Beiträge von Iunia Serrana

    Serrana erreichte in Begleitung ihrer Leibsklavin das Anwesen der Gens Germanica und machte Adula ein Zeichen, an ihrer Stelle an die Eingangstür zu klopfen. Seit ihrer Ankunft in Rom hatte sie bereits ein paar mal die Erfahrung gemacht, dass man ihr eigenes, immer etwas zaghaftes Klopfen nicht sofort gehört hatte. Bei Adula hingegen bestand diese Gefahr in keinster Weise; ohne zu zögern hob die ihren muskulösen Arm und bollerte mit der rechten Faust lautstark gegen das Holz.


    Serrana zuckte bei dem Krach ein wenig zusammen und war froh, das zusammengeschnürte Paket auf dem Arm zu haben, an dem sie sich ein wenig festhalten konnte. Sehr sorgsam darin eingewickelt befand sich das magentafarbene Kleid, dass Calvena ihr für die Fontinalia geliehen hatte, sowie der dazugehörende Schmuck.


    Seit dem aus verschiedenen Gründen für sie so beeindruckenden Fest war Serrana nicht mehr hier gewesen, und sie merkte, dass sie vor Nervosität ein wenig kribbelig wurde.

    Serrana musste Sedulus Recht geben, als dieser wegen der besagten Cena nochmal nachhakte.


    "Ja, das stimmt schon. Ich hab mich damals auch ein wenig gewundert, aber vermutlich hatten sie alle etwas wichtigeres zu tun als mit zwei jungen Mädchen zu Abend zu essen. Decimus Verus ist sogar kurz aufgetaucht, aber dann hat ihm Duccius Vala, also der Germane, einfach die Tür vor der Nase zugemacht. Und der war schon sehr groß, zumindest kam er mir damals so vor." Jetzt musste Serrana schon wieder kichern, dabei hatte sie Valas seltsame Verhalten seinerzeit schon sehr überrascht und auch ein bisschen schockiert.


    "Offenbar haben die Germanen in einigen Bereiche ndoch ganz andere Umgangsformen als wir, meine Großmutter hätte bei so einem Benehmen bestimmt der Schlag getroffen..."Entweder das, oder Laevina wäre dem jungen Germanen ins Gesicht gesprungen, wobei die zweite Variante nicht unbedingt die unwahrscheinlichere war. Schließlich gab es nur sehr wenige Dinge, an die Laevina sich nicht herantraute...


    "Was ist denn damals passiert? Oder möchtest du lieber nicht darüber sprechen?" fragte Serrana vorsichtig nach, als Sedulus über den Tod seines Vaters sprach. Schließlich hatte sie vollstes Verständnis dafür, dass man über allzu schmerzhafte Erlebnisse im eigenen Leben nicht gern reden wollte. Sie selbst bildete da keine Ausnahme.

    Zu Serranas großer Erleichterung ließ ihre Verlegenheit wegen Sedulus' Entschuldigung recht schnell wieder nach, und so konnte sie ihm schon bald wieder unbeschwert und neugierig in die Augen sehen.


    "Ich habe Venusia durch Zufall bei einer Cena in der Casa Decima kennengelernt. Eigentlich wollte Narcissa mich da der Familie von Senator Livianus vorstellen, aber von den Decimern ist bei dem Essen keiner aufgetaucht. Stattdessen war Venusia da und ein Neffe von ihr, der würde in diesem Raum hier sicher an die Decke stoßen." erzählte Serrana und musste bei der Erinnerung an die für ihre römischen Augen doch recht ungewöhnliche Körpergröße des jungen Germanen kichern.


    "Und jetzt wo du es sagst, fällt mir ein, dass sie den Namen deines Vaters sogar erwähnt hat, als wir zusammen in den Lucullischen Gärten unterwegs waren. Sie hat mir auch gesagt, dass er gestorben ist, das tut mir wirklich leid." fügte sie schließlich in ernsthafterem Ton hinzu.

    Viel zu schnell war dieser wundervolle Moment vorbei, und Sedulus ließ Serrana wieder los. Sein Kuss war schonn ein wenig überraschend gekommen, trotzdem war sie jetzt ein wenig enttäuscht, dass er so schnell wieder vorbei war...


