"Es tut mir wirklich leid, dass der Kaiser so krank ist." sagte Serrana mit aufrichtigem Bedauern in der Stimme. Komisch, dass auch weit über den übrigen Menschen stehende Persönlichkeiten früher oder später von den Schwächen ihres eigenen Körpers eingeholt wurden. Eigentlich sollte man doch annehmen, dass sie in dieser Hinsicht die besondere Gunst der Götter besaßen...
"Vielleicht bekomme ich ihn ja auch irgendwann mal zu Gesicht, das wäre schön." überlegte sie laut, konnte sich auf Anhieb jedoch keine Gelegenheit vorstellen, bei der sich eine unwichtige kleine Priesterschülerin aus der Campania und der Kaiser des Römischen Reiches über den Weg laufen könnten. Aber man wusste ja schließlich nie, und ausserdem war das ja auch schon anderen gelungen.
"Weißt du, meine Großmutter behauptet, sie habe vor Jahren mit eigenen Augen Kaiser Vespasian und seinen Sohn Titus gesehen, während dessen Triumphzug anlässlich der Beendigung des Jüdischen Krieges. Natürlich ist das schon so lange her, dass das keiner mehr überprüfen kann, aber irgendwie glaube ich, dass diese Geschichte wirklich wahr ist."
So dunkel es auch in den Gassen war, durch die sie gerade liefen, war sich Serrana doch sicher einen kurzen Ausdruck von Missbilligung auf Valerians Gesicht zu sehen, als sie ihm von ihrer Flucht nach Rom berichtete. Kein Wunder, hätte man ihr diese Geschichte erzählt, wäre sie vermutlich auch schockiert gewesen.
"Ehrlich gesagt hoffe ich, dass so schnell niemand mehr eine Ehe für mich arrangieren wird. Zur Zeit lebe ich ja ganz allein in der Casa Iunia, meine iunischen Verwandten leben alle furchtbar weit entfernt in Ägypten und Germanien. Und irgend ein Aussenstehender käme sicher nicht auf die Idee, schließlich bin ich ja keine besonders gute Partie." Die letzten Worte kamen ohne besondere Bitterkeit, denn Serrana war allemal lieber eine ledige Frau ohne Geld als die wohlhabende Gattin des widerlichen Gnaeus Balbus in Nola.
"Wolltest du bislang eigentlich noch nie heiraten? Bevor du Calvena kennengelernt hast, meine ich?" Die Frage war so schnell rausgerutscht, dass es Serrana nicht mehr gelang, sie wieder zurückzunehmen oder so umzuformulieren, dass sie nicht mehr ganz so persönlich klang. Aber insgeheim war sie auch sehr gespannt auf die Antwort, denn Valerian war ja schließlich schon ein paar Jahre älter als Calvena und sie selbst.