlte sich Serrana bislang noch nicht wirklich zugehörig, aber vielleicht würde die Zeit das ja ändern. Und bis dahin würde sie zumindest in Gedanken eine Marcilia sein, zu Ehren des einzigen Menschen, der sich ihre Loyalität nicht nur durch Blutsverwandtschaft, sondern auch durch seine Taten und seine bedingungslose Zuneigung zu ihr verdient hatte.
    Schon deutlich ruhiger als noch vor wenigen Minuten erhob sich Serrana von ihrem Stuhl und kehrte zu ihrem Webrahmen und ihrer Arbeit zurück. Nein, an dieser Leistung gab es tatsächlich nichts auszusetzen.

    Wie niedlich Sedulus doch war, wenn er alles, Opfer an die Götter miteingeschlossen, immer zunächst von der rein praktischen Seite anging! Serrana musterte ihren Verlobten mit einem liebevollen Blick und legte im dann ganz leicht die Hand auf den Unterarm.


    "Naja, weisst du, das Wichtigste ist, dass man sich ein paar Gedanken wegen der Opfergaben macht. Sie müssen nicht unbedingt teuer sein, aber man sollte sie auch nicht einfach aus dem Vorratschrank nehmen." erklärte sie mit einem Lächeln. "Die Sachen sollen ja auch möglichst einen Bezug zu den Opfernden und deren Bitten haben, daher macht es schon Sinn, wenn wir die Gaben gemeinsam kaufen, weißt du was ich meine?"


    Serrana folgte seinem Finger zu dem Stand, an dem verschiedene Gebäcksorten und Kuchen verkauft wurden und nickte dann erfreut.


    "Ja, das sieht gut aus, lass uns dort mal rübergehen und schauen, was sie im Angebot haben."

    Kurz nach ihrer Ankunft in Rom hatte ihr das ungewohnt geschäftige Treiben auf dem riesigen Markt und all die vielen Menschen eher Angst gemacht, aber mittlerweile genoss Serrana jeden Besuch hier, auch wenn sie nicht allzu häufig etwas kaufte.
    Und darüber hinaus befand sie sich heute auch zum ersten mal mit Sedulus gemeinsam an einem öffentlichen Platz, und sie msusten sich keine Mühe mehr geben, nicht von irgendwem gesehen zu werden.
    Kurz genoss sie mit einem stillen Lächeln auf dem Gesicht das Gewimmel von Geräuschen, Farben und Gerüchen um sie herum, dann wandte sie sich ihrem Verlobten zu, um dessen Frage zu beantworten.


    "Nun, ich denke, Kuchen wäre eine passende Gabe und Wein ohnehin. Und dann brauchen wir natürlich ein bisschen Weihrauch, um die Göttinnen auf uns und unsere Bitte aufmerksam zu machen." Serrana drehte sich um die eigene Achse und suchte die umstehenden Stände ab. "Naja, und wenn wir um Kinder bitte wollen, dann könnten wir Früchte kaufen und vielleicht ein paar Blumen. Also etwas, das Fruchtbarkeit und Wachstum symbolisiert. Ich weiß nur nicht, ob wir zu dieser Jahreszeit viele Blumen finden werden."

    Serrana überlegte einen Moment lang, dann erhellte sich ihr Gesicht.


    "Was hältst du von den Traiansmärkten? Da gibt es einfach alles, und man bekommt dort auch immer eine Menge zu sehen. Vielleicht treffen wir ja sogar jemanden, den wir kennen."


    Dann war sie für einen Moment lang verwirrt. Rolle? Was für eine Rolle? Serransa Blick glitt durch die Bibliothek und blieb dann an der Schrift Cornelius Sisennas hängen, die immer noch unangetastet auf dem kleinen Tisch lag.


    "Oja natürlich, warte einen Moment, ich bringe sie schnell in mein Zimmer und die hier gleich mit." Mit einem verlegenen Lächeln hob sie die zerissene Tunika vom Boden auf und eilte aus dem Raum, um nur wenige Minuten später wieder zurückzukehren.


    "Da bin ich wieder. Von mir aus kann's losgehen."

