Beiträge von Iunia Serrana

    Serrana erwiderte kurz Sedulus' Lächeln und wandte sich dann wieder Sabina zu, um ihre und damit auch indirekt die Frage ihres Vaters zu beantworten.


    "Nun, wie gesagt gibt es hier im Haus keine Kinder und deshalb eigentlich auch kein Spielzeug, aber ich hab da etwas, was ich dir gern zeigen würde. Vielleicht gefällt es dir ja."


    Sie wandte sich zur Tür, wo sich Adula still und unauffällig postiert hatte und machte dieser ein Zeichen. "Adula, hol bitte die Tiere aus Nola aus meinem Cubiculum. Sie müssten noch auf meinem Bett liegen."


    Adula nickte und war kaum eine Minute später mit einem kleinen Leinensack zurück, den sie ihrer Herrin reichte. Serrana dankte ihr mit einem kurzen Kopfnicken und leerte das Säckchen dann vorsichtig über dem Tisch aus, so dass nach und nach eine Menge kleiner hölzerner und bunt bemalter Tiere herauspurzelten. "Die Tiere hat mein Vater für mich geschnitzt als ich ungefähr so alt war wie du." erklärte sie Sabina. "Hilfst du mir dabei sie alle hinzustellen? Dann können wir genau sehen, was es für Tiere sind." Eigentlich kannte Serrana jedes einzelne von diesen Tierchen mit allen Farben und Details auswendig, da sie das einzige waren, was ihr an persönlicher Erinnerung an ihren Vater geblieben war. Aber das war im Moment ja vollkommen unwichtig. Sie selbst hatte diese Tiere als Kind heiss und innig geliebt und ständig mit ihnen gespielt. Und vielleicht konnten sie Sabina ja zumindest ein wenig ablenken.

    Immerhin sprach die Kleine mit ihr und war auch ganz lieb, das war doch immerhin schon ein Anfang. Serrana bot Sabina und ihrem Vater Plätze an, wartete, bis die beiden sich hingesetzt hatten und nahm dann selbst auf dem übriggebliebenen Stuhl Platz. Nur wenige Augenblicke später war der Sklave mit den gewünschten Getränken zurück und Serrana schüttete selbst Saft und verdünnten Wein in die Becher und reichte diese dann an ihre Gäste weiter. Sie selbst hätte am liebsten einen großen Schluck von Crios' Beruhigungstrank genommen, aber da das nunmal nicht ging, entschied sie sich für Wasser, stellte den Becher jedoch gleich wieder ab.


    Kurz musterte sie das kleine Mädchen und rang sich dann zu einem winzigen Vorstoß durch. "Es ist sicher ein doofes Gefühl für dich, hier zu sein und mich zu besuchen, oder? Deshalb freue ich mich auch um so mehr, dass du mit deinem Vater mitgekommen bist. Leider wohnen in diesem Haus nur Erwachsene und keine Kinder, mit denen du gleich ein wenig spielen könntest. Aber vielleicht fällt uns ja etwas anderes für dich ein."

    Puh, war das schwer! Sabina verzog kaum eine Miene und so legte sich Serranas Aufregung auch weiterhin nicht. Wann war sie eigentlich zum letzten mal in Anwesenheit eines anderen Menschen so nervös gewesen? Vermutlich im Herbst, als sie mit Calvena in der Villa Tiberia gewesen war, um sich beim Pontifex Durus für den Cultus Deorum zu bewerben. Aber der war immerhin Senator und wie gesagt Pontifex gewesen und kein sechsjähriges Mädchen...


    Froh, dass sie sich jetzt um die Getränke kümmern konnte, nickte Serrana und machte einem der wartenden Sklaven ein Zeichen. "Prima, dann lass uns mal hinübergehen und uns hinsetzen. Was möchtest du denn gern trinken? Ich kann dir Honigwasser anbieten oder auch Apfel- oder Pfirsichsaft. Was magst du lieber?" Dann wandte sie sich Sedulus zu, der in der Zwischenzeit nichts mehr gesagt hatte. "Und was kann ich für dich kommen lassen?"

