Beiträge von Iunia Serrana

    Auch wenn Serrana mittlerweile im wahrsten Sinne des Wortes wieder mit beiden Füßen auf dem Boden stand, wurde ihr doch ein wenig schwach zumute, als Sedulus plötzlich und ohne jede Vorwarnung wieder ihren Nacken ansteuerte. Scheinbar schien ihm diese Stelle an ihr ganz besonders gut zu gefallen, und Serrana stellte ihm diesen im eigenen Interesse auch gern zur Verfügung. Ob sie ihn vielleicht auch mal dort küssen sollte? Aber bei seiner Körpergröße war das gar kein so einfaches Unterfangen, da würde sie wohl auf einen günstigeren Moment warten müssen. Und ausserdem hatte sie sich ja erst vor wenigen Momenten entschieden, für den Rest des heutigen Treffens anständig zu bleiben, etwas, das ja eigentlich selbstverständlich sein sollte... Andererseits, was sollte auch groß passieren? Schließlich standen sie ja gerade mitten im Raum und weit genug von dem "unanständigen" Tisch entfernt. Serrana warf einen kleinen fast ein wenig wehmütigen Blick über die Schulter zu besagtem Möbelstück und wandte sich dann wieder zu Sedulus um, der mit seinen Ausführungen gerade nicht dazu beitrug, ihre Befürchtungen wegen der großen Gästeschar auf der Hochzeit zu zerstreuen. Drei komplette Familien inklusive sonstige Freunde und Bekannte, du liebe Güte...


    "Schade, dass meine Familie so klein ist." sagte sie bedauernd und zupfte in Gedanken ein wenig an Sedulus Tunika herum. "Nur Axilla und Silanus sind noch übrig, und ein Cousin in Alexandria."

    Aelius Archias? Der Name kam Serrana schon irgendwie bekannt vor, aber es dauerte ein Weilchen, bis sie sich wieder an das Gespräch erinnerte, dass sie mit Axilla an deren erstem Tag in Rom erinnerte. Da hatte sie doch irgend so etwas erwähnt... Den unangenehmen Vorfall mit der Nachtisch-Schüssel auf Septimas Hochzeitsempfang hatte sie zwar auch mitbekommen, aber da hatte sie sich hauptsächlich auf Vala konzentriert und den Namen des anderen Beteiligten gar nicht aufgeschnappt.


    "Ich glaube, ich erinnere mich an den Namen." Serrana runzelte nachdenklich die Stirn und stellte zu ihrem Ärger fest, dass viele Informationen aus jener Unterhaltung im iunischen Balneum mittlerweile schon wieder deutlich verblasst waren. War dieser Archias nicht mit dem Kaiser verwandt gewesen? Vielleicht war das ja der Grund, warum er sich so lange um eine Heirat mit ihrer gesellschaftlich doch ein wenig tieferstehenden Cousine herumgedrückt hatte...
    Und plötzlich wollte er, dass alles seine Ordnung hatte? Das war ja schon fast zum lachen, wenn es nicht so traurig wäre...Wieder einmal stieg Ärger in Serrana empor, aber da sie Axillas Neu-Verlobten bislang noch gar nicht kennengelernt und zudem auch Vala bereits ungerechtfertigt beschuldigt hatte, beschloss sie,dem noch unbekannten Archias wenigstens eine faire Chance zu geben.
    "Ja, das macht vermutlich Sinn. Seit wann seid ihr beiden eigentlich befreundet?" Serrana spürte zu ihrem nicht unerheblichen Ärger, wie ihr mal wieder die Röte ins Gesicht stieg. So etwas albernes. Seit sie sich mit Axilla über dieses Thema gestritten hatte, war selbst das doch eigentlich so unschuldige Wörtchen "Freundschaft" zweideutig geworden.
    Und da ihr aus diesem Grund ein Themenwechsel ganz gut zu pass kam, griff Serrana dankbar Axillas Frage auf, auch wenn sie schon ein paar Sekunden später erneut ratlos und verwirrt war.
    "Wer die Idee hatte? Nun, vorgeschlagen hat es Sedulus, aber Silanus war sofort einverstanden. Warum fragst mich denn so etwas?" Schließlich war es doch üblich, dass die Hochzeitszeremonie im Haus der Braut stattfand. Dass Axilla ausdrücklich nach Hochzeiten gefragt hatte, war Serrana gar nicht aufgefallen, da sie sich mittlerweile schon völlig an den Gedanken einer Doppelhochzeit gewöhnt hatte und sich auch darauf freute, gemeinsam mit ihrer besten Freundin heiraten zu können.