    Serrana starrte einen Moment überwältigt die capsa und deren Inhalt an. All das... für sie? Sie erwartete auch mit Hilfe von Schminke kaum ansatzweise so weiblich und anziehend aussehen zu können wie Septima, aber vielleicht würde sie mit diesen Hilfsmitteln ja immerhin ein wenig geheimnisvoller wirken...
    "Vielen Dank, Septima, das ist wundervoll." strahlte sie über das ganze Gesicht, bevor sich dieses ganz kurz wieder verdüsterte. "Jetzt muss ich nur noch jemanden finden, der mich damit schminken kann." Allein die Vorstellung, wie Adula mit ihren kräftigen Fingern in diese schönen Tiegel griff, war schon abschreckend, ganz abgesehen davon, was sie damit letztendlich anstellen würde...
    Plötzlich wurde der Iunia bewusst, dass sie zum ersten Mal in ihrem Leben zum Geburtstag ausschließlich Geschenke für eine erwachsene Frau bekommen hatte und das löste ein kleines aufgeregtes Flattern in ihrer Magengegend aus.
    Vor einem Jahr war sie daheim in Nola noch wie ein Kind behandelt worden, doch damit war jetzt endgültig Schluß. Was für ein herrliches Gefühl!


    "Nun, ich hoffe, dass Calliphana und Romana sich uns noch anschließen werden." sagte sie an Prisca gewandt. "Calliphana ist jetzt mit Iulius Centho verlobt und die beiden werden bald heiraten. Aber das hast du sicher auch schon gehört. Und Romana ist jetzt schon Amata Prior bei den Vestalinnen, stell dir vor. Und wie geht es dir? Erzähl doch mal." Als Serrana das letzte mal mit Prisca gesprochen hatte, da hatte sie mit dieser sowie den Decimern Livianus und Mattiacus zusammen gestanden. Und das war auf den Fontinalia gewesen, also schon unendlich lange her!
    Serrana spürte, das sie vor Aufregung und der vielen Rederei einen trockenen Hals bekommen hatte mischte in einem Becher Wasser und Wein, und trank einen großen Schluck. Ja, so war es schon besser.
    Sie hatte sich gerade neben ihren Gästen am Tisch niedergelassen, als eine Bemerkung Catienas ihre Aufmerksamkeit weckte.
    "Oh, du bist also auch auf dem Land aufgewachsen?" hakte sie überrascht nach. "Ich bin auch erst im letzten Sommer nach Rom gekommen, vorher hab ich in der Campania gelebt. Manchmal fehlt mir das Land sogar ein bisschen, auch wenn es hier in Rom natürlich viel aufregender ist."


    Adula sah erst wieder auf, Baldemar einen Becher vor ihr abstellte. Er bekam zwar keinen überschwänglichen Dank dafür aber immerhin doch ein freundliches Nicken. Auch sein abschätzender Blick entging ihr nicht, aber auf diesen reagierte sie in gewohnt charmanter Manier:


    "Was ist?"

    Eigentlich hatte sie ja mit einem Einspruch gerechnet oder zumindest mit einer wenig begeisterten Reaktion, aber zu Serranas großem Erstaunen zeigte sich Sedulus sofort dazu bereit, nicht nur im Tempel der Minerva sondern auch noch in dem der Venus ein Gebet zu sprechen und sogar ein Opfer darzubringen.


    "Oja, das wünsche ich mir auch." sagte sie strahlend und wippte vor Aufregung ein wenig auf den Fußspitzen auf und ab. "Was meinst du, wo sollen wir zum einkaufen hingehen?" Plötzliche wurde Serrana bewusst, dass sie im Begriff war, mit Sedulus zum ersten mal als Paar in der Stadt aufzutauchen. Was für eine aufregende Vorstellung!

    Sie schnupperte noch ein zweites Mal und zuckte dann kurz die Schultern, bevor sie den Zopf über die Schulter zurückwarf. "Das könnte natürlich sein." sagte sie nachdenklich und richtete nun ihrerseits den Blick auf sein Haar. Wenn ihm der Duft ihrer Haare so gut gefiel, vielleicht war das andersherum ja genauso... Dumm nur, dass sie das im Moment aufgrund ihrer deutlich kleineren Körpergröße so schlecht überprüfen konnte... Aber irgendwann würde sich die Gelegenheit sicher noch ergeben.
    Serrana ahnte durchaus, dass Sedulus' neuerwachtes Interesse an den Göttern zum großen Teil damit zusammenhing, dass er ihr einen Gefallen tun wollte, aber nichtsdestotrotz freute sie sich darüber. Vielleicht würde es ihr im Laufe der Zeit ja doch gelingen, einen zumindest leidlich frommen Menschen aus ihm zu machen...
    Als er ausgerechnet die Göttin der Liebe zu seiner Lieblingsgöttin erkor, unterdrückte Serrana nur mit Mühe ein Kichern und beschloss, Sedulus noch ein wenig auf die Probe zu stellen.