    Da Silanus sich schon während des ganzen Gesprächs so zugänglich und großzügig gezeigt hatte, bemühte sich Serrana, sich ihre Erleichterung nicht allzu deutlich anmerken zu lassen. Schon die Vorbereitung und Durchführung der Cena während der Ludi Romani war eine Menge Arbeit gewesen, und ein Fest von der Größenordnung wie sie Silanus vorschwebte, übertraf dies noch bei weitem. Zumal es wirklich ein schönes Gefühl war, dass ihre Hochzeit der Anlass für ein festliches Zusammenkommen in der Casa Iunia sein würde.


    "Ja, ich denke, die Gästelisten werden sich sehr stark überschneiden." antwortete sie und konnte das Strahlen nur mit Mühe unter Kontrolle halten. "Ich werde das mit Calvena abgleichen, damit wir gegebenenfalls noch ein paar Namen hinzufügen können. Unsere Casa ist natürlich nicht besonders groß, aber wenn wir alle ein bisschen zusammenrücken, wird es schon irgendwie gehen."

    Nicht zum ersten Mal während einer Unterhaltung mit ihrer Cousine brauchte es ein Weilchen, bis der Sinn ihrer Worte richtig bei Serrana angekommen war und mit jedem Stückchen, durch das sich das Bild weiter vervollständigte, entglitt ihr der eigene Gesichtsausdruck ein wenig mehr.


    "Was meinst du mit "es hat nicht so sehr bluten SOLLEN?" fragte sie in der stillen Hoffnung, sich vielleicht verhört zu haben, und ihre Stimme wurde deutlich lauter. Kurz erinnerte sie sich wieder an Calvenas Erklärungen und schüttelte sich unwillkürlich, bevor sie ihre Cousine verzweifelt ansah. "Axilla, bitte sag mir, dass du das nicht absichtlich getan hast. Du hast doch nicht wirklich dein Kind umgebracht, oder?" Serrana sprang von der Bank auf und ging aufgebracht ein paar Schritte auf und ab um sich ein bisschen zu beruhigen bevor sie weitersprach und sich größte Mühe geben musste, um nicht allzu wütend zu werden.
    "Und was heißt überhaupt, du hast keinen Mann und noch keinen Verlobten? Das wusstest du doch schon vorher, also bevor du....äh...du weißt schon. Ich kann gar nicht fassen, dass du das nach der Geschichte in Ägypten nochmal getan hast. Oder hat er dich etwa vergewaltigt?" So schlimm das auch sein mochte, im Moment konnte sich Serrana tatsächlich nicht entscheiden, welche Vorstellung schlimmer für sie war: dass ihre Cousine Opfer einer Vergewaltigung geworden war oder sich bewusst ein weiteres mal als unverheiratete Frau mit einem Mann ins Bett gelegt hatte. Axillas letzte Frage ging in Serranas aufkeimender Empörung völlig unter, wie konnte sie aber auch nur auf die Idee kommen, in so einem Moment nach dem Termin für die Hochzeit zu fragen?

    Als sie sah, wie angestrengt das kleine Mädchen auf den Boden starrte, überkam Serrana eine Welle des Mitgefühls. Sie konnte sich noch zu gut daran erinnern, wie schüchtern sie selbst als Kind in der Gegenwart von Fremden gewesen war, im Grunde hatte sich daran bis heute ja nicht allzuviel geändert. Und in Sabinas Fall kam noch erschwerend hinzu, dass sie gerade in einem fremden Haus einer fremden Frau gegenüber stand, die in naher Zukunft ihren Vater heiraten würde.


    Nachdem sie noch ein paar Schritte näher an die beiden herangekommen war, hob die Kleine den Kopf und Serranas bislang ein wenig bemühtes Lächeln wich einem echten. Natürlich war Sabina noch klein und noch dazu ein Mädchen, aber trotzdem gab es in ihren Gesichtszügen eine ganze Menge, was Serrana an Sedulus erinnerte.


