Beiträge von Iunia Serrana

    Serrana atmete innerlich auf, als Clara sich am Saft bediente und ihr dieser ganz offensichtlich auch noch gut zu schmecken schien. Wenn sie jetzt noch irgendwann etwas mehr Feingefuehl fuer die richtige Frage zur richtigen Zeit entwickeln wuerde, dann gab es vielleicht doch noch Hoffnung fuer sie als Gastgeberin...


    "Ganz genau kann ich dir leider auch nicht erzaehlen, wie die Geschichte mit dem Baeren eigentlich angefangen hat. Scheinbar hat er sich irgendwie losgerissen und hat sich ausgerechnet bei unserem Treffpunkt auf die Suche nach etwas Essbaren gemacht."


    Im Nachhinein und aus einiger Entfernung betrachtet hatte die Geschichte durchaus Unterhaltungswert, aber bei dem Gedanken an all das Blut auf dem Boden und die toedliche Gefahr, in der sie alle geschwebt hatten, schauderte Serrana immer noch automatisch.


    "Naja, und dann haben die Maenner in der Gruppe mit Hilfe einiger Sklaven gegen den Baeren gekaempft und ihn den Goettern sei Dank schliesslich getoetet." Bei den letzten Worten warf sie einen liebevollen Blick in Richtung des Ausgangs, wo sich ihre Leibsklavin Adula unaufaellig postiert hatte, um ihr bei Bedarf zu Hilfe zu eilen.


    "Vermutlich haben die Gladiatoren bei den Ludi heute auch keine bessere Show geboten." sagte sie dann und laechelte Clara an.


    "Darf ich dich fragen, ob du hier in Rom bei deiner Familie wohnst? Ich muss gestehen, dass ich mich nach wie vor nicht allzu gut mit all den Gentes hier auskenne und mich immer freue, wenn ich etwas dazulernen kann."

    Die erste Nervositaet hatte sich allmaehlich etwas gelegt, aber so ganz wohl fuehlte sich Serrana in dem zwar wunderschoen geschmueckten, aber dennoch fremden Atrium noch nicht. Um ihre Verlegenheit zu ueberspielen, zupfte sie ein bisschen an ihrem Kleid herum und kontrollierte unauffaellig, ob sich die rosafarbenen Blueten in ihrem Haar noch an Ort und Stelle befanden. Sie haette gern kurz mit Calvena gesprochen, aber die war verstaendlicherweise in ein Gespraech mit Valerian vertieft. Als ihre Freundin ploetzlich in eine ganz andere Richtung in Serranas Ruecken lief, drehte diese sich unwillkuerlich um und erstarrte. Da stand ihre Grossmutter Laevina und ihr Gesichtsausdruck haette die Medusa jederzeit neidisch gemacht... Mit einer gewissen Erleichterung, sah Serrana, wie Calvena ihre "liebe Grosstante" aus dem Atrium geleitete und sie spuerte wieder einmal eine grosse Welle der Zuneigung fuer ihre Freundin. Hoffentlich wuerde diese ihre Hilfsbereitschaft nicht irgendwann bereuen...


    Serrana schluckte und sah sich dann im Raum um, um sich ein bisschen abzulenken. Schliesslich hatte sie beschlossen, diesen Abend zu geniessen und jetzt wuerde sie damit anfangen, auch wenn der alte Schrecken ihrer Kindheit im Nachbarraum auf der Lauer lag.
    Da naeherte sich ihr ploetzlich der junge blonde Mann, der bei den Ludi mit den anderen Maennern gegen den Baeren gekaempft und spaeter auch bei der Cena in der Casa Iunia dabei gewesen war.


    Ausgesprochen froh, endlich auf andere Gedanken zu kommen, laechelte sie ihn freundlich an.


    "Ja, natuerlich erinnere ich mich an dich, Octavius Macer. Ich hoffe es geht dir gut. Und natuerlich herzlichen Glueckwunsch zu deiner Wahl, deine Familie ist sicher sehr stolz auf dich."