    "Ach, du fühlst dich besonders zu Venus hingezogen?" fragte sie, während sich immer wieder ein Lächeln in ihre Mundwinkel stahl. "Ich dachte immer, Männer interessieren sich viel mehr für Iuppiter und Mars oder vielleicht auch noch Bacchus, je nachdem, was sie für Interessen haben. Wenn du magst, können wir später natürlich auch noch beim Tempel der Venus vorbeischauen und ihr auch eine Kleinigkeit opfern. Aber auf jeden Fall werde ich mal darüber nachdenken, wie ich dir diese Göttin und ihre Besonderheiten am besten nahebringen kann." Serrana zwinkerte kurz und stellte sich dann leicht auf die Zehenspitzen, um Sedulus zu küssen. Bislang war die Initiative bislang immer von ihm ausgegangen, aber in diesem Fall war die Versuchung doch zu groß.

    Serranas Augen verengten sich leicht, als Axila sich so nah vor ihr aufbaute, aber sie zuckte nicht zurück, denn dafür war sie zur Zeit viel zu wütend. Natürlich besaß ihre Cousine als die Ältere gewisse Rechte und in vielen Dingen auch den Vortritt, aber deshalb musste sie noch lange nicht so beleidigend werden!
    Sie kam gar nicht dazu, diesen Punkt irgendwie zur Sprache zu bringen, denn Axilla sprach einfach weiter und gab tatsächlich zu, Fehler begangen zu haben! Serrana blinzelte überrascht, denn bei ihrem Gespräch im Garten vor einiger Zeit war ihre Cousine davon noch weit entfernt gewesen, oder zumindest hatte es auf sie diesen Eindruck gemacht. Wirkliche Genugtuung wollte sich bei Serrana jedoch nicht einstellen, zumal eine weitere Bemerkung im Wortschwall ihrer Cousine bei ihr sofort ein ungutes Gefühl auslöste. „Was meinst du damit, dass es besser wäre es sofort zu beenden? Und dass du es schon versucht hast?“ fragte sie mit immer stärker werdender Besorgnis. Noch hoffte sie, mit ihrer Vermutung falsch zu liegen, aber bei Axilla konnte man offenbar nie wirklich wissen, wie diese dachte und auf bestimmte Dinge reagierte. In dieser Hinsicht waren die beiden Mädchen ganz offensichtlich grundverschieden.
    Viel Zeit darüber nachzudenken blieb Serrana ohnehin nicht, denn schon wechselte Axilla wieder das Thema, und erneut prasselten die Vorwürfe auf sie selbst nieder. Wieder kam die Sprache darauf, dass sie vergessen hatte Merula und Brutus einzuladen, und Serrana schämte sich über diesen durchaus gerechtfertigten Vorwurf so unendlich, dass Axillas Bemerkung über die beiden vermeintlichen Idioten, und vor allem wer damit gemeint war, völlig an ihr vorbeirauschte; ein Umstand, der für den weiteren Verlauf dieses Gesprächs nicht ganz unerheblich war.
    Erst als ihre Cousine schon auf halbem Weg zur Tür war und Serrana die Wörter „perfekt“ und „fehlerfrei“ aufschnappte, sah sie ruckartig wieder hoch und sah Axilla fassungslos hinterher.
    „Axilla, warte bitte!“ Ohne es überhaupt zu merken, war sie jetzt auch aufgestanden und ging um den Webstuhl herum einige Schritte auf ihre Cousine zu. „Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich mich für perfekt halte, oder?“ fragte sie immer noch ungläubig und schüttelte den Kopf. „Ich bin alles andere als perfekt, und das weiß ich auch nur zu genau! Mein ganzes Leben lang hab ich vor irgendetwas Angst gehabt, weil ich mich immer schon zu dumm oder unfähig gefühlt habe.“ Bei der Erinnerung an die demütigenden Auswirkungen, die Serranas chronische Minderwertigkeitsgefühle über all die Jahre mit sich gebracht hatten, stiegen ihr nun mit aller Macht die Tränen in die Augen, aber sie machte sich nicht die Mühe diese zurückzuhalten. „Und wenn du es genau wissen willst: ich habe entsetzliche Angst vor dieser Hochzeit, und allein schon bei der Vorstellung, mit wie vielen wichtigen Menschen ich an diesem Tag werde reden müssen, wird mir schon ganz schlecht. Alles, was mich dabei aufrecht hält und mich davon abhält schreiend davon zu rennen , ist, dass ich danach endlich mit Sedulus zusammen sein kann, und dass ich ihn nicht vor ganz Rom blamieren will.“ Serrana spürte genau, dass sie sich Axilla mit diesen Worten ein ganzes stückweit auslieferte, aber das war ihr in diesem Moment egal. Eigentlich konnte es ihr ja herzlich egal sein, was für ein Bild ihre Cousine von ihr hatte, aber komischerweise war es das aller Streitereien zum Trotz ganz und gar nicht. „Und ja, Sedulus ist in meinen Augen perfekt! Nicht, weil er keine Fehler hat, die hat er wie jeder andere Mensch ganz sicher. Aber er liebt mich so wie ich bin, mit allen Schwächen, die ich habe, und ich weiß, dass ich so etwas ganz sicher nicht noch einmal finden werde!“ Serrana schniefte und wischte sich mit dem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht, bevor sie mit hängenden Schultern einfach mitten im Cubiculum stehen blieb. „Und ich fürchte, mit der Größe der Casa hast du recht.“ fuhr sie leise fort. „Ich war wohl so damit beschäftig, bei den Einladungen alles richtig zu machen, dass ich darüber nicht richtig nachgedacht habe. Du siehst also: von Perfektion kann überhaupt keine Rede sein, denn offenbar bin ich nicht mal dazu in der Lage, meine eigene Hochzeit halbwegs vernünftig zu planen.“ Plötzlich fühlte sie sich wie eine aufgepumpte Blase, aus der nach und nach alle Luft entwich und eine leere und nutzlose Hülle zurückließ. Mit ein paar unsicheren Schritten ging Serrana zu dem Stuhl hinüber, aus dem Axilla aufgestanden war, ließ sich darauf nieder und vergrub den Kopf in beiden Händen. Sollte ihre Cousine ihr ruhig weitere Vorwürfe machen, viel elender als jetzt konnte sie sich danach auch nicht mehr fühlen.

