Beiträge von Iunia Serrana

    "Oh, die Trajansmärkte. Das ist eine gute Idee." ging Serrana auf seinen Vorschlag ein und klatschte erfreut in die Hände.
    "Ich bin schon eine ganze Weile nicht mehr dort gewesen, deshalb würde es mir großen Spaß machen, wieder mal hinzugehen. Und einkaufen muss ich ohnehin noch einiges..."


    Serrana erwiderte das Lächeln ihres Verwandten, wurde dann jedoch ein wenig nachdenklich.


    "Lucius, ich habe meinen Vater seit dem Tod meiner Mutter nur noch sehr selten gesehen, aber ich weiß, dass er während seiner Zeit in Rom zum Teil auch in diesem Haus gelebt hat. Meine Großeltern wollten nie über ihn sprechen, weil sie ihn für den Tod meiner Mutter verantwortlich gemacht haben, deshalb weiß ich so gut wie nichts von ihm. Kannst du mir vielleicht noch irgendetwas von ihm erzählen?"


    Hoffentlich nahm Silanus ihr diese Bitte nicht übel, aber die Möglichkeiten doch noch etwas über ihren verstorbenen Vater herauszufinden wurden von Jahr zu Jahr geringer, so dass sie diese Chance einfach nutzen musste.

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    Überrascht sah Araros zu dem Senator hinüber. Er wollte gleich mit beiden sprechen? Aber warum auch nicht, schließlich war es ja nicht seine Angelegenheit darüber nachzudenken.


    "Die beiden Herrschaften sind daheim. Wenn mir der Herr Senator ins Tablinum folgen würde, ich werde Iunius Silanus und Iunia Serrana sofort über seinen Besuch informieren."


    Der alte Ianitor öffnete die Tür noch ein Stück weiter und trat mit einer einladenden Handbewegung zur Seite.

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    Araros führte den Senator ins Tablinum und bot ihm höflich an Platz zu nehmen.


    "Es wird sofort jemand mit Getränken vorbeikommen, oder kann ich dir noch etwas anderes bringen lassen?


    Araros wartete noch einen Augenblick, um Sedulus Zeit zum antworten zu geben und ging dann hinüber zum Officium von Silanus, um diesen über den Besuch zu informieren.

    Serrana sah Libo überrascht hinterher, als dieser so plötzlich ihre Gruppe wieder verließ und nach einer kurzen Erklärung in Axillas Richtung verschwand. Ob sie ihn wohl irgendwie vertrieben hatte? Eigentlich kaum möglich, vermutlich lockte den Iulier die Aussicht, sich mit ihrer Cousine über ihre Erfahrungen in Ägypten auszutauschen. Und bei dem Thema konnte sie selbst nun leider gar nicht mitreden.
    Den Göttern sei Dank war die verräterische Röte ihrer Wangen inzwischen wieder verblasst und Serrana konnte sich nun wieder unbeschwert auf die Unterhaltung um sie herum konzentrieren.
    Bei Antoninus' Geschichte war die Versuchung, laut loszukichern schon ziemlich groß, aber da sie ihn nicht direkt in die nächste Verlegenheit stürzen wollte, verkniff sie es sich mit einiger Mühe und sah ihn stattdessen verständnisvoll an.


    "Oh, das muss ja wirklich ein ziemlicher Schreck für dich gewesen sein. Was hast du denn gestern so anstrengendes gemacht, dass du heute so lange schlafen musstest?" Kaum war der Satz raus, da biss sich Serrana auch schon auf die Lippen. Hoffentlich war die Frage nicht zu indiskret gewesen, aber schließlich wedelte Romana ja gerade recht resolut Kuchenbrösel von der Schulter des jungen Iuliers, da würde ihm ihre Frage vielleicht auch nichts ausmachen.


    Um sich ein wenig abzulenken, warf Serrana einen weiteren Blick zu Axilla hinüber und stellte fest, dass diese Sedulus und sie gerade mit einem etwas unergründlichen Blick musterte. Ob sie sich wohl irgendwie blöd benommen hatte? Das fehlte gerade noch, dass sie ihn oder auch ihre eigene Familie durch ein unbesonnenes Verhalten in Verlegenheit brachte...

    Im Grunde war Serrana ganz froh, dass Sedulus sich ohne große Worte verabschiedete, auf diese Weise war es auch für sie ein bisschen leichter.