    "Salve Sabina." sagte sie freundlich und bemühte sich, sich von ihrer eigenen Unsicherheit nicht allzuviel anmerken zu lassen. "Ich freue mich auch sehr, dich kennenzulernen und dass du mich heute hier in der Casa Iunia besuchst." Sie wies kurz hinüber zu der Sitzgruppe in der Ecke des Atriums. "Wollen wir uns vielleicht hinsetzen und gemeinsam etwas trinken? Oder möchtest du dir lieber ein bisschen das Haus anschauen?"

    Serrana war sich nicht sicher gewesen, wie Axilla auf ihre Eröffnung reagieren würde. Mit einer Entschuldigung hatte sie allerdings überhaupt nicht gerechnet und daher sah sie ihre Cousine mit einer Mischung aus Überraschung und Fassungslosigkeit an.


    "Du wolltest nicht, dass ich etwas davon mitbekomme? Axilla, du bist in jener Nacht fast gestorben und wolltest nicht, dass ich etwas davon mitbekomme?" Sie schüttelte ungläubig den Kopf. "Das begreif ich einfach nicht. Es gibt Situationen, da ist doch einfach alles andere egal. Oder hast du dich so sehr geschämt wegen....wegen des Kindes?"


    So, jetzt war es endlich heraus. Weder Crios, noch Axilla oder Leander hatten jemals offen von einer Schangerschaft bzw der Fehlgeburt gesprochen, aber selbst für die unbedarfte Serrana waren die Anzeichen deutlich genug gewesen.

    Du liebe Güte, war sie nervös. Nachdem ihr die Ankunft von Sedulus und seiner Tochter gemeldet wurde, lief Serrana noch ein paar Mal in ihrem Cubiculum auf und ab wie ein Löwe im Käfig, zupfte an ihrer Kleidung herum und ging dann langsam ins Atrium hinüber, in dem ihre beiden Gäste bereits auf sie warteten. Während sie den Raum betrat, fasste sie unwillkürlich nach der kleinen silbernen Sonne, die sie um den Hals trug, seit sie sie bei den Hinterlassenschaften ihres Vaters gefunden hatte.
    Serrana holte noch einmal Luft und ging dann mit einem Lächeln auf Sabina und Sedulus zu.

    Über das so beängstigende Thema Abbruch wollte sie am liebsten gar nicht länger nachdenken und so nickte Serrana nur bekräftigend, als Calvena ihr persönliches Urteil zu dieser Sache abgab.


    "Ich hoffe, du hast recht." sagte sie dann nachdenklich. "Weißt du, manchmal bin ich tagsüber so müde, dass es mir vor den Augen flimmert, aber wenn ich dann in meinem Bett liege, bin ich hellwach." Bislang war es nur ein Gedankenspiel gewesen, aber in Serranas Kopf nahm die Idee, Axillas Medicus Crios in seinem Laden aufzusuchen immer konkretere Formen an. So schlimm die Nacht, in der ihre Cousine fast gestorben wäre, auch gewesen war, sie selbst hatte danach tief und fest geschlafen und das vermutlich nur, weil Crios den Sklaven und ihr diesen Trank gegeben hatte.


    Doch auch ohne Trank ging es ihr jetzt bereits deutlich besser, denn es hatte gutgetan mit Calvena über all diese Dinge zu reden. Wie gut, dass sie einander so blind vertrauten, einem anderen Menschen hätte sie all das nicht so einfach erzählen können.


    "Ja, das ist eine gute Idee." sagte sie mit neuer Energie. "Wo kann ich hier denn am besten hingehen, um mich frischzumachen?" Die Casa Germanica war so riesig, kaum vorstellbar, dass sie in nicht mehr allzu ferner Zukunft ihr Zuhause sein würde.

