Es hatte in den letzten Tagen und vor allem Nächten etliche Augenblicke gegeben, in denen Serrana an sich selbst, ihrem Verstand und vor allem an ihrer Belastbarkeit gezweifelt hatte, und so wurde ihr bei Crios' erster Bemerkung vor Erleichterung fast schlecht. Er nahm ihr Problema also ernst und war nicht der Auffassung, dass sie ihren elenden Zustand nur ihrer eigenen Schwäche zu verdanken hatte? Sie blinzelte kurz, um die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken die ihr bereits in den Augen brannten und dachte dann auch zu ihrer eigenen Ablenkung über seine Frage nach, bevor sie schließlich den Kopf schüttelte. "Ich wüsste nicht, mit wem ich darüber reden sollte. Zumindest nachts nicht. Meine Sklavin ist bei mir im Zimmer, und ohne sie wäre es sicher noch viel schlimmer, aber wirklich mit ihr reden kann ich über solche Dinge nicht. Und mit Axilla auch nicht, nicht nach dem, was mit ihr passiert ist, du weisst schon..." Serrana seufzte kurz auf und überlegte dann laut weiter. "Aber ich habe eine sehr gute Freundin, mit der kann ich zumindest tagsüber sprechen, das ist schon gut zu wissen..."
Über seine nächste Frage hatte Serrana sich schon selbst Gedanken gemacht, aber die einzige mögliche Erklärung, die ihr bislang eingefallen war zugleich auch die am wenigsten willkommene, denn sie zerstörte einen nicht geringen Teil ihrer bislang makellosen Vorfreude auf die nächsten Monate.
"Eigentlich wüsste ich keinen Grund, eigentlich ist mein Leben genauso wie immer. Naja, bis auf...ich..ähm..werde heiraten, bald sogar, im Frühling..." erzählte sie fast widerwillig, um dann schnell hinzuzufügen:"Aber damit hat es sicher nichts zu tun, ich freue mich nämlich sehr auf die Hochzeit, warum sollte ich also deshalb Albträume kriegen?"Nein, ihre bevorstehende Hochzeit war derzeit ihr kleines unantastbares Heiligtum, das sollte nicht durch irgendwelche dunklen Geschichten verschmutzt werden. Lieber beschäftigte Serrana wieder mit ihrer verstorbenen Mutter, auch wenn das ausgesprochen schmerzhafte Erinnerungen mit sich brachte, auf die sie lieber verzichtet hätte.
"So einen ähnlichen Rat hat mir meine Freundin auch gegeben. Ich kann mich noch an ein Lied erinnern, das meine Mutter mir immer vorgesungen hat, das summe ich jetzt immer vor mich hin." Ein verlegenes Lächeln glitt kurz über ihr Gesicht, das sich bei der Erinnerung an die altvertraute Melodie unbewusst entspannte und weicher wurde. "Tagsüber hilft das auch ganz gut, aber nachts ist es schwieriger, weil ich immer furchtbare Angst habe, wenn ich aufwache. Naja, und sonst kann ich mich eigentlich nur noch an Kleinigkeiten erinnern, bestimmte Bewegungen und Gesten und manchmal höre ich eine Stimme, die sich so anhört wie ihre. Nur das Bild aus meinem Traum, das ist vollkommen klar, und das ist so furchtbar gemein...." Serrana, die vor hilfloser Wut die Hände zu Fäusten geballt hatte, ließ diese nach einem Blick auf Crios schuldbewusst wieder locker. Was sollte er nur von ihr denken, wenn sie weiterhin daher redete wie ein kleines Kind?