    "Du brauchst dich bei mir nicht zu entschuldigen. " sagte sie mit ganz leiser Stimme und mindestens ebenso verlegen wie er selbst. Da es ihr in diesem Moment doch ein wenig peinlich war, Sedulus anzuschauen, spielte Serrana ein wenig mit ihrem goldenen Armreifen herum und hob den Blick erst wieder, als er seinen Bericht über Germanien fortsetzte. In diesem Augenblick war ihr der wilde Norden des Römischen Reiches herzlich gleichgültig, aber vermutlich war er eine gute Ablenkung von ihren eigenen Gedanken und Gefühlen, die gerade ziemlich in Unordnung geraten waren.


    Bei dem Ausdruck "einfach gestrickt" tauchten unwillkürlich riesige, fellbekleidete und langhaarige Barbaren-Krieger vor Serranas innerem Auge auf, so wie diese in den Schriftrollen ihres Großvaters beschrieben worden waren. Aber dann fiel ihr direkt jemand ein, auf den diese Beschreibung nicht zutraf.


    "Kennst du eigentlich Duccia Venusia, die Frau von Decimus Magnus? Die ist ja Germanin und sie hat mir erzählt, dass sie in ihrer Heimat eine ganze Menge wichtiger Ämter innegehabt hat. Dann muss sie doch ziemlich klug sein, oder nicht?"

    "Um ein Meister auf dem Gebiet zu werden, werde ich wohl noch viel üben müssen." sagte Serrana ohne besonderes Bedauern. Andere Leute hatten das schließlich auch geschafft, und sie wollte ja schließlich nicht so gut werden, dass sie ihrer Großmutter Konkurrenz machen konnte.


    Bei Sedulus' Bericht über Germanien riss Serrana in einer Mischung aus Überraschung und Schreck die Augen auf. Riesige Wälder und wilde Tiere? Sie musste nur an den ausgebrochenen Bären bei den Ludi denken und schon stellten sich ihr wieder die Nackenhaare auf. Und kalt war es dort auch...Aufgrund mangelnder eigener Erfahrung konnte sie sich eine richtige Eiseskälte gar nicht vorstellen, dennoch spürte sie, wie sie bei seinen Worten eine Gänsehaut auf den Armen bekam.


    Dieses fröstelnde Gefühl ging jedoch ganz schnell wieder vorrüber, denn eh Serrana sich versah, hatte Sedulus sie plötzlich zu sich herangezogen und küsste sie. Ein wenig überrumpelt ließ sie ihre Hand auf seiner Wange liegen und genoss die plötzliche Nähe zwischen ihnen und das Gefühl von seinen Lippen auf ihren eigenen. Ein seltsam ungewohntes Gefühl war das, aber durchaus sehr schön, und Serrana stellte zu ihrer eigenen Überraschung fest, dass ihr trotz der Berichte über riesige und eiskalte Wälder voller wilder Tiere plötzlich alles andere als kalt war...

    Serrana sah Sedulus ein wenig überrascht an. Dass Vescularius Salinator als Praefectus Urbi eine wichtige Position im Reich inne hatte,war ihr natürlich klar gewesen, aber dass er gleich so mächtig war...
    Ein bisschen länger dauerte es allerdings, bis sie die Anspielung mit Caecilia Laeva verstanden hatte, dann jedoch bekam sie, wie nicht anders zu erwarten, mal wieder rote Ohren und kicherte. Natürlich hatte Serrana schon häufiger mal mit Calvena über derartige Themen getuschelt, aber mit einem Mann darüber zu sprechen war doch um einiges peinlicher.


    "Meinst du wirklich? Dann sollte ich wohl noch ein wenig üben, damit endlich auch mal jemand glaubt, dass ich wichtig bin." beeilte sich die Iunia dann zu sagen, um wieder in unverfänglichere Bereiche zu kommen und reckte sich, um auf diese Weise vielleicht schon ein bisschen beeindruckender zu wirken. Vielleicht würde sie es ja auch irgendwann mal schaffen, überzeugend eine Rolle zu spielen. Im Moment hatte sie allerdings noch das wenig beruhigende Gefühl, für alle Leute um sie herum vollkommen durchschaubar zu sein.


