Beiträge von Iunia Serrana

    Serrana bedankte sich nicht noch einmal ausdrücklich bei ihrer Freundin , aber vermutlich spiegelten sich ihre Gefühle auch so deutlich genug in ihrem Gesicht wider.
    Und so, wie die Welt nun mal war, würde früher oder später sicher auch der Zeitpunkt kommen, an dem Calvena ihre Hilfe und Loyalität brauchen würde und sie sich revanchieren konnte.


    Calvena sprach plötzlich immer leiser, und Serrana musste sich ein Stück vorbeugen, um ihre Freundin weiterhin gut verstehen zu können. "Ja, natürlich." nickte sie automatisch, als Calvena sie um absolute Diskretion bat, auch wenn ihr in der Magengegend zunehmend unwohl wurde. Ob sie das wirklich alles hören wollte?
    Das mit den Kräutern leuchtete ihr ein, auch wenn es der unbedarften Iunia reichlich schwer fiel, sich in das Tagewerk und die damit verbundenen Sorgen und Nöte einer Lupa hineinzuversetzen. Du liebe Güte, über all diese Dinge hatte sie noch nie wirklich nachgedacht, auch wenn sie natürlich Sinn machten. Was für eine entsetzliche Vorstellung, ein Kind zu bekommen und nicht einmal zu wissen, von wem es überhaupt war...
    Und obwohl sie das Thema eigentlich abstieß, hörte sie den Erklärungen ihrer Freundin weiterhin gebannt zu und ihre Augen weiteten sich zunehmend. Die Vorstellung, eine Schwangerschaft von vornherein zu verhindern, konnte sie in ihrem derzeit so angeschlagenen Zustand durchaus nachvollziehen, aber das Andere....


    "Ein Abruch? Meinst du damit, dass man eine Schwangerschaft beendet, wenn man schon ein Kind in sich hat?" fragte Serrana mit leicht wackliger Stimme nach. Davon hatte sie zwar aus den Gesprächen der weiblichen Hausklaven in der Campania und auch hier in Rom schon mal etwas aufgeschnappt, hatte sich damit jedoch innerlich nie wirklich auseinandergesetzt, da es unendlich weit von ihrem eigenen Leben entfernt gewesen war. Bis jetzt zumindest.
    Und was sollte sie tun? Mit Sedulus darüber sprechen? Ausgerechnet mit ihm?


    "Oh nein, das kann ich doch nicht tun." antwortete sie und wurde zunehmend wieder panisch. "Ich kann doch nicht mit einem Mann über SO ETWAS sprechen, wie stellst du dir denn das vor? Das krieg ich nie über die Lippen, es sei denn, ich betrinke mich vorher..." Vielleicht war das eine Option, über die sie nochmal nachdenken sollte, schließlich hatte sie seinerzeit nach ihrem Wein-Exzess in den Thermen zumindest tief und traumlos geschlafen.

    So peinlich der lautstarke Auftritt der beiden Frauen auch war, irgendwie übte er dennoch eine gewisse Faszination auf Serrana aus, die die schrillen Stimmen kaum ausblenden konnte, um sich auf die wesentlich angenehmere der Tiberia zu konzentrieren.


    "Wie? Oh, ihr Götter, natürlich nicht...." sagte sie hastig, als Septimas Frage endlich richtig bei ihr angekommen war, und stellte dann erfreut fest, dass sie mit dieser Bemerkung im Grunde auch schon die zweite beantwortet hatte, die ihr fast genauso peinlich war. Ein nackter Sklave im Garten, du liebe Güte....Doch so abstoßend die beiden Frauen mit ihrem ordinären Gerede auch wirken mochten, vollkommen kalt ließ die Iunia dieses Thema nicht, und das irritierte sie doch ein wenig. Hoffentlich merkte man ihr davon nicht allzuviel an.
    In Serranas Blick, mit dem sie die Tiberia nun musterte, schwangen sowohl Bewunderung als auch ein wenig Neid mit. Wie schaffte sie es nur, immer so entspannt und völlig souverän zu wirken?
    Septima kam jetzt wieder auf ein anderes Thema zu sprechen, und Serrana ergriff dankbar den rettenden Strohhalm, um das Gespräch wieder in unverfänglichere Gewässer zu lenken.


