Beiträge von Iunia Serrana

    Auch Serrana hörte Durmius aufmerksam zu, um sich kein eventuell wichtiges Detail seines Beispiels entgehen zu lassen, schliesslich konnte ja eine winzige Kleinigkeit den Auschlag geben.
    Die Frage hatte es wirklich in sich und sie überlegte eine ganze Weile, wie sie ihre Antwort am besten formulieren konnte.


    "Ich denke, zu allererst muss zweifelsfrei bewiesen werden, dass die Fehl- und Missgeburten ohne menschliche Fremdeinwirkung zustande gekommen sind. Eine Vergiftung, wie Calvena sie beschrieben hat, wäre dafür ein Beispiel, oder auch eine Krankheit, die einer der beiden Ehepartner wissentlich verschwiegen hat." sagte sie dann langsam und überlegte dann weiter.


    "Und natürlich ist auch die Art der Missbildung wichting, denn die Geburt von Hermaphroditen wird eigentlich immer als schlechtes Zeichen gewertet. Ausserdem müsste man wissen, ob sich die Familie nach der Geburt der ersten beiden missgebildeten Kinder Gedanken um eine Procuratio, also eine Entsühnung gemacht hat. Die Geburt von drei missgebildeten Kindern hintereinander ist ja schon sehr auffällig... Um ein genaues Urteil abgeben zu können, müsste man die Umstände noch etwas genauer kennen."

    Einige Tage nach dem wundervollen Fest in der Casa Germanica zu Ehren des Fons hatte Serrana ausnahmsweise einmal nichts im Tempel zu tun und und die Gelegenheit genutzt, um ein paar Stunden auf dem Forum zu verbringen und das geschäftliche Treiben dort zu geniessen.


    Die junge Iunia schlenderte zum Tempel der Concordia und setzte sich dort auf eine der Treppenstufen. Mittlerweile war es spürbar Herbst geworden, und auch wenn die Sonne noch einiges an Kraft besaß, fühlte sich der Steinboden doch schon um einiges kühler an.
    Kurzentschlossen schickte Serrana ihre Sklavin Adula wieder heim, um etwas Wärmendes zum unterlegen zu holen und zog dann die Schriftrolle hervor, die sie sich aus der iunischen Bibliotheca mitgebracht hatte. Es handelte sich um eine Abschrift über den Bürgerkrieg zwischen Cäsar und Pompeius aus der Feder des Asinius Pollio, der schon von jeher zu ihren bevorzugten Autoren gehört hatte, da er sich mit einer Epoche befasste, in der auch Serranas Vorfahren noch eine entscheidende Rolle in der römischen Geschichte gespielt hatten. Sie hatte schnell herausgefunden, dass das Lesen an diesem Ort ungleich spannender war als daheim in der verstaubten und einsamen Bibliotheca, denn all die berühmten Männer, die in diesem Werk beschrieben wurden, hatten sich vor vielen Jahren auch auf diesem Forum aufgehalten. Hier hatten sie miteinander geredet und Pläne oder auch Intrigen geschmiedet und das Schicksal dieser Stadt entscheidend beeinflusst. Serrana schloss die Augen und versuchte, den einzelnen Namen passende Gesichter und Stimmen zu geben, als sie plötzlich durch ein misstönendes Schnalzen aus ihren Tagträumen gerissen wurde.


