Beiträge von Iunia Serrana

    "Vielen Dank, das ist sehr lieb von dir." entgegnete Serrana auf Axillas aufbauende Worte. "Ich weiß ja auch, dass ich etwas selbstbewusster sein sollte, aber irgendwie komme ich nicht so richtig aus meiner Haut. Wenn man nur oft genug hört, dass man tollpatschig ist und dumm und sich albern benimmt, dann glaubt man es irgendwann selbst..."fügte sie mit einem kleinen Seufzer hinzu, aber dann erhellte sich ihr Gesicht ganz schnell wieder.


    "Aber bei Sedulus ist das nicht so. Bei ihm spüre ich, dass er mich wirklich schön und interessant findet und komischerweise auch nicht langweilig, und das ist ein ganz tolles Gefühl." Jetzt wäre Serrana am liebsten selbst durchs Atrium getanzt, aber so ganz konnte sie ihre Hemmungen dann selbst bei Axilla nicht ablegen. Als ihre Cousine beim Thema "Andeutungen" nachhakte, beugte sie sich stattdessen noch ein wenig zu ihr herüber und sprach im Flüsterton weiter, obwohl die beiden Mädchen zur Zeit allein im Atrium waren.


    "Nachdem wir uns geküsst hatten, da hatte ich auf einmal ziemliche Angst wegen meiner Großmutter, weil die furchtbar streng ist, was unmoralisches Verhalten angeht. Und da hat Sedulus dann gesagt, dass Großmutter sich nach dem ersten Schreck sicher freuen wird, wenn ich ihn zum Mann bekomme. Das kann doch eigentlich nur eins bedeuten, oder?" fragte Serrana mit einem Gesichtsausdruck nach, in dem sich freudiges Strahlen und die Besorgnis, Axilla könne ihr doch vielleicht widersprechen, stetig abwechselten. "Aber bislang weiß noch niemand davon, und solange es nicht offiziell ist, muss das auch so bleiben. Sedulus könnte sonst nämlich ernsthafte Schwierigkeiten bekommen, wenn sich rumspricht, dass er sich heimlich mit einer unverheirateten Frau trifft. Deshalb darfst du auch niemandem davon erzählen, aber das würdest du ja ohnehin nicht tun, nicht wahr?"


    Nein, Axilla würde sie nicht verraten, in diesem Punkt war sich Serrana absolut sicher. Denn obwohl sie ihre Cousine noch nicht allzu gut kannte, spürte sie einfach, dass sie sich auf deren Loyalität absolut verlassen konnte, so wie es andersherum genauso war.


    Es fiel ihr ein wenig schwer, sich jetzt wieder auf ein anderes Thema zu konzentrieren, aber schließlich klappte auch das. Die Beschreibung von Valas Verhalten passte ganz gut zu dem, was Serrana bei der gemeinsamen Cena in der Casa Decima mit ihm erlebt hatte, daher musste sie bei Axillas Erzählung schmunzeln.


    "Nun, römische Verhaltensregeln scheinen ihm ja relativ gleichgültig zu sein, deinem Vala..." sagte sie mit einen kleinen Kichern und sah Axilla dann nachdenklich an. "Das könnte natürlich von Vorteil sein, wenn du ihn irgendwie wiedersehen willst, es könnte auf jeden Fall leichter sein, einen Weg zu finden...Eine richtig tolle Idee hab ich bislang nicht, aber vielleicht solltest du dich mal mit Duccia Venusia unterhalten, wenn du Senator Livianus besuchst. Soweit ich weiß, lebt Venusia auch in der Casa Decima, weil sie mit dem Bruder des Senators verheiratet ist. Und sie ist Valas Tante, das weiß ich mit Sicherheit..."

    Nachdem Sedulus stehen geblieben war, dachte Serrana einen Moment lang über seine Worte nach und schüttelte dann den Kopf.


    "Durmius Verus ist in jedem Fall ein guter Lehrer, auch wenn er manchmal ein wenig länger braucht und sich unsere Ausbildung auf diese Weise ein wenig verzögert. Aber er hat uns gesagt, dass wir ohnehin seine letzten Schülerinnen sein werden, deshalb soll er das auch in Ruhe zu Ende bringen. Eigentlich sind wir auch so gut wie durch, im Grunde müssen Calvena und ich nur noch das abschließende Opfer an die von uns gewählte Gottheit bestehen..."
    "Und dann...", an dieser Stelle begann Serrana zu strahlen,"....wenn ich das gut hinbekommen habe, dann werde ich endlich eine richtige Priesterin sein. Ist das nicht aufregend?" Kurz fiel ihr wieder ein, dass Sedulus ihr gestanden hatte, selbst nicht allzu gläubig zu sein. Hoffentlich ging sie ihm mit ihren Zukunftsschwärmereien über den Tempeldienst nicht auf die Nerven... Da war es vielleicht doch besser, sich weiter über das Thema "Senat" zu unterhalten, dass interessierte sie selbst ja schließlich auch.