    "Dein Vater hat es nicht gern gesehen, wenn du gelesen hast?" fragte sie mit echter Überraschung. "Aber warum denn das nicht? Meine Großmutter hat mir auch all diese Handarbeiten beigebracht, aber dafür durfte ich auch viel Zeit im Officium meines Großvaters verbringen, der hat mich selbst lesen und schreiben gelehrt und mir viele andere Dinge erklärt, die ich noch nicht verstehen konnte. Das war wirklich sehr schön." Serranas Blick nahm bei dieser Erinnerung kurz einen weichen und liebevollen Ausdruck an, und Septimas Bemerkung über die Vorzüge von Wohlstand ging ein wenig an ihr vorbei.
    "Manchmal finde ich es sogar ganz schön am Webstuhl zu sitzen." erklärte sie dann nachdenklich. "Man kann dabei die Gedanken einfach fließen lassen, das tut wirklich gut, finde ich." Beim Titel "Odysse horchte sie auf. "Oja, das ist ein wunderschönes Buch. All diesen fernen Länder und die fremden Völker, soviel werden wir wohl nie zu sehen bekommen, auch wenn wir uralt werden. Dein Onkel hat sicher sehr über dein Geschenk gefreut, oder?" Wie es wohl war, mit einem echten Consul verwandt zu sein? Damit konnten die Iunier, zumindest in den letzten Jahrzehnten, wirklich nicht mithalten.


    Mittlerweile war Serrana so in dem Gespräch mit Septima angekommen, dass sie das Gegacker nur noch aus der Ferne wahrnahm und erst bei einem bestimmten Namen stutzte. Kretischer Stier? In den Thermen? Und eine Patrizierin, die ihn sich unter den Nagel gerissen hatte?
    Serrana konnte sich nicht mehr allzu gut an Flavia Celerina erinnern, da ihr selbst an jenem denkwürdigen gemeinsamen Tag in den Thermen alles andere als wohl gewesen war, aber irgendwie schienen die Puzzle-Teilchen perfekt zusammenzupassen. Aber dass die Flavia mit ihrem arroganten Auftreten tatsächlich mit einem einfachen Sklaven.....nein, unmöglich...
    Irgendwie wurde ihr die Nachbarschaft jetzt doch ein wenig unangenehm und Serrana überlegte krampfhaft, wie sie am besten einen Ortswechsel einleiten konnte.


    "Ähem, was hältst du davon, wenn wir nochmal ein bisschen weiterlaufen? Irgendwie ist der Wind doch ziemlich kühl, wenn man mitten auf dem Platz stehen bleibt..."


    Serrana sah Septima ein wenig flehend an, doch schon ein paar Sekunden später erschallte die Stimme von neuem.
    "Ja, genau das ist sie. Offenbar hat die Gute ganz besondere Bedürfnisse, die man nur mit exotischen Mitteln stillen kann. Aber nun gut, wenn ihr Mann es sich leisten kann, ihr solche Spielzeuge zu schenken.... Ich würde da auch nicht nein sagen, aber mein Faustus ist dafür natürlich viel zu knickerig. Nein, ich muss mich mit einem Nubier vom Wühltisch zufrieden geben. Die Welt ist doch wirklich ungerecht, findest du nicht....?"

    Als der Sklave den Namen seines Herrn nannte, fiel Araros auf, dass er ihn schon ein oder zweimal als dessen Begleitung gesehen hatte und nickte. Mittlerweile hatte es sich auch unter den Sklaven der Casa Iunia herumgesprochen, dass die Herrin Serrana den Senator Germanicus Sedulus heiraten würde und daher traten sie diesem mit besonderer Freundlichkeit und Aufmerksamkeit entgegen.


    "Übermorgen hat die junge Herrin keinen Dienst im Tempel, daher wäre dieser Tag günstig für einen Besuch." antwortete er nach kurzem Nachdenken. "Ich werde domina Serrana Bescheid geben, sollte sie wider Erwarten doch verhindert sein, dann werden wir einen Boten zur Casa Germanica schicken."

    Serrana betrachtete mit großer Faszination die Mundakrobatik des Beamten und konnte nur mit Mühe ein Kichern unterdrücken, als sich dessen Zunge immer wieder an den verschiedensten Stellen seiner Backentaschen abzeichnete.
    Erst Sedulus' Bemerkung lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder in eine andere und angenehmere Richtung.


    "Ja, das hoffe ich auch." sagte sie und lächelte ihren zukünftigen Ehemann ein bisschen verlegen an.