    "Ja, bis bald." sagte sie und erwiderte sein Lächeln, als er sich noch einmal kurz umdrehte, nachdem er bereits losgegangen war.
    Dann wandte sie sich kurzentschlossen Adula zu, die nach wie vor ein wenig ungeduldig wirkte.


    "Komm, Adula, lass uns heimgehen. Wir haben noch ein ganzes Stück vor uns."


    Die beiden Frauen, die eine relativ klein, die andere auffallend groß, wandten sich gemeinsam in Richtung der Casa Iunia und ließen die Wegkreuzung schon bald hinter sich zurück.

    Nachdem sie die große Neuigkeit in ihrem Leben glücklich über die Lippen gebracht hatte, nahm sich Serrana selbst erstmal einen großen Schluck Wein und genoss kurz den fruchtigen Geschmack und die Wärme, die sich fast übergangslos in ihrem Körper ausbreitete.
    Calvena sah sie im ersten Moment so fassungslos an, dass sie nur mit Mühe ein Kichern unterdrücken konnte, aber dann rief sie sich wie schon häufig vor Augen, dass sie ja vom Onkel ihrer Freundin gesprochen hatte, auch wenn Serrana das normalerweise komplett ausblendete, wenn sie mit Sedulus allein war.


    "Vielen Dank." strahlte sie und erwiderte innig Calvenas Umarmung. "Er wird es dir sicher auch bald erzählen, ich glaube, er wollte erstmal die Gespräche mit meiner Großmutter und Silanus hinter sich bringen."
    Serrana fuhr gedankenverloren mit dem Finger den Rand des Bechers entlang und lächelte, als sie Calvenas letzten Satz hörte.


    "Oja, das hab ich. Und du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr ich mich freue Sedulus zu heiraten. Aber weißt du..." an dieser Stelle hob sie den Blick und sah ihrer Freundin mit neu aufkommender Unsicherheit ins Gesicht."...irgendwie macht mich der Gedanke auch ganz schön nervös. Es ist erst ein paar Monate her, da hat mich Großmutter noch herumgescheucht wie ein kleines Kind und jetzt soll ich plötzlich erwachsen sein und eine Ehefrau werden. Das kann ich mir gar nicht richtig vorstellen, wenn ich ehrlich bin..."

    Nachdem Serrana sich überzeugt hatte, dass es Romana von dem Schreck abgesehen wirklich gut ging und auch Septima und Senator Sedulus inzwischen wieder einen einigermaßen friedlichen Eindruck machten, stieß sie einen kleinen Seufzer der Erleichterung aus und ging zurück zu ihrer Kline.
    Da sie eben keine Zeit mehr gehabt hatte, sich bei Sermo für sein nettes Kompliment zu bedanke, holte sie es jetzt mit einem strahlenden Lächeln nach und machte es sich dann wieder bequem.
    Während ein Teil der Sklaven die Reste des Hauptganges abtransportierten, begannen andere damit das Dessert zu servieren, das hauptsächlich aus Früchten wie Äpfeln, Rosinen und Feigen bestand.
    Die Iunia ließ noch einmal den Blick über die anwesenden Gäste schweifen und freute sich an den zufriedenen und gut gelaunten Gesichtsausdrücken um sie herum. Was hatte sie im Vorfeld für eine Angst vor ihrem ersten Auftritt als Gastgeberin gehabt, und jetzt hatte sich trotz einiger kleinerer Widrigkeiten alles gut entwickelt und ihre Gäste würden vermutlich zufrieden nach Hause gehen.
    Serrana seufzte noch einmal auf, diesmal allerdings mit einem höchst zufriedenen Unterton und genehmigte sich entspannt einen Schluck Wein. Diese erste gesellschaftliche Feuerprobe hatte sie heil überstanden, jetzt konnten weitere Herausforderungen kommen...



    ~~~ fin~~~

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    Der Sklave, der gerade an der Porta geklopft hatte, kam Araros irgendwie bekannt vor. Während er noch überlegte, entdeckte er etwas entfernt den wartenden Senator Germanicus und sein Gesicht erhellte sich. Ach ja, genau, der war schon ein oder zweimal Gast in der Casa Iunia gewesen.


    "Ja bitte? Womit kann ich zu Diensten sein?" wandte sich Araros in freundlichem Ton an den Sklaven und nickte dem Senator respektvoll zu.