    Serrana nickte eifrig, als Crios erwähnte, sie würde einen etwas stärkeren Trank brauchen. Allerdings war sie mittlerweile so verzweifelt, dass sie von ihm auch alles andere mit Kusshand entgegen genommen hätte, solange ihr dies nur Hoffnung auf Linderung versprach. Im Moment dachte sie eigentlich nur bis zu dem Moment, an dem sie ihre Ängste zumindest für ein paar Stunden würde vergessen können,und vielleicht hatte sie ja auch Glück, und die Träume waren danach verschwunden...
    Einen kurzen Augenblick sonnte sich Serrana in dieser tröstlichen Vorstellung, aber schon kurz darauf wurde diese Illusion wieder zerstört. Es konnte jederzeit wiederkommen, wenn sie den Trank nicht mehr nahm? Nein, alles, nur das nicht...
    Sie hätte selbst nicht erklären können warum, aber aus irgendeinem Grund flößte ihr dieser junge Medicus mehr Vertrauen ein, als sie es bei einem relativ unbekannten Menschen und noch dazu einem Mann jemals für möglich gehalten hätte, und so entschied sich Serrana nach kurzem Ringen dazu, ihm die ganze Wahrheit zu erzählen.


    "Es ist ein wenig schwierig, das zu erklären..." begann sie und malte mit dem Finger kleine Muster auf den Tisch, während sie nach den richtigen Worten suchte. "Am Anfang hab ich immer vom Tod meiner Mutter geträumt." Mit einiger Anstrengung drängte sie die wie immer bei diesem Thema automatisch aufsteigenden Tränen zurück und bemühte sich, so ruhig wie irgend möglich weiter zu sprechen. "Meine Mutter ist vor zehn Jahren bei der Geburt meines Bruders verblutet, und ich war bei ihr in ihrem Zimmer, als es geschah. In meinen Träumen gehe ich wieder und wieder zu ihr ins Cubiculum und sehe sie da liegen sehen, und überall ist Blut..." Serrana räusperte sich. "Und danach sehe ich immer meinen toten Bruder, und er ist ganz klein und blau und bewegt sich nicht." Sie schauderte kurz und warf Crios kurz einen prüfenden Blick zu, aber da dieser keine Anstalten machte sie zu unterbrechen, räusperte sie sich erneut und sprach dann weiter. Gleichgültig, ob der Medicus sie danach für hysterisch oder gar schwachsinnig halten würde, es erleichterte sie irgendwie darüber zu reden, und daher nahm sie auch eine spätere Missbilligung oder gar Verachtung von seiner Seite in Kauf. Zumal der schwerste Teil noch kam...
    "Seit einigen Nächten ist noch etwas anderes dazugekommen." fuhr sie mit leicht zittriger Stimme fort. "Ich hab das Gefühl, aus dem Traum aufzuwachen und freue mich, dass es vorbei ist, und dann sehe ich, dass mein eigenes Bett voller Blut ist, und es ist mein Blut...und meistens schreie ich dann und wache auf, aber es dauert immer furchtbar lange, bis mir klar ist, dass wirklich alles in Ordnung ist." So, jetzt war es raus. Sollte Crios sie ruhig auslachen oder verachten, solange er ihr nur genug von diesem Trank mitgab.

    Serrana, die ohnehin schon seit geraumer Zeit vorgehabt hatte, Romana zu begrüßen, nickte erfreut und konnte ein kleines Kichern nicht unterdrücken, als Sedulus die Claudia als ihrer beider Schatten bezeichnete. Aber irgendwo hatte er schon recht. Auf den für sie beide so wichtigen Festen war die stattliche Vestalin immer in ihrer Nähe gewesen, und Serrana hatte sie als Freundin mittlerweile sehr liebgewonnen.


    "Salve, Romana." sagte sie daher mit einem offenen und herzlichen Lächeln, als sie sich gemeinsam mit Sedulus der Claudia zugewandt hatten. "Wie schön, dass du auch hier bist. Wir können deinen Vorgesetzten bei den Vestalinnen wirklich dankbar sein, weil sie dich sooft zu uns lassen."

    Als Axilla den Garten betrat, sah Serrana auf und registrierte zu ihrer nicht geringen Erleichterung, dass ihre Cousine von Tag zu Tag gesünder aussah und auch ihr Gesicht endlich wieder Farbe bekommen hatte. Wenn man daran dachte, in welch elendem Zustand sie noch vor wenigen Tagen gewesen war, dann grenzte diese Erholung schon fast an ein Wunder.
    Axilla setzte sich zu ihr und Serrana rutschte automatisch ein Stückchen zur Seite, um ihr ein bisschen mehr Platz auf der Bank zu machen.