    Nachdem sie eine kleine Ewigkeit vor der Taberna Medica Decima auf und ab gelaufen war und immer wieder ein paar Schritte auf die Tür zu und dann wieder zurück gemacht hatte, betrat Serrana schließlich doch die Räumlichkeiten, blieb jedoch direkt im Eingangsbereich stehen und sah sich unschlüssig um. Nach Crios' letztem Kontrollbesuch bei Axilla hatte sie Adula heimlich hinter dem Medicus hergeschickt, um seine Adresse herauszubekommen und sich bereits im selben Moment geschämt, dass sie nicht genug Mut gehabt hatte, ihn einfach danach zu fragen. Aber was hätte sie Crios sagen sollen, wenn er nach dem Grund gefragt hätte? Und was sollte sie im sagen, falls er heute im Laden war? Und was, wenn er gar nicht da war, sondern jemand anders?
    Wie schon so oft in Serranas Leben, war die Versuchung, einfach unerkannt wieder wegzulaufen im Augenblick ziemlich groß, aber trotzdem hielt irgendetwas sie in diesen so angenehm nach Pflanzen und Kräutern riechenden Räumen zurück. Und ausserdem....wer sollte ihr sonst helfen, wenn nicht er? Zumindest würde sie ihm nicht ganz so viel erklären müssen wie einem fremden Medicus, zu dem sie sich vermutlich ohnehin niemals hintrauen würde.
    Serrana atmete ein paarmal tief ein und aus, um ihre innere Anspannung ein wenig nieder zu kämpfen. Ein kleinen Augenblick würde sie warten, falls dann niemand kam, konnte sie immer noch wieder nach hause gehen.

    "Oh, danke schön." sagte Serrana, als Calvena mit einem Taschentuch zurückkam und es ihr in die Hand drückte. Kurz fühlte sie Scham in sich aufsteigen, weil ihre Freundin sich um sie kümmern musste wie um ein heulendes Kleinkind. Aber jetzt war es für derartige Empfindlichkeiten ohnehin zu spät, daher wischte sich die Iunia die letzten Tränen aus dem Gesicht, schneuzte sich einmal ordentlich und hörte Calvena dann wieder aufmerksam zu.


    "Jede Mutter dichtet ihren eigenen Text?" fragte sie erstaunt nach, nickte dann jedoch. "Ja, das kann sein, ich glaub, das Lied hatte etwas mit mir und unserem Haus zu tun, vielleicht fällt es mir ja irgendwann ja wieder ein..." Das Ablenkungsmanöver ihrer Freundin ging zumindest für die nächsten Minuten auf, denn zum ersten Mal seit etlichen Tagen konnte Serrana wieder an ihre Mutter denken, ohne dass sich in ihr alles vor Angst und Hilflosigkeit zusammenzog.


    Leider nahm das Gespräch der beiden Mädchen jedoch allmählich eine Richtung, die Serrana gleich wieder etwas nervös machte.
    Eine Schwangerschaft verhindern? In ihrem zur Zeit ziemlich angeschlagenen und verängstigten Zustand hörte sich diese Option in den Ohren der Iunia sogar fast ein wenig verlockend an. Es war sicher ganz beruhigend zu wissen, dass man darauf selbst ein wenig Einfluss nehmen konnte... Aber andererseits hatte sie sich bis vor wenigen Tagen immer eigene Kinder gewünscht und ausserdem war sie mit ihren Wünschen und Erwartungen für die Zukunft ja nicht allein.


    "Meinst du damit, dass eine Frau nicht schwanger werden muss, wenn sie es nicht will?" fragte sei vorsichtig nochmal nach, da sie nicht sicher war, ob sie Calvenas Andeutung richtig verstanden hatte. "Verachte mich bitte nicht, aber im Moment habe ich solche Angst, dass ich froh wäre, wenn es solche Möglichkeiten gäbe. Aber dann würde mich Sedulus nicht mehr heiraten wollen. Welcher Mann will schon eine Ehefrau, die keine Kinder kriegt." Serrana biss sich kurz auf die Unterlippe und spielte ein wenig an ihrem Armreifen herum, damit sie Calvena nicht in die Augen schauen musste. "Ich verstehe mich ja selbst nicht. Schließlich wollte ich immer ganz viele Kinder haben und jetzt benehme ich mich so armselig und feige. Meinst du, es gibt eine Chance, dass das bis zur Hochzeit wieder weggeht?" fragte sie nach, obwohl sie in dieser Hinsicht selbst wenig Hoffnung hatte.