    So wie es aussah, brachte das Leben einer Ehefrau etliche Veränderungen im täglichen Leben mit sich, daher würde Serrana sich vermutlich auch mit der Zeit an einen größeren Haushalt und mehr Sklaven gewöhnen. Zumal vor allem letzteres ja durchaus auch einige Vorteile in Bezug auf Komfort und Lebensqualität mit sich brachte.
    Aus diesem Grund nickte Serrana nur zustimmend und blieb dann stehen, als Sedulus und sie gemeinsam die Kreuzung erreicht hatten.


    "Ja, das ist wirklich schade." antwortete sie mit echtem Bedauern. "Es war schön, mit dir spazieren zu gehen, vielleicht können wir das ja irgendwann noch mal machen. Und ein oder zwei Tage werde ich es sicher noch aushalten können."


    Serrana warf einen Blick hinüber zu Adula, die jetzt doch ein wenig mit den Hufen scharrte und einen etwas ungeduldigen Eindruck machte.


    "Dann werd ich jetzt mal gehen, wenn wir uns mit dem restlichen Weg beeilen, dann komme ich noch rechtzeitig zur Cena heim, und Axilla und Silanus müssen sich keine Sorgen machen."

    Glücklicherweise musste Serrana nicht allzu lang warten, denn nur wenige Augenblicke nach ihrer Ankunft im Tempel trafen auch Durmius Verus und der Pontifex Aurelius Corvinus ein. Als ihr alter Lehrer ihr nach der Begrüßung viel Glück wünschte, musste sie leicht schlucken, denn dies zeigte ihr mehr als alles andere, dass es nun wirklich ernst wurde mit dem Ende ihrer Ausbildung. Auf der anderen Seite strahlte er eine derartige Ruhe aus, dass sich ein wenig davon auch auf sie übertrug und ihr aufgeregter Herzschlag allmählich etwas ruhiger wurde. Den Pontifex hatte die Iunia seinerzeit zwar nur sehr kurz kennen gelernt und bei dieser Gelegenheit kaum ein Wort mit ihm gewechselt, dennoch war sie mehr als dankbar dafür, dass ihr sein Gesicht und seine Stimme dadurch schon ein wenig vertraut waren, und sie deshalb nicht, wie bei einem hohen Würdenträger sonst üblich, völlig eingeschüchtert war.


    „Salve, Aurelius Corvinus.“ grüßte sie auch ihn mit der gebotenen Ehrfurcht und warf dann einen prüfenden Blick auf die in der Nähe wartenden ministri und Musikanten. Nachdem sie sich überzeugt hatte, dass alles an Ort und Stelle und bereit war, nickte sie dem Pontifex und Durmius Verus noch einmal zu, atmete einmal tief ein und aus und legte dann mit festen Schritten die letzten Meter bis zu dem vor dem Kultbild der Göttin errichteten Foculus zurück. Auf einen Blick von ihr setzten die tibicines ihre Flöten und die fidicines ihre Lauten an, ihre Musik würde Serrana durch den nun folgenden Opfervorgang begleiten.
    Nachdem sie kurz das ein wenig strenge aber dennoch schöne Antlitz der Göttin betrachtet hatte, erhob sie die Arme mit zum Himmel gewandten Handflächen, legte den Kopf ein wenig in den Nacken und begann mit der Anrufung.


    „O große und göttliche Diana, sei mir, deiner Dienerin, gnädig, wenn ihr dir heute ein Opfer darbringe.“


    Ein ganz klein wenig zittrig klang ihre Stimme noch, aber jetzt, wo sie einmal begonnen hatte, spürte Serrana, wie ihre Nervosität allmählich nachließ. Sie machte einem der wartenden ministri ein Zeichen, und dieser trat sofort nach vorn, um ihr den Beutel mit dem Weihrauch zu reichen, in den die Iunia unter anderem auch Pinienharz und feine Zypressenspäne hatte mischen lassen. Nachdem sie einige Körner auf die glühenden Kohlen in den Stelen gestreut hatte, stieg sofort dichter Rauch auf, und durch den sich schnell verbreitenden frischen und holzigen Duft konnte sich Serrana fast vorstellen, sich nicht in einem Tempel sondern direkt in Dianas heiligem Hain zu befinden.