    Dass Sedulus nicht ganz so harmoniebedürftig war wie sie selbst, war Serrana durchaus schon aufgefallen, aber ob, und wie sich das auch in seiner Arbeit als Senator niederschlug, davon hatte sie bislang keine Ahnung.


    "Welches Thema war dir denn so wichtig,dass du dich deshalb mit anderen Kollegen gestritten hast? Und welche Senatoren waren das?" hakte sie neugierig nach. Persönlich kennengelernt hatte sie bislang ja noch nicht allzu viele, aber vielleicht waren ihr ja zumindest die Namen ein Begriff.

    Insgeheim war Serrana durchaus der Meinung, dass Adula sich auch gegen so manchen männlichen Gegner durchaus überzeugend würde durchsetzen können, aber das behielt sie lieber für sich. Ihre Leibsklavin war ihr trotz, oder vielleicht auch gerade wegen ihres gewöhnungsbedürftigen Naturells in den letzten gemeinsamen Monaten sehr ans Herz gewachsen, und die Vorstellung, dass diese sich aus irgendwelchen Gründen in Gefahr bringen könnte, war in den Augen der jungen Iunia ganz furchtbar. Um ihren alten Lehrer machte sie sich auch Sorgen, wenn auch aus ganz anderen Gründen.


    "Oh nein, bitte nicht." antwortete sie daher sofort auf Sedulus' Vorschlag, den alte Durmius auszutauschen, und legte ihm kurz und ohne lange nachzudenken die Hand auf den Unterarm. "Er gibt wirklich sein bestes, und ich hab ohnehin schon Angst genug, dass er irgendwann einfach nicht mehr aufwacht, so wie mein Großvater." Serrrana presste, wie sie es irgendwann einmal bei ihrer Großmutter abgeschaut hatte, ihre Hand zusammen, um sich durch den Schmerz der Fingernägel in ihrer Haut von diesem unerfreulichen Gedanken abzulenken und hörte Sedulus dann wieder aufmerksam zu.


    Eine Senatsdebatte langweilig? Unvorstellbar! "Ist das wirklich so? Das kann ich mir gar nicht vorstellen." sagte sie aufgeregt und versuchte, sich all die Senatoren mit ihren Purpurstreifen auf einem Fleck vorzustellen. "Im Senat haben doch seinerzeit schon die Gracchen gesprochen, und Sulla und Marius, und Cäsar und Pompeius und überhaupt..." Serrana geriet immer mehr in ihr Element und wedelte mit leuchtenden Augen in der Luft herum. "Schade, dass wir uns nicht wirklich ähnlich sehen, sonst könnte ich ja vielleicht mal als dein Doppelgänger an einer solchen Sitzung teilnehmen...."

    "Schön, dass dir die Cena ein wenig gefallen hat." antwortete Serrana erfreut. "Weißt du, damals in den Thermen, als Narcissa die anderen Frauen einfach zu uns in die Casa eingeladen hat, da hab ich mich zu Tode erschreckt. Aber an dem Abend selbst hat es mir dann doch ganz gut gefallen und auf die Weise habe ich ja auch viele nette Leute kennengelernt..." Ihre letzte Bemerkung wurde von einem kleinen Augenzwinkern zu ihm hoch begleitet und Serranas Laune wurde immer besser.


    Ob Adula mit den stärksten Männern nun eher kämpfen oder etwas anderes machen wollte, wusste Serrana beim besten Willen nicht. Bislang hatte sie sich noch nie über Adulas Liebesleben Gedanken gemacht, aber schließlich hatte ja sogar sie selbst mittlerweile eins, warum also sollte das bei ihrer Sklavin anders sein?


    "Ich weiß nicht, ob Adula wirklich mit einem Gladiator kämpfen würde. Sie ist zwar sehr stark aber hat ja keinerlei Kampfausbildung. Aber daheim in der Campania hat sie sich auch schon lieber mit den Feldsklaven unterhalten als mit den Mädchen, die sich um den Haushalt gekümmert haben. Das ist einfach nicht ihre Welt."


    Bei Sedulus' Frage nach ihrem Unterricht erhellte sich Serranas zwischenzeitlich nachdenkliches Gesicht sofort wieder, denn dies war das einzige Thema, bei dem sie erstaunlicherweise noch nie unter Zweifeln oder Minderwertigkeitskomplexen gelitten hatte.