    "Salve, Axilla." erwiderte sie den Gruß ihrer Cousine und überlegte dann fieberhalft, wie sie am besten fortfahren konnte, ohne dass ihre Cousine sich angegriffen fühlte und gleich wieder aufstand und ging. "Ich... ähm....wollte gern mit dir sprechen wegen dem, was in jener Nacht geschehen ist, als du....ähm...du weißt schon..." Ein wenig unsicher sah sie Axilla an und wartete auf deren Reaktion. Je nachdem, wie die auf diese vorsichtige Einleitung reagierte, konnte sie vielleicht eher absehen, wie deutlich sie im weiteren Verlauf des Gesprächs noch werden konnte oder musste.

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    Araros warf automatisch einen weiteren Blick hinüber zu der Sänfte und lächelte, als der Senator schließlich mit einem kleinen Mädchen an der Hand zu ihm herüber kam. Die war ja niedlich...


    "Salve, Senator Germanicus und salve auch dir, kleine Domina." begrüßte er die beiden mit besonderer Freundlichkeit, während er die Porta weiter öffnete. "Ich nehme an, ihr möchtet zu domina Serrana?"

    So, wie es aussah, schien dieser ungewöhnlich kalte Winter allmählich zuende zu gehen und dem Frühling Platz zu machen. Kaum war Serrana in den Hortus hinausgetreten, da schloss sie für einen Moment die Augen, um die Ende Februar noch etwas schwache Sonne auf ihrem Gesicht und ihren Armen und Händen zu geniessen, bevor sie begann, langsam zwischen den Blumenbeeten und den beiden Brunnen im Garten auf- und abzugehen. Unter einem der griechischen Bäume blieb sie stehen und lächelte, als sie die neuen grünen Triebe an dessen Zweigen entdeckte.
    Einen Moment lang genoss Serrana noch die friedliche Stille um sie herum, dann drehte sie sich zu Adula um, die ihr im Abstand von einigen Schritten gefolgt war.


    "Adula, geh zu domina Axillas Cubiculum und frag sie, ob sie einen Augenblick Zeit hat, um herzukommen und mit mir zu sprechen. Ich werde hier auf sie warten." Adula nickte und verschwand im Haus und Serrana ließ sich seufzend auf einer der steinernen Bänke nieder. Eigentlich hätte sie ihre Cousine genauso gut direkt in deren Zimmer aufsuchen können, aber seit jener Nacht vermied sie diesen Raum, so weit es nur irgendwie möglich war. Ob Axilla wohl kommen würde? Serrana graute ein wenig vor dem bevorstehenden Gespräch und den Dingen, die darin vermutlich zur Sprache kommen würden. Aber wenn sie nicht in knapp sechs Wochen nicht nur dieses Haus sondern auch eine der letzten engen Verwandten, die ihr noch geblieben waren, wie eine Fremde zurücklassen wollte, dann war es höchste Zeit für ein paar offene Worte.

    Der Blick, den Serrana Valerian nach seiner Erklärung zuwarf, enthielt nicht nur Bewunderung und Neugier sondern auch eine ziemliche Portion undamenhaften Neid. Oh, wie gern würde sie auch einmal den Kaiser sehen und wenn auch nur für einen kurzen Augenblick...


    "Wie sieht er denn aus, der Kaiser?" fragte sie aufgeregt nach und malte sich direkt den wichtigsten Mann des Reiches vor ihrem inneren Auge aus. "Ich meine, kann man ihm irgendwie ansehen, dass er ein besonderer Mensch ist, oder sieht er aus wie jeder Andere?" Allein die Frage kam ihr schon ketzerisch vor, hoffentlich nahm Valerian als loyaler Praetorianer ihr die nicht übel.