    Serrana war an Calvenas Seite ins Atrium getreten und war sofort von der wundervollen Atmosphaere dort gefangen. Natuerlich hatte ihre Freundin ihr im Vorfeld bereits einiges ueber ihre Plaene fuer dieses Fest verraten, aber es war doch etwas ganz anderes, es mit eigenen Augen zu sehen. Waehrend sie die Dekoration bewunderte, musste sie unwillkuerlich an Narcissa und ihr schoenes gemeinsames Fest in der Casa Iunia denken. Naja, im Grunde war es eigentlich das Werk ihrer Cousine gewesen, sie selbst hatte sich in erster Linie bemueht, ihre Gaeste vernuenftig zu bewirten und sich moeglichst wenig zu blamieren. Ob sie wohl jemals in der Lage sein wuerde, so ein gesellschaftliches Grossereignis allein und selbststaendig zu organisieren? Ein bisschen sicherer als bei ihrer Ankunft in Rom vor einigen Wochen fuehlte sie sich ja schon, aber noch gab es genug Dinge, die sie sofort in Angst und Schrecken versetzten...
    Fuer den heutigen Abend hatte sie sich jedoch fest vorgenommen, ein wenig selbstbewusster aufzutreten und sich von der drohenden Anwesenheit zahlreicher Senatoren nicht allzu sehr einschuechtern zu lassen. Sie war zwar ausgesprochen nervoes, aber sie fuehlte sich auch sehr wohl in ihrer Haut und vor allem in dem wunderschoenen hellpurpurfarbenen Kleid, dass Calvena ihr fuer diesen Abend geliehen hatte und in dem sie sich ausnahmsweise sogar selbst gefiel. Da sie normalerweise immer sehr schlicht gekleidet und frisiert aus dem Haus ging, fuehlten sich das elegante Gewand, der edle Goldschmuck und ihre aufwaendige Frisur ziemlich ungewohnt an, aber im Laufe des Abends wuerde sie sich sicherlich daran gewoehnen.


    Sie wollte Calvena gerade ein Kompliment ueber die wunderschoene Dekoration machen, als diese Valerian entdeckte und begruesste. Serrana laechelte und betrachtete die beiden vergnuegt, denn sie goennte ihrer Freundin das offensichtliche Glueck von ganzem Herzen.

    Bin bis zum 23.10. im langersehnten Urlaub auf den Kanaren :]. Ich werde von dort aus weiterposten, aber es kann ein bisschen länger dauern als normalerweise.
    Betroffen sind davon Serrana und Germanica Laevina.

    Dankbar ergriff sie den rettenden Strohhalm, den Clara ihr anbot und winkte sofort einen der Sklaven herbei, die mit verschiedenen Getränken die Runde unter den Gästen machten.


    "Selbstverständlich, bitte nimm dir, was immer du trinken möchtest. Vielleicht möchtest du ja lieber Rosen- oder Honigwasser probieren. Und Wein gibt es natürlich auch und verschiedene Säfte..." sagte sie eifrig und zeigte auf die einzelnen Getränke.


    Höchst erleichtert, dass Clara ihr das unbeabsichtliche Aufrühren alter Wunden offenbar nicht übel nahm, fügte sie dann lächelnd hinzu:


    "Nein, natürlich nicht, ich bin mir sicher, dass wir einen wundervollen Abend verbringen werden. Wir sollten feiern, dass die Götter heute eine schützende Hand über uns alle gehalten haben."

    Die Frage des Pontifex riss Serrana aus ihren Träumereien und sie wandte schnell wieder den Blick von Durmius ab und ihm zu, denn erfreulicherweise ging es jetzt nicht mehr um das heikle Thema Celerina sondern um etwas, über das sie deutlich lieber sprach. Zu dumm nur, dass sie wieder einmal nichts beeindruckendes zu erzählen hatte und nur den Kopf schütteln konnte.


    "Ich habe bislang nur viel darüber gelesen, und mein Großvater hat mir viel erzählt." erzählte sie mit leuchtenden Augen. Dann wurde ihr bewusst, dass Corvinus mit einer derartigen Antwort kaum etwas würde anfangen können, auch wenn sie sicher war, dass das unschöne Wörtchen "Landei" deutlich und für alle weithin sichtbar auf ihre Stirn gemeisselt war.