    "Oja, das mit der Ausbildung klappt ganz wunderbar. Calvena und ich haben einen sehr netten Lehrer, der uns alles sehr gut erklärt und viel Geduld mit uns hat. Allerdings ist er schon ziemlich alt und wird sehr schnell müde." erzählte Serrana mit einem liebevollen Lächeln, als sie an Durmius Verus dachte. "Manchmal schläft er sogar mitten im Unterricht ein, stell dir das mal vor..."
    Schon erstaunlich, dass Sedulus sich für diese Dinge interessierte, schließlich war er als Senator doch jeden Tag von viel wichtigerem umgeben...


    "Du findest das sicher albern, aber ich wünschte, ich könnte mal an einer Senatssitzung teilnehmen und all diese wichtigen Menschen dort sehen." gab sie dann mit sehnsüchtigem Blick zu und sah Sedulus fragend an. "Ist es nicht furchtbar aufregend, dort zu sitzen und über alles mögliche zu entscheiden?"

    "Ähm, ja genau..." schaffte es Serrana gerade noch zu sagen, dann wurde sie von Axilla in eine neue Umarmung gezogen, während diese fröhlich und ohne Pause weiter schwärmte. Da sie selbst seit ihrem fünften Lebensjahr weitgehend ohne derartige körperliche Zuneigungsbezeugungen aufgewachsen war, irritierte es Serrana ein wenig, wie unbefangen körperlich sich ihre Cousine benahm, aber eigentlich gefiel ihr das ganz gut, und sie beneidete Axilla auch ein wenig deshalb.
    Erst als diese sie wieder losließ, drang der entsprechende Name auch zu Serrana durch und ein Lächeln des Wiedererkennes erschien auf ihrem Gesicht.


    "Duccius Vala? Oh, stell dir vor, den kenne ich sogar." unterbrach sie vergnügt Axilas Redestrom. Kein Wunder, dass ihre Cousine auf den aufmerksam geworden war, der junge Germane war ja wirklich eine recht auffällige Erscheinung...


    Jetzt stellte Serrana wieder einmal fest, dass es ihr deutlich leichter fiel, anderen zuzuhören und sich für sie zu freuen, als etwas über sich selbst und ihre Erlebnisse zu erzählen. Der gemeinsame Aufenthalt mit Sedulus kam ihr immer noch wie ein Traum vor, wie sollte sie das nur in passende Worte fassen?


    "Ich weiß gar nicht, wo ich da anfangen soll...."begann Serrana ein wenig unsicher, aber ihr Gesicht nahm bei dem Gedanken an jene wenigen Minuten unbewusst einen glücklichen und leicht entrückten Ausdruck an. "Am Anfang hab ich ihm was über unsere Schriftrollen erzählt, und er hat auch ganz aufmerksam zugehört. Und dann....dann hat er plötzlich gesagt, dass er mich schön findet und kostbar....so was hat vorher noch nie jemand zu mir gesagt, das war ganz seltsam...und dann haben wir weitergeredet und irgendwann hat er mich dann geküsst, ach, das war wirklich schön....." Jetzt war es Serrana, die völlig geistesabwesend vor sich hinstrahlte. Dann fiel ihr noch etwas anderes ein und sie fasste aufgeregt Axillas Hand. "Ich glaub, er meint es wirklich ernst mit mir, er hat da so Andeutungen gemacht. Und ich kann immer noch nicht glauben, dass es wahr ist, warum sollte sich jemand wie er denn ausgerechnet so jemanden wie mich aussuchen..." Wieder einmal klopften die kleinen und doch so vertrauten Dämonen der Selbstzweifel an Serranas Tür, und diese gab sich größte Mühe, die ungeliebten Gäste so gut es ging zu ignorieren.


    "Warum solltest du ihn denn nicht wiedersehen?" hakte sie dann neugierig bei Axilla nach. So verliebt wie diese klang, hatten sie und Vala doch sicherlich ein neues Treffen vereinbart.

    Es gab vermutlich kaum jemanden, der Serranas Unsicherheit und Schüchternheit mehr verfluchte als sie selbst. Um so erfreuter war sie, dass Sedulus mit Verständnis und Geduld darauf reagierte, denn alles andere hätte sie noch mehr unter Druck gesetzt und vermutlich nicht zu einer Besserung beigetragen. Und er hatte "wir" und "zusammen sein" gesagt... Das Wort "Brennpunkt" klang dagegen nicht ganz so verheissungsvoll, aber Sedulus gab ihr bereits jetzt so viel Rückhalt, dass sie sich bei ihm so schnell wie möglich revanchieren wollte. Und wenn man etwas für einen anderen Menschen tat, dann war es meistens auch ein wenig leichter über den eigenen Schatten zu springen.


    "Ja, das werde ich machen." antwortete sie und erwiderte sein Lächeln mit neuer Zuversicht. "Die Cena in der Casa Iunia hab ich ja auch irgendwie hinbekommen, ich muss einfach noch ein bisschen üben."


