Beiträge von Iunia Serrana

    Sie würde Calvena von jetzt an garantiert häufiger um eine Gesangsprobe bitten, das hatte sich die junge Iunia bereits fest vorgenommen und daher nickte sie nur auf Sedulus' Vorschlag hin.
    Was er ihr dann erzählte, schockierte sie jedoch ziemlich und daher sah sie Sedulus mit einer Mischung aus Unglauben und Betroffenheit an.


    "Das hört sich ja furchtbar an....Beleidigungen sind ja schon schlimm genug, aber dass man sogar fälschlich eines Mordes beschuldigt wird..."sagte sie nachdenklich und nahm sich eine weitere Olive vom Teller.
    "Da kann ich ja froh sein, dass ich so unwichtig bin. Vielleicht bleibt mir sowas dann erspart. Und davon abgesehen reicht es ja, dass mein Urahn der berühmteste Mörder in der Geschichte Roms gewesen ist, da müssen nicht noch weitere dazukommen, auch wenn es sich nur um Gerüchte handelt." fügte sie dann mit einem kleinen Lächeln hinzu.


    Als Sedulus ihr dann vorschlug, sie dem bislang noch unbekannten Senator Lucianus vorzustellen, zögerte Serrana aufgrund ihrer üblichen Schüchternheit einen Moment lang, dann nickte sie jedoch kurzentschlossen.


    "Ja, das wäre nett. Wer weiß, ob ich jemals in meinem Leben wieder so viele wichtige Menschen an einem Ort treffen werde, da sollte ich den heutigen Abend vielleicht lieber ausnutzen. Und bei der Gelegenheit können wir dann auch gleich Septima guten Abend sagen."

    Nach seiner ersten Bemerkung lachte Serrana auf und musterte Sedulus dann unauffällig. Wenn er wirklich so einen guten Appetit besaß, dann sah man das seiner Figur auf jeden Fall nicht an, die war nämlich genauso ansehnlich wie der ganze Rest von ihm auch.
    Und seinem Lob für Calvenas Stimme konnte sie sich nur aus vollem Herzen anschließen.


    "Ja, die hat sie wirklich. Wenn ich das vorher gewusst hätte, dann hätte ich sie schon häufig darum gebeten mir etwas vorzusingen." bestätigte sie und schaute in Richtung ihrer Freundin.
    Sein nächster Satz machte Serrana dann etwas nachdenklich. Aufgrund ihrer relativ abgeschotteten Jugend und ihrem bislang sehr unspektakulären Leben in Rom hatte sie persönlich noch keine negativen Erfahrungen mit der Klatsch- und Tratschlust der Leute gemacht, und konnte sich kaum vorstellen, dass man irgendjemandem wissentlich etwas unterstellen konnte. Ausserdem war Sedulus ihr gegenüber schon den ganzen Abend so nett gewesen, da war er doch sicher auch bei allen anderen Menschen sehr beliebt.


    "Ist das wirklich so?" fragte sie ihn dann erstaunt. "Was unterstellen sie einem denn?"


    Als sie sich erneut im Garten umschaute, sah sie ganz in der Nähe Tiberia Septima stehen und erwiderte erfreut deren Lächeln. Irgendwie hatten sie an diesem Abend noch nicht die Gelegenheit gehabt miteinander zu reden.


    "Sag mal, wer ist denn der Senator, mit dem sich Tiberia Septima da unterhält?"

    Serrana atmete erleichtert auf, als ihr klar wurde, dass Calvena ihr scheinbar wirklich nicht böse war. Dankbar erwiderte sie den Händedruck ihrer Freundin und lächelte jetzt auch, wenn auch nach wie vor ein wenig zaghaft.


    "Ich danke dir, das ist sehr lieb von dir."


    Du liebe Güte, wie sollte sie das Calvena denn nur jemals erklären...? Im Grunde brannten ihr tausend Fragen auf der Zunge, aber leider war die junge Germanica im Augenblick die denkbar ungünstigste Person dafür. Wie sie wohl reagieren würde, wenn sie es erfuhr? Belustigt? Irritiert? Oder vielleicht sogar wütend? Nein, das Beste würde zweifellos sein erst einmal abzuwarten, bis sie sich selbst ihrer Sache sicher war...
    Mit einem kleinen Seufzer wandte sich Serrana wieder der Schlacht zu, die allmählich das Schicksal von Antonius und Kleopatra besiegelte.