    Valerians Frage war gar nicht so einfach zu beantworten, vor allem, da der junge Mann und sie bislang noch nicht allzu gut miteinander bekannt waren.


    "Nun, ähm...nach dem Tod meines Großvaters hat einer seiner Nachbarn um meine Hand angehalten und Großmutter hat sofort ja gesagt, weil dieser Nachbar ziemlich wohlhabend ist und eine Menge Land besitzt.
    Aber dieser Mann ist wirklich ganz schrecklich, das musst du mir glauben."
    fuhr Serrana eifrig fort, damit Valerian nicht etwa den Eindruck gewann, sie hätte verantwortungslos eine gute Partie in den Wind gesetzt. "Ich habe zehn Jahre im Haus meiner Großeltern gelebt und in all der Zeit hab ich meiner Großmutter nie widersprochen und ihr immer gehorcht, aber diesen Menschen heiraten das konnte ich einfach nicht..." Serrana schüttelte sich und sowohl in ihrem Gesicht als auch in ihrer Körpersprache spiegelte sich ihre innerer Abscheu wider. "Naja, und dann hab ich meinem Verwandten Silanus heimlich einen Brief geschrieben, und der hat mir erlaubt in die Familiencasa in Rom zu ziehen. Und dann hab ich einfach meine Sachen gepackt und hab mich auf den Gemüsekarren von einem Klienten meines Großvaters gesetzt. Großmuttter hat fast der Schlag getroffen, aber ich bin trotzdem gefahren." Bei den letzten Worten hatte sich Serranas Körperhaltung deutlich gestrafft und sie lächelte zufrieden vor sich hin. Allzu häufig hatte sie sich in ihrem bisherigen Leben noch nicht gegen andere durchgesetzt, aber bei diesem speziellen Mal hatte es sich wahrlich gelohnt.

    Auch wenn es vielleicht kindisch war, aus irgendeinem Grund war es Serrana wichtig, dass Sedulus ihre Verlobung auch noch einmal vor allen bestätigte.
    Sie genoss kurz seine unerwartete aber durchaus willkommene Nähe, als er sie plötzlich an sich zog, um dann Calvena auf deren geflüsterte Frage zu antworten.


    "Was redest du denn da für einen Unsinn? Mach dir doch bitte nicht solche Gedanken. Ich war einfach nur müde gestern abend, sonst wäre ich sicher noch länger auf dem Fest geblieben." wisperte sie fast ebenso leise zurück, bevor sie sich wieder den übrigen Anwesenden um sie herum zuwandte. Bevor sie noch dazu kam, Ursus auf seine Frage nach Sabina zu antworten oder die neu hinzugekommene Romana zu begrüßen, wurde Serrana von einem Tumult am Buffet abgelenkt. Von den beiden Beteiligten kannte sie nur Duccius Vala, der einen Moment später, bedeckt mit etwas das wie klebriger Nachtisch aussah, an ihnen vorbei und in einen anderen Teil des Hauses stürmte.
    'Geschieht ihm recht.'dachte Serrana mit für sie ungewohnter Gehässigkeit und verzog dann ein wenig gequält das Gesicht, als Sedulus über seine aktuellen Probleme mit seiner Tochter Sabina sprach. Obwohl sie sich das vorher niemals hätte vorstellen können, wurde sie bei dem Gedanken an das bevorstehende Treffen mit dem kleinen Mädchen allmählich genauso nervös wie vor ihrer Opfer-Prüfung. Auch Sedulus wirkte bei diesem Thema ein wenig geknickt, und Serrana beschloss, für den Rest des Empfangs lieber nicht mehr darüber nachzudenken, genauso wie sie es bis jetzt nach Möglichkeit vermieden hatte, sich allzuviele Gedanken über seine verstorbene Frau zu machen.
    Serrana hatte gerade den Mund geöffnet, um nun doch endlich Romana zu begrüßen, als der Duccier, mittlerweile wieder gereinigt, aus den Tiefen des Hauses zurückkehrte und mit der etwas verwirrt wirkenden Axilla im Schlepptau bei ihren Gastgebern auftauchte. Sie bemühte sich um einen möglichst ausdruckslosen Gesichtsausdruck, doch spätestens, als sie das Wort "beflecken" aus dem Mund des riesigen Germanen hörte, verfinsterte sich ihr Blick endgültig. Ja, damit, wie man jemandem oder etwas befleckte, kannte sich Vala vermutlich hervorragend aus...Unfassbar....da verführte er ihre unverheiratete Cousine, drehte ihr ein uneheliches Kind an und besaß auch auch die Kaltschnäuzigkeit, mit ihr bei einem offiziellen gesellschaftlichen Ereignis aufzutauchen. Und das alles nur kurze Zeit, nachdem sie das gemeinsame Kind wieder verloren hatte und dabei um ein Haar gestorben wäre. Serrana funkelte den wesentlich größeren Vala wütend an und wandte dann wieder den Blick ab, um nicht noch ein weiteres öffentliches Ärgernis hervorzurufen. Der Gedanke, dass der Duccier mit der ganzen Geschichte gar nicht zu tun haben könnte, kam Serrana nicht eine Sekunde in den Sinn. Wer hätte es auch sonst sein sollen? Sie konnte sich noch zu gut an den Tag erinnern, an dem Axilla ihr zum ersten Mal von Vala erzählt hatte. Hals über Kopf verliebt war ihre Cousine da in den Germanen gewesen, und daraus hatte dieser ganz offensichtlich seinen Vorteil gezogen.