    Die Vorstellung von einer starr in der Ecke stehenden Adula war schon ziemlich lustig und Serrana fiel sofort unbeschwert in sein Lachen ein.


    "Nein, starres Rumstehen ist sicher nicht Adulas Ding, sie muss immer irgendwie in Bewegung sein. Da könnte deine zweite Theorie schon eher hinhauen, wobei ich hoffe, dass ihr niemand einen Grund gibt ihn zu verprügeln. Ich hab Adula heute morgen gesagt, dass sie sich ein bisschen hier umschauen kann. Vielleicht entdeckt sie ja ein paar Gladiatoren oder so etwas in der Art. Die wären schon eher ihre Kragenweite...."
    Was war das doch für ein schöner Tag. Es war zwar schon ziemlich kalt, aber die Sonne schien, und dadurch wirkte alles gleich viel heller und schöner. Und das tröstete Serrana sogar ein wenig darüber hinweg, dass sie hier in der Öffentlichkeit deutlich mehr Abstand von Sedulus halten musste als daheim in der Bibliotheca.

    Mittlerweile fand Serrana die Schlagfertigkeit ihrer Sklavin ja auch ganz lustig und vor allem praktisch, aber irgendwie war sie doch erleichtert, dass Sedulus das ähnlich sah. Sicherlich gab es auch genug Menschen in Rom, die an einem solchen Auftritt Anstoß genommen hätten, auch wenn der Leidtragende nur ein Sklave gewesen war. Was für eine Vorstellung, wenn derjenige ein freier Bürger gewesen wäre...


    "Ja, das stimmt natürlich." gab sie Sedulus recht. "Ich will mir gar nicht vorstellen, wie schrecklich es geworden wäre, wenn Adula wirklich einen wichtigen Menschen niedergeschlagen hätte...du hast ja sicher schon bemerkt, dass ich nicht so gern im Mittelpunkt stehe und mir viele Sachen Angst machen, und das war im Sommer, als ich nach Rom gekommen bin, noch viel schlimmer..." An dieser Stelle begann Serrana wieder einmal an ihrem Armreif herumzudrehen und fragte sich, ob sie die letzte Bemerkung lieber hätte für sich behalten sollen. Aber schließlich war es ja alles andere als ein Geheimnis, dass sie nicht gerade ein wandelndes Selbstbewusstsein auf zwei Beinen war, da würde wohl auch Sedulus von diesem Geständnis nicht besonders überrascht sein. Den Irrtum seines Sklaven fand sie wiederum überhaupt nicht schlimm und beeilte sich auch direkt es Sedulus zu sagen und ihn dann anzuzwinkern.


    "Oh, ich glaube nicht, dass die Iulier es dir übel genommen haben, dass du aus Versehen an ihre Tür geklopft hast. Vermutlich haben sie es längst vergessen oder erst gar nicht erfahren, denn ihr Ianitor hat es vielleicht gar nicht weiter erzählt."


    Er brauchte also keine Anstandssklavin? Im Grunde hatte Serrana nur auf eine derartige Bestätigung aus seinem Mund gewartet, und als diese kam, nickte sie Adula nur kurz zu, woraufhin diese mit etwas, das sich verdächtig nach einem weiteren ärgerlichen Schnauben anhörte, umdrehte, mit bedächtigen Schritten auf die nächste Ecke zulief und hinter dieser schließlich verschwand.


    "So, jetzt sind wir allein." sagte Serrana und sah Sedulus mit einem zufriedenen Lächeln an. "In der nächsten halben Stunde wird Adula sicher beschäftigt sein."

    Bei der Erinnerung an den auf dem Hosenboden sitzenden Sklaven musste Serrana wider Willen doch lachen.


    "Naja, sie hat ihm einen solchen Schlag versetzt, dass er rücklings auf den Hintern gefallen ist, und das vor allen Leuten dort auf dem Forum. Die haben natürlich gelacht, aber mir war das zuerst ganz furchtbar unangenehm. Aber verdient hat er es ganz sicher, so ein unverschämter Blödmann...."
    Dass Sedulus während ihrer Erklärung zu Adulas Frisierkünsten anfing zu grinsen, irritierte Serrana ein wenig und sie fuhr automatisch ein weiteres Mal mit den Fingern an ihre Frisur, wobei sich leider weitere Haarsträhnen lösten, die sich Adulas begrenzten Fähigkeiten offenbar nur kurzfristig gebeugt hatten. Ob sie wohl irgendwie komisch aussah? Aber das konnte sie ihn doch unmöglich fragen...