    Die Bemerkung über die erhöhten Steuern für "ältere Mädchen" brachte Serrana zum kichern und diesmal war sie es, die ihre Cousine nassspritzte.


    "Du bist ja witzig, das sind ja noch fast drei Jahre, in der Zeit hast du bestimmt schon eine ganze Menge von möglichen Kandidaten kennengelernt."


    Als Axilla dann aufzählte, was sie sich von ihrem zukünftigen Traummann so erhoffte, hatte sie Serranas ungeteilte Aufmerksamkeit. Noch vor gar nicht allzulanger Zeit hätte sie dieses Thema gar nicht so sehr interessiert, aber irgendwie hatte sich bei ihr in den letzten Tagen alles ein wenig verschoben.
    Im großen und ganzen überschnitten sich die Erwartungen ihrer Cousine mit ihren eigenen und daher nickte sie bei den einzelnen Stichwörtern zustimmend.
    Als Axilla jedoch über den Totenkult für ihren Vater sprach, bekam Serrana plötzlich ein schlechtes Gewissen. Darüber hatte sie in ihrem eigenen Fall noch niemals nachgedacht, obwohl das als gute römische Tochter vermutlich ihre Pflicht gewesen wäre. Axilla merkte man deutlich an, wie sehr sie an ihrem Vater gehangen hatte und vermutlich immer noch hing. Serrana spürte zu ihrer eigenen Überraschung, dass sie ihre Cousine im Grunde um diese Gefühle beneidete. Wenn sie an ihren eigenen Vater dachte, war da nach wie vor nur ein gewisses Maß an Bedauern und Unsicherheit. Für wirkliche Trauer oder Verlustgefühle hatte sie ihn einfach zu wenig gekannt, ganz abgesehen davon, dass sie es ihm nach wie vor übel nahm, sie nach dem Tod ihrer Mutter so einfach abgeschoben zu haben, auch wenn das vermutlich damals die sinnvollste Entscheidung gewesen war.


    Axillas letzte Frage erwischte Serrana dann allerdings ohne Vorwarnung, und sie begann verlegen mit dem Schwamm an ihren Armen auf- und abzufahren, während sie fieberhaft nach einer Antwort suchte.


    "Ähm, nun....ja.....ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube schon...." stotterte sie dann und lief endgültig dunkelrot an. Im Moment war sie noch dabei, sich selbst an den Gedanken zu gewöhnen, zum ersten Mal in ihrem Leben wirklich verliebt zu sein, wie sollte sie es da nur in Worte fassen?

    Serrana schaute auf den nach wie vor noch gut bestückten Teller und kicherte.


    "Ich weiß ja nicht, wie schnell du essen kannst, aber Calvena könnte sicher noch das eine oder andere Lied singen, bevor das ganze Essen weg ist."


    Die zufällige Berührung ihrer Hände auf dem Teller schien Sedulus wirklich unangenehm zu sein, und so beeilte sie sich, ihn so gut wie möglich zu beruhigen, zumal sie deshalb ja in keinster Weise verärgert war. Ganz im Gegenteil...


    "Wenn man von so einer gelungenen Vorstellung abgelenkt wird, kann das doch schnell passieren." sagte sie eifrig. "Und dazu kommt noch, dass das Essen ausgesprochen lecker ist. Auf eine andere Idee würde ich gar nicht kommen." Vor allem da es Serrana auch nicht wirklich gestört hätte, wenn es Absicht gewesen wäre, aber diesen Zusatz verkniff sie sich dann lieber. Dafür war Laevinas Erziehung in Benimm-Fragen doch ein wenig zu erfolgreich gewesen.

    "Wenn es nach mir ginge, könnte die Vorstellung noch stundenlang so weitergehen." antwortete Serrana verträumt.


    Ihre Hand war wie im Traum auf die Suche nach der Olive gegangen, und erst Sedulus' zufällige Berührung brachte sie wieder in die Realität zurück. Diesmal erschrak sie nicht wie vor einigen Momenten in der Bilbiotheca sondern verspürte ein ungewohntes aber durchaus nicht unangenehmes Flattern in der Magengegend.
    Wie schön sich ihr Name anhörte, wenn er ihn ausprach...