    "Bis vor einigen Wochen habe ich in Nola gelebt", fügte sie dann mit wieder anwachsender Verlegenheit hinzu," und da hat es nicht so viele Möglichkeiten gegeben, derartigen Zeremonien beizuwohnen. Mit Ausnahme der Opferungen im Tempel des göttlichen Augustus natürlich."
    Hoffentlich wollte er dazu jetzt keine Details von ihr hören, denn ihre nur unterdurchschnittlich religiöse Großmutter Laevina hatte es ihr höchst selten erlaubt dort hinzugehen, um sich den in ihren Augen albernen Hokuspokus alter Männer in flatternden Gewändern anzusehen. Aber so etwas konnte man wohl kaum einem Pontifex erzählen...

    Hatte sie sich da auch nicht verhört? Clara war bereits Witwe? Natürlich kannte Serrana einige Witwen, aber die waren meist im Alter ihrer Großmutter, und Laevina war fast sechzig. Die junge Duccierin dagegen sah kaum älter aus als Serrana selbst...


    Auf eine derartige Eröffnung war sie nicht gefasst gewesen und so überlegte sie angestrengt und ziemlich betroffen, wie sie darauf antworten konnte ohne weder gleichgültig noch neugierig zu erscheinen. Hätte sie das doch nur vorher geahnt, dann hätte sie sich ihre Frage nach Claras Gens verkniffen.


    Dann sagte sie mitfühlend und so leise, dass es nur Clara hören konnte:
    "Es tut mir sehr leid, dass du deinen Ehemann verloren hast."

    Sie sah Venusia schon von weitem kommen und empfing sie mit einem offenen Lächeln. Die junge Duccierin war ihr schon am ersten Abend sympathisch gewesen und darüber hinaus bewunderte sie die natürliche Würde und Eleganz mit der sich diese bewegte, und die man auch durch ein Übermaß an Schmuck und Kleidung nicht künstlich herstellen konnte. Serrana selbst fehlte dafür noch ein gehöriges Maß an Selbstsicherheit, aber immerhin trat sie mittlerweile schon ein wenig mutiger auf als noch vor einigen Wochen, und der Rest würde sich vielleicht mit der Zeit auch noch einstellen.


    "Salve, Venusia, schön, dass wir uns so bald schon wiedersehen. Mein Großvater hat mir immer von diesem Park vorgeschwärmt, und ich hab mir gedacht, er wäre ein guter Ausgangspunkt für unseren Erkundungsgang. Hier ist es nicht ganz so überlaufen und man kann sich auch in Ruhe unterhalten."
    Sie freute sich sehr über Venusias Lob, denn sie hatte sich einige Gedanken wegen des Treffpunktes gemacht und war erleichtert, dass er auch den Geschmack der Duccierin traf.


    "Hast du deine Kinder daheim gelassen?" fragte sie dann ein wenig neugierig.

    Dass man es einfach "übersehen" sollte, wenn ein Opfer schieflief, überraschte Serrana ein wenig, auch wenn dieses dann anschließend wiederholt wurde. Natürlich machte das Sinn, um niemanden unnötig zu beunruhigen, aber sie fragte sich unwillkürlich, ob ihr eine derartige Verstellung auch gelingen würde. Bislang hielten sich ihre schauspielerischen Talente leider noch ziemlich in Grenzen.


    Bei seiner Frage nach den drei Blitzen schüttelte sie den Kopf, denn davon hatte sie bislang noch nie gehört.


    "Nein, tut mir leid. Ich bin erst seit einigen Wochen in Rom und daheim in Nola hat mir niemand davon erzählt."

    Erfreulicherweise wirkte der Senator Sedulus nicht ganz so einschüchternd auf sie, wie das höhere Würdenträger für gewöhnlich taten und deshalb lächelte Serrana erleichtert und bedankte sich dann für die in Aussicht gestellte Gegeneinladung.


    "Vielen Dank, Senator Sedulus, das ist sehr nett von dir."


    Sie ließ ihren Blick über die Anwesenden schweifen und stellte zu ihrem großen Schrecken fest, dass sie bei ihren Begrüßungen tatsächlich versehentlich jemanden übergangen hatte, und zwar ausgerechnet den Helden des Tages.. Schnell ging sie zu Iulius Centho hinüber um ihr Versäumnis wieder gutzumachen.


    "Salve, Iulius Centho, und entschuldige bitte, dass ich dich erst jetzt begrüße. Das war wirklich sehr unachtsam von mir.... Ich hoffe, du hast dich gut von dem Kampf heute nachmittag erhollt."
    Sie hätte ihn gern gefragt, ob Calliphana auch noch zur Cena erscheinen würde, aber das wäre wohl ziemlich unpassend gewesen, da die beiden ja nicht verheiratet waren.