    "Ja, natürlich kann Adula sprechen und sie versteht alles was man ihr sagt." entgegnete sie schnell, um sich auf andere Gedanken zu bringen.
    "Daheim in Nola war sie die Einzige, die vor Großmutter keine Angst hatte, und darüber war die immer ganz furchtbar wütend. Sie konnte sie bestrafen, wie sie wollte aber Adula hat sich einfach nicht beeindrucken lassen. Vermutlich war sie froh, als sie sie loswerden konnte und hat sie deshalb mit mir nach Rom geschickt..."


    Bei dem Namen Nietus musste Serrana kichern. "Oje, der arme Kerl. Er hat es ja nicht böse gemeint und wird sich sicher nicht noch einmal im Haus irren, da bin ich mir sicher." Sie brauchte einen kleinen Moment, bis sie Sedulus' letzte Bemerkung richtig verstanden hatte und wurde dann ein wenig verlegen.


    "Ich hoffe, du bist mir nicht böse, dass ich Adula mitgebracht habe. Ich fühle mich einfach wohler, wenn ich mit ihr unterwegs bin, aber wenn du magst, dann kann sie sich ja gleich mal...äh....ein bisschen hier in der Umgebung umschauen." entgegnete sie dann und lächelte, um von ihren ziemlich erhitzten Wangen abzulenken.

    Serrana ließ sich nur zu gern von Axilla zur Wand hinüberziehen, schließlich war sie ausgesprochen neugierig auf deren Geschichte und den geheimnisvollen Unbekannten. Mit leicht geöffnetem Mund hörte sie ihrer Cousine zu und nickte nur dann und wann. Ein wenig verworren hörte sich das Ganze ja schon an, aber immerhin konnte Axilla ihre Erlebniss und Gefühle gut und anschaulich in Worte fassen, und das fiel ihr selbst nach wie vor ausgesprochen schwer. Wenn Axillas neue Bekanntschaft einen eigenen Hauslehrer besaß, schien er ja in jedem Fall einigermaßen standesgemäß zu sein, aber hatte sie überhaupt einen Namen genannt?


    "Wie heisst er denn, dein großer, starker Verehrer mit den grauen Augen?" fragte sie lächelnd. Zwar kannte sie selbst noch nicht allzuviele Menschen in Rom, aber vielleicht kam ihr ja der Name seiner Gens bekannt vor, man wusste ja schließlich nie.
    Und wie schön sich die Liebesverse aus Axillas Mund anhörten...Serrana selbst hatte nach wie vor kaum Ahnung von Poesie, aber dafür war sie in den vergangenen beiden Nächten an die Schriftrolle von Livius gekuschelt eingeschlafen. Sie musste wirklich ein bisschen aufpassen, schließlich sollte Sedulus seine großzügige Leihgabe ja nicht total zerfleddert zurückbekommen...


    Axillas letzte Bemerkung brauchte Serrana wieder in die Realität zurück.
    "Oh, mach dir keine Gedanken, ein paar Minuten hab ich noch Zeit. Und ausserdem...."an dieser Stelle vertiefte sich das Rot ihrer Wangen noch ein wenig und ihre Stimme wurde stockender,obwohl ihre Augen weiterstrahlten"... und ausserdem muss ich dir auch noch etwas erzählen...über...ähm über das, was in der Bibliothek passiert ist, nachdem du auf den Markt gegangen bist".

    Serrana nickte nur, als Calvena zugab, dass die Situation für sie ein wenig ungewöhnlich war und ließ dabei für's erste bewenden. Sicherlich waren die Umstände im Moment für alle Beteiligten ein wenig ungewöhnlich und gewöhnungsbedürftig, aber da man das Ganze ohnehin nicht rationell erklären konnte, konnten sie im Grunde nur abwarten, wie sich alles weiterentwickeln würde. Über eine andere Sache musste allerdings ganz dringend gesprochen werden und ein leicht besorgter Ausdruck legte sich auf Serranas Gesicht, als sie sich wieder ein wenig zu ihrer Freundin hinüberbeugte.


    "Auf jeden Fall darf noch niemand davon erfahren." sagte sie eindringlich und so leise, als wären die beiden Mädchen nicht allein im Zimmer. Aber schließlich wusste Serrana aus eigener leidvoller Erfahrung nur zu gut, über welch exzellente Ohren einige andere Bewohner dieser Casa verfügten. "Vor allem Großmutter nicht, ich will mir gar nicht ausmalen, wie die sich aufregen würde...."Serrana machte sich nicht die Mühe, Calvena ausdrücklich um ihr Stillschweigen zu bitten, sie war sich absolut sicher, dass sie ihrer Freundin in diesem Punkt vertrauen konnte.


    "Gibt es eigentlich schon irgendetwas neues wegen deiner Hochzeit?" fragte sie dann, um das Gespräch wieder zu angenehmeren Themen als Laevina zu lenken.