    "Das macht doch nichts." antwortete sie dann und erwiderte sein Lächeln. "Ausserdem ist es ja dein Teller."


    Eigentlich hätte sie ihre Hand spätestens jetzt ganz schnell wegziehen müssen, aber komischerweise hatte sie es damit überhaupt nicht eilig.

    Bei Axillas erster Bemerkung musste Serrana unwillkürlich lachen, auch wenn dabei unüberhörbar etwas Bitterkeit mit durchklang. Ihr sui iuris Status mochte ihr sicherlich einige Freiheiten bieten, doch Laevina hatte sie seit frühester Kindheit mit ihren Erziehungsmethoden derartig eingeschüchtert, dass sie es bis vor wenigen Monaten niemals gewagt hätte, sich gegen eine ihrer Entscheidungen zur Wehr zu setzen. Erst jetzt, mit ein wenig Abstand und wachsender Erfahrung, wurde Serrana zunehmend bewusst, was sie sich jahrelang hatte gefallen lassen. Kein Wunder, dass aus ihr so ein verschrecktes Etwas geworden war, auch wenn sie in den letzten Wochen schon ein wenig mehr Selbstbewusstsein entwickelt hatte.


    "Was ich möchte oder nicht, ist meiner Großmutter herzlich gleichgültig. Irgendwann wirst du sie sicher mal kennenlernen. Dann verstehst du, was ich meine." sagte sie daher nur in leicht resigniertem Tonfall und verzichtete auf weitere Erklärungen.
    "Auf jeden Fall kannst du froh sein, dass sie zu meiner Verwandtschaft mütterlicherseits gehört..."


    Da war das nächste Thema doch deutlich angenehmer! Serrana hörte Axilla aufmerksam zu, als diese davon sprach, in absehbarer Zeit heiraten zu müssen und schüttelte dann beschwichtigend den Kopf.


    "Unsinn, mach dir doch darüber keine Gedanken. Du bist noch so jung, da hast du noch jede Menge Zeit, um dich in Ruhe umzuschauen. Und hier in Rom hast du jede Menge Auswahl, warte es nur ab!"Serrana trank noch einen Schluck Saft und lächelte ihre Cousine dann verschmitzt an.
    "Weißt du, hier in dieser Stadt gibt es so viele Veranstaltungen oder Feste, da lernt man ganz schnell jemanden kennen." Noch während des letzten Satzes spürte sie, wie ihr die altbekannte verlegene Röte ins Gesicht stieg und schaute schnell wieder nach oben zur Decke, in der Hoffnung, dass es Axilla nicht auffallen würde.


    "Ich hab übrigens auch im Frühjahr Geburtstag", antwortete sie schließlich auf die letzte Frage ihrer Cousine, "da werde ich 16. Weitere Pläne habe ich noch nicht gemacht, im Moment bin ich einfach nur froh, dass ich mir nicht Tag und Nacht das Gesicht von diesem Widerling in der Campania anschauen muss." Serrana schauderte und ließ sich noch ein wenig tiefer in das wohlriechende Wasser sinken. Nach einer Weile siegte jedoch die Neugier und sie richtete sich wieder ein wenig auf.


    "Hast du denn bestimmte Vorstellungen, wie dein Traummann sein müsste, damit du ihn heiratest?"

    Serrana wünschte sich bereits, sie hätte ihre Großmutter in diesem Gespräch gar nicht erwähnt. Aber leider war es kaum möglich, etwas über ihr bisheriges Familienleben zu erzählen, ohne auch auf Laevina zu sprechen zu kommen. Am besten würde es wohl sein, das unerfreuliche Thema schnell abzuhaken, mit etwas Glück konnte man es danach einfach unter den Tisch fallen lassen.