    In diesem Moment hätte Serrana nicht festmachen können, welches Gefühl in ihr nun gerade übermächtig war, als sie Calvenas Schilderungen zuhörte und bei dem Wörtchen "verbluten" leicht zusammenzuckte. Irgendwie waren sie alle gleichzeitig und gleichermaßen präsent, von Widerwillen und Abscheu über Angst und Verständnislosigkeit, nur positive Empfindungen waren nicht dabei.


    "Du hast Recht, das ist wirklich scheusslich." sagte sie schließlich und verzog dabei ein wenig angeekelt das Gesicht. Irgendwo in ihrem Hinterkopf begann sich gerade etwas zu rühren und das eine oder andere Puzzle-Teilchen zusammenzufügen, aber noch weigerte sich ihr Verstand, bewusst darüber nachzudenken.


    "Ich kann mir keinen Grund vorstellen, warum ich so etwas tun könnte. Schließlich würde das doch nichts anderes bedeuten, als mein eigenes Kind umzubringen, und das wäre es doch, auch wenn es noch in meinem Körper wäre. Dann hätte ich es im Grunde auch nicht anders verdient, als selbst dabei zu sterben." Serrana schauderte und schlang die Arme um ihren Körper, als könne sie die Vorstellung dadurch von sich weghalten.
    "Nein, so etwas würde ich niemals tun. Lieber würde ich ganz auf die Ehe und Kinder verzichten." Bevor sie diese Worte ausgesprochen hatte, hätte sich Serrana niemals träumen lassen, dass ihr dieser Gedanke so unsagbar wehtun würde. Und so elend sie sich im Moment trotz der liebevollen Hilfe ihrer Freundin auch gerade fühlte, spürte sie, dass tief in ihrem Innern bereits eine Entscheidung gefallen war.


    "Ich möchte Sedulus' Frau werden." sagte sie dann leise und allein durch diese zaghaften Worte, schien wieder ein bisschen Energie zurück in ihren Körper und ihren verängstigten Geist zu fließen. "Ich möchte ihn heiraten und Kinder mit ihm haben. Und vielleicht gewähren mir die Götter ja diese Gunst, ohne gleich mein Leben als Ausgleich dafür haben zu wollen. Vielleicht ist es ganz gut, dass ich das jetzt noch nicht weiß."Serrana atmete wieder einmal tief ein und aus und lächelte Calvena dann noch ein wenig verzagt an. "Wenn nur diese Angst nicht wäre...Aber vielleicht wird das ja auch besser, wenn ich endlich mal wieder in Ruhe schlafen kann. Wenn ich nicht ständig so müde wäre, dann würde ich mich sicher auch nicht mehr so elend fühlen, meinst du nicht auch? Auf jeden Fall danke ich dir, dass du so offen mit mir gesprochen hast. Es ist sicher nicht leicht für dich gewesen, mir von all diesen Dingen zu erzählen."