    Serrana warf einen weiteren Blick auf Adula und deren ihr mittlerweile wohlbekannten Muskeln und kicherte.


    "Ja, da könnest du recht haben, wenn man sie nicht kennt, könnte man glauben, Adula sei ständig schlecht gelaunt, dabei stimmt das eigentlich gar nicht. Sie mag es nur nicht, wenn man ihr oder mir zu nahe tritt, dann wird sie böse. Stell dir vor, an meinem ersten Tag in Rom war ich mit ihr auf dem Forum, und da hat sie einen Mann umgehauen, weil der sie in den Hintern gekniffen hat. Den Göttern sei Dank war es nur ein Sklave, aber es war trotzdem furchtbar peinlich..." erzählte Serrana mit einer Mischung aus Verlegenheit und Belustigung.


    Und wie sollte sie nur erklären, wie die Verständigung zwischen ihr und Adula funktionierte? Sie runzelte die Stirn.


    "Oh, keine Ahnung, irgendwie verstehen wir uns einfach. Meistens spürt Adula, wenn ich gerade bei etwas Hilfe brauche, und dann macht sie alles, was in ihren Kräften steht. Ankleiden und Frisieren ist nicht gerade ihre große Stärke, aber den Göttern sei Dank bin ich ja nicht allzu eitel." Automatisch und ein wenig unsicher prüfte Serrana, ob ihre schlichte Hochsteckfrisur noch einigermaßen saß und schob sich dann eine Haarsträhne, die sich bereits gelöst hatte hinter das Ohr.


    "Hast du denn eigentlich keinen Leibsklaven, der dich immer begleitet?" fragte sie Sedulus dann neugierig und sah sich suchend um

    Axillas überschäumendes Naturell war etwas, an das sich die schüchterne und deutlich zurückhaltenere Serrana wohl noch ein wenig würde gewöhnen müssen, auch wenn es ihr durchaus sympathisch war. Auf jeden Fall merkte man deutlich, dass die Erziehung ihrer Cousine offenbar weniger streng gewesen war als ihre eigene, denn bei Großmutter Laevina hätte es in einem Fall von derart unbeherrschtem Verhalten sofort eine schallende Ohrfeige gesetzt. Mit einer Mischung aus Verwirrung und Belustigung beobachtete sie Axillas Gefühlsausbruch, und erwiderte dann überrascht aber durchaus aufrichtig deren Umarmung. Die Formulierungen, die ihre Cousine einfach so hervorsprudelte wären ihr selbst vermutlich nie so in dieser Form eingefallen, aber Serrana erkannte in diesen Beschreibungen zuviel von ihrem eigenen momentanen Gefühlschaos wieder, um nicht sofort zu verstehen dass Axilla sich ganz offenbar Hals über Kopf verliebt hatte.
    Sie wartete, bis ihre Cousine sich wieder ein wenig beruhigt hatte und sah diese dann ausgesprochen neugierig an:


    "Du kennst ihn gar nicht? Aber was ist denn nur passiert? Erzähl doch mal!" Gut, dass Calvena gar nicht mit ihrem Besuch rechnete, auf diese Weise konnte sie noch ein wenig mit Axilla reden und herausfinden, was mit dieser so urplötzlich geschehen war. Die Frage nach dem Päckchen unter ihrem Arm erinnerte Serrana jedoch zunächst wieder an ihr eigenes Gefühlsleben, und ihre Augen begannen automatisch zu leuchten, während sich ihre Wangen leicht rosig verfärbten.


    "Ein Geschenk? Ähm, nein, das ist das Kleid, das meine Freundin Germanica Calvena mir seinerzeit für das Fest im Haus ihrer Familie geliehen hat. Ich wollte es ihr nur schnell zurückbringen."

    Für einen Moment lang hatte es so ausgesehen, als wollte Sedulus ihr leise etwas ins Ohr sagen. Ganz so unwahrscheinlich war dieser Gedanke nicht, denn schließlich waren sie hier nicht allein, und Adula stand sogar direkt hinter ihr. Serrana hob automatisch den Kopf, als er sich ein wenig zu ihr herunterbeugte und war ein wenig überrascht, als Sedulus sie küsste, allerdings fiel diese Überraschung durchaus angenehm aus.


    "Salve, Sedulus." entgegnete sie dann lächelnd und schaute nun ihrerseits ein wenig in die Runde. Offenbar hatte niemand etwas von ihrer Begrüßung mitbekommen.


    Sie fing den Blick auf, mit dem Sedulus Adula taxierte, und ihr Lächeln wurde noch ein bisschen breiter.