    "Du bist in Germanien aufgewachsen?" fragte sie dann gespannt. "Wie ist es denn dort?" Duccia Venusia hatte Serrana bei ihrem gemeinsamen Spaziergang ein wenig über ihre Heimat erzählt, aber irgendwie war diese Provinz immer noch ein großes Rätsel für sie.


    Während Sedulus erzählte und dabei lächelte, erschienen wieder die Lachfältchen in seinem Gesicht, die auf Serrana so eine anziehende Wirkung ausübten. Ohne lange nachzudenken hob sie erneut die Hand und fuhr mit den Fingern ganz leicht über die Stelle neben seinem Auge.


    "Oh, entschuldige bitte." Als ihr bewusst wurde, was sie gerade getan hatte, hielt sie erschrocken mitten in der Bewegung inne und sah Sedulus ein wenig hilflos an. Was sollte sie denn jetzt nur tun?

    Im Triclinium angekommen war Serrana versucht, sich ganz undamenhaft direkt zum Buffet zu begeben, denn allmählich machte sich ihr leerer Magen zunehmend bemerkbar. Ob es wohl auch Muscheln gab? Sedulus' Teller war ja wirklich zum bersten gefüllt gewesen, aber Fisch oder Meeresfrüchte waren komischerweise nicht dabei gewesen. Sie steuerte gerade auf ein Tablett mit verschiedenen Gemüsesorten zu, als eine Stimme sie aufhielt und Serrana den Schauspieler auf seinem Podest zum ersten Mal wahrnahm.
    Aufgeregt klatschte sie in die Hände und wandte sich dann an Septima.


    "Oh, was sollen wir uns denn nur wünschen? Hast du eine Idee?"

    Wieder spürte sie seine Lippen, diesmal in ihrer Hand, und wieder zog ein Kribbeln ihren Arm hoch. Serrana seufzte leise auf und hatte für eine kleine Weile Probleme, sich wieder auf Sedulus' Stimme zu konzentrieren. Den Göttern sei Dank machte er es ihr jetzt aber leicht wieder aus ihrer Verlegenheit herauszukommen, und Serrana musste lachen.


    "Meinst du wirklich? Naja, ich würde auf jeden Fall mein Bestes geben. Aber Vescularius Salinator kenne ich eigentlich noch nicht, dem hat mich an dem Abend niemand vorgestellt." Eigentlich konnte sich Serrana kaum noch an den Praefectus Urbi erinnern, auf den Fontinalia hatte es soviele andere sehenswerte Dinge gegeben...


    "Ja, mittlerweile glaube ich auch, dass Calvena Recht hat. Als ich nach Rom gekommen bin, hab ich furchtbare Angst vor all den wichtigen Menschen in dieser Stadt gehabt. Aber wenn man die dann mal ein bisschen näher kennenlernt, merkt man wirklich, dass sie auch ganz normal und gar nicht so beängstigend sind."


    Sedulus selbst war dafür sicher das beste Beispiel, aber vor dem hatte Serrana nicht mal bei ihrem ersten Zusammetreffen bei den Ludi Romani wirklich Angst gehabt.
    Wie gut er doch aussah, wenn er lächelte oder lachte. Dann bildeten sich um seine Augen kleine Lachfältchen, die sein Gesicht ungemein attraktiv machten.
    Wie im Reflex hob sich wieder Serranas Hand, als wollte sie diese Lachfältchen berühren, aber dann hielt sich doch auf halbem Weg inne. Das ging doch nun wirklich nicht....


    "Ähm, bist du eigentlich hier in Rom aufgewachsen?" fragte sie schnell, um sich wieder auf andere Gedanken zu bringen.

    Eigentlich hatte Serrana ja gehofft darüber hinaus zu sein, aber als Sedulus sie jetzt fragte, ob er Chancen bei ihr hätte wurde sie doch unweigerlich wieder rot und verfluchte innerlich ihre elende Schüchternheit.