    „O Diana, Göttin des Mondes, dessen Lauf Maß ist für unsere gesamte Lebenszeit, nimm diesen duftenden Weihrauch an und wache über die Tage und die Nächte dieser Stadt und seiner Bewohner".


    Serrana trat wieder einen Schritt zurück, ließ sich von dem nächsten Jungen die Schale mit den Früchten reichen und hielt diese in die Höhe.


    „O Diana, du Ernährerin und Beschützerin von Menschen und Tieren, nimm auch diese Früchte an, die ich dir bringe, und segne unsere Felder und unser Vieh, sowie das Wild in den Wäldern, auf dass sie allzeit fruchtbar sein mögen


    Sie stellte die Schale auf dem Foculus ab, und nahm dann die Patera mit dem Wein entgegen und hielt sie in die Höhe.


    O Diana, du Lebensspenderin und Göttin der Fruchtbarkeit, nimm diesen Wein entgegen und beschütze die Mädchen und Frauen dieser Stadt und dieses Reiches und steh ihnen besonders in der Stunde ihrer Niederkunft hilfreich zur Seite.“


    Nachdem sie den ersten Tropfen auf den Boden geschüttet hatte, goss sie den Rest des Weins vorsichtig in die auf dem Foculus bereitstehende Schale und gab die Patera dann an den Jungen zurück, bevor sie das Voropfer mit einer Drehung nach rechts beendete.


    Den ersten Teil der Prüfung hatte sie nun hinter sich gebracht, aber noch wartete das überaus wichtige blutige Opfer auf sie. Serrana warf einen kurzen Blick auf die übrigen Anwesenden und trat in Begleitung der ministri, Musikanten und sonstigen Helfer auf den Tempel-Vorplatz hinaus, wo bereits das von ihr ausgesuchte, weibliche Lamm am Altar auf sie wartete. Es war mit roten Bändern feierlich geschmückt worden und seine kleinen Hufe glänzten goldfarben in der Wintersonne. Wenn man genauer hinsah, konnte man erkennen, dass das Tier angebunden war, aber es wirkte ohnehin sehr ruhig, was Serrana erleichtert aufatmen ließ.
    Nachdem alle Beteiligten noch einmal mit Wasser besprengt und dadurch symbolisch gereinigt worden waren, erklang das „favete linguis“ des Herolds und auf dem Platz verstummte auch das letzte leise Gemurmel. Serrana berührte leicht den Altar, deutete auf das Lamm und erhob dann wieder die Arme mit gen Himmel gewandten Handflächen.


    „O Diana, große Göttin und Tochter des allmächtigen Iupiter! Sieh gnädig auf uns herab, denn dieses Lamm, das ich dir bringe, ist dir geweiht, auf dass du uns, deine Diener und diese Stadt, segnen mögest.“
    Wie klar und deutlich ihre Stimme mittlerweile klang! Der Rest ihrer Nervosität hatte sich scheinbar mit dem Weihrauch in Luft aufgelöst, und Serrana fühlte nur noch unbändige Freude und Stolz darüber, dieses spezielle Opfer durchführen zu dürfen.


    Sie wusch sich mit dem Wasser in einer ihr gereichten Schale die Hände und trocknete diese dann mit dem mallium latum sorgfältig ab. Dann brachte ihr einer der Opferdiener die mola salsa, mit der Serrana das kleine Lamm ganz sanft und vorsichtig einrieb. Als nächstes nahm sie das Opfermesser in die Hand und fuhr langsam vom flaumigen Kopf bis zur Spitze des kleinen Stummelschwanzes über das Fell des Tieres, das nach wie vor keine Anzeichen von Panik erkennen ließ und ganz ruhig und friedlich stehen blieb.


    Serrana warf einen letzten Blick auf das Tier, atmete noch einmal ein und aus und gab das Messer dann an den popa zurück. Als dieser „Agone?“ fragte, antwortete sie mit einem lauten und klaren „Age“, woraufhin der cultrarius dem Lamm mit einem schnellen Schnitt die Kehle durchtrennte. Als das kleine Tier fast unmittelbar darauf zusammenbrach und hellrotes Blut aus der Wunde hervorsprudelte, biss sich die Iunia kurz auf die Unterlippe, aber dann war der Teil des Opfers, vor dem sie die meiste Angst gehabt hatte, auch schon wieder vorbei. Serrana wartete geduldig, bis das Opfertier ausgeblutet war und kein weiteres Blut mehr in der Öffnung am Boden versickerte. Nun war es Zeit für die Eingeweidenschau, und die Iunia wartete mit neu aufkommender Nervosität auf den Priester, der die Organe des toten Lamms entnehmen und prüfen würde. Hoffentlich war alles gut gegangen, und die Göttin nahm ihr Opfer an…