    "Ja, das ist Adula. Ehrlich gesagt wüsste ich gar nicht, was ich ohne sie in Rom anfangen sollte." beantwortete sie dann seine Frage mit einem liebevollen Blick auf ihre Leibsklavin. Adula selbst gab bei diesem Vorstellungsritual nur einen ihrer undefinierbaren Knurrer von sich und schaute dann wieder in der Gegend umher, und Serrana sah sie ein wenig tadelnd an, bevor sie sich wieder Sedulus zuwandte.


    "Bitte versteh ihr Benehmen nicht falsch. Adula ist eigentlich ein ganz umgänglicher Mensch, sie spricht nur nicht so gern allzuviel." Serrana selbst hatte sich in den letzten gemeinsamen Monaten an Adulas teilweise seltsames Verhalten gewöhnt und stattdessen ihre unleugbaren Vorzüge zu schätzen gelernt. Aber ob Sedulus dafür auch Verständnis aufbringen würde? Die junge Iunia war sich in dieser Hinsicht nicht wirklich sicher und sah ihn daher ein wenig unsicher an.

    Vermutlich war es Calvena gar nicht bewusst, wie sehr Serrana auf ihren Segen in dieser Angelegenheit hingefiebert hatte. Für die junge Iunia gab es keinen anderen Menschen auf der Welt, dessen Meinung eine solche Bedeutung für sie und ihr Handeln und Denken gehabt hätte, von ihrer Großmutter Laevina vielleicht einmal abgesehen. Aber während Serrana mit dieser in erster Linie Respekt, Angst und jahrelanger Gehorsam verbanden, waren es in Calvenas Fall die Bande echter Freundschaft, und die wogen jetzt, zu Serranas eigenem Erstaunen, deutlich mehr. Sicher musste die Vorstellung, dass ihre Freundin in ihren Onkel verliebt war, ein wenig seltsam in Calvenas Augen sein, aber dennoch ließ sich diese nichts davon anmerken, und Serrana fühlte eine neue und noch tiefere Welle der Zuneigung in sich aufsteigen.


    "Vielen Dank, dass du einfach nur zu mir hältst." sagte sie daher lächelnd und drückte noch einmal Calvenas Hände. "Ich kann mir vorstellen, wie seltsam das Ganze für dich sein muss, aber glaub mir, mir geht es ganz genauso. Irgendwie laufe ich den ganzen Tag durch die Gegend und habe keine Ahnung, was als nächstes passieren wird. War das bei dir denn genauso, als du dich in Valerian verliebt hast?"

    Mit einem säuberlich verschnürten Paket auf dem Arm und völlig in Gedanken versunken betrat Serrana das Atrium. Sie war gerade auf dem Sprung, um ihrer Freundin Calvena das Kleid zurückzubringen, das diese ihr für das große Fest in der Casa Germanica geliehen hatte. Seit sich die beiden Mädchen angefreundet hatten, war Serrana schon häufiger in der Casa Germanica gewesen, aber heute würde sie doch mit etwas anderen Augen dorthin gehen.


    Würde Axilla nicht so freudig vor sich hinsummen, dann hätte Serrana ihre Cousine vermutlich gar nicht bemerkt. So aber hob sie den Blick, sah die tanzende und wie entrückt wirkende Axilla einen Moment lang verdutzt an und fragte dann lächelnd:


    "Hallo Axilla, geht es dir gut?" Eigentlich eine überflüssige Frage, so wie ihre Cousine gerade strahlte, aber Fragen schadete ja schliesslich nicht.

    Oh, wie peinlich. Der besagte "Stier" war offenbar eine lebende Legende und trotzdem war seine Existenz bislang komplett an ihr vorbeigegangen... Eigentlich seltsam, dass ihr Großvater daheim nie über diesen Meridius gesprochen hatte. Wenn dieser Triumph allerdings tatsächlich vor zehn Jahren stattgefunden hatte, dann war es kein Wunder, dass er von ihrer Familie weitgehend unbeachtet geblieben war, denn zu dieser Zeit hatte sie selbst gerade um ihre Mutter und ihre Großeltern um ihre Tochter getrauert und andere Dinge im Kopf gehabt als das ferne Hispania. Serrana spürte wie bei der Erinnerung an dieses dunkle Jahr eine Welle der Traurigkeit über sie zu kommen drohte, schüttelte diese dann jedoch so schnell wie möglich ab. Schließlich hatte sie heute endlich ein paar neue Familienmitglieder kennengelernt, da musste die Trauer um die bereits verstorbenen einmal zurückstehen.


    "Ja, das ist eine gute Idee." stimmte sie Axillas Vorschlag zu. Es schadete ja nicht, wenn man ein wenig über die Familienverhältnisse seiner Nachbarn bescheid wusste, wobei sich Serranas Kenntnisse über ihre eigene Gens nach wie vor ebenfalls sehr in Grenzen hielten...
    Jetzt wurde es aber wirklich allmählich Zeit für's Bett, Serrana spürte wie sie immer müder wurde und sich nur noch nach ihrem gemütlichen Bett und ein paar Zeilen aus einer ihrer Schriftrollen sehnte.