    "Ähm ja, das hättest du. " antwortete sie ein klein wenig zaghafter als noch vor wenigen Sekunden. Es gab doch bestimmt etwas geistreiches oder witziges, was man in so einem Moment sagen konnte, aber ihr fiel wie üblich mal wieder nichts als die Wahrheit ein.


    Auf seine Bemerkung über die Götter hin nickte Serrana nur zustimmend. Sie verstand durchaus, was er damit sagen wollte und fand es auch völlig in Ordnung.


    "Oja, das würde ich machen. Und ich kann wirklich ganz überzeugend sein, ob du es glaubst oder nicht. " Jetzt kehrten sowohl das Funkeln als auch das Lächeln wieder in ihr Gesicht zurück. "Senatoren kenne ich ja noch nicht allzu viele, aber schließlich sind das ja auch nur Menschen. Zumindest sagt Calvena das immer."


    So ganz hatte ihre kleine List ja nicht funktioniert, aber die von klein auf nicht gerade mit Zärtlichkeiten verwöhnte Serrana genoss es auch sehr, als Sedulus ihre Wange berührte. Sie zögerte für den Bruchteil einer Sekunde, dann hob sie ihre linke Hand, ergriff damit wieder die seine und fuhr nun ihrerseits ganz sachte mit dem Daumen über seine Haut. Irgendwie fühlte sich seine Hand ganz anders an als ihre, nicht so weich aber dafür stark und beruhigend.

    Dass Frauen ganz offensichtlich ebenso in der Lage waren, erfolgreich eigene Betriebe zu leiten, fand Serrana ausgesprochen ermutigend und sie nickte anerkennend in Axillas Richtung. Schade, dass die ägyptischen Gesetze nicht auch in Rom galten...


    Allmählich begann Serrana sich mit ihren nassen und total verfilzten Haaren ein wenig unwohl zu fühlen, und als Adula kurz ins Balneum schaute, um sicherzugehen, dass alles in Ordnung war, machte sie ihr ein Zeichen dazubleiben und ihr das Badelaken anzureichen.


    "Naja kennen ist wohl zuviel gesagt. Ich hab ihn erst zwei oder dreimal getroffen, aber da war er immer sehr nett und freundlich zu mir." beantwortete sie die Frage ihrer Cousine, während sie sich vorsichtig von ihrer Stufe erhob.


    "Sei mir nicht böse, aber ich werde mich jetzt mal wieder ankleiden. Adula wird sicher noch eine ganze Weile brauchen, um mir die Haare ein zweites Mal durchzukämmen und mein Dienst im Tempel beginnt morgen schon im Morgengrauen." Mit einem entschuldigenden Lächeln in Axillas Richtung ergriff sie die Hand ihrer Sklavin und ließ sich von dieser aus dem Becken helfen und in ihr Laken einwickeln.


    "Du hast die Pyramiden aus der Nähe gesehen?" Das weckte nun doch noch einmal Serranas Interesse, genauso wie die Erwähnung des kaiserlichen Palastes.


    "Meine Güte, so wie es scheint, hast du ja schon Bekanntschaften in den allerhöchsten Kreisen geschlossen." zwinkerte sie Axilla zu, während sie sich abtrocknete.


    "Soll ich dir die anderen Sklavinnen wieder hereinholen, damit sie dir helfen?"

    Bei der Erwähnung ihres Beinahe-Verlobten schauderte es Serrana automatisch und sie spürte, wie sie eine Gänsehaut bekam. Sie hatte Gnaeus Balbus ja immer schon abstoßend gefunden, aber jetzt, wo sie zum erstenmal spürte, wie gut man sich in der Nähe eines Mannes fühlen konnte, wurde die Erinnerung im nachhinein noch entsetzlicher.


    "Wahrscheinlich glaubt Großmutter wirklich, dass sie nur mein bestes wollte. Aber ich hätte mit diesem Menschen niemals leben können, das hätte ich einfach nicht ertragen."


    In Serrana war der Glaube an die Götter und vor allem die spezielle Hingabe an Minerva von klein auf so fest verankert, dass sie nicht wirklich nachvollziehen konnte, wie andere Menschen ohne einen solchen Glauben ein zufriedenes Leben führen konnten. Trotzdem machte sie Sedulus deswegen keine Vorwürfe. Glauben konnte man nicht erzwingen, entweder war er da oder eben nicht...