    Ganz in ihrer Nähe standen zwei Männer, die mit ihrem ungepflegten Äusseren und der einfachen Kleidung leider so gar nicht zu ihren Vorstellungen von edlen Senatoren und Feldherren passten und unterhielten sich lautstark in einer Sprache, die Serrana nicht verstand. Der kleinere der beiden hatte sie scheinbar schon eine Weile beobachtet und bedachte sie mit einem anzüglichen Grinsen, das ein ziemlich lückenhaftes Gebiss offenbahrte. Als er ihren Blick auffing, machte er eine obszöne Geste, die derartig eindeutig war, das sogar die unbedarfte Iunia sie sofort verstand. Mit hochrotem Kopf rollte sie ihre Schriftrolle wieder zusammen und stand auf um sich einen anderen und ungestörten Platz zu suchen. Sie hatte sich kaum erhoben, als drei weitere Männer auf die anderen beiden zutraten und diese sofort in ein Gespräch verwickelten. Ganz offensichtlich ging es dabei um nichts Angenehmes, denn auch wenn Serrana nach wie vor nichts verstand, konnte sie doch aus der zunehmenden Lautstärke und dem aggressiven Tonfall heraushören, dass die Stimmung zwischen den Männern immer ungemütlicher wurde. Mittlerweile wurden auch andere Passanten durch die immer lauter werdenden Streitereien angelockt und sammelten sich in sicherer Entfernung, um den weiteren Fortgang der Ereignisse zu beobachten. Serrana, die sich nach wie vor in unmittelbarer Nähe der Männer befand, presste ihre Schriftrolle wie zum Schutz eng an sich und wünschte sich, sie hätte Adula nicht fortgeschickt. Was hätte sie darum gegeben, jetzt in der ruhigen Bibliotheca daheim zu sitzen...
    Die beiden gegnerischen Gruppen waren mittlerweile dazu übergegangen sich gegenseitig anzurempeln und laut zu beschimpfen, und Serrana schrie erschrocken auf, als der Kleine mit den schlechten Zähnen plötzlich einen versteckten Dolch hervorzog und auf einen seiner Gegner losging.


    Sim-Off:

    Vielleicht wird ja noch der eine oder andere durch den Tumult angelockt ;)

    Als Calvena sie fragte, ob sie auf der Suche nach einem Abenteuer wäre, musste Serrana erneut kichern, diesmal allerdings hauptsächlich aus Verlegenheit. Für sie bedeutete es ja schon ein Abenteuer, mit einem Mann überhaupt zu reden, alles was es darüber hinaus noch geben mochte, lag in ihrem Fall bislang noch hinter einem rätselhaften Nebel. In dieser Hinsicht hatte Großmutter Laevina mit der jahrelangen strengen Abschottung ihrer Enkelin von allem, was ihrer Meinung nach schädlich für das Gemüt eines jungen Mädchens war, wirklich hervorragende Arbeit geleistet, auch wenn sich der Vorhang seit Serranas Ankunft in Rom mittlerweile an der einen oder anderen Stelle etwas zu lichten schien.


    Nach Beginn der Prozession verflog ihre Verlegenheit jedoch schnell und machte einem erhabenen Glücksgefühl Platz. Ihre sonstige Unsicherheit löste sich auf und sie fühlte einen großen Stolz, ein Teil dieser wundervollen Zeremonie zu sein, auch wenn dieser in ihrem Fall nur winzig klein war. Glücklich schritt sie an der Seite ihrer Freundin und hoffte, dass die Prozession noch lange andauern würde.

    Serrana freute sich sehr ueber Priscas Kompliment und noch mehr ueber deren freundschaftliche Geste.


    "Vielen Dank, wie schoen, dass du auch Gast bei diesem Fest bist." sagte sie aufrichtig. Priscas Frage brauchte sie nicht mehr beantworten, da Mattiacus das bereits erledigt hatte und nickte nur zustimmend mit dem Kopf. Waehrend er einen weiteren Becher vom Tablett nahm, liess Serrana den Blick ueber die uebrigen Anwesenden im Atrium schweifen. In einer Gruppe am anderen Ende des Raums erkannte sie neben einer unbekannten Frau und mehreren unbekannten Maennern, die ganz offensichtlich dem Senatorenstand angehoerten auch Caecilia Cara und Calvenas Onkel Sedulus und laechelte den beiden zu. In ihrem ganzen Leben hatte sie noch nie so viele reiche und wichtige Menschen auf einem Fleck gesehen, aber zu ihrer grossen Ueberraschung machte sie das mittlerweile gar nicht mehr so nervoes und sie konnte die festliche Stimmung des Abends in vollen Zuegen geniessen.