    "Ja, Großmutter ist jetzt auch in Rom, sie gehört ursprünglich zur Gens Germanica und lebt auch dort bei ihrer früheren Familie. Ich hatte eigentlich gehofft, sie würde in der Campania auf ihrem Landgut bleiben, aber scheinbar ist es ihr dort zu langweilig geworden." seufzte Serrana und begann wieder die Decke anzustarren, an der nach wie vor die Lichtpunkte flimmerten.
    "Und einen Tutor habe ich nicht, aber den braucht man auch nicht, wenn man bei so einer Frau aufwächst, die über jeden Schritt den man macht mit Argusaugen wacht. Doch einen Vorteil hat ihre Abneigung gegen die Iunier immerhin: sie kommt so gut wie nie hierher, und das macht mein Leben um einiges leichter...."


    Als Axilla auf ihre Frage nach Silanus antwortete, wandte sich Serrana ihr automatisch wieder zu und hatte plötzlich das Gefühl, als wiche ihre Cousine ihrem Blick aus. Komisch eigentlich, schließlich hatte sie doch nur eine ganz harmlose Frage gestellt. Serrana war ein wenig irritiert, beschloss dann aber sicherheitshalber das Thema zu wechseln, schließlich wollte sie Axilla ja nicht bei ihrem ersten Beisammensein direkt vergraulen. Als ihr dann eine wirklich absolut unverfängliche Frage einfiel, ging ein erleichtertes Lächeln über ihr Gesicht.


    "Sag mal, wie alt bist du eigentlich?" Dass Axilla ungefähr in ihrem Alter war, war offensichtlich, aber genau konnte Serrana es nicht abschätzen.

    Axilla kommentierte die Abneigung ihrer Großmutter gegen die iunische Gens in keinster Weise und Serrana hoffte inständig, dass ihre Cousine sie nicht falsch verstanden hatte. Schließlich gab Laevinas Feindseligkeit ja in keinster Weise Serranas eigene Einstellung zu ihrer Familie wieder, sie hatte einfach nur das Problem, dass man ihr jahrelang alle wichtigen Informationen vorenthalten hatte. Aber vielleicht würde es ihr ja mit Axillas und Silanus' Hilfe gelingen, ein paar ihrer Wissenslücken zu schließen und ein bisschen mehr über ihren Vater und die anderen Iunier zu erfahren. Dann hätte sie vielleicht auch endlich nicht mehr das Gefühl, dass sie einen Teil von sich gar nicht kannte...


    "So, wie du über Urgulania sprichst, muss sie wirklich eine sehr beeindruckende Frau sein." antwortete Serrana nachdenklich, als Axilla in ihrem Redestrom gerade mal eine kleine Pause machte. Redegewandt und selbstsicher wäre sie selbst auch zu gern, aber zur Zeit war sie von Beidem noch meilenweit entfernt.


    "Es muss schön sein, in der Familie so jemanden zum reden zu haben. Bislang hatte ich da nur meine Großmutter, und der erzähle ich freiwillig gar nichts, weil sie sich ohnehin immer nur aufregt."


    Als sie ein paar Spritzer Wasser von Axilla abbekam, wurde Serrana jedoch wieder aus ihren wehmütigen Gedanken gerissen und kicherte, bevor sie sich ebenfalls mit einer Ladung Wasser bei ihrer Cousine revanchierte.


    Komisch, dass so viele Menschen den Priesterberuf mit Ernsthaftigkeit in Verbindung brachten, sie selbst hatte darüber noch nie nachgedacht.


    "Ich weiß nicht, ob Spaß das richtige Wort dafür ist." sagte sie dann nachdenklich und spielte dabei mit einem Schwamm im Wasser herum.
    "Ich kann es nicht wirklich gut erklären, aber irgendwie bin ich einfach glücklich, wenn ich im Tempel bin, es gehört ganz einfach zu mir...
    Eigentlich habe ich mein ganzes bisheriges Leben ständig das Gefühl gehabt, irgendetwas falsch zu machen. Nur bei der Entscheidung Priesterin zu werden, war ich mir von Anfang an immer sicher.
    " Wie immer, wenn Serrana von ihrer Berufung erzählte, leuchteten ihre Augen, ohne dass ihr das überhaupt bewusst war.


    Dann wandte sie sich wieder Axilla zu und sah diese neugierig an. "Und du kennst Silanus aus Ägypten? Was hat er denn da gemacht?" fragte sie arglos in der Hoffnung, endlich ein bisschen mehr über die lang vermissten iunischen Verwandten zu erfahren.