    Mit einem Ohr schnappte sie Priscas Frage nach dem letztendlichen Bezwinger des wilden Bären auf und wandte sich der Aurelia zu.


    "In dieser Frage kann ich dir weiterhelfen, Prisca, Iulius Centho hier hat den Bären getötet und uns alle vor Schlimmerem bewahrt."


    Dann musterte sie neugierig die hübsche Duccia, denn bei einer Cena vor einigen Tagen in der Casa Decima hatte sie bereits zwei Mitglieder dieser Gens kennengelernt.


    "Clara, darf ich dich fragen, ob du mit Duccia Venusia und Duccius Vala verwandt bist?"

    Serrana sah ihrer Freundin hinterher, bis diese zwischen den Bäumen verschwunden war. Sie war immer noch besorgt, Calvenas Geschichte war furchtbar, und würde auch sie noch eine ganze Weile beschäftigen. Aber jetzt waren sie immerhin schon zu zweit, und mit einer Verbündeten an der Seite auf die man sich jederzeit blind verlassen konnte, waren viele Dinge nur noch halb so bedrohlich oder beängstigend und konnten auch leichter bewältigt werden.
    Sie ließ noch einmal den Blick über den Park schweifen, genoss die friedliche Stimmung um sie herum und ging dann langsam zum Tempel zurück.

    "Das ist schön, ich danke dir" sagte Serrana und genoss Calvenas Umarmung. Was für ein Glück, dass Fortuna ihrer beider Wege vor einigen Wochen auf den Trajansmärkten hatte kreuzen lassen.


    Dann sah sie auf und bemerkte erstaunt, dass die Sonne mittlerweile schon ein ganz schönes Stück weitergewandert war.


    "Das ist kein Problem, ich muss auch los." sagte sie dann. "Ich muss mit Araros noch die Anschaffungen für die nächste Woche besprechen, und dann ist da auch noch einiges an Lernstoff, den ich für den morgigen Unterricht noch nacharbeiten muss. Und spätestens da sehen wir uns ja wieder." Sie sah ihre Freundin noch ein letztes mal prüfend an und drückte dann zum Abschied deren Hände.


    "Und du weißt ja, wenn du jemanden zum Reden brauchst, werde ich jederzeit da sein."

    Calvena sah immer noch ziemlich elend aus und so ganz nahm Serrana ihr ihren Satz nicht ab. Mit etwas umgehen zu können, bedeutete schließlich noch lange nicht, es auch wirklich verarbeitet zu haben. Aber das war bei einem derart schrecklichen Erlebnis, wie es Calvena geschildert hatte, wohl auch kaum in so kurzer Zeit möglich.
    Serrana nahm sich in jedem Fall fest vor, ihrer Freundin so gut wie möglich zur Seite zu stehen, ganz gleich was noch passieren würde.


    Bei Calvenas letzten Worten schüttelte sie automatisch den Kopf und lächelte dann.


    "Unsinn, du brauchst mir doch nicht dafür zu danken. Ich wünschte wirklich, ich könnte mehr für dich tun. Ich werde immer für dich da sein, wenn du Hilfe brauchst, das verspreche ich dir."


    Dass Calvena sie als wahre Freundin bezeichnete, machte Serrana sehr glücklich, denn bislang hatte es in ihrem isolierten Leben nicht allzu viele Freundschaften gegeben.

    Es war ausgesprochen nett von Venusia, ihr ein derartiges Angebot zu machen, doch dass ihre eigene Unwissenheit jetzt die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zog, war Serrana mehr als peinlich und sie war sich sicher, dass sie kurz davor stand rot anzulaufen.
    Warum konnte sie nicht ein bisschen mehr wie Narcissa sein, bei der schien immer jedes Wort und jeder Satz an der richtigen Stelle zu kommen...


    Serrana seufzte leise und antwortete dann mit einem dankbaren Blick zu Venusia:


    "Deine Tante hat mir freundlicherweise vorgeschlagen, ein wenig Wissen über die aktuelle Lage der römischen Politik zusammenzutragen, um mich von meiner peinlichen Unkenntnis zu befreien. Aber ich möchte wirklich nicht, dass ihr anderen euch zu irgendwelchen Gesprächsthemen verpflichtet fühlt, nur weil ich keine Ahnung habe..."
    Der Hitze ihrer Wangen nach zu urteilen war sie mittlerweile so rot wie der Wein auf dem Tisch vor ihr, daher senkte sie schnell wieder den Kopf Richtung Teller und stocherte verlegen in ihrem Broccoli herum.