    "Grüß den Senator bitte von mir, wenn du ihn besuchst, und Narcissa auch. Ich hab sie schon seit ewigen Zeiten nicht mehr zu Gesicht bekommen und keine Ahnung, wie es ihr geht." bat sie ihre Cousine und stand dann auf, um sich wieder anzukleiden. "Ich werde mich jetzt hinlegen, aber ich wünsche dir eine schöne und erholsame erste Nacht in der Casa Iunia und natürlich wundervolle Träume. Morgen können wir uns dann in Ruhe weiter unterhalten." Serrana lächelte Axilla noch ein letztes Mal zum Abschied zu und verließ dann gemeinsam mit Adula das Balneum, um sich für die Nacht in ihr Cubiculum zu begeben.

    [Blockierte Grafik: http://img503.imageshack.us/img503/1383/adula.jpg]
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    Adula


    Es war gerade Mittagszeit und Adula war bereits am Ende ihrer Kräfte angekommen. Das lag weniger am recht zügigen Marsch vom Tempel zur Naumachia Augusti als vielmehr daran, dass die eigentlich doch recht genügsame Leibsklavin ihre Herrin heute ausgesprochen anstrengend fand. Ganze DREIMAL hatte sie Serranas Haar in der letzten Stunde öffnen, kämmen und wieder hochstecken müssen! Dabei hatte Adula durchaus nichts gegen Arbeit einzuwenden, auf dem Feld mit dem schweren Pflug oder beim Tragen von Getreidesäcken hatte sie sich immer schon wunderbar entspannen können, aber diese Frisiererei und das Rumgefriemel mit Haarschmuck, Kleidung oder ähnlichem hasste sie wie die Pest....
    ~~~


    Normalerweise machte Serrana sich durchaus Gedanken um die Stimmungslage und das Befinden ihrer Sklavin, aber am heutigen Tag ging Adulas schlechte Laune komplett an ihr vorbei. Immerhin hatte sie heute das erste richtige Rendezvous ihres jungen Lebens und war schon sehr gespannt darauf. Ob Sedulus sich wohl auch so auf ein Wiedersehen gefreut hatte wie sie selbst? Die vielen Menschen auf den Straßen hatten den Fußweg deutlich erschwert und ihre Nervosität noch ein wenig erhöht.
    Endlich an der Naumachia Augusti angekommen, ließ Serrana ihren Blick schweifen, konnte Sedulus jedoch nirgendwo entdecken.
    Ungeduldig stuppste sie Adulas Arm an. "Siehst du den Senator irgendwo? Du weißt doch noch von den Ludi Romani, wie er aussieht."Adula, die aufgrund ihrer auffallenden Körpergröße einen wesentlich besseren Überblick als ihre kleingewachsene Herrin hatte, stieß einen schicksalsergebenen Seufzer aus, sah sich kurz um und entdeckte Sedulus schließlich auf einer Bank.


    "Da drüben." brummte sie dann und wies unauffällig in die entsprechende Richtung. Serrana folgte ihrem Fingerzeig und ihr Gesicht leuchtete auf, als sie Sedulus auf seiner Bank sah. Lächelnd ging sie auf ihn zu, wurde gegen Ende jedoch langsamer und blieb schließlich etwas unschlüssig vor der Bank stehen. Wie begrüßte man sich denn nur am besten? Schließlich befanden sie ja hier in der Öffentlichkeit und nicht in der diskreten Bibliotheca in der Casa Iunia.

    Nein, Archias war eindeutig nicht der geheimnisvolle Unbekannte in Axillas Leben, sonst würde diese jetzt wohl nicht so entspannt lächeln... Die schlimmsten Knoten in Serranas Haar waren mittlerweile beseitigt und Adulas Kamm fuhr nun gleichmässig, und ohne von weiteren Hindernissen aufgehalten zu werden, durch ihr Haar. Serrana schloss die Augen und spürte, wie sie unter den Händen ihrer Leibsklavin und deren Bewegungen allmählich wegdämmerte. Eine von Axillas Bemerkungen brachte sie jedoch kurzfristig noch einmal in die Gegenwart zurück.


    "Wer um alles in der Welt ist denn der Stier von Tarraco?" fragte sie ungläubig und konnte ein Kichern nicht unterdrücken, obwohl ihr bereits schwahnte, dass sie damit eine üble Wissenslücke offenbarte.
    "Ich kenne nur Minos, den kretischen Stier, aber der arbeitet als Masseur in den Thermen und ist ganz sicher nicht mit den Decimern verwandt." Ein weiteres Kichern folgte.