    Kaum hatte Crios zugestimmt, ihr noch einmal etwas von seinem Trank zu geben, da stieß Serrana geräuschvoll den Atem aus, den sie automatisch angehalten hatte, nachdem sie ihre Frage gestellt hatte und folgte ihm nickend hinüber zu den Tischen. Er würde ihr also tatsächlich helfen...was für eine wundervolle Vorstellung. Und selbst wenn ihr das nur zu zwei oder drei ruhigen Nächten verhelfen würde, dann hatte es sich schon gelohnt hierher zu kommen.
    Da sie wusste, dass dieser auf rein medizinischem Interesse beruhte, hielt sie seinem musternden Blick stand und suchte dabei nach den passenden Worten.


    "Also...eigentlich ist es beides." begann sie ein wenig zögerlich. "Ich habe seit einiger Zeit immer wieder furchtbare Albträume. Am Anfang konnte ich nur danach nicht wieder einschlafen, aber mittlerweile hab ich solche Angst davor, dass sie wiederkommen, dass ich mich stundenlang in meinem Bett herumwälze und versuche, die Augen aufzuhalten." Serrana biss sich kurz auf die Unterlippe, als ihre Stimme für einen Moment arg wacklig wurde, und sprach weiter, nachdem sie sich wieder gefasst hatte.
    "Naja, und tagsüber bin ich auf der einen Seite entsetzlich müde und kann mich kaum auf meine Arbeit im Tempel konzentrieren. Aber zwischendurch muss ich immer an diese Träume denken, und dann wird mir ganz schlecht vor Angst, ganz egal, wo ich gerade bin." So nett und freundlich Crios auch zu ihr war, im Moment fühlte die Iunia nur ein unglaubliches Gefühl der Scham. Was hatte ihr ihre Großmutter tag und nacht gepredigt: um keinen Preis die Haltung verlieren, ganz egal in welcher Situation! Wenn Laevina sie hier sehen könnte, würde sie sich vermutlich mit Verachtung abwenden, weil ihre schwache Enkelin wegen ein paar Schlafstörungen Hilfe bei einem Wildfremden suchte.

    Mit jeder Sekunde, die sie in der Taberna verbrachte, wuchs Serranas Nervosität und sie hatte bereits einen kleinen Schritt zurück Richtung Tür gemacht, als sie ein Rascheln hörte und die vertraute Gestalt von Axillas Medicus hereinkam und sie ansprach. Komisch eigentlich, aber schon bei seinem Anblick wurde sie ein wenig ruhiger. Allerdings hatte er auch ihrer Cousine das Leben gerettet, kein Wunder also, dass er ihr ein Gefühl der Sicherheit vemittelte.


    "Salve, Crios." antwortete sie ihm viel zu leise und räusperte sich dann, um ein bisschen von ihrer Verlegenheit loszuwerden.
    "Nein,....ähm....um Axilla geht es nicht....ich...ich bin meinetwegen hier." Oh Götter, war das schwer, wie drückte sie sich denn jetzt nur am besten aus?
    Der Drang, beim Sprechen auf den Boden vor ihren Füßen zu starren, wurde immer größer, aber es gelang ihr doch, den Blick nicht von dem jungen Griechen abzuwenden und ihm weiter in die Augen zu sehen.
    "Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll, aber ich wollte dich fragen, ob du mir vielleicht noch mal etwas von dem Trank geben könntest. Du weißt schon.....von dem, den die Sklaven und ich getrunken haben als...also in jener Nacht." Serranas Blick nahm kurz einen hoffnungsvollen Ausdruck an, dann senkte sie ihn doch noch und begann, wie üblich, wenn sie nervös war, an ihrem Armreifen herumzuspielen. Immerhin hatte sie es über die Lippen bekommen, jetzt konnte sie nur noch seine Reaktion abwarten.