    "Nein, davon habe ich ehrlich gesagt nie zu traeumen gewagt." antwortete Serrana mit leuchtenden Augen und drueckte kurz die Haende ihrer Freundin. Sie konnte sich beim besten Willen nicht erinnern, wann sie zum letzten Mal in ihrem Leben so aufgeregt gewesen war. In Gedanken schickte sie nicht zum ersten Mal ein kurzes Dankgebet an Minerva, die sie vor einigen Wochen in diese wundervolle Stadt gebracht hatte.
    Als Calvena bei der Erwaehnung Valerians rot wurde, knuffte sie die Freundin liebevoll in die Seite.


    "Du kannst wirklich stolz sein auf deinen Praetorianer, er sieht sehr schmuck aus in seiner Ruestung." fluesterte sie leise. Es mussten ja nicht alle Mitglieder des Cultus Deorum mitbekommen, dass sich die beiden jungen Maedchen gerade nicht ueber ein allzu erhabenes Thema unterhielten. Serrana liess ihren Blick ueber die anwesenden Honorationen und die zahllosen Soldaten schweifen und kicherte dann.


    "Ueberhaupt sehen hier ziemlich viele Leute gut aus. Diese Uniformen sind schon ganz schoen kleidsam..."


    Waehrend sie sich noch umsah, entdeckte sie zu ihrer grosse Freude in der wartenden Menge die hochgewachsene Vestalin Romana und ein Stueckchen weiter weg Tiberia Septima und winkte den beiden jungen Frauen erfreut zu.


    Dann begann die Zeremonie und die beiden jungen Maedchen nahmen gemeinsam ihren Platz fuer die anschliessende Prozession ein.

    Priscas Frage erwischte Serrana auf dem falschen Fuss, obwohl sie natuerlich seit laengerem damit hatte rechnen muessen, dass ihr einsames Leben in der Casa Iunia Erstaunen hervorrief. Fieberhaft ueberlegte sie, wie sie die Situation erklaeren koennte, ohne Narcissa damit in Verlegenheit zu bringen.


    "Dieses Haus gehoert Lucius Iunius Silanus, und der ist zur Zeit in Germanien stationiert. Ich habe ihn bislang noch nie persoenlich getroffen, sondern nur Briefe mit ihm ausgetauscht. Er kannte meinen Vater gut, und hat mir grosszuegigerweise erlaubt hier in diesem Haus zu wohnen. Soweit ich weiss, habe ich noch einige Verwandte in Aegypten, aber die kenne ich leider auch nicht." Fuer eine Aussenstehende musste sich das ja alles reichlich seltsam anhoeren, dachte Serrana verzagt und fuegte dann erklaerend hinzu: "Nach dem Tod meiner Mutter ist der Kontakt zu meiner iunischen Familie komplett abgerissen, und ich fange gerade erst an ihn langsam wiederherzustellen."
    Bei diesen letzten Worten warf sie einen liebevollen Blick zu Narcissa hinueber und laechelte.


    "Und was Narcissa betrifft, waere es mir ehrlich gesagt lieber, du wuerdest sie selbst fragen." Sie sah Prisca entschuldigend an und hoffte, dass diese ihr das nicht uebel nahm.
    Claras Vorschlag, zu dritt einen Ausflug in einer Quadriga zu machen, war da schon deutlich unverfaenglicher und Serrana war sofort Feuer und Flamme.


    "Oja, das hoert sich wundervoll an." sagte sie aufgeregt. "Und vielleicht..." an dieser Stelle stockte sie kurz und laechelte dann verschmitzt "...vielleicht koennte ich mich dann auch einmal auf ein Pferd setzen, ich wuesste naemlich zu gern, wie das ist."

    Serrana hatte Mattiacus gespannt zugehoert, als er von seiner Familie erzaehlt hatte. Hispania...noch so ein fremdes und aufregendes Land von dem sie keine Ahnung hatte. Scheinbar konnte mit Ausnahme von ihr selbst jeder Mensch auf diesem Fest mit einer spannenden Jugend oder Familiengeschichte aufwarten... Calvena mit ihrer aufregenden Vergangenheit, Cara mit ihren Aufenthalten in Aegypten und Griechenland und jetzt Mattiacus mit seiner Kindheit im fernen Hispania... Und was hatte sie selbst zu bieten? Serrana seufzte auf und nahm dann einen Schluck aus ihrem Weinkelch. Ihrer Cousine Narcissa waere es vermutlich gelungen, sogar aus Serranas langweiliger campanischer Vergangenheit etwas Spannendes zu machen, aber diese Gabe besass sie selbst leider nicht.