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    Unglaublich, was in den letzten Tagen für ein ständiges Kommen und Gehen in der Casa herrschte. Araros konnte sich noch gut daran erinnern, dass das Haus im letzten Sommer vollkommen ausgestorben gewesen war, und jetzt musste er täglich mehrfach zur Porta hetzen, einen neuen Besucher hineinzulassen.


    "Ja bitte?" fragte er, nachdem er den Riegel zurückgeschoben und die Tür geöffnet hatte.

    Geburten? Serrana sah den Schreiber einen Moment lang verwirrt an und schaute dann mit wachsender Unruhe an sich herunter. Sah sie etwa so aus, als hätte sie vor kurzem ein Kind geboren? Falls ja, würde es wohl am besten sein, bis zur Hochzeit das Essen auf ein Minimum zu reduzieren, damit sie in der Tunica Recta nicht aussah wie eine dicke Hummel...


    "Danke schön. Dieser Raum ist schon der richtige." entgegnete sie mit hochrotem Kopf und sah dann Sedulus an "Ähm.., wollen wir hineingehen?."

    Sie fühlte sich auch jetzt noch mehr als elend, aber es war ein unglaublich befreiendes Gefühl für Serrana, sich jemandem zu offenbaren, der ihre Ängste ernst nahm und sie nicht einfach nur zu beschwichtigen versuchte.
    Der seit einigen Tagen schier unermüdliche Drang, in Tränen auszubrechen, ließ ein wenig nach und Serranas Lächeln fiel ein bisschen bitter aus, als Calvena über die die Launen der Götter sprach. Grausame Spiele? Ja, manchmal konnte man wirklich diesen Eindruck bekommen. Ihre Mutter war ein guter Mensch gewesen, voller Leben und Freude auf ihr zweites Kind, und trotzdem war ihr Dasein innerhalb von wenigen Stunden einfach ausgelöscht worden...
    Aber es nutzte nichts, über die Ungerechtigkeit des Lebens nachzudenken, davon würde Marcilia Alba nicht aus dem Elysium zurückkehren können.


    Serrana ließ noch ein letztes kleines Schniefen hören, aber nachdem sie eine Weile über den Vorschlag ihrer Freundin nachgedacht hatte, erhellte sich ihr Gesicht plötzlich.


    "Vorgesungen? Oja, das hat sie wirklich getan." sagte mit neu erwachtem Eifer und runzelte dann kurz die Stirn. "Ich kann mich vor allem an eine Melodie erinnern, leider weiß ich nicht mehr wie das Lied hieß." Serrana horchte einen Moment in sich hinein, dann begann sie leise eine einfache Melodie zu summen. "Ich kann natürlich nicht so gut singen wie du, aber erkennst du das vielleicht?" fragte sie Calvena ein wenig verlegen. Irgendwie schien es ihr wichtig, auch die Worte zu der alten Melodie zu kennen, aber es war auch schon viel wert, sich an die Töne zu erinnern.


    Als Calvena sagte, dass sie im Grunden nichts anderes machen konnte, als künftige Schwangerschaften und Geburten auf sich zu kommen zu lassen, krampfte sich Serranas Magen kurz vor Angst zusammen. Dann biss sie jedoch die Zähne zusammen und nickte, denn schließlich sollte sie niemand für feige halten, und schon gar nicht ihre beste Freundin. Der letzte Satz war ein wenig seltsam, und Serrana sah Calvena ein wenig irritiert an, bis dann schließlich doch der Groschen fiel und die Verwirrung offenem Entsetzen wich.


    "Mittel und Wege? Wofür oder wohin denn?" fragte sie in der Hoffnung, ihre Freundin vielleicht doch missverstanden zu haben.

    Komisch, dass Septima nie etwas von Ursus erzählt hatte...Ob die Tiberia vielleicht selbst noch nicht allzu lange von ihrer Verheiratung wusste, oder damit vielleicht nicht einverstanden gewesen war?
    Eigentlich kaum vorstellbar, denn Aurelius Ursus war ganz offensichtlich ein gutaussehender und zumindest auf den ersten Blick sympathischer Mann und selbst für eine Patrizierin eine gute Partie. Und davon abgesehen machte Septima auf Serrana einen ausgesprochen zufriedenen Eindruck, wie eine Katze, die gerade eine große Schale Sahne ausgeleckt hat.
    Die Iunia wich ein wenig schüchtern zurück, als sich ein weiterer patrizischer Senator und wie es schien darüber hinaus auch noch Pontifex näherte, um dem Brautpaar seine Glückwünsche zu übermitteln und freute sich um so mehr, als Septima anschliessend wieder ihre Hand nahm und nun Sedulus und ihr alles Gute wünschte.