    "Nun, dann hoffe ich einfach mal, dass es in meinem Fall nicht allzu oft sein muss." antwortete Serrana mit einem Augenzwinkern. Solange sie sicher sein konnte, dass Sedulus sie mit seinen Bemerkungen nur ein bisschen ärgern wollte, hatte sie kein Problem damit, zumal das eine gute Gelegenheit war, um auch endlich mal an der eigenen, bislang kaum vorhandenen Schlagfertigkeit zu arbeiten.


    "Entgegen kommen? Was meinst du denn mit entgegenkommen?" hakte sie dann nochmal ein wenig verwirrt nach, aber Sedulus nächste Bemerkung brachte sie dann recht schnell wieder auf andere Gedanken, und Serrana lächelte bei der Vorstellung von neuen Kleidern und zahlreichen Sklaven erfreut aber auch mit einer gehörigen Portion Unsicherheit.


    "Weisst du, ich denke, das muss erst passieren, bevor ich es wirklich glauben kann. Im Moment kann ich mir noch gar nicht vorstellen, plötzlich in so einem Luxus und umringt von so vielen Sklaven wie in der Casa Germanica zu leben." Natürlich waren auch die Iunier alles andere als arm, aber nicht nur zwischen Macht und Einfluss, sondern auch den Vermögen der beiden Familien lagen doch noch einige Welten. Mittlerweile war die Wegkreuzung, an der sich die beiden würden trennen müssen, um zu ihren jeweiligen Häusern zu gelangen, auf Sichtweite herangekommen. Und so genoss Serrana diesen speziellen Kuss ganz besonders und versuchte, sich jede seiner Berührungen so einzuprägen, dass sie sich auch noch gut daran würde erinnern können, wenn sie wieder allein daheim in ihrem Zimmer war.

    Er wollte sie massieren? Das hörte sich natürlich nun wirklich nett an und allein bei der Vorstellung stahl sich bereits ein wohliges Lächeln auf Serranas Gesicht. Schade, dass er nicht jetzt direkt damit anfangen konnte, aber die Via Aurelia war für eine Nackenmassage vermutlich kaum der richtige Ort.


    "Ach, du bist also nicht fies? Nun, du hast ja noch ein Stückchen Weg zu Verfügung, um mich davon zu überzeugen." sagte Serrana mit einem Lächeln, dass ihr bei seiner nächsten Bemerkung jedoch ein wenig festfror. Wie jetzt? Sedulus würde sie, ohne mit der Wimper zu zucken austauschen, wenn ihm ihre Aufmachung nicht gefallen würde? Nein, auch damit wollte er sie sicherlich nur ärgern...
    Serrana ging auf das Spiel ein und setzte einen betont betrübten Gesichtsaudruck auf.


    "Ist das wirklich so?" fragte sie nach und schaute ihn wie ein waidwundes Reh von der Seite an. "Oje, was kann ich denn da nur tun? Schließlich ist Adula meine einzige Sklavin und ich kann mir auch keine weitere leisten, die vielleicht ein bisschen mehr Talent bei der Schönheitspflege hat. Da kann ich dann wohl nur hoffen, dass mir demnächst irgendein großzügiger Mensch mal einen geeigneteren Dienstboten für die diese Dinge zur Verfügung stellt, sonst weiß ich nicht, was ich machen soll damit ich dir besser gefalle..." Serrana ließ einen schicksalsergebenen Seuzfer hören und sah in gespieltem Kummer zu Boden.

    "Ja, da bin ich auch froh. Mir gefällt es ganz gut, dass du so groß bist, auch wenn ich heute abend bestimmt eine Nackenstarre haben werde, weil ich den ganzen Nachmittag nach oben schauen musste." meinte Serrana mit einem liebevollen Seitenblick zu ihm und lief vergnügt lächelnd weiter Richtung Innenstadt, bis ihr Sedulus' nächste Bemerkung einen Großteil ihres Seelenfriedens raubte.