    "Nun, die Götter werden dir das sicher nicht übelnehmen. " zwinkerte sie ihm zu. "Schließlich führst du ja kein lasterhaftes Leben." Bislang waren Serranas Kenntnisse über die Vielfalt der möglichen Laster noch ausgeprochen gering, aber sie spürte einfach instinktiv, dass Sedulus ein guter Mensch war.


    Dann trat er plötzlich einen Schritt vor und küsste Serrana auf die Stirn, und sie spürte, wie bei der unerwarteten Berührung seiner Lippen ihre Kopfhaut zu prickeln begann. War das so, wenn man geküsst wurde? Und wenn schon ein Kuss auf die Stirn so schön war, wie fühlte sich dann erst einer auf den Mund an? Ob es wohl eine Möglichkeit gab, das herauszufinden?


    Serrana überlegte wieder einen Augenblick, dann begann sie wieder zu lächeln und ein Funkeln trat in ihre Augen.


    "Oh, das mache ich doch gern." sagte sie und sah verschmitzt zu ihm hoch. "Und wenn du dann Praetor oder Praefekt werden willst, dann trommle ich die ganze Straße zusammen, damit sie dich wählen gehen."

    "Du hast Großmutter meinetwegen angesprochen? Was hat sie denn gesagt?" fragte Serrana beunruhigt. Laevina hatte in den letzten Monaten kein gutes Wort für sie übrig gehabt, vermutlich hatte sie auch ihrer Familie nur das Schlimmste über sie erzählt...


    "Sie ist nicht besonders fromm, weißt du?" versuchte sie Sedulus' nächste Frage zu beantworten. "Für sie ist nur wichtig, dass eine Frau eine gute Partie macht und mit Geld und Land gut versorgt ist. Die Götter sind ihr vollkommen gleichgültig, deshalb sieht sie auch nicht ein, warum dafür Zeit und Mühen opfern sollte..."


    Serrana war sich selbst gar nicht bewusst gewesen, dass sie sich auf Sedulus zubewegt hatte, daher war sie ein wenig irritiert, als er plötzlich, ohne ihre Hände loszulassen, ein Stück zurückwich. Allerdings blieb ihr wenig Zeit darüber nachzudenken, denn ein dumpfes Rumpeln machte deutlich, dass er dabei gegen den Tisch gestoßen war.


    "Oh, hast du dir wehgetan?" erkundigte sie sich besorgt. Die junge Iunia hatte zwar noch nie davon gehört, dass sich jemand in einer Bibliotheca verletzt hatte, aber man wusste ja schließlich nie...


    Die Frage nach ihrer Abschlussprüfung brachte sie dann wieder auf andere Gedanken und Serrana runzelte nachdenklich die Stirn.


    "Ich glaube schon, dass ich sie wiederholen könnte, aber ehrlich gesagt möchte ich die Prüfung lieber beim ersten Mal schaffen. Sonst hätte ich immer das Gefühl, dass es die falsche Entscheidung gewesen ist Priesterin zu werden, und das kann ich mir einfach nicht vorstellen."


    "Warum solltest du denn nicht gewählt werden? "Serrana war ein wenig erstaunt, allerdings war ihr auch nicht klar, dass sie im Moment alles andere als objektiv war. "Ich würde dich ganz sicher wählen." Und wieder ging ein Lächeln über ihr Gesicht.

    Die Antwort auf seine Frage war Serrana zwar ziemlich peinlich, aber da Sedulus danach gefragt hatte, wollte sie ihm auch eine ehrliche Antwort geben.


    "Nun, an der Größe der Stadt lag das nicht. In Nola und in der Nähe gibt es genug Tempel, aber meine Großmutter hat es mir nicht erlaubt. Eigentlich sollte ich ja in diesem Sommer heiraten, und dieser....Mann wollte nur eine Frau, die sich um sein Landgut kümmert und Kinder bekommt und keine Priesterin."erklärte sie ein wenig verlegen.


    Bei seinem nächsten Satz ging wieder ein Lächeln über Serranas Gesicht und sie rückte, ohne es wirklich zu merken, ein kleines bisschen näher an Sedulus heran.