    Die junge Iunia wollte gerade zu einer neuen Frage ansetzen, als ploetzlich Aurelia Prisca auf sie und die beiden Decimer zukam. Erfreut erwiderte sie deren Laecheln und rueckte ein wenig zur Seite, damit sich Prisca zu ihnen gesellen konnte. Die beiden jungen Frauen hatten seinerzeit in den Thermen einen etwas ungluecklichen Start gehabt, aber mittlerweile hatten sie sich auf den Ludi und spaeter bei der Cena in der Casa Iunia besser kennengelernt, und inzwischen mochte Serrana die junge Aurelia sehr gern.

    Ein halbes Jahr lag dieses Ereignis nun schon zurueck? Dann war es ja kein Wunder, dass sie davon noch nichts mitbekommen hatte. Vor sechs Monaten hatte ihr Grossvater noch gelebt und ihr frueheres Leben in der Campania war seinen zwar unspektakulaeren aber auch friedlichen Bahnen gefolgt. Niemals haette sie sich damals traeumen lassen, dass sie am heutigen Tage in Rom und auf dem besten Wege sein wuerde Priesterin zu werden...
    Serrana laechelte einen Moment bei dem Gedanken und beugte sich dann gespannt vor, um Durmius' Geschichte zu lauschen. Der alte Herr war wirklich ein begnadeter Erzaehler, und die junge Iunia zuckte unwillkuerlich zusammen, als er am spannendsten Punkt ploetzlich mit dem Oberkoerper nach vorne schnellte. Als sie merkte, dass sie ganz offensichtlich wie ein Kleinkind auf seinen Trick hereingefallen war, musste sie kichern. Dann jedoch biss sie sich schnell auf die Lippe und nickte, als Durmius ankuendigte Calvenas und ihr eigenes Wissen ueber Prodigien ein wenig unter die Lupe zu nehmen.

    Araros eilte schnell zur Porta, denn offenbar war doch noch ein verspaeteter Gast eingetroffen.


    Er schob den schweren Riegel zurueck, oeffnete die Tuer und begruesste hoeflich die junge Frau, die ganz offensichtlich auch einer der geladenen Gaeste bei der Cena war.


    "Salve, Domina, herzlich willkommen in der Casa Iunia, erlaube mir bitte, dich direkt zu den anderen Gaesten zu bringen" Bei den letzten Worten machte er ihr den Weg frei und wies einladend ins Innere des Hauses.

    Auch Serrana hatte sich fruehzeitig in ihrer Priesterinnenkleidung auf dem Aventin eingefunden, um den Aufmarsch der Cohortes Urbanae und der Praetorianer nicht zu verpassen. Mit leuchtenden Augen bewunderte sie die vielen Uniformen, die fuer den heutigen Tag blitzblank geputzt worden waren und in der Sonne glitzerten. Vor ueber hundert Jahren, zu Zeiten, als ihre iunischen Vorfahren noch wirkliche Bedeutung in Rom besessen hatten, war es sicher ganz aehnlich gewesen. Serrana hatte ploetzlich das Gefuehl, als waeren diese gloreichen Zeiten nur einen Wimpernschlag von ihr entfernt und genoss die feierliche Stimmung in vollen Zuegen. Der kalte Wind zerzauste ihre langen Haare, aber sie freute sich so sehr dabei zu sein, dass ihr das ungemuetliche Wetter gar nicht bewusst wurde.

    Allmaehlich legte sich Serranas Nervositaet, die sie immer zwangslaeufig befallen schien, wenn sie sich mit unbekannten Maennern unterhalten sollte. Dass Livianus sich scheinbar doch an sie erinnerte, freute sie und sie erwiderte laechelnd seine Begruessung.