    "Wie jetzt? Meinst du etwa, meine Großmutter soll mir an Adulas Stelle die Haare machen?" fragte sie mit wachsendem Entsetzen nach. "Da wüsste ich ja gar nicht, was schlimmer wäre..." Mittlerweile erkannte Serrana schon etwas schneller, wenn Sedulus sie mit einer Bemerkung nur ärgern wollte und so revanchierte sie sich, indem sie ihm diesmal, statt ihn zu stuppsen, leicht mit ihrem kleinen auf seinen deutlich größeren Fuß trat und ihn mit gespielt grimmigen Gesichtsausdruck musterte.
    "Du kannst richtig fies sein, weißt du das? Wenn du nochmal so was sagst, dann leihe ich mir Großmutters Kleider aus und lasse mich künftig von Quadrata frisieren. Dann wirst du schon sehen, was du davon hast..."


    Und Adula mochte als Ornatrix vielleicht eine Katastrophe sein, aber auf ihre Fähigkeiten als Leibwächterin ließ Serrana nichts kommen.


    "Oja, das ist sie." Ein stolzer Blick ging in Richtung ihrer Leibsklavin. "Ohne Adulas Hilfe hätte Simplex den entlaufenen Bären bei den Ludi nicht festhalten können."

    Schon lange vor der fünften Stunde hatte sich Serrana auf dem Aventin beim Tempel der Diana eingefunden und stand eine Weile in ehrfürchtigem Staunen vor dem so imposanten Heiligtum mit den riesigen Portiken auf beiden Seiten. Endlich war der für sie so wichtige Tag in ihrem Leben gekommen, denn heute würde sie, die kleine und unwichtige Iunia Serrana aus Nola, der großen Göttin ein Opfer darbringen und damit beweisen können, dass sie für den Dienst als Priesterin geeignet war. Da sie ohnehin nicht hatte schlafen können, hatte die Iunia den Großteil der letzten Nacht betend verbracht und jetzt kribbelte ihr ganzer Körper vor Anspannung, in die sich neben einem gehörigen Maß an Nervosität durchaus auch Stolz und Vorfreude mischten.


    Zum wohl hundertsten Mal in den letzten Stunden und Tagen ging Serrana in Gedanken den geplanten Ablauf des Opfers, die Reihenfolge der Opfergaben und den Wortlaut des Gebetes durch, das sie im Tempel an Diana richten wollte. Die Opfergaben für das Voropfer, bestehend aus Weihrauch, Wein und Feldfrüchten hatte sie bereits an die ministri übergeben, die ihr während des Rituals zur Seite stehen und ihr die einzelnen Schalen und Paterae anreichen würden. Und auch das von ihr eigens ausgewählte Opfertier befand sich bereits auf dem Tempelgelände und wartete auf sein Schicksal.
    Vor der Auswahl dieses Tiers hatte Serrana lange Zeit die meiste Angst gehabt, aber dann war es doch leichter gewesen, als sie befürchtet hatte. Die Entscheidung für ein Lamm war relativ schnell gefallen und so hatte sie sich ein wenig zögerlich dem Gehege eines auf den Handel mit Opfertieren spezialisierten Schafzüchters genähert, um aus der Menge der Jungtiere ein möglichst helles und selbstverständlich weibliches Tier herauszusuchen. Und dann war alles komischerweise ganz schnell gegangen. Wie auf Kommando waren die kleinen Schafe mit lautem Blöken auseinander gelaufen, und nur in der Mitte des Geheges war ein einzelnes Lamm ruhig stehen geblieben und hatte in ihre Richtung geschaut. Das Fell dieses Jungtiers war so hell, dass man es tatsächlich als weiß bezeichnen konnte, und aus irgendeinem Grund hatte Serrana nicht den geringsten Zweifel daran gehabt, dass es sich um ein weibliches Lamm handelte, was ihr der Händler dann auch bestätigt hatte. Ob dies nun ein Zeichen gewesen war, oder auch nicht, sie hatte dieses Tier kurz entschlossen und mit einem guten Gefühl gekauft und zum Tempel der Diana geschickt, damit es für die Opferung vorbereitet werden konnte.