    Allmählich machte Serranas Aufregung einer angenehm kribbelnden Vorfreude Platz, was sicherlich auch an dem liebevollen Empfang in der Casa Sergia lag.


    Als Chaerea Prisca und sie noch einmal willkommen hieß, lächelte die Iunia ihr dankend zu.
    "Vielen Dank, Chaerea, ich bin wirklich sehr froh hier zu sein und würde sehr gern euer Haus sehen. Von Pferden habe ich ja, wie gesagt, überhaupt keine Ahnung, aber ich bin schon sehr gespannt, wie sie aussehen, vor allem die Fohlen." sagte sie eifrig und trank dann wieder einen Schluck von ihrem Honigwasser.


    Auf Priscas Erzählung, wie bzw wann sie einander kennengelernt hatten, nickte sie zustimmend, auch sie hatte die etwas unerfreuliche Episode in den Thermen bereits weitgehend aus ihren Erinnerungen verbannt, zumal sie dabei keine besonders ruhmreiche Rolle gespielt hatte.


    Als Clara ihr dann erklärte, dass sie bereits ein Reittier für sie ausgesucht hatte, wurde Serrana für einen kleinen Moment wieder nervös. Jetzt wurde es also tatsächlich ernst mit dem Reiten...
    Aber wenn Clara ihr versicherte, dass das Pferd ruhig und lieb war, dann vertraute sie ihr da voll und ganz. Irgendwie würde sie das schon hinbekommen...


    "Ich danke dir, Clara" sagte sie dann und musste über sich selbst schmunzeln. "Wenn eine Karotte solche Wunder wirkt, dann nehme ich am besten einen ganzen Sack zum Ausflug mit."

    Es war zwar auch vorher schon offensichtlich gewesen, dass der junge Mann sie durch seine Anwesenheit vor den Bandenmitgliedern hatte schützen wollen, aber das Gefühlt der Dankbarkeit in Serrana vertiefte sich noch, als er es nun im Gespräch mit ihr und dem Praetor auch offen aussprach.


    "Es ist mir eine Ehre, dich kennenzulernen, Gnaeus Iulius Labeo." sagte sie dann lächelnd an den jungen Iulier gewandt. "Und ich bin dir für deine schnelle Unterstützung sehr dankbar, auch wenn ich sehr froh darüber bin, dass du dich nicht weiter in Gefahr bringen musstest."


    Serrana spürte, wie die Anspannung der letzten Minuten in ihr allmählich etwas nachließ und seufzte erleichtert auf.

    Als die ersten Flötenklänge aufstiegen und dann von der Harfe abgelöst wurden, verebbten schlagartig alle Gespräche im Garten und es wurde vollkommen still. Dann begann Calvena zu singen und Serrana war sofort bezaubert von der wundervollen Melodie. Sie hatte zwar gewusst, dass ihre Freundin gern sang, aber dass sie eine derart schöne Stimme hatte...
    Sie wollte gerade die Augen schließen, um sich noch besser auf das Lied konzentrieren zu können, als dieses leider auch schon wieder vorbei war. Serrana seuftze bedauernd auf, aber da begann auch schon die Darbietung der Feuertänzerin und die junge Iunia starrte völlig gebannt auf die sich immer schneller bewegenden feurigen Spiralen. Als plötzlich ein Trommelwirbel ertönte und die Feuersäule in die Höhe stieg, zuckte sie zusammen und sah immer noch auf die selbe Stelle, als es längst wieder dunkel und still im Garten war.


    "Oja, das war wirklich wunderschön." antwortete sie dann immer noch völlig geistesabwesend und tastete mit der Hand automatisch nach einer Olive auf dem Teller, den Sedulus ihr hinhielt.

    Täuschte sie sich, oder sah Axilla ein wenig überrascht aus, als sie ihr von der geplatzten Hochzeit erzählte? Hätte man Serrana diese Geschichte erzählt, wäre sie vermutlich auch ziemlich schockiert gewesen, aber sie war immer noch sicher, dass die bislang wichtigste Entscheidung in ihrem Leben auch die beste gewesen war.