    "Danke, das ist lieb von dir." antwortete Serrana und errötete bei seinem Lob. Als vor einigen Monaten die besagte Cena und die damit verbundene Planung und Organisation ins Haus gestanden hatte, war sie vor Angst und Unsicherheit ganz panisch geworden, aber im Nachhinein war sie für diese Bewährungsprobe ganz dankbar, zumal sie ja auch recht positiv ausgegangen war. Auf diese Weise hatte sie zumindest mal einen kleinen Einblick in das bekommen, was von einer guten Gastgeberin in der gehobenen Gesellschaft verlangt und erwartet wurde und was ihr in Zukunft wohl häufiger bevor stehen würde.
    Eine innere Stimme sagte ihr, dass Adula von Sedulus' Idee vermutlich ausgesprochen angetan sein würde, und trotz ihrer Sorge um ihre Sklavin entschied Serrana sich, dieser die Entscheidung zu überlassen. Denn auch wenn sie vor dem Gesetz ihr Besitz war, war es ihr aus irgendeinem Grund wichtig, dass Adula sich an ihrer Seite so wohl wie möglich fühlte. Daher nickte sie nur kurz. "Ja, das können wir machen, ich bin gespannt, was sie dazu sagen wird."
    Serrana kicherte, als sie sich an Romanas Zusammenstoß mit dem griechischen Tänzer erinnerte. "Ich glaube, der war wirklich ganz angetan von ihr, wäre sie keine Vestalin gewesen, dann hätte er sicher nicht so schnell locker gelassen. Und du meinst, zu der Hochzeit kommen noch mehr Gäste als zu den Fontinalia? Ich glaube, allmählich freue ich mich schon fast darauf, dass ich den ganzen Tag über einen Schleier tragen werde. Dann sieht man es mir wenigstens nicht schon aus großer Entfernung an, wenn ich total nervös bin." Schon bei dem Gedanken daran,dass sie am Tag ihrer Hochzeit zwangsläufig im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses stehen würde, wurde der unsicheren Iunia schon ganz anders. Da würde es natürlich ein willkommener Segen sein, wenn Calvena am selben Tag heiratete....
    "Ich hab mir übrigens überlegt, dass ich Tiberia Septima bitten will meine Pronuba zu sein. Was hältst du davon?" fragte und sah erwartungsvoll zu Sedulus hoch.

    Es hatte in den letzten Tagen und vor allem Nächten etliche Augenblicke gegeben, in denen Serrana an sich selbst, ihrem Verstand und vor allem an ihrer Belastbarkeit gezweifelt hatte, und so wurde ihr bei Crios' erster Bemerkung vor Erleichterung fast schlecht. Er nahm ihr Problema also ernst und war nicht der Auffassung, dass sie ihren elenden Zustand nur ihrer eigenen Schwäche zu verdanken hatte? Sie blinzelte kurz, um die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken die ihr bereits in den Augen brannten und dachte dann auch zu ihrer eigenen Ablenkung über seine Frage nach, bevor sie schließlich den Kopf schüttelte. "Ich wüsste nicht, mit wem ich darüber reden sollte. Zumindest nachts nicht. Meine Sklavin ist bei mir im Zimmer, und ohne sie wäre es sicher noch viel schlimmer, aber wirklich mit ihr reden kann ich über solche Dinge nicht. Und mit Axilla auch nicht, nicht nach dem, was mit ihr passiert ist, du weisst schon..." Serrana seufzte kurz auf und überlegte dann laut weiter. "Aber ich habe eine sehr gute Freundin, mit der kann ich zumindest tagsüber sprechen, das ist schon gut zu wissen..."
    Über seine nächste Frage hatte Serrana sich schon selbst Gedanken gemacht, aber die einzige mögliche Erklärung, die ihr bislang eingefallen war zugleich auch die am wenigsten willkommene, denn sie zerstörte einen nicht geringen Teil ihrer bislang makellosen Vorfreude auf die nächsten Monate.


    "Eigentlich wüsste ich keinen Grund, eigentlich ist mein Leben genauso wie immer. Naja, bis auf...ich..ähm..werde heiraten, bald sogar, im Frühling..." erzählte sie fast widerwillig, um dann schnell hinzuzufügen:"Aber damit hat es sicher nichts zu tun, ich freue mich nämlich sehr auf die Hochzeit, warum sollte ich also deshalb Albträume kriegen?"Nein, ihre bevorstehende Hochzeit war derzeit ihr kleines unantastbares Heiligtum, das sollte nicht durch irgendwelche dunklen Geschichten verschmutzt werden. Lieber beschäftigte Serrana wieder mit ihrer verstorbenen Mutter, auch wenn das ausgesprochen schmerzhafte Erinnerungen mit sich brachte, auf die sie lieber verzichtet hätte.