    "Darüber bin ich auch sehr froh."


    Wie schön, dass es ihn wirklich interessierte, was sie zu erzählen hatte, eigentlich war Serrana immer davon ausgegangen, dass ihr Leben vollkommen uninteressant für andere sein musste.


    "Naja, jetzt hoffe ich erstmal, dass ich die Prüfung zur Priesterin bestehe. Ich hab ein bisschen Angst vor der Opferung, weil ich da selbst das Opfertier töten muss. Aber irgendwie werde ich das sicherlich hinbekommen." machte sie sich selbst ein wenig Mut.
    "Und dann schaue ich einfach mal, wie weit ich es im Cultus Deorum schaffen werde...."


    Dass Sedulus ihr tatsächlich etwas über sich erzählen wollte, freute Serrana natürlich sehr, aber da sie im Grunde so viele Fragen hatte, wusste sie gar nicht so genau, womit sie anfangen sollte.
    Fieberhaft überlegte sie einen Moment lang, dann hatte sie eine Idee.


    "Was möchtest du denn noch erreichen? Du bist doch immerhin schon Senator, viel weiter rauf kann es doch gar nicht gehen..."

    Serrana aß ein paar von den Muscheln auf ihrem Teller, aber wirklich genießen konnte sie das leckere Essen nicht, dafür war sie nach wie vor zu aufgeregt. Vielleicht würde sie sich ja etwas entspannen können, wenn der Hauptgang und die damit verbundene Vorstellung erfolgreich überstanden waren. Im Moment schienen die Gäste zufrieden zu sein, alle hatten es sich mittlerweile auf den Klinen bequem gemacht und bedienten sich bei den verschiedenen Speisen und Getränken, während die Sklaven aufmerksam hin und her huschten, um den Gästen alle anfallenden Wünsche zu erfüllen.


    Da es mittlerweile Zeit für den Hauptgang war, gab die junge Iunia dem an einer unauffälligen Stelle wartenden Araros ein Zeichen und nur wenige Augenblicke später trugen mehrere Sklaven eine riesige Platte mit einer gebratenen Wildsau ins Triclinium, gefolgt von kleineren Tabletts mit geschmortem Hasen und gefülltem Huhn. Serrana selbst war besonders auf das letzte Gericht des Hauptganges, die gefüllten Nachtigallen mit Honig und Rosenblättern, gespannt, denn um deren Zubereitung hatte der für den heutigen Abend extra engagierte Magirus ein besonderes Geheimnis gemacht. In der Zwischenzeit wurde schnell und unauffällig das gebrauchte Geschirr gegen neues ausgetauscht und auch ein paar andere, zu den verschiedenen neuen Gerichten passende Weine an die Gäste ausgeschenkt.
    In der Nähe der im Säulengang spielenden Musiker sammelten sich derweil nach und nach ein knappes Dutzend junger Männer. Selbst aus der Entfernung konnte Serrana erkennen, dass diese sowohl ausgesprochen gut gebaut, als auch auffallend knapp bekleidet waren. Was dieser Aufmarsch nun mit Odysseus und Penelope zu tun haben sollte, war ihr bislang noch nicht wirklich klar, aber ihre Vorfreude auf den Tanz wuchs doch spürbar an. Sobald es sich ihre Gäste mit dem Hauptgang gemütlich gemacht hatten, konnte es losgehen.


    "Gleich ist es soweit." sagte sie an Calvena gewandt und wies unauffällig auf die geduldig wartenden Tänzer.

    Wenn man bedachte, wie verschreckt Serrana sich normalerweise immer in der Anwesenheit von Männern benahm, war es schon erstaunlich wie wohl sie sich in Sedulus' Nähe fühlte. Am liebsten würde sie ihm noch ein kleines bisschen näher kommen, aber wie nur? Serrana fehlte auf diesem Gebiet bislang jegliche Erfahrung, und sie hatte viel zu viel Angst, etwas falsches zu sagen oder zu tun, was die schöne Stimmung zwischen ihnen vielleicht zerstören könnte.Vielleicht hätte sie statt all der historischen Werke doch mal ab und zu ein paar Liebesgedichte lesen sollen, dann stünde sie jetzt vermutlich nicht ganz so hilflos da...
    Fast war sie Sedulus für seine ablenkende Frage dankbar, aber was sollte sie ihm nur erzählen, was ihn nicht furchtbar langweilen würde?