    Bevor Serrana den Tempel der Diana betrat, überprüfte sie noch ein letztes Mal ihr Priesterinnengewand aus weißem Leinen und fuhr sich mit den Fingern durch ihr Haar, dass ihr lang und offen den Rücken herunterfiel. Dann schlüpfte sie aus ihren Sandalen und betrat das Heiligtum mit nackten Füßen. Der Steinboden fühlte sich auf ihrer Haut wie immer kühl an, aber im Gegensatz zum Heiligtum des DisPater fiel ihr die Kälte hier nicht unangenehm auf, sondern gehörte ganz einfach dazu. Nach dem Eintreten begab sie sich direkt zu den Wasserbecken im Eingangsbereich und wusch sich gründlich Arme und Hände und flüsterte dabei: "Möge dieses Wasser meinen Leib und meinen Geist reinigen", dann wandte sie sich in Richtung Foculus, um nach ihrem Lehrer und dem Pontifex Aurelius Corvinus Ausschau zu halten, die diese Prüfung begleiten würden.

    Da Flavus auf sie nicht den Eindruck erweckte, dass er ihr die Verwechslung in irgendeiner Form übel nahm, ließ Serranas Verlegenheit allmählich wieder nach und sie entspannte sich. Es war ihr im Grunde ja auch durchaus klar, dass Calvena sie mit ihrer Bemerkung nicht hatte beleidigen wollen, vielleicht würde sie ja irgendwann noch mal lernen, mit solchen Dingen unbeschwerter umzugehen.


    Die Erwähnung der Fontinalien war natürlich hervorragend geeignet, um Serranas gute Laune endgültig zurückzubringen.


    "Mich freut es auch, Decimus Flavus." sagte sie nun mit der alten Fröhlichkeit und lächelte den Decimer an. "Und Calvena hat Recht, du hast tatsächlich etwas verpasst. Die Fontinalia waren wirklich ein wunderschönes Fest."

    Ein wenig schuldbewusst sah Serrana auf ihre immer noch zur Faust geballten Hand herunter, musste dann jedoch selbst grinsen und lächelte zu ihm hoch.


    "Naja, irgendwie macht es schon ein bisschen Spaß. Aber ich mache das natürlich nur bei Leuten, die stark genug sind, damit sie durch meine riesigen Kräfte nicht direkt in den Graben fliegen."


    Als das Wort "auspeitschen" fiel, sah auch die Iunia unwillkürlich zu Adula hinüber, die Sedulus' Blick alles andere als freundlich erwiderte ansonsten aber keine Reaktion zeigte.
    Natürlich spürte sie, dass Sedulus ihre Sklavin nur ärgern wollte, aber allein die Vorstellung Adula so etwas anzutun, war schon schrecklich, auch wenn ihre Frisuren wirklich eine Katastrophe waren.


    Serrana sah die Haarnadel, die Sedulus ihr gegeben hatte, eine Weile nachdenklich an.
    "Naja, ich hoffe einfach mal, dass sich irgendwann jemand anders um mein Äusseres kümmern kann. Dann ist Adula nur noch für meine Sicherheit zuständig, und was das angeht, ist sie wirklich unschlagbar und ich würde sie nicht eintauschen wollen."


    Nach diesen Worten drappierte sie ihre Palla so, dass der Stoff auch einen Großteil ihrer aufgelösten Haarpracht bedeckte und betrachtete ein wenig neidisch Sedulus' kurzes dunkles Haar.


    "Ihr Männer habt es gut, ihr müsst euch um so etwas keine Gedanken machen."

    Ein Schaf? Ja, vermutlich war sie das wirklich...dachte Serrana innerlich seufzend, während sie die Umarmung ihrer Freundin erwiderte. Da hatte sie einmal, ohne lange nachzudenken, einfach gesagt was ihr durch den Kopf geganen war, und sich direkt einem Fremden gegenüber blamiert. Was der nur von ihr denken musste!


    Ihr Lächeln fiel entsprechend scheu und verlegen aus, als Calvena sie dem jungen Mann vorstellte. "Salve, Decimus Flavus." begrüßte sie ihn dann und widerstand dem Impuls, dabei auf den Boden zu sehen, so wie sie es früher immer getan hatte, wenn ihr etwas peinlich war. Und Calvenas Erklärung, um wen es sich bei Flavus handelte, führte sogar dazu, dass Serrana diesem nun direkt ins Gesicht und in die Augen schaute. Das war also der Sohn des ehemaligen Praetors? Ja, wenn man genau hinsah, konnte man tatsächlich einige Ähnlichkeiten in den Gesichtszügen erkennen, auch wenn Flavus natürlich um einiges jünger war.