    "So einen ähnlichen Rat hat mir meine Freundin auch gegeben. Ich kann mich noch an ein Lied erinnern, das meine Mutter mir immer vorgesungen hat, das summe ich jetzt immer vor mich hin." Ein verlegenes Lächeln glitt kurz über ihr Gesicht, das sich bei der Erinnerung an die altvertraute Melodie unbewusst entspannte und weicher wurde. "Tagsüber hilft das auch ganz gut, aber nachts ist es schwieriger, weil ich immer furchtbare Angst habe, wenn ich aufwache. Naja, und sonst kann ich mich eigentlich nur noch an Kleinigkeiten erinnern, bestimmte Bewegungen und Gesten und manchmal höre ich eine Stimme, die sich so anhört wie ihre. Nur das Bild aus meinem Traum, das ist vollkommen klar, und das ist so furchtbar gemein...." Serrana, die vor hilfloser Wut die Hände zu Fäusten geballt hatte, ließ diese nach einem Blick auf Crios schuldbewusst wieder locker. Was sollte er nur von ihr denken, wenn sie weiterhin daher redete wie ein kleines Kind?

    Nun, wenn Silanus sein Einverständnis gegeben hatte, dann konnte "Caius" ja kein komplett indiskutables Mitglied der Gesellschaft sein, dachte Serrana mit nicht geringer Erleichterung. Axlilas Wertmaßstäbe schienen sich schließlich nicht unerheblich von den ihren zu unterscheiden, und wer wusste schon, ob sich das nicht auch auf die Auswahl ihrer Bekanntschaften erstreckte. Und wenn er gemeinsam mit Silanus arbeitete, hatte "Caius" wohl auch einen einigermaßen respektablen Posten inne, denn einem einfachen Laufburschen würde ihr Vetter Axilla wohl kaum zur Frau geben.
    Serrana nickte automatisch zu Axilas wie üblich ein wenig konfusen Ausführungen, aber gegen Ende war sie doch, wie fast immer bei Gesprächen mit Axilla, verwirrt.


    "Natürlich kannst du ihn hierher in die Casa einladen. Alles andere würde wohl auch machbar sein, oder glaubst du, jeder der im Palast arbeitet, darf auch seine Gäste dorthin mitnehmen? Das wäre doch wohl ein wenig zu viel vom Kaiser verlangt..."

    "Ehrlich gesagt, möchte ich im Moment noch gar nicht darüber nachdenken, dass ich bald wieder mit Großmutter unter einem Dach leben werde. "sagte Serrana mit unüberhörbarer Unsicherheit in der Stimme."Überleg doch nur mal, wie albern das im Grunde ist: da hab ich Himmel und Erde in Bewegung gesetzt um von ihr und dem Leben mit ihr wegzukommen, und dann suche ich mir als Ehemann ausgerechnet ein Mitglied ihrer Familie aus und ziehe nach nicht mal einem Jahr freiwillig wieder bei ihr ein..." Serrana schüttelte sich leicht bei der Vorstellung, nickte jedoch nach kurzem Nachdenken schließlich. "Ja, vielleicht vermisse ich sie wirklich ein bisschen. Ab und zu kann sie auch mal ganz nett sein und ich habe wirklich eine Menge von ihr gelernt. Irgendwann in den nächsten Tagen werde ich sie mal besuchen, aber heute noch nicht. Ich muss erst einen Weg finden, wieder ruhiger zu schlafen, bevor ich mich auf ein Treffen mit ihr einlassen kann. Sonst hat sie mich innerhalb von ein paar Minuten in Grund und Boden gestampft..."


    Langsam nahm sie einen großen Schluck von ihrem warmen Würzwein und überlegte dann, wie sie das Gespräch wieder auf angenehmere Dinge bringen konnte. Eine Sache gab es da noch, über die Calvena und sie noch gar nicht gesprochen hatten.


    "Sag mal, ist es für dich eigentlich in Ordnung, dass wir beide am selben Tag heiraten werden? Schließlich bist du mit Valerian ja schon ein wenig länger verlobt als ich mit Sedulus."