    "Nun, ich bin unendlich froh, dass ich jetzt in Rom bin." fing sie noch etwas zögerlich an zu erzählen. "Meine Großeltern haben sich wirklich gut um mich gekümmert, aber hier in dieser Stadt ist alles so viel größer und schöner, und irgendwie hab ich das Gefühl, dass Fortuna hier viel mehr für mich bereit hält als daheim in der Campania. Wäre ich dort geblieben, dann könnte ich jetzt nicht Priesterin werden und ich hätte auch meine Familie und meine Freundinnen nicht kennengelernt" (und dich auch nicht) aber diese letzte Bemerkung bekam sie dann doch nicht über die Lippen.


    "Ich weiß, für einen Senator hört sich das vermutlich albern an, aber ich bin wirklich stolz auf das, was ich bislang hier erreicht habe. Vermutlich ist es noch nicht sehr viel, aber ich weiß, dass ich auf dem richtigen Weg bin, und das macht mich sehr froh. Und selbst wenn meine Großmutter mir das niemals vergeben wird, dann hat es sich trotzdem mehr als gelohnt ihr einmal nicht gehorcht zu haben."


    Serrana machte eine Pause und sah Sedulus abwartend an. Ob er so etwas überhaupt hatte hören wollen? Oder hatte er doch eher auf etwas geistreiches gewartet? Was, wenn ihr nun nichts einfiel?


    Sie überlegte noch einen kurzen Augenblick und entschied sich dann für einen kleinen Vorstoß.


    "Wenn du noch irgendetwas über mich wissen willst, dann erzähle ich es dir sehr gern, aber dann musst du mir auch etwas von dir erzählen." sagte sie und sah ihn mit einem verschmitzten Lächeln an. Es gab so viele Dinge, die sie gern über ihn gewusst hätte. Bei manchen davon könnte Calvena ihr vermutlich sogar weiterhelfen, aber die konnte Serrana ja nun wirklich nicht fragen...

    Bislang hatte sie selbst nur Häuser besucht, in denen einzelne Familien mit ihren Sklaven wohnten, daher betrachtete Serrana die schönen und geschmackvoll eingerichteten Räume der Casa Sergia mit besonderer Neugier. Besonders das Peristylum mit den spielenden Kindern hatte es ihr angetan, aber die Aussicht auf die Besichtigung des Stalls war noch ein bisschen spannender.
    Dort angekommen beobachete Serrana mit großem Respekt, wie Chaerea einem Hengst, der ihr selbst riesig erschien, um den Hals fiel und ihn streichelte. Das Fell des Pferdes glänzte in einem wunderschönen Goldton und sah auch sehr weich aus, aber so ganz traute sich die Iunia dann doch noch nicht in seine Nähe.
    Die Stute mit ihrem kleinen Fohlen war da schon deutlich weniger einschüchternd, zumal das kleine Tier ausgesprochen niedlich aussah.
    Da bekam man schon beim Anschauen gute Laune.


    "Oja, das ist wirklich ein schönes Fohlen."stimmte Serrana den anderen beiden Frauen zu. "Ist es eine Stute oder ein Hengst?"

    Für Serrana bestand die Welt in diesem Moment nur noch aus der kleinen Bibliothek und den beiden Menschen darin. Alles was sich ausserhalb dieses Raums abspielte, hatte sie völlig ausgeblendet und es interessierte sie auch nicht weiter. Was sie im Moment fühlte war zwar ungewohnt, aber gleichzeitig auch aufregend und wunderschön.


    Komischerweise hatte sie nicht mal ein schlechtes Gewissen wegen ihrer kleinen Lüge, trotzdem atmete Serrana erleichtert auf, als Sedulus wegen der Schriftrollen nicht weiter nachhakte. Für einen kleinen Moment hatte sie nämlich doch befürchtet, er würde sich lieber mit Caesar beschäftigen als mit ihr.


