Aaah, die junge Dame war nicht nur schön sondern auch noch fürsorglich! dachte Antinoos erfreut, als er die besorgte Stimme der Unbekannten hörte. Das verhieß durchaus besondere Freuden für die Zukunft, wenn er seine Trümpfe jetzt richtig ausspielte...Zum Dank öffnete er sofort die Augen und warf ihr einen weiteren glutvollen Blick zu. Da sie jedoch offenbar nicht der Typ Frau war, der einen Tänzer bei Gefallen direkt zu sich auf die Kline zerrte (und auch dies war Antinoos durchaus schon das eine oder andere mal passiert), war bei der weiteren Annäherung jetzt wohl ein wenig Raffinesse seinerseits gefragt.
"Nun, ich bin bei meinem "Tod" wohl ein klein wenig unglücklich aufgekommen." antwortete Antinoos mit leichtem griechischen Akzent und lächelte die Unbekannte tapfer an. "Könntest du mir vielleicht deine Hand reichen? Das würde mir beim Aufstehen sehr behilflich sein, und ich könnte vor den übrigen Tänzern und Gästen meine Würde bewahren..."
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Serrana war der Tanzdarbietung gebannt gefolgt und hatte für eine kurze Weile sogar ihre schon den ganzen Abend währende Nervosität abgelegt. Vor allem die Darstellung des Odysseus hatte es ihr angetan. Unglaublich, dass ein Mann sich derart elegant und geschmeidig bewegen konnte, ohne auch nur im mindesten feminin dabei zu wirken...
Das Lob ihrer beiden Nachbarn Calvena und Sermo freute die junge Iunia sehr und sie strahlte über das ganze Gesicht. Schließlich war es ja auch gut möglich, dass jemand Anstoß an den Tänzern oder ihrer Darbietung nahm.
"Vielen Dank." sagte Serrana an beide gewandt. Sermos Frage war ihr ein wenig peinlich und sie kicherte verlegen. "Nun, um ehrlich zu sein, haben Narcissa und ich jeweils die Hälfte der Tänzer ausgesucht, weil wir uns einfach nicht einigen konnten. Nur bei Odysseus und Antinoos war die Sache von Anfang an klar, weil die beiden in Rom den besten Ruf haben." In Antinoos' Fall traf das sogar in mehrfacher Hinsicht zu, aber dieser Aspekt war an der unbedarften Iunia komplett vorbeigegangen. "Weitere Tanzdarbietungen kann ich dir leider nicht anbieten, was die Wonnen für das Auge angeht, wirst du also mit dem Anblick unserer weiblichen Gäste vorlieb nehmen müssen." Du liebe Güte, hatte sie das jetzt wirklich gesagt? Der Satzt hätte ja glatt von Narcissa sein können....
Für einen kurze Weile hatte Serrana nicht an die übrigen Gäste gedacht, aber jetzt wurde ihre Aufmerksamkeit wieder auf Tiberia Septima und Senator Sedulus gelenkt, die immer noch nicht allzu harmonisch wirkten. Was ging denn da nur vor? Bislang war auf der Cena von Narcissas Verschwinden einmal abgesehen alles so wundervoll verlaufen, da würde doch jetzt nicht noch ein Streit alles kaputt machen? Und dann war auch noch einer der Tänzer bewegungslos vor der Kline liegengeblieben, auf der Claudia Romana lag, während alle anderen sich längst wieder erhoben hatten und dabei waren sich diskret zurückzuziehen. Serranas Besorgnis wuchs und sie entschied sich schweren Herzens, ihre übliche Schüchternheit für einen Augenblick über Bord zu werfen und als Gastgeberin nach dem Rechten zu sehen.
"Entschuldigt mich bitte einen kleinen Augenblick, ich bin sofort zurück." sagte sie an Calvena und Sermo gewandt, erhob sich von ihrer Kline und ging mit einem Lächeln, dem man ihre Besorgnis hoffentlich nicht ansah, hinüber zu den Ehrenplätzen. Dem nach wie vor am Boden liegenden Tänzer schien es erfreulicherweise nicht allzu schlecht zu gehen, denn er sprach mit Claudia Romana und lächelte sogar dabei. Umso besser, auf diese Weise konnte sie sich wenigstens direkt ihren Gästen widmen.
"Ich hoffe, es hat euch bislang gefallen." sagte sie an Septima und Sedulus gewandt und bezog ebenfalls Romana in diese indirekte Frage mit ein, auch wenn diese im Moment ein wenig abgelenkt wirkte. "Falls ich euch in Bezug auf das Essen und die Getränke noch irgendeinen Wunsch erfüllen kann, dann sagt das bitte. Ich möchte ja schließlich, dass unsere Gäste den Aufenthalt in diesem Haus geniessen und glücklich wieder nach Hause gehen." Besonders brilliant war Serranas Ablenkungsmanöver vermutlich nicht, aber ihr war wirklich sehr daran gelegen, wieder Frieden und Harmonie unter ihren Gästen herzustellen.