    Serrana, die bereits ihre Hand gehoben hatte, um Adula ein Zeichen zu geben, ließ diese wieder sinken und sah Axilla abwartend an.
    Hätte man sie nach einem plausiblen Grund gefragt, aus dem ihre Cousine nach der üblen Meinungsverschiedenheit der beiden Mädchen ihr Cubiculum aufsuchen könnte, hätte sie wohl einige Schwierigkeiten gehabt, einen solchen zu benennen, aber da sie noch am ehesten auf irgend ein Problem, dass die Casa Iunia betraf, getippt hätte, erwischte sie Axillas Ankündigung völlig überraschend und es gelang ihr auch nicht, dies besonders gut zu verbergen.


    "Oh," brachte sie zuerst nur heraus, gefolgt von einem zaghaften "Das freut mich." Und das war sogar ernst gemeint, denn so sehr sich Serrana auch über ihre Cousine und deren Verhalten geärgert hatte und noch immer ärgerte, eine Hochzeit mit dem Vater ihres Kindes war auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung, und würde das Leben aller Beteiligten spürbar erleichtern. Und Caius wollte sie also kennenlernen.... Wer dieser ominöse Caius wohl war? Serrana war mehr als froh, dass sich für Axilla jetzt doch noch der Weg in ein normales bürgerliches Leben als Ehefrau auftat, aber dieser Caius blieb ihr dennoch suspekt. Schön, dass er sich endlich bequemte, seine schwangere Geliebte zu heiraten, aber warum, in der Götter Namen, war ihm das nicht früher eingefallen? Serrana lag bereits eine entsprechende Frage auf den Lippen, aber dann schluckte sie sie doch ungefragt wieder herunter. Vielleicht würde sie ja die Wahrheit erfahren können, ohne sich erneut Axillas Zorn auszusetzen.


    "Nein, ich hab nichts dagegen." sagte sie daher nur schlicht und nickte kurz. "Wie hast du dir dieses Kennenlernen denn vorgestellt? Und was ist mit Silanus?"

    "Meinst du wirklich? Das wäre schön..." Was für eine aufregende Vorstellung, den Kaiser wirklich mal von Angesicht zu Angesicht zu sehen, aber vielleicht klappte es ja tatsächlich irgendwann. Einen Thriumphzug wie ihre Großmutter würde sie wohl eher nicht miterleben können, aber Serrana würde auch mit einem weit unspektakuläreren Ereignis zufrieden sein.


    Sie sah überrascht auf, als Valerian sich ein wenig kritisch über ihr derzeit ein wenig einsames Leben in der Casa Iunia äusserte. Etwas trostlos fand sie die derzeitige Situation ja auch, aber sie wäre nie auf die Idee gekommen, dass diese auch irgendwelche Gefahren mit sich bringen könnte. Bei Valerians nächster Bemerkung vertiefte sich die Röte auf Serranas Wangen noch ein bisschen mehr, denn immerhin hörte sie jetzt schon zum zweiten Mal an einem Abend von einem Mann, dass er sie hübsch fand. Vielleicht wollte Calvenas Verlobter auch nur höflich sein, aber Serrana freute sich trotzdem und hielt sich gleich ein wenig aufrechter. Um sich ihre Verlegenheit jedoch nicht allzu deutlich anmerken zu lassen, beschäftigte sie sich lieber mit dem weniger peinlichen Thema ihrer persönlichen Sicherheit.


    "Oh, ich weiß nicht." sagte sie ein wenig unentschlossen, obwohl es ihr auch nicht wenig schmeichelte, dass Valerian ihretwegen eventuell eine Patrouille umleiten wollte. "Das wäre sicher ein beruhigendes Gefühl, aber du solltest dir meinetwegen keine Umstände machen. Und im Haus selbst kann mir ohnehin nichts passieren, ich hab ja Adula bei mir, die lässt niemanden an mich heran." Mit einem liebevollen Blick wandte Serrana sich zur ihrer Sklavin um, dann sah sie wieder Valerian an und ihr Lächeln verging, als er weitersprach. "Das tut mir furchtbar leid." sagte sie leise und wünschte, sie wüsste wie sie ihre Betroffenheit und das Mitgefühl, das sie plötzlich für Valerian fühlte, besser in Worte fassen könnte. Denjenigen, in den man verliebt war, an jemand anderen zu verlieren, musste ja schon schwer genug sein. Aber wenn derjenige dann auch noch starb, gab es endgültig keine Möglichkeit mehr, sich noch in irgendeiner Form auszusprechen. "Ich kann nur überhaupt nicht verstehen, wie man dir einen anderen Mann vorziehen kann." sagte sie mit für sie ungewohnter Offenheit und lächelte schließlich doch wieder. "Aber vermutlich sollte ich mich darüber auch ein wenig freuen, denn auf diese Weise hat Calvena dich finden können, und ihr zwei passt wirklich wundervoll zusammen." Vielleicht war das bei der anderen Frau ja ähnlich gewesen, aber Serranas Loyalität gehörte in erster Linie ihrer besten Freundin, der sie für die Zukunft nur das Beste wünschte.