    "Mein Großvater Lento." antwortete sie dann auf Axillas erste Frage. "Unseren gemeinsamen Großvater habe ich niemals kennengelernt, ehrlich gesagt, weiß ich im Grunde überhaupt nichts über meine iunische Familie." Serrana seufzte leise und trank noch einen Schluck Saft.


    "Meine Großmutter wollte meinen Vater unter gar keinen Umständen zum Schwiegersohn, weil er weder Geld noch Land besaß, und nachdem meine Mutter gestorben ist, hat sie regelrecht angefangen, ihn, und alles was mit seiner Familie zusammenhing zu hassen."


    Serrana sah ein wenig betrübt ins Wasser und war Axilla sehr dankbar, als diese plötzlich das Thema wechselte und über Ägypten schwärmte.
    Wenn sie die Augen schloss, konnte sie sich fast einbilden selbst dort zu sein und all die Dinge zu sehen, die ihre Cousine gerade beschrieb.


    "Das hört sich toll an." sagte sie dann lächelnd und mit leuchtenden Augen und ließ sich ein bisschen von Axillas Begeisterung anstecken.
    "Ich würde die Stadt wirklich sehr gern einmal in meinem Leben sehen und natürlich auch unsere Verwandte dort kennenlernen. Meinst du denn, sie hätte nichts dagegen, wenn ich mitkommen würde? Urgulanias Namen kenne ich aus unserem Stammbaum, aber sonst weiß ich leider nichts von ihr." fügte sie bedauernd hinzu.


    Nachdem ihr Axilla von ihrer beeindruckenden Arbeit als Scriba erzählt hatte, war Serrana doch sehr froh, dass sie selbst auch ein bisschen was erzählen konnte.


    "Ich mache eine Ausbildung im Cultus Deorum." sagte sie dann mit echtem Stolz in der Stimme. "Und wenn alles gut läuft und ich alle Prüfungen bestehe, dann werde ich bald Minerva-Priesterin sein"

    Serrana nickte den beiden Männern zu, die sich vorerst in ihre Räumlichkeiten zurückziehen wollten. Später beim Essen würde man sich dann in Ruhe und wesentlich unterhalten können.
    Das blasse und verfrorene Aussehen ihrer Cousine machte ihr jedoch ein wenig Sorgen.


    "Natürlich können wir ein paar Kohlebecken aufstellen lassen, damit es hier im Haus ein wenig wärmer wird. Und falls du keine warme Kleidung dabei hast, kann ich dir gern etwas von mir holen lassen. Meine Sachen sind leider nicht sehr elegant, aber zum Aufwärmen wird es reichen." sagte sie und lächelte Axilla aufmunternd an. Dann kam ihr noch eine Idee.


    "Was hältst du davon, wenn wir gleich zusammen ein Bad nehmen? Dann könntest du dich erstmal aufwärmen und wir lernen uns auch ein bisschen besser kennen."

    Auf dem Weg zum Garten brachte sie seine Bemerkung über die Verpflegung zum lachen.


    "Ja, das ist wohl wahr. Aber ich bin sicher, dass du den Weg durch dein eigenes Haus finden wirst."


    Dann waren sie wieder im Garten angekommen, der sich in der Zwischenzeit deutlich mit anderen Gästen gefüllt hatte, von denen sie im Halbdunkel nicht sofort alle erkannte.


    Die eher kleingewachsene Serrana stellte sich auf die Zehenspitzen, um an den vor ihr stehenden Leuten vorbeizuschauen und einen Blick auf die Vorbereitungen zu erhaschen und nickte dann aufgeregt.


    "Ich bin auch sehr gespannt, das wird bestimmt eine ganz tolle Vorstellung."