    "Die Freude ist ganz auf meiner Seite, Decimus Livianus."


    Wenn sie daran dachte, wie unsicher und aengstlich sie noch vor wenigen Wochen angesichts ihrer ungewissen Zukunft gewesen war, musste sie fast schmunzeln, denn seit ihrer Ankunft in Rom waren schon so viele Dinge geschehen, und die meisten davon waren positiv gewesen. Mittlerweile hatte sie Freundinnen gefunden, die sie sehr gern hatte und eine Ausbildung begonnen, in der sie eine wirkliche Berufung sah. Das war fuer Aussenstehende vermutlich nicht besonders beeindruckend, aber Serrana war aus eigener Kraft so weit gekommen, und darauf war sie wirklich stolz.


    Sie wandte sich wieder Mattiacus zu und hoerte zu ihrer Ueberraschung, das dieser scheinbar urspruenglich auch nicht aus Rom stammte. Das machte sie neugierig und sie beschloss einfach nachzufragen. Bislang war er ja ein sehr netter Gespraechspartner gewesen, da wuerde er vielleicht auch nichts dagegen haben, wenn sie ein wenig nachhakte.


    "Ich bin bei den Eltern meiner Mutter in Nola aufgewachsen, mein Grossvater hatte dort ein Landgut. Nach seinem Tod sind meine Grossmutter und ich nach Rom gekommen, allerdings leben wir jetzt nicht mehr zusammen. Sie ist naemlich urspruenglich eine Germanica und lebt jetzt hier im Haus ihres Cousins Avarus."


    Dass sie im Grund ihres Herzens mehr als froh war, ihre Grossmutter endlich los zu sein, behielt sie lieber fuer sich. Jeder, der Laevina persoenlich kannte, wuerde das zweifellos verstehen.


    Als Mattiacus ihr einen Becher Wein anbot, nickte sie dankbar. Zu Beginn des Festes war sie so aufgeregt gewesen, dass sie glatt vergessen hatte, sich etwas zu trinken zu nehmen und allmaehlich bekam sie Durst. Ausserdem wusste sie seit hrem peinlichen Halbrausch in den Thermen wesentlich besser, wo beim Alkohol ihre Grenzen waren. Und ein Becher Wein wuerde sicher nicht so schlimm sein.


    "Ja, vielen Dank, dabei schliesse ich mich gerne an.Wo stammst du denn urspruenglich her?" fragte sie dann neugierig nach.

    Gerade hatte sie sich noch ein wenig ziellos umgeschaut, als sie ploetzlich Calvena entdeckte, die mit zwei Maennern zusammenstand und sie herueberwinkte.
    Serrana ging laechelnd zu ihrer Freundin und erkannte erst im letzten Augenblick, das ihr der eine der beiden vermeintlich unbekannten Maenner gar nicht so unbekannt war. Immerhin war Livianus der erste Mensch gewesen, der nach ihrer Ankunft in Rom mit ihr gesprochen hatte und sehr freundlich zu ihr gewesen war, als sie wie ein Haeufchen Elend vor der verschlossenen Casa Iunia gestanden hatte. Fuer einen Moment schoss ihr bei dem Gedanken daran eine verlegene Roete ins Gesicht, aber dann schuettelte sie das schnell wieder ab. Vermutlich erinnerte er sich ohnehin laengst nicht mehr daran, und heute abend gab es ausnahmsweise einmal nichts, dessen Serrana sich haette schaemen muessen. Daher nickte sie bei Calvenas Vorstellung und laechelte die beiden Decimer aufrichtig erfreut an.


    "Salvete, meine Herren"


    "Mich freut es auch, Decimus Mattiacus" antwortete sie dann dem juengeren Mann. "Mir gefaellt es wirklich sehr gut in Rom, alles ist hier so gross und aufregend und ueberall gibt es Dinge, die ich noch nie vorher gesehen habe..." erzaehlte sie mit leuchtenden Augen.

    Ausgesprochen froh nahm sie zu Kenntnis, das Venusia der Park gefiel. Wirklich viele Ansatzpunkte um den Geschmack der Duccierin zu treffen hatte sie ja leider nicht gehabt.