    Nachdem sie einen kleinen Augenblick gebraucht hatte, um seine Anspielung richtig zu verstehen, begann Serrana zu kichern und schüttelte dann erneut und sehr entschieden den Kopf.


    "Nein, wenn ich in deiner Nähe bin, dann ist mir eigentlich nie kalt. Eher im Gegenteil..." Noch vor wenigen Minuten war ihr sogar ausgesprochen warm gewesen und selbst die Erinnerung rief schon ein leichtes Kribbeln auf Serranas Haut hervor. Ob es nicht vielleicht doch ein Fehler gewesen war, Sedulus auf die Hochzeitsnacht zu vertrösten? Nein, allein dieser Gedanke war ja schon im höchsten Maße unangebracht und unanständig....


    Gut, dass die Sprache jetzt wieder auf Adula kam, bei dem Gedanken an ihre riesige Leibsklavin kehrten Serranas ein wenig verwirrte Gedanken recht schnell wieder auf sicheres und unverfängliches Terrain zurück. "Gladiatrix? Das hört sich aber gut an." stimmte sie zu und warf einen erneuten Blick in Richtung Tür. "Ich glaube auch, dass sie ziemlich gut sein könnte, wenn ihr jemand den richtigen Umgang mit Waffen zeigen würde. Aber dann müsste ich mir viel zu viele Sorgen um Adula machen, vielleicht ist es doch besser, wenn alles bleibt wie es ist."


    Bei der Erinnerung an die Cena in der Casa Iunia im Anschluss an die Ludi Romani musste Serrana schmunzeln. "Ja, an dem Abend hatte ich wirklich eine ganze Menge zu tun und ich war furchtbar aufgeregt, weil ich immer Angst hatte, dass irgendetwas schiefgehen könnte. Aber eigentlich hat ja dann doch alles ganz gut geklappt, wenn man von dem Tänzer absieht, der Romana verführen wollte. Kannst du dich an den noch erinnern?" Serrana kicherte kurz, dann wurde ihr Gesichtsausdruck wieder ernst. "Ich darf gar nicht daran denken, dass das nur eine einfache Cena für ein paar Gäste war. Zu unserer Hochzeit werden sicher noch viel mehr Menschen kommen, hoffentlich geht da alles gut..." Sie schluckte kurz. Den Tag ihrer Hochzeit würde sie nicht sicher und geborgen in Sedulus' Armen verbringen können, den würde sie zum großen Teil auch allein bestehen müssen. Aber am Ende dieses Tages würde sie dann endgültig eine erwachsene und verheiratete Frau sein, unfassbar eigentlich...

    Während sich das Schiffchen in ruhigen und gleichmäßigen Bewegungen durch die Fäden des perfekt bespannten Webrahmens schob, ließ Serrana ihre Gedanken einfach fließen und schob nach jeder Reihe zwar automatisch, aber dennoch äusserst sorgfältig mit einem Kamm die Wolle nach unten. Nach einer Weile strich sie mit den Fingern vorsichtig und prüfend über den bereits gewebten Stoff und lächelte zufrieden. Bei ihrer Großmutter war sie durch eine wahrlich harte Schule gegangen und hatte sich während ihrer gemeinsamen Web-Stunden so manchen schmerzhaften Schlag auf die Finger gefallen lassen müssen. Aber das Ergebnis konnte sich durchaus sehen lassen, denn Serrana hatte sich im Laufe der Zeit zu einer ausgezeichneten Weberin entwickelt und machte kaum Fehler. Und Fehler waren das letzte, was sie in diesem Stoff sehen wollte, schließlich ging es um ihre Tunica recta, und die musste perfekt sein für die Hochzeit und natürlich auch für Sedulus. Versunken in ihre rosaroten Träumereien von der Zukunft hätte Serrana beinahe das Klopfen an ihrer Tür überhört, und kaum hatte sie mehr instinktiv als bewusst geantwortet, da öffnete sich diese schon und Axilla stand in ihrem Zimmer. Ausgerechnet Axilla, mit der sie seit der ausgesprochen missglückten Aussprache im Garten kaum ein Wort gewechselt hatte. Worüber auch? Ihre Cousine hatte ihr ja schließlich mehr als deutlich gezeigt, was sie von ihr und ihrer Meinung hielt... Ohne, dass sie sich dessen wirklich bewusst war, glitt Serranas Blick über Axillas Körper, und blieb eine Sekunde auf deren Bauchpartie hängen, bevor er wieder nach oben ging.
    Für einen Moment war sie versucht, Axillas Frage zu verneinen und sie einfach wieder aus ihrem Cubiculum zu schicken, aber dann setzte sich doch ihre gute Erziehung gepaart mit einem kleinen bisschen Neugier durch.