    "Amor? Ja, der könnte seine Finger im Spiel gehabt haben. Und noch ein ja, wir sind wirklich verlobt." antwortete sie dann und warf Sedulus einen verliebten Seitenblick zu, bevor sie sich wieder ihrer Freundin zuwandte und mit dieser um die Wette strahlte. Glücklich verliebt und noch dazu die Ausbildung zur Priesterin erfolgreich beendet - wäre da nicht die gerade erst überstandenen Angst um Axilla und die seitdem immer wiederkehrenden Albträume gewesen, dann könnte das Leben einfach nur schön sein...
    Ob Serrana am Tag nach ihrer Hochzeit aber nur halb so blendend und souverän auftreten würde wie Septima, stand derzeit noch in den Sternen und sie machte sich auch lieber noch nicht allzuviele Gedanken darüber. Auch sie sah ein wenig verwirrt zwischen Sedulus und Ursus hin und her, als die beiden sich über irgendeine Abmachung unterhielten, aber dann kam Calvena auf sie zu, und Serrana erwiderte erfreut deren Umarmung.


    "Salve, Calvena. Ich bin relativ früh nach Hause gegangen und wollte dich und Valerian nicht stören, deshalb hab ich mich nicht mehr verabschiedet. Ich fürchte, die Geschichte mit dem Floß im Impluvium hab ich leider verpasst." antwortete sie mit einem kleinen Zwinkern. Auch wenn das Fest wirklich schön und aufregend gewesen war, hatte es Serrana schon nach wenigen Stunden wieder heim gezogen. Zum einen war sie ein wenig enttäuscht gewesen, dass Sedulus nicht erschienen war und dann hatte auch relativ schnell der ständige Schlafmangel in den letzten Tagen seinen Tribut gefordert, aber das war nun wirklich nicht für die Ohren der Öffentlichkeit bestimmt.


    "Wie lange bist du..., seid ihr ihr beide denn noch geblieben?" fragte sie dann mit einem vergnügten Lächeln.

    "Danke schön, du auch." antwortete sie ein wenig verlegen und atmete dann einmal tief ein und aus.


    "Oja, ich fürchte, ich bin ganz furchtbar aufgeregt, aber das wird sicher gleich besser. Lass uns hineingehen."
    Eigentlich konnte sie sich immer noch nicht so richtig vorstellen, dass in wenigen Minuten ihr Name gemeinsam mit seinem in einem Register auftauchen würde. Dann würde es endgültig vor den Göttern und den Menschen offiziell sein...

    Ihr fiel ein großer Stein vom Herzen, als Silanus auf Sedulus' Einwand so positiv reagierte.
    Serrana lächelte ihn dankbar an und machte dann bei dem Vorschlag ihres künftigen Ehemanns große Augen. Der Gedanke bald zu heiraten, war ja schon aufregend genug, aber das eventuell auch noch zusammen mit ihrer besten Freundin zu tun, war einfach nur wundervoll. Darüber würden sie dann noch in Jahrzehnten sprechen können...


    "Oja, das ist eine sehr schöne Idee. Wäre das für dich in Ordnung, Lucius?" fragte sie schnell und sah ihren Verwandten hoffnungsvoll an. Serrana hatte so lange ohne ihre iunische Gens leben müssen, dass sie nur zu gern die Opferzeremonien anlässlich ihrer Hochzeit in der Casa Iunia erleben würde.

    Ob sie wohl schon zu spät war? Ein wenig ausser Atem und ganz furchtbar aufgeregt traf nur wenige Augenblicke nach Sedulus auch Serrana bei der Regia ein und fühlte sich gleich viel besser, als sie diesen vor dem Gebäude ausmachte.
    Schnell fuhr sie sich nochmal durch die Haare, die ausnahmsweise mal vernünftig frisiert waren, zupfte ein wenig ihr Kleid zurecht und trat dann mit einem Lächeln auf ihren Verlobten zu.


    "Salve Sedulus. Ich hoffe, du wartest nicht schon lange." Bei den Göttern, war sie nervös! Hoffentlich sah man ihr das nicht allzu sehr an...