    Serrana nickte. "Ja, das hast du wirklich, aber ich hoffe wirklich, dass ich dich nicht noch einmal behelligen muss." Im Grunde war sie alles andere als sicher, dass sich diese schrecklichen Ängste und Träume so einfach aus der Welt schaffen ließen, aber sie würde es auf jeden Fall versuchen, ohne Calvena weiterhin mit hineinzuziehen. Ihre Freundin hatte schließlich zur Zeit selbst genug um die Ohren.


    "Ja, mach das. Ich freue mich, wenn du kommst. Im Tempel ist zur Zeit nicht ganz so viel zu tun, daher werde ich in den nächsten Tagen mit der Arbeit an meiner Tunica recta beginnen und oft daheim sein. Ich wünsche dir noch einen wunderschönen Tag und mit dem Fest hast du sicher recht, das wird schon alles klappen. Vale." Serrana erhob sich aus ihrem Stuhl, umarmte Calvena noch ein letztes Mal und machte sich dann wieder auf den Weg nach Hause. Es gab noch viel zu tun.

    Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie sich zum letzten Mal bei einem Gespräch derartig hatte konzentrieren müssen, um nicht das falsche zu sagen. Serrana hatte das Gefühl, wie auf rohen Eiern zu laufen und hoffte inständig, dass sie auch den Rest der Unterhaltung noch würde bestreiten können, ohne dass eins von diesen zu Bruch ging.
    Und ein klein wenig Hoffnung für die Zukunft bekam sie allmählich schon, denn Sabina benahm sich zumindest im Moment gar nicht so feindselig, wie Serrana es eigentlich befürchtet hatte.


    "Oh, das freut mich." ging sie lächelnd auf das Angebot der Kleinen ein. "Wenn du magst, dann bringe ich dann diese Tiere hier mit, vielleicht können wir dann mit allen zusammen spielen, und der Esel lernt noch ein paar neue Freunde kennen."


    Als Sedulus sie nach Laevinas Gründen fragte, warum diese ihr kein eigenes Pferd erlaubt hatte, zuckte sie kurz mit den Schultern und konnte sich plötzlich wieder genau an das Gefühl der Enttäuschung erinnern, dass damals an die Stelle ihres großen Herzenswunsches getreten war. "Ich weiß es nicht genau. Zum einen fand sie ein eigenes Pferd nicht passend für ein Mädchen oder eine Frau und dann war sie auch immer davon überzeugt, dass man Kinder nicht zu sehr verwöhnen darf. In dem Punkt war sie bei mir wirklich erfolgreich... "Serrana spürte, wie sich etwas Bitterkeit in ihre Stimme stahl und zwang sich zu einem Lächeln, um die bislang so angenehme Stimmung hier am Tisch nicht zu zerstören.