    "Ja, komm doch rein." Diese Einladung hätte sicher auch noch etwas freundlicher formuliert werden können, aber so ganz kam Serrana dann doch nicht aus ihrer Haut. Sie wies auf den zweiten Sessel im Raum. "Setz dich, wenn du magst. Soll Adula etwas zu trinken holen?"

    Auf Sedulus' Frage hin schüttelte Serrana schnell den Kopf. "Nein, nein, mach dir keine Gedanken, mir ist nicht kalt. Ich hab damals nur furchtbare Angst gehabt, als dieser Bär auf uns zugestürmt ist. Er war so riesig und hat gebrüllt, und ich hab da gestanden wie ein kleines Kind und konnte mich nicht bewegen." Sie schauderte bei der Erinnerung an dieses Gefühl der absoluten Hilflosigkeit und war froh, sich im Moment in einer warmen und sicheren Umarmung zu befinden.


    "Es waren ja auch einige Männer da, die sich sofort vor uns gestellt haben, aber das hat Adula nicht abgehalten. Ich glaube nicht, dass sie allzu oft darüber nachdenkt, dass sie eine Frau ist und sich dementsprechend verhält. Sie macht einfach das, was sie für richtig hält."


    Dann kam jedoch eine Eröffnung, mit der Serrana nicht gerechnet hatte und sie hob überrascht den Kopf und sah Sedulus an. "Bei den Ludi schon?" fragte sie mit einer Mischung aus Freude und Ungläubigkeit. "Das hab ich gar nicht bemerkt." Vor Serranas innerem Auge liefen noch einmal die Ereignisse während und nach der Bärenattacke ab, und sie erinnerte sich auch wieder an den Moment, als sie Sedulus zum ersten Mal gesehen hatte. "Weißt du, dass ich ein bisschen neidisch auf Calvena war, als du auf den Platz gekommen bist und sie umarmt hast? Es war so schön, dass jemand gekommen ist, der sich Sorgen um sie gemacht und sich gefreut hat, dass es ihr gut ging. Bei mir war niemand, und das war kein sehr schönes Gefühl..." Serrana seufzte leicht auf und legte ihren Kopf wieder an seine Brust. Auch wenn sie es nicht ahnte und es vermutlich auch niemals erfahren würde, war damals auch ihretwegen ein Mensch in großer Sorge zu besagtem Platz gelaufen, hatte sich jedoch besondere Mühe gegeben, damit das von niemandem bemerkt wurde.

    Schon bei dem Gedanken an den wildgewordenen Bären auf den Ludi stellten sich die feinen Härchen in Serranas Nacken auf und auf ihren Armen bildete sich eine Gänsehaut. Sie schüttelte kurz den Kopf, um auf diese Weise auch die Erinnerung an das beängstigende Brüllen des Tieres loszuwerden und warf einen kurzen Blick zur Tür, hinter der Adula vermutlich nach wie vor bereit stand.


    "Ich glaub, sie hat das nur getan, weil sie mich beschützen wollte." sagte sie dann leise."Kaum zu glauben, oder? Aber irgendwie ist es auch ein schönes und beruhigendes Gefühl, dass sie so gut auf mich aufpasst. Ich hoffe nur, dass sie sich deshalb irgendwann nicht mal zu sehr in Gefahr bringt." Ja, Adula war die meiste Zeit mürrisch, sprach nur, wenn es nicht vermeiden ließ und war als Leibsklavin einer jungen halbwegs eitlen Frau bestenfalls unterdurchschnittlich talentiert. Aber dennoch war sie ihrer Herrin mittlerweile sehr ans Herz gewachsen und Serrana hätte sie für keine noch so begabte Ornatrix jemals freiwillig eingetauscht.
    Und Sedulus war auf den Fontinalia auch ohne Laevinas Sturz auf sie aufmerksam geworden? Das war ja kaum zu glauben und war der reinste Balsam für Serranas nicht eben übergroßes Selbstbewusstsein.