    Nachdem sie ihre eigene Prüfung erfolgreich absolviert und sich von ihrem alten Lehrer und dem Pontifex Corvinus verabschiedet hatte, ging Serrana noch einmal in den Tempel der Diana zurück, um ganz allein für sich ein langes Dankgebet an die Göttin zu sprechen. Dann folgte sie, nach wie vor im Priesterinnen-Gewand und mit offenem Haar, den beiden Herren langsam zum Tempel des Vertumnus und musste in ihrer neu aufkommenden Nervosität doch sehr an sich halten, um den betagten und entsprechend langsam laufenden Durmius Verus nicht einfach zu überholen.
    Endlich am Tempel des Vertumnus angekommen, ging Serrana all ihrer Neugier zum Trotz direkt auf den Vorplatz und hielt sich dort im Hintergund, um Calvena nicht noch zusätzlich nervös zu machen. Wie auch immer das Voropfer gewesen sein mochte, der kleine Ziegenbock starb wie aus dem Lehrbuch und Serrana machte einen kleinen Luftsprung, als schließlich das Litatio ertönte.
    Mit neuer Ungeduld und an dem Körbchen mit ihrem Opferfleisch herumspielend wartete Serrana, bis der Pontifex und ihr Lehrer sich verabschiedet hatten und wollte gerade auf Calvena zueilen, als ihr auffiel, dass diese immer noch nicht allein war. Ein junger Mann, den die Iunia noch nie zuvor gesehen hatte stand bei ihrer Freundin und die beiden unterhielten sich angeregt, wobei vor allem Calvena keinen besonders glücklichen Eindruck machte.
    Serrana machte noch einen Schritt auf die beiden zu, dann blieb sie unschlüssig stehen und konnte sich nicht entscheiden sie anzusprechen. Irgendwie machte der junge Mann so ein furchtbar wichtiges Gesicht, da konnte sie doch unmöglich stören...

    "Nun, zumindest habe ich es gehofft. Schließlich hat Calvena mir erzählt, dass du mit Aurelius Ursus befreundet bist" erwiderte Serrana Sedulus' Lächeln und kicherte dann über seine etwas ungewöhnliche Begrüssungsmethode. Am liebsten hätte sie ihn richtig geküsst, wie schade, dass sie sich gerade unter dutzenden von Menschen befanden.
    Serrana ließ noch einmal suchend den Blick über die Anwesenden schweifen, lächelte erfreut, als sie Septima schließlich entdeckte und erstarrte gleich darauf, als sie ganz in deren Nähe die riesige Gestalt von Duccius Vala und daneben ihre Cousine Axilla entdeckte. Also hatte sie ihre Ankündigung tatsächlich wahr gemacht und war mit dem Germanen zum Empfang gegangen...
    Serrana biss sich kurz auf die Unterlippe und entschied dann, erst die Glückwünsche an das Brautpaar hinter sich zu bringen, bevor sie sich wieder unangenehmeren Gedanken zuwandte.


    "Schau, da drüben ist Septima." sagte sie an Sedulus gewandt und schlängelte sich dann an einzelnen Gästegruppen vorbei, bis sie vor der jungen Tiberia standen.


    "Salve, Septima, du siehst wundervoll aus." sagte sie mit aufrichtiger Bewunderung und ergriff kurz die Hände der Freundin. "Es war eine wirklich schöne Hochzeit und ich möchte deinem Mann und dir noch einmal alles Gute wünschen."

    Axilla schien allmählich ein wenig zur Ruhe zu kommen, und da ihre Atemzüger gleichmässiger und tiefer und nicht etwa flacher wurden, atmete auch Serrana auf und spürte, wie sich ihre innere Anspannung ein wenig zu lösen begann.
    Für einen kleinen Moment hatte sie befürchtet, der Medicus würde ihr seinen Namen nicht nennen wollen, aber dann tat er es doch, und Serrana war sich sicher, dass sie ihn nach dieser Nacht nie wieder vergessen würde.


    "Ich kann gar nicht sagen, wie dankbar ich dir bin, Crios." sagte sie dann, während sie seinen Blick ebenso ernst erwiderte. "Als ich heute nacht in dieses Zimmer kam, da war ich mir sicher, dass Axilla sterben würde, und jetzt sieht es fast so aus, als könnte sie es doch überstehen. Das werde ich dir nie vergessen, dessen kannst du sicher sein."