    Bei seiner nächsten Frage zerstreuten sich diese Befürchtungen jedoch in Windeseile. Er fand ihre Augen schön... Diesmal zweifelte Serrana nicht an seinen Worten, sie konnte in seinen eigenen Augen sehen, dass es die Wahrheit war. Zum ersten Mal in ihrem Leben fühlte sich die sonst eher unsichere Iunia wirklich wichtig und schön und sie begann über das ganze Gesicht zu strahlen.


    "Vielen Dank" sagte sie dann glücklich und ihre Wangen verfärbten sich zur Abwechslung mal nicht in dem üblichen verlegenen Dunkelrot, sondern in einem zarten Rosa.

    Serrana nickte heftig, als Durmius Verus davon sprach noch nicht auf dem Weg ins Elysium zu sein. An so etwas durfte man nicht einmal denken. Kaum vorzustellen, wenn nach ihren geliebten Großvater auch noch ihr zweiter Lehrer sterben würde, und das, wo er ihr doch mittlerweile so ans Herz gewachsen war.
    Als er dann ankündigte, dass Calvena und sie einen großen Teil der Opferung selbst durchführen sollten, packte sie für einen kleinen Moment die Angst, aber dann verflüchtigte sich diese wieder und machte einer kribbelnden Aufregung Platz. Die von Serrana so innig verehrte Göttin hatte sie durch etliche Hindernisse bis hierher geführt, da würde sie ihr zweifelos auch bei dem Opfer zu ihren eigenen Ehren zur Seite stehen...
    Trotzdem war ihre Erleichterung groß, als ihr Lehrer ankündigte, selbst den blutigen Teil des Opfers vollziehen zu wollen, denn davor graute es ihr nach wie vor ein wenig.
    Serrana warf einen kurzen Blick auf die Opfergaben, die sie in Kürze darbringen würde und nickte dann ebenfalls.


    "Ich bin auch bereit." Nach diesen Worten erwiderte sie Calvenas Blick und lächelte.

    Was war das doch für ein wunderschöner Moment... Serrana genoss jede einzelne Sekunde und wünschte sich auf einmal, sie könnten stundenlang hier zusammen stehenbleiben.
    Ob er es wohl albern fand, was sie gerade gesagt hatte? Aber so unzufrieden sah er den Göttern sei Dank nicht aus...


    Serrana sah Sedulus gerade wieder gedankenversunken in die Augen, als seine nächste Frage sie ein wenig aus ihren rosigen Träumen riss. Was wollte er jetzt? Eine Schrift von Caesar? Natürlich lagerten einige von dessen Schriften in Serranas Lieblingsregal, aber wenn sie ihm die zeigte, würde er ja ihre Hände loslassen, und das wollte sie nun auf gar keinen Fall. Und so griff sie kurzerhand zu einer kleinen Notlüge und schaffte es sogar nicht rot dabei zu werden.


    "Ähm nein, tut mir leid. Wir haben nur eine Schriftrolle von ihm hier, aber die hab ich verliehen, an äh....eine gute Freundin."

    Da ihr Blick weiterhin nach oben auf seine Augen gerichtet war, spürte Serrana mehr als das sie es sah, wie er ganz langsam ihre beiden Hände ergriff. Diesmal kam es nicht ganz so überraschend wie damals bei den Fontinalia, aber trotzdem beschleunigte sich auch diesmal ihr Herzschlag ein bisschen. Was hatte das nur immer zu bedeuten? Und auch das leichte Kribbeln, das die Bewegung seiner Finger in ihren Händen und Armen auslöste, kannte Serrana bislang noch nicht, dabei fühlte es sich durchaus angenehm an.


    Was sollte sie denn jetzt nur anworten, ohne dass es sich albern anhörte oder er sie vielleicht falsch verstand?


    "Nein, ich glaube dir schon." sagte sie ein wenig zögerlich und stellte überrascht fest, dass es tatsächlich so war. "Und ähm...., ich schaue dich auch gern an." fügte sie dann schnell hinzu und senkte dann aus Verlegenheit doch ein wenig den Blick. Warum konnte sie nicht nur ein wenig redegewandter sein....