    "Oh, ist das wirklich so? Und dabei war ich an dem Abend so furchtbar nervös und hätte nie gedacht,dass ich überhaupt irgendwem auffalle bei all den schönen Frauen auf diesem Fest. Und eigentlich wundere ich mich heute noch, dass Großmutter mir wegen des Kleides, das Calvena mir geliehen hat, nicht in den Nacken gesprungen ist. In ihren Augen war das sicher furchtbar unanständig, aber mir hat es gefallen..."
    Als Sedulus sich ein wenig zu ihr hinunterbeugte um sie erneut zu küssen, reckte sie sich ihm ein wenig entgegen, damit seine Lippen die ihren etwas schneller erreichen konnten. Komisch, dass es ihr ausgerechnet in diesem kleinen unspektakulären Raum immer so gut ging.

    "Ja, das werd ich machen. Und ich hab noch nie gehört, dass sie einem Tier absichtlich oder versehentlich wehgetan hätte, deshalb wäre das vielleicht wirklich eine gute Idee. Naja, bei dem Bären während der Ludi war das natürlich was anderes, aber der wollte uns ja auch angreifen..."


    Hätte Serrana geahnt, welche Auswirkungen ihr Anschmiegen auf ihren Verlobten hatte, dann wäre sie wohl mehr als verlegen geworden und schnell wieder zurückgewichen. Bislang war sie in dieser Hinsicht jedoch noch vollkommen unbedarft und ohne Hintergedanken und folgte einfach ihren eigenen Instinkten. Und da Sedulus nicht den Eindruck machte, als sei ihm ihre Nähe unangenehm, blieb sie auch weiterhin in ihrer gemütlichen Position und drückte ihn nur noch ein bisschen fester, als er ihr auch seine Vorfreude gestand.


    "Das ist schön." sagte sie mit einem breiten Lächeln. "Weißt du, was ich mich schon häufiger gefragt habe? Ob es mit uns wohl auch soweit gekommen wäre, wenn Großmutter damals bei den Fontinalia nicht in euer Impluvium gefallen wäre...." Eigentlich sollte man sich ja über fremde Missgeschicke nicht freuen, aber in diesem Fall war Serrana dem ungeschickten Sklaven nach wie vor mehr als dankbar, auch wenn sie sich an jenem Abend im ersten Moment sehr viel Angst um Laevina gehabt hatte.

    Serrana hatte bereits häufiger mit eigenen Augen gesehen, was Adula alles zustande brachte, wenn man ihr allzu "feine" Tätigkeiten aufs Auge drückte. Am guten Willen mangelte es ihr dabei noch nicht einmal, aber je zerbrechlicher die Dinge waren, die man ihr in die Hand drückte, desto größer war auch die Gefahr, dass sie es nicht unbeschadet überstanden.


    "Hm...Stallungen hört sich gar nicht so schlecht an. Vielleicht wäre das ja was für sie." Sedulus umfasste sie nun seinerseits mit seinen Armen, und Serrana schloss kurz die Augen, während sie ihr Gesicht in den Stoff seiner Tunika drückte, um dieses Gefühl der Geborgenheit richtig genießen zu können. Seit ihrer Kindheit hatte sie sich nicht mehr so aufgehoben gefühlt, hoffentlich blieb das auch so, wenn sie erst einmal verheiratet waren.


    "Freust du dich denn auch ein bisschen?" fragte sie nach einer Weile, und ihre Stimme wurde wieder ein klein wenig unsicher. So glücklich sie auch darüber war, wirklich nachvollziehen, warum ein einflussreicher Senator ausgerechnet sie heiraten wollte, konnte sie immer noch nicht.

    "In der Küche? Oh, ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist..." Serranas Gesicht nahm einen leicht erschrockenen Ausdruck an. "Großmutter hat Adula früher auch mal in die Küche abkommandiert, aber da war sie nicht besonders talentiert. Sie hat das Essen total versalzen und jede Menge Geschirr zerschlagen und Besteck zerbrochen. Am besten ist sie eigentlich auf dem Feld, aber ich gehe mal davon aus, dass dein Onkel Avarus keinen Pflug braucht, um seinen Garten zu berarbeiten. Auf jeden Fall fühlt sie sich an der frischen Luft viel wohler als drinnen."


    Noch ein Schritt nach vorn und Serrana stand wieder nah genug bei Sedulus, um ihre Arme um ihn zu legen und sich an seine Brust zu schmiegen. Den Kopf ein wenig in den Nacken gelegt schaute sie zu ihm hoch. "Weisst du, dass ich mir noch gar nicht richtig vorstellen kann, dass wir bald zusammenleben werden? So richtig zusammen, als Mann und Frau? Und dass ich dann nicht mehr hier sondern in der Casa Germanica wohnen werde?" Serrana seufzte und kuschelte sich noch ein bisschen enger an, bevor sie weitersprach. "Das ist wirklich eine komische Vorstellung, aber freu mich auch darauf."