    Bei seinen nächsten Worten war sich Serrana nicht sicher, ob sie ihn wirklich richtig verstanden hatte. Sollte sie ihn etwa wirklich mit der Pflege ihrer Cousine allein lassen? Offenbar begann sein Trank bereits ein wenig zu wirken, denn die hilflose Angst, die in den letzten Stunden wie ein Alb auf ihr gesessen hatte, schien sich ganz langsam ein wenig aufzulösen und mit nachlassender Anspannung machte sich zunehmend Erschöpfung in ihr breit. Es schien ihr zwar nicht richtig zu sein, Axilla einfach ihrem Schicksal zu überlassen, auch wenn diese sich jetzt offensichtlich in den besten Händen befand, aber die Aussicht auf ein paar Stunden Stille und Frieden war schon sehr verlockend.


    "Ich werde diesen Raum nur verlassen, wenn du mir versichern kannst, dass Axilla nicht sterben wird." sagte sie schließlich, nachdem sie sich zu einer Entscheidung durchgerungen hatte. "Wenn es wirklich so ist, dann werd ich mich für ein paar Stunden hinlegen und dann sofort wiederkommen. Und dann werde ich auch was zu schreiben mitbringen, damit du mir sagen kannst, was meine Cousine alles brauchen wird. Adula wird die Sachen dann besorgen, die anderen Leute im Haus werden davon nichts mitbekommen."

    Im allerersten Moment bekam Serrana bei der plötzlichen Berührung auf ihren Hüften einen gehörigen Schreck, doch sobald sie die mittlerweile schon so vertraute Stimme hinter sich hörte, ging die Überraschung in ein höchst angenehmes Prickeln über.
    Ohne nachzudenken trat sie rückwärts ein kleines Stückchen näher an Sedulus heran und nutzte den Moment, in dem keiner zu ihnen herüberzuschauen schien, um ihre eigenen Hände kurz über die seinen zu legen und ein paar Sekunden das schöne Gefühl der Nähe zu geniessen.


    "Schön, dass du schon da bist." sagte sie fast ebenso leise und lächelte ihn mit nach hintem gewandten Kopf an. "Und nein, andere Verehrer interessieren mich nicht, ich bin mit einem bestimmten schon mehr als zufrieden."
    Die Frage nach ihrem Duft brachte sie ein wenig in Verlegenheit, allerdings war es eine der positiven Art, die ihre Wangen sofort rosig färbte.


    "Oh, ähm...das ist ein Öl aus Jasminblüten, schön, dass es dir gefällt. Hast du schon Septima oder Ursus gesehen? Wir wollten wohl als erstes zu ihnen gehen." Bei den letzten beiden Sätzen löste sich Serrana mit ziemlichen Bedauern aus seinen Händen und dreht sich zu Sedulus um, um ihn richtig ansehen zu können.

    Serrana hatte eine ganze Weile mit sich gerungen und war dann zu dem Entschluss gekommen, dass es eine gute Übung für ihr zukünftiges Dasein als Ehefrau eines Senators sein würde, wenn sie sich allein und vorerst ohne Begleitung auf den Hochzeitsempfang ihrer Freundin Septima und deren Ehemanns Aurelius Ursus wagte. Auf dem Weg von der Casa Iunia zur Villa Aurelia war sie auch durchaus noch guter Dinge gewesen, aber bereits das kurze Stück von der Porta bis zum Atrium quer durch das beeindruckende patrizische Anwesen hatte ihr einiges von ihrem mühsam antrainierten Mut und Elan genommen. Und so blieb Serrana ein wenig unschlüssig im Eingangsbereich des Atriums stehen, zupfte an dem lavendelfarbenen Kleid herum, das Calvena ihr vor einiger Zeit geschenkt hatte und ließ den Blick über die bereits anwesenden Gäste gleiten, von denen sie einige noch nie gesehen hatte. Zu Serranas Leidwesen befand sich Calvena in diesem Moment nicht in ihrem Blickfeld, sonst hätte sie sofort die Gelegenheit beim Schopfe ergriffen und wäre zu ihrer besten Freundin geeilt.
    Ausserdem gehörte es sich ohnehin, als allererstes dem Brautpaar zu gratulieren, doch wo genau befand sich das gerade? Serrana seufzte auf und stellte sich leicht auf die Zehenspitzen, um einen besseren Überblick über all die Menschen in diesem Atrium zu bekommen.