    "Ich war leider auch noch nie hier. Grossvater wollte immer irgendwann mal mit mir zusammen herkommen, aber dazu ist es leider nie gekommen. Im Nymphentempel soll es ein wunderschoenes Mosaik geben, wollen wir uns das vielleicht zuerst anschauen?" fragte sie hoeflich. Schliesslich wollte sie Venusia ja nicht einfach irgendeine Route aufzwingen...


    Wie alt Venusia wohl war? Serrana hatte Schwierigkeiten, das richtig einzuschaetzen. Die Duccierin wirkte noch sehr jung, allerdings hatte sie auch schon zwei Kinder...


    Serrana entschloss sich, ausnahmsweise mal ueber ihren Schatten zu springen und einfach nachzuhaken.


    "Venusia, darf ich dich fragen, wie alt du bist?"

    Seitdem sie Laevina im Triclinium ausgemacht hatte, war Serranas Laune deutlich angestiegen. Ihre Grossmutter sass mit versteinertem Gesicht neben einem deklamierenden Schauspieler und sah aus, als wuerde sie diesem jeden Moment an die Gurgel gehen. Ob der arme Kerl ueberhaupt wusste, in welcher Gefahr er schwebte? Hoffentlich bezahlten ihm die Germanicer auch genug Geld fuer diesen ganz besonderen Auftritt....


    Deutlich beschwingt schlenderte Serrana durch die anwesenden Gaeste , von denen sie eine ganze Menge noch nie gesehen hatte, und die fast alle einen furchtbar wichtigen und reichen Eindruck machten. Wieder einmal war sie Calvena sehr dankbar fuer das schoene Kleid und den Schmuck, den ihr diese geliehen hatte, zumindest wegen ihres Aussehens wuerde sie sich heute nicht verstecken muessen.


    Inmitten der Menschenmenge verliess dann aber doch ein bisschen der Mut. Wo sollte sie denn jetzt nur hingehen? Serrana drehte sich einmal um die eigene Achse und sah sich nach bekannten Gesichtern um.

    Serrana spuerte, dass Clara sie aufheitern wollte und bekam direkt ein schlechtes Gewissen. Hoffentlich hatte sie in ihren Erzaehlungen nicht allzu wehleidig geklungen...


    "Ach, wirklich allein bin ich ja nicht." wiegelte sie daher schnell ab. "Die Sklaven sind ja auch da und sie kuemmern sich wirklich sehr gut um mich. Und jetzt hab ich ja auch meine Cousine Narcissa endlich kennengelernt, die wohnt zwar nicht hier in der Casa Iunia, aber wir sehen uns immerhin ab und an."


    Als Clara den Vorschlag machte, gemeinsam mit ihr auszureiten, machte Serrana grosse Augen. Sie freute sich sehr, dass die junge Duccierin mit ihr Zeit verbringen wollte, aber bislang hatte sie noch nie auf einem Pferd gesessen. Nicht weil sie Angst gehabt haette, sondern weil ihre Grossmutter den Anblick von reitenden Frauen als ausgesprochen unpassend und primitiv bezeichnet hatte. Aber das konnte ihr ja jetzt egal sein, Laevina war schliesslich ein paar Haeuser weiter beschaeftigt und wuerde kaum etwas davon mitbekommen.


    "Oh, ich wuerde sehr gern mitkommen, aber ich kann leider gar nicht reiten." sagte sie daher und schaute Clara ein wenig betruebt an.

    Kaum hatten sich Macer und Serrana zu Calvena und den anderen gesellt, als diese auch schon wieder davon eilte um neu hinzu gekommenes Paar zu begruessen. Serrana sah ihrer Freundin laechelnd hinterher, bislang gab diese wirklich eine hervorragende Gastgeberin ab.


    Natuerlich haette sie sich gern mit ihr ein bisschen unterhalten, aber vielleicht war dies ja auch mal eine gute Gelegenheit, um ein wenig mutig zu sein und sich endlich auch einmal allein unter all die Menschen zu wagen, von denen ihr viele noch absolut fremd waren. Und bei der Gelegenheit konnte sie auch gleich herausfinden, ob ihre Grossmutter wirklich ausser Reichweite und sie fuer eine kleine Weile ausser Gefahr war.