    Serrana sah der auf sie zuschreitenden Septima mit aufrichtiger Bewunderung und nicht ganz frei von Neid entgegen. Wie nicht anders zu erwarten, sah die Tiberia wieder einmal blendend aus, kein Haar und nicht eine einzige winzige Falte ihrer Palla schienen irgendwie an der falschen Stellte zu liegen. Dankbar erwiderte sie die freundschaftliche Umarmung und die Begrüßungsküsschen und wies dann auf die Sitzgelegenheiten, die sie so gemütlich wie möglich hatte herrichten lassen.


    "Oh, nicht doch, Septima, ich muss mich bei dir bedanken. Ich hatte ehrlich gesagt nicht allzu viel Hoffnung, dass du auch noch Zeit haben würdest, um meine Pronuba zu sein. Aber ich freue mich darüber sehr. Setz dich doch bitte."


    Sie wartete einen Augenblick, bis sich die Freundin hingesetzt hatte und nahm dann selbst Platz, bevor sie ein wenig ungeduldig nach dem Sklaven mit den Getränken Ausschau hielt.


    "Wie ich mir meine Hochzeit vorstelle? Oh, ich weiß nicht so recht..." antwortete sie dann ein wenig verlegen. "Ich freue mich unglaublich darauf, Sedulus zu heiraten, aber über die Einzelheiten hab ich mir noch nicht allzuviele Gedanken gemacht. Aber immerhin ist meine Tunica recta schon fast fertig, im Weben bin ich, den Göttern sei Dank, ziemlich gut. Hat Calvena dir schon erzählt, dass es eine Doppelhochzeit sein wird?"

    Als Sedulus wieder zurück in die Bibliothek kam, ergriff Serrana lächelnd seine Hand und zog ihn wieder näher an sich heran. Dass sie heute noch nicht mit ihm schlafen wollte, bedeutete ja noch lange nicht, dass sie seine Nähe nicht genoss. Und wer wusste schon, wie oft sich in den nächsten Wochen wieder so eine günstige Gelegenheit ergeben würde.


    Aufmerksam hörte sie Sedulus zu und nickte dann nachdenklich. "Nun, ein bisschen was zu tun hat Adula ja schon, schließlich ist sie meine Leibsklavin. Aber wenn du zusätzlich etwas finden könntest, womit sie sich beschäftigen könnte, dann wäre sie dir vermutlich sogar dankbar. Allerdings nur, wenn das etwas mit körperlicher Arbeit zu tun hätte und nicht mit Schönheitspflege oder Handarbeit."

    Serrana sah Sedulus überrascht an. Über diese Dinge hatte sie eigentlich noch nie wirklich nachgedacht, aber sie konnte ganz gut nachvollziehen, was er meinte.
    "Nun, ähm...eigentlich hat sie immer mit mir in meinen Cubiculum übernachtet, seit ich in Rom angekommen bin. Aber wenn sie dich stört, dann kann sie in Zukunft natürlich woanders schlafen. Ich fürchte allerdings, dass sie sich freiwillig nicht allzuweit von mir aufhalten wird."
    Dankbar nahm Serrana sein Angebot an und wartete, bis Sedulus die Bibliotheca verlassen hatte. Dann zog sie die lädierte Tunika aus und schlüpfte in die Neue, bevor sie ihren ebenfalls mehr als zerupften Haarknoten öffnete und ihr hüftlanges Haar der Einfachheit halber zu einem Zopf flocht.


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    [Blockierte Grafik: http://img503.imageshack.us/img503/1383/adula.jpg]
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    Adula


    Adula hatte in der Zwischenzeit unbeweglich vor der Tür der Bibliothek ausgeharrt und rührte sich erst wieder, als Sedulus plötzlich zu ihr auf den Gang hinaustrat. Ohne auch nur eine Miene zu verziehen, ging ihr prüfender Blick in aller Seelenruhe einmal an ihm herunter und wieder hinauf, dann schaute sie wieder gleichgültig in eine Richtung, als gäbe es nichts uninteressanteres auf der Welt als einen römischen Senator.
    Kurz darauf öffnete sich die Tür und Serrana steckte den Kopf heraus.
    "Wenn du magst, dann kannst du jetzt wieder reinkommen, ich bin soweit."