    "Aber das ist ja jetzt auch egal. Und wenn Sabina mir wirklich erlaubt, ab und zu mal auf ihrem Pferd zu reiten, dann bin ich damit schon sehr zufrieden. Hast du denn eigentlich schonmal auf einem Pferd gesessen oder musst das reiten noch lernen?" fragte sie bei der Kleinen nach. Bei deren letzter Bemerkung ging Serranas ein wenig bemühtes Lächeln wieder in ein echtes über. "Danke, das ist sehr lieb, dass du das sagst." bedankte sie sich bei Sabina für deren Kompliment, wobei sie sich in Gedanken fest vornahm sich sofort vom Tarpeischen Felsen herunterzuwerfen, wenn jemals jemand sagen würde, dass ihre Großmutter netter sei sie selbst.

    Serrana hatte sich bereits dafür verflucht, dass sie diese Frage überhaupt gestellt hatte, aber bei jedem Detail, dass Sedulus aufzählte, erhellte sich ihr Gesicht ein wenig mehr.
    Über eine Sache hätte sie sich ja schon gefreut, aber gleich fünf...Das mit den Augen hatte er ihr ganz am Anfang schon mal gesagt, aber dass er auch ihren Mund und ihre Haut mochte, war ihr neu. Als er schließlich noch ihr Haar erwähnte sah sie ihn einen Augenblick erstaunt an, zog dann ihren langen geflochtenen Zopf nach vorn und schnupperte daran.


    "Hm...komisch, ich rieche gar nichts. Aber es freut mich, dass dir soviel an mir gefällt, sehr sogar...." Deutlich selbstbewusster als noch einige Minuten zuvor, lächelte Serrana Sedulus vergnügt an und nickte schließlich.


    "Ja, da hast du Recht. Schön, dass du noch ein bisschen was darüber lernen willst, ich kann dir gern ab und zu ein bisschen was über die Götter und alles, was dazu gehört erzählen."

    "Oja, die hast du, lass mich mal überlegen..." Serrana ließ ihren Blick in aller Seelenruhe an ihrem Verlobten hinauf- und auch wieder hinuntergleiten und lächelte dann. "Also...du bist groß und stark...." an dieser Stelle fuhr sie langsam mit beiden Händen über seine Schultern hinunter bis zu seinen Fingerspitzen und zurück,"...du hast schöne Augen mit ganz wundervollen Falten drumherum....", auch diese wurden kurz noch einmal berührt,"....und deine Haare mag ich auch. Die sind so flaumig und weich, vor allem hier im Nacken, weißt du...." Serranas Hände und Finger beendeten ihre Wanderschaft und verschränkten sich wieder in Sedulus' Nacken. "Sicher hast du ja noch mehr Reize, aber die werde ich im Laufe der Zeit sicher auch noch finden. Wir haben ja schließlich keine Eile." Serrana lächelte ihn liebevoll an und entschied sich dann, ihm eine Frage zu stellen, über die sie schon häufiger nachgedacht hatte.


    "Gibt es eigentlich etwas an mir, das dir besonders gut gefällt?" fragte deutlich leiser als zuvor, da sie ,all seiner Worte und Taten zum Trotz, immer noch insgeheim befürchtete, dass die Antwort nein lauten könnte. Vielleicht war es doch sicherer, sich wieder mit dem Thema Minerva zu beschäftigen.
    "Ähm ja, das stimmt natürlich." ein verlegenes Räuspern folgte. "Aber die Laren sind auch sehr wichtig, es ist schön, dass du dich so gut mit ihnen auskennst."

    Das waren ja mal interessante Informationen, die sie direkt einmal testen wollte....Serrana rückte unaufällig noch ein Stückchen näher an Sedulus heran, legte die Arme um seinen Hals und sah mit treuherzigem Augenaufschlag zu ihm hoch.
    "Ach können wir das? Das wusste ich ja noch gar nicht." Sie löste eine Hand aus seinem Nacken und streichelte damit leicht über die Lachfältchen um seine Augen herum, die es ihr schon bei ihrem letzten Zusammentreffen in diesem Raum so angetan hatten."Aber ich finde, dass du auch durchaus deine Reize hast, vielleicht bist du nur zu bescheiden und weisst nichts davon."


    Die Frage nach einer geeigneten Gabe für Minerva war ja eigentlich ein durchaus respektables Thema, dennoch sah Serrana keinen Grund, um ihren Verlobten direkt wieder loszulassen.


    "Oh, ich weiß nicht. Weihrauch natürlich, aber davon hab ich noch einiges im Tempel. Und dann etwas, dass zu einer Eheschließung passt, Blumen oder Früchte, wegen der Fruchtbarkeit, du weißt schon..." Auch jetzt konnte Serrana es nicht verhindern rot zu werden, aber vor einigen Wochen hätte sie einen solchen Satz noch gar nicht über die Lippen bekommen. Das war doch auch schon mal was...