    "Entschuldigt mich bitte fuer einen Moment, ich bin gleich wieder zurueck" sagte sie zu dem netten Octavier und Calliphana und Centho.


    Kurzentschlossen und bevor ihr neugewonnener Mut sie wieder verlassen konnte, atmete sie einmal tief durch, straffte sich dann und machte sich dann auf den Weg, um die restlichen Raeume der Festlichkeiten zu erkunden.

    Serrana stellte fest, dass ihr Clara immer sympathischer wurde. Zwar kannte sie die junge Duccierin bislang kaum, aber irgendwie fuehlte sie sich ihr trotzdem verbunden und wollte auch gern noch mehr ueber sie erfahren.


    "Ja, es war wirklich schrecklich, ich glaube, ich habe noch nie in meinem Leben solche Angst gehabt, wie in dem Moment, als der Baer auf uns zugestuermt ist...." Serrana spuerte, wie sich bei der Erinnerung die feinen Haare in ihrem Nacken aufstellten und bekam wieder eine Gaensehaut.


    "Normalerweise wuerde ich sicher auch mehr Mitleid mit diesem Tier haben, aber dieser Baer hat um ein Haar meine Sklavin getoetet, und das haette ich nicht ertragen." Ob Clara das wohl verstehen wuerde? Fuer die meisten Roemer waren Sklaven nichts weiter als Besitzgegenstaende und die wenigsten bauten eine besondere persoenliche Beziehung zu ihnen auf. Serrana sah in Adula zwar keine Freundin, aber die riesige Sklavin war ihr trotzdem schon sehr ans Herz gewachsen.


    Als Clara dann vom Tod ihrer Familienangehoerigen erzaehlte, fuehlte sie wieder eine Welle des Mitgefuehls. Offensichtlich hatte sie da einige Dinge gemeinsam...


    "Oh nein, ich bin erst seit etwa zwei Monaten in Rom, vorher habe ich bei meinen Grosseltern in der Campania gelebt. Die beiden haben mich aufgezogen, nachdem meine Mutter gestorben und mein Vater fortgegangen ist. Mein Grossvater ist jetzt auch tot, und daher habe ich im Grunde auch niemanden mehr ausser meiner Grossmutter. Aber die lebt jetzt bei der Familie ihres ersten Mannes, deshalb bin ich hier in der Casa Iunia im Moment ganz allein. Ein Verwandter meines Vaters hat mir grosszuegigerweise erlaubt, hier zu wohnen, und bislang fuehle ich mich auch sehr wohl hier."

    Serrana folgte Macers Blick und laechelte, als sie Calvena und Valerian ansah.


    "Ja, du hast recht, die beiden passen wirklich hervorragend zusammen. Sie werden sicher sehr gluecklich miteinander."


    Auf seine Frage, ob sie in Begleitung erschienen sei, schuettelte sie verneinend mit dem Kopf.


    "Nein, ich bin allein hier. Das ist aber nicht schlimm, denn Calvena ist ja auch da, und ich hoffe, dass meine Cousine Narcissa spaeter auch noch kommen wird." sie liess den Blick ueber die groesser werdende Gaesteschar schweifen, und entdeckte neben einigen unbekannten Gesichtern zu ihrer Freude auch Centho und Calliphana, die offenbar gerade angekommen waren. Sie haette Macer gern gefragt, ob Tiberia Septima, mit der sich der junge Octavier so gut bei den Ludi verstanden hatte, auch noch kommen wuerde, aber das waere doch ein bisschen zu indiskret gewesen.


    "Komm, wir gehen zu den anderen hinueber, die wollen sicher auch noch mit dir auf deinen Erfolg anstossen." sagte sie dann und wies auf die beiden Paare, die sich lebhaft miteinander unterhielten. Ausserdem war Serrana ausgesprochen neugierig, was Calvena mit ihrer Grossmutter angestellt hatte.