    Wirklich entspannen konnte sich Serrana immer noch nicht, dafür war sie viel zu sehr damit beschäftigt, nach allen Seiten Ausschau zu halten, ob die Gäste genug zu trinken und zu essen hatten und die Sklaven mit ihren Silberkrügen immer noch regelmäßig vorbeischauten, damit um die Hände der Essenden zu waschen und abzutrocknen.
    Da mittlerweile alle irgendwo auf den Clinen ihre Plätze eingenommen hatten, gab sie einem in der Nähe des Eingangs stehenden Sklaven ein Zeichen, dass der Zwischengang serviert werden konnte.
    Drei Sklaven trugen gemeinsam die Platte herein, die mit Kavier gefüllte Langusten enthielt. Die Langusten waren um einem Vulkan aus gehacktem Eis geschichtet, in dessen "Krater" man eine große Menge Austern finden konnte.
    Passend zum Gericht wurde die Musikuntermalung jetzt etwas dramatischer und der alte Grieche begann, ein Gedicht über den Vesuv zu rezitieren. Serrana wurde bei seinen Worten fast ein wenig wehmütig, da sie selbst ja in der Nähe des Vulkans aufgewachsen war.


    Calvenas Worte rissen sie dann aus ihren Überlegungen und sie lächelte die Freundin dankbar an. "Vielen Dank, es freut mich, dass es euch gefällt. Sobald der Hauptgang aufgetragen worden ist, werden die Tänzer auftreten, ich hab den Tanz leider noch nicht gesehen, aber es geht wohl um Odysseus und Penelope." Auf diesen Teil des Abends war sie selbst schon mehr als neugierig, denn laut Narcissa sollten die Tänzer wohl ausgesprochen nett anzusehen sein. Serrana kicherte leise und nahm sich noch ein paar Muscheln.

    Warum sie von zuhause weg musste? Bei dieser Frage musste Serrana automatisch an die vielen Tage und Nächte denken, die es gebraucht hatte, bis sie ihre gewohnte Fügsamkeit abgelegt und sich wirklich dazu durchgerungen hatte, ihr gewohntes Heim zu verlassen und nach Rom zu gehen, ohne zu wissen was sie dort erwarten würde. Und seitdem hatte jeder einzelne Tag sie darin bestätigt, dass es die richtige Entscheidung gewesen war.


    Aber wie konnte man das am besten erklären?


    "Nun, ich hab die letzten zehn Jahre bei meinen Großeltern auf dem Land gelebt. Meine Mutter ist bei der Geburt meines Bruders gestorben als ich fünf war, und mein Vater wusste wohl nicht, was er mit mir anfangen sollte und hat mich dann zu den Eltern meiner Mutter gebracht. Großmutter wollte mich schon seit einigen Monaten mit unserem Nachbarn verheiraten, aber Großvater war dagegen, weil ich diesen Mann so schrecklich fand. In diesem Frühjahr ist Großvater dann aber leider plötzlich gestorben, und da hatte ich keine Wahl mehr. Im August hätte die Hochzeit stattfinden sollen, da bin ich einfach abgehauen...." erzählte Serrana zu Beginn noch ein wenig stockend, aber nach und nach mit festerer Stimme.


    Nachdem sie ihre eigene Geschichte zuende erzählt hatte, hörte sie mit wachsendem Interesse ihrer Cousine zu. Tarraco....lag das nicht in Hispania? Axillas Geschichte klang traurig, offenbar hatte auch sie schon früh ihre Eltern verloren und damit zugleich auch ihren Besitz. Serrana sah Axilla mitfühlend an, aber als diese dann von Alexandria erzählte, leuchteten ihre Augen unwillkürlich auf und sie lehnte sich ein bisschen vor.


    "Es muss wundervoll in Ägypten sein. Ich wünschte ich könnte all die die Dinge dort auch irgendwann mal sehen!" sagte sie schwärmerisch und griff wieder nach ihrem Kelch.


    "Aber ehrlich gesagt bin ich auch sehr froh, dass du jetzt hier bist, ich hab mich schon ein kleines bisschen einsam gefühlt in diesem Haus so ganz allein."

    Serrana lächelte, als Axilla plötzlich wie ein kleines Kind im Wasser untertauchte und dann mit tropfnassem Kopf wieder an der Oberfläche erschien. Zum ersten Mal seit ihrem Zusammentreffen im Atrium machte ihre Cousine einen zufriedenen und enspannten Eindruck, und Serrana war froh, die Idee mit dem gemeinsamen Bad gehabt zu haben.


