Auch Serrana beglückwünschte Paulina herzlich zur Geburt ihrer beiden Kinder, schweifte dann jedoch mit ihren Gedanken wieder zu den Fontinalia ab. Erst als Axilla auf die Bemerkungen der Aelia und der Decima ausgesprochen scharf reagierte, schreckte sie aus ihren rosaroten Tagträumen hoch und sah ihre Cousine erschrocken an. So wütend hatte sie Axilla noch nie erlebt, was war denn nur plötzlich mit ihr los? Natürlich waren die Äusserungen von Valeria und vor allem Paulina unbedacht gewesen, und und angesichts der ständigen Opfer und Entbehrungen all der kämpfenden Truppen des Reiches sicherlich unangebracht. Serrana nickte daher unbewusst, während Axilla ihre Argumente vorbrachte, dennoch wäre es ihr lieber gewesen, wenn ihre Cousine ein wenig diplomatischer vorgegangen wäre, denn schließlich hatten die beiden Frauen kaum irgend jemandes Verdienste absichtlich schmälern wollen. Ob es wohl Absicht oder Zufall gewesen war, dass Axilla bei der Aufzählung ihrer heldenhaften Onkel ihren, Serranas, Vater ausgelassen hatte? Schließlich war der auch im Dienst umgekommen, wenn auch "nur" bei den Cohortes Urbanae. Oder zählten die etwa nicht? Oder erwartete Axilla, dass Serrana selbst für ihn und seine Ehre in die Bresche springen sollte? Die Iunia öffnete kurz den Mund und schloss ihn dann wieder, ohne etwas dazu zu sagen. Sie spürte irgendwie, dass Axilla nach wie vor sehr unter dem gewaltsamen Tod ihres Vaters litt und daher auch viel empfindlicher auf dieses unbeabsichtigte Provokation reagierte, als es vielleicht der Fall gewesen wäre, wenn er noch leben würde. Sie selbst hatte ihren Vater im Grunde lange bevor dieser gestorben war verloren, so dass sie den genauen Umständen seines Todes keine besondere Bedeutung zumaß. Für sie war er ohnehin nicht mehr erreichbar, was nützte es ihr da also noch, ob er ein Held gewesen war oder nicht?
Da sie dieses doch sehr private Thema nicht vor all den zum Teil ziemlich fremden Frauen diskutieren wollte, rückte Serrana nur zu der mittlerweile schweigenden Axilla hinüber und legte ihr unter Wasser leicht die Hand auf den Unterarm, während nun auch Romana für die Ehre der römischen Soldaten in die Bresche sprang und Calvena mit einem Vermittlungsversuch scheiterte.
"Ich denke, Axilla und Romana haben mit dem, was sie über unsere Soldaten gesagt haben, recht, trotzdem sollten wir einander wegen einer Meinungsverschiedenheit nicht so an die Gurgel gehen, denn das wird uns die Menschen, die wir vielleicht durch das Schwert verloren haben, auch nicht zurückbringen."
Es bestand natürlich durchaus die Gefahr, dass Axilla ihr diese Bemerkung übel nehmen würde, aber schließlich hatte sich zumindest die Aelia erst auf Serranas Aufforderung hin zu ihrer Gruppe gesellt, so dass sich diese auch für deren Behandlung verantwortlich fühlte und sie trotz ihrer unbedachten Äusserung nicht auf diese Weise vergraulen wollte.
Bevor sich das ganz große Schweigen über ihr Becken legen konnte, riss Septima plötzlich in munterem Plauderton die Unterhaltung an sich, und Serrana sah die Tiberierin dankbar an.
Die Feuertänzerin überging sie geflissentlich, diese perfekte Schönheit hatte ihr bereits am Abend des Festes für einige Minuten den Seelenfrieden geraubt. Und auch ihre Großmutter war nicht wirklich ein reizvolles Thema, trotzdem konnte sie sich eine letzte, kleine Bemerkung zu der Rettungsaktion nicht verkneifen. "Ja, ich fürchte das stimmt schon. Aber stellt euch nur mal vor, nicht meine Großmutter, sondern eine junge schöne Frau wäre gestürzt und von Mattiacus gerettet worden, das wäre doch furchtbar romantisch gewesen..."
Serrana seufzte versonnen auf und lehnte sich wieder an den Beckenrand, Ehre und Tod waren für's erste wieder von angenehmeren Gedanken verdrängt worden.
Als Septima ihr bei der Erwähnung des Forum Romanum in die Seite knuffte, zwinkerte sie dieser lächelnd zu, schließlich lag das zufällige Treffen der beiden jungen Frauen an diesem geschichtsträchtigen Ort noch nicht allzulang zurück und war sehr schön und unterhaltsam gewesen.
"Zum Praefectus Urbi kann ich leider so gut wie nichts sagen, ich kenne ihn im Grunde gar nicht." sagte sie und versuchte mit recht geringem Erfolg, sich dessen Gesicht wieder in Erinnerung zu rufen. "Allerdings habe ich das eine oder andere über diesen Mann gehört, was ihn mir nicht allzu sympathisch macht." fügte sie dann noch mit einem kurzen Blick zu Calvena hinzu.
Was das Thema "Männer" allgemein betraf, so war Serrana selbst erst vor recht kurzer Zeit auf den Geschmack gekommen, aber das änderte natürlich nichts daran, dass sie sich direkt gespannt nach vorn beugte.
Flavius Furianus? Schade, den kannte sie nun leider gar nicht, und hatte daher auch keinerlei Kenntnis über dessen Gesundheitszustand.