    Aeditua Iunia? Hatte er sie gerade wirklich Aeditua genannt? Noch nie zuvor in ihrem Leben war die schüchterne Iunia so kurz dafür gewesen, vor Freude einem im Grunde wildfremden Mann um den Hals zu fallen, und nur der Umstand, dass es sich dabei um einen Senator und Pontifex handelte, hielt sie letzten Endes davon ab.


    "Vielen vielen Dank. Das hoffe ich auch." antwortete sie und strahlte ihn stattdessen einfach nur überglücklich an, bevor sie sich an Durmius Verus wandte und sich plötzlich ein kleines bisschen Wehmut in ihre Freude mischte.
    "Bei dir möchte ich mich auch von ganzem Herzen bedanken für deine Geduld und all das, was du Calvena und mir beigebracht hast. Ich glaube nicht, dass wir bei einem anderen Lehrer soviel gelernt hätten."

    Wenn es nach Serrana gegangen wäre, dann hätte sie stundenlang so einfach so dasitzen können, in einer schützenden Umarmung und mit dem sanften und beruhigenden Streicheln auf ihrem Rücken.
    Aber es würde ohnehin nichts nützen, früher oder später würde sie wieder allein sein und sich ihren Dämonen stellen müssen.
    Die sich neuerdings in fast jedem ihrer Träume wiederholenden blutigen Bilder waren ja schon schlimm genug, aber dass sich jetzt auch noch ein wachsendes Gefühl der Schuld dazugesellte, war für Serrana kaum zu ertragen.
    Vermutlich wollte Calvena sie mit ihren Worten nur trösten, trotzdem blickte sie ihre Freundin hoffnungsvoll an,während sie sich eine Haarsträhne aus dem erhitzten und vom Weinen geröteten Gesicht schob.


    "Meinst du wirklich?" fragte sie mit deutlichem Zweifel in der Stimme nach. "Mir kommt es nur so unglaublich ungerecht vor, dass sie auf so grauenhafte Weise gestorben ist, und ich in all der Zeit so wenig darüber nachgedacht habe."
    Als sich Calvenas Blick bei der Erwähnung ihrer ermordeten Ziehfamilie verdunkelte, verstärkte sich Serranas schlechtes Gewissen noch weiter. Hätte sie doch nie mit dieser Geschichte angefangen, das Einzige, was dabei letzten Endes herauskommen konnte, war vermutlich, dass sich auch ihre Freundin elend fühlte.


    "Es tut mir leid, dass ich dich jetzt daran erinnert habe, das war gedankenlos von mir." sagte sie zerknirscht und drückte Calvenas Hand. "Das muss alles ganz furchtbar für dich gewesen sein, und es ist ja auch längst noch nicht so lange her wie bei mir. Aber mit den Erinnerungen an die gemeinsamen Erlebnisse hast du sicher recht, die haben mir nach Großvaters Tod unheimlich geholfen. Das Schlimme ist nur,dass sich vor die wenigen schönen Erinnerungen, die ich an meine Mutter noch habe, jetzt immer diese grauenhaften Bilder schieben. Früher hat sie in meiner Erinnerung immer gelacht und schien glücklich zu sein, und jetzt sehe ich sie nur noch furchtbar blass und mit all dem Blut auf ihrem Bett liegen..."


    Sie hatte sich ohnehin schon mehr als elend gefühlt, aber Calvenas Frage brachte Serrana nun auch noch in Gewissensnöte. Im Grunde wusste sie nur zu genau, dass ihre Albträume unmittelbar nach der schreckliche Nacht zurück gekehrt waren, in der ihre Cousine Axilla um ein Haar verblutet war, aber das konnte sie unmöglich erzählen, ohne diese in Schwierigkeiten oder zumindest in Verruf zu bringen. In Serrana fochten zwei verschiedene Arten von Loyalität einen vergeblichen Kampf gegeneinander aus, dann entschied sie sich schweren Herzens dafür, den einen Teil der Frage einfach zu überhören.


    "Ich weiß nicht, vielleicht ist es das wirklich." murmelte sie und schmiegte sich wieder in Calvenas Arme, damit sie ihr bei ihrer Antwort nicht in die Augen sehen musste.
    "Es ist so gemein, weisst du, noch bis vor kurzem hab ich mich noch so unglaublich darauf gefreut, Sedulus zu heiraten. Und plötzlich kann ich an nichts anderes mehr denken, als dass es mir vielleicht genauso ergehen könnte wie meiner Mutter. Und das macht mir ganz schreckliche Angst...."