    Um so besser, dass Axilla keinen Wein trinken wollte, auf diese Weise kam sie selbst auch nicht in Versuchung. Zwar hatte sie erst einmal in ihrem Leben zuviel davon getrunken, aber an ihren elenden Zustand danach in den Thermen konnte sie sich immer noch hervorragend erinnern. Nicht einmal Minos, der kretische Stier, hatte sich derartig in ihr Gedächtnis eingebracht, und dabei war der doch das schönste männliche Geschöpf gewesen, das sie bis dahin in ihrem Leben gesehen hatte.


    Serrana griff hinter sich nach einem Kelch mit Saft, nahm einen Schluck und wandte sich dann wieder Axilla zu.


    "Es freut mich, dass dir das Zimmer gefällt. Wenn du noch irgendetwas brauchen solltest, sag einfach Bescheid." antwortete sie dann erleichtert. Irgendwie war sie durch die plötzliche Ankunft der anderen Iunier ein bisschen in die Rolle der Gastgeberin gerutscht, und das irritierte sie ein wenig. Zumal sie selbst ja im Grunde auch nur ein Gast dieses Hauses war, sie war nur zufällig ein paar Monate früher als Axilla angekommen. Gut, dass Silanus jetzt wieder in Rom war, da konnte sie diese Aufgabe guten Gewissens wieder abgeben und sich wieder aus dem Rampenlicht zurückziehen, das der eher zurückhaltenen und schüchternen Serrana nach wie vor unangenehm war.


    "Ja, seit meiner Ankunft hier im Hochsommer habe ich ganz allein hier im Haus gelebt." sagte sie dann und erinnerte sich mit leichtem Unbehagen wieder daran, wie sie mutterseelenallein mit ihrem wenigen Gepäck vor der Casa Iunia gestanden hatte. "Als ich ankam war niemals von der Familie hier, aber ich musste damals unbedingt von zuhause weg, deshalb bin ich trotzdem eingezogen. Und die Sklaven haben so gut für mich gut gesorgt, dass ich mich ganz schnell eingelebt habe."


    Serrana lehnte sich zurück und betrachtete eine Weile die Decke des Balneums, an der sich im flackernden Licht die Bewegungen des Wassers widerspiegelten.


    "Warst du eigentlich schonmal hier, oder hast du immer in Ägypten gelebt? fragte sie dann neugierig und sah wieder ihre Cousine an.

    "Ich bin auch schon ziemlich neugierig, was Calvena da geplant hat. Ich hab ja versucht, etwas aus ihr herauszukriegen, aber sie hat mir leider nichts verraten." nickte Serrana zustimmend auf Sedulus' Hinweis hin.
    Dass ihre Großmutter irgendetwas nicht würde herausfinden können, war im Grunde so gut wie unmöglich, aber trotzdem hoffte sie von Herzen, dass es in diesem Fall vielleicht doch so sein würde.


    Serrana sah Sedulus an und lächelte. "Ja, lass uns zurück in den Hortus gehen, aber ich fürchte, du wirst mir den Weg wieder zeigen müssen, ich hab überhaupt keine Ahnung, in welchem Teil des Hauses wir gerade sind."

    Nach einer Weile ließ Sedulus Serranas Hand wieder los und sie spürte, wie sich ihr Herzschlag nach und nach wieder beruhigte.
    Als er dann fragte, ob sie wieder zum Fest zurückgehen sollten, war sie für einen Augenblick lang überrascht, irgendwie hatte sie gar nicht mehr an die Fontinalia gedacht seit sie in die Bibliotheca gekommen waren.


    "Ja, wenn du meinst, dann sollten wir vielleicht lieber wieder zu den Anderen runtergehen." sagte sie dann und erwiderte sein Grinsen mit einem Lächeln. In ihrer Arglosigkeit konnte sie sich nicht wirklich vorstellen, dass durch den gemeinsamen Besuch einer Bibliotheca irgendwelche Gerüchte entstehen konnten, aber eigentlich war es auch Calvena gegenüber höflicher zurückzugehen, da diese sich solche Mühen mit dem geplanten Höhepunkt des Abends gemacht hatte.


    Der Hinweis auf ihre Großmutter wirkte dann allerdings Wunder. Serrana bekam einen Heidenschreck und nickte dann entsetzt.


    "Oh, du hast Recht, wenn Großmutter rausfindet, dass wir hier sind, dann kommt sie bestimmt sofort her und regt sich furchtbar auf..."