    Serrana erwiderte Calvenas Umarmung und eine Weile blieben die beiden jungen Mädchen einfach engumschlungen sitzen.


    "Das hab ich doch gern getan" anwortete die junge Iunia dann. "Es muss schrecklich sein, so etwas immer mit sich herumzuschleppen und nicht darüber sprechen zu können".


    Calvenas Geschichte war wirklich furchtbar, und auch wenn sie unweigerlich neue Fragen aufwarf, hatte Serrana nicht Absicht, sie ausgerechnet jetzt zu stellen. Für heute hatte sie ihrer Freundin durch ihre Neugier genug zugemutet...


    Auch wenn sie es nicht sagte, so hatte sie doch große Zweifel daran, dass diese Sache für Calvena wirklich vorbei war. Die Schatten der Vergangenheit werden zwar mit der Zeit allmählich blasser und weniger bedrohlich, aber so ganz verschwinden sie im Grunde nie.

    Da sich der Pontifex jetzt mit Calvena unterhielt, konnte sich Serrana wieder ein bisschen entspannen und verfolgte interessiert die Unterhaltung der beiden. Als der Name ihres Lehrers fiel, musste sie unwillkürlich lächeln, denn auch wenn dieser wirklich nicht mehr der Schnellste war, so war er doch ein guter und geduldiger Lehrer, der ihnen mit Sicherheit noch viel beibringen würde.


    Erst als der Name Celerina fiel, sah Serrana wieder überrascht auf. Der Aurelia machte doch so einen netten und freundlichen Eindruck, kaum zu glauben,dass er mit der Frau verheiratet sein sollte, die in den Thermen wie von der Tarantel gestochen aus dem Becken gesprungen war, um ihren Anspruch auf den kretischen Stier zu verteidigen. Andererseits hatte sie selbst sich an jenem Tag auch nicht gerade mit Ehre bekleckert und ziemlich angetrunken und hundeelend im Caldarium gesessen. Und immerhin war es Celerina gewesen, die ihr dann ein Heilmittel empfohlen hatte, das sich im nachhinein als recht hilfreich herausgestellt hatte...
    Und so freute sich Serrana einfach, dass die Frage nicht ihr gegolten hatte und blickte stattdessen ihrem alten Lehrer hinterher, der aufgrund seines wirklich nicht sehr schnellen Tempos nach wie vor in Sichtweite war.

    Je weiter Calvena mit ihrer Geschichte fortfuhr, desto stärker schien das Entsetzen von Serrana Besitz zu ergreifen. Zum ersten Mal wurde ihr in diesem Moment bewusst, dass ihre Kindheit und Jugend in der Campania vielleicht unspektakulär und langweilig aber doch immerhin sehr behütet gewesen war, und dass ihre Großeltern sie stets erfolgreich von der Brutalität und Gewalt des täglichen Lebens ferngehalten hatten, auch wenn Laevina ihre Enkelin gern und häufig schikaniert hatte und ihr mehr als einmal die Hand ausgerutscht war.


    Aber das, was Calvena hier erzählte, war etwas ganz anderes. Serrana kannte gewaltsame Tode und die damit verbundenen Schrecken bislang nur vom Hörensagen und aus den Schriftrollen ihres Großvaters, der sich bei seinen plastischen Erzählungen eher auf die Heldentaten konzentriert und die unschönen Details beiseite gelassen hatte. Sie versuchte, sich die bewaffneten Männer vorzustellen, von denen Calvena gesprochen hatte und schaffte es kaum. Warum hatten sie denn nur so etwas getan? Das ergab doch überhaupt keinen Sinn... Bei der Vorstellung, als einzige ein derartiges Gemetzel zu überleben, wurde Serrana ganz schlecht und sie sah ihre Freundin voller Mitleid und auch reichlich hilflos an. Was konnte man auf so eine Geschichte überhaupt antworten? Da musste sich doch einfach alles hohl und lächerlich anhören... Erst nach einer ganzen Weile sagte sie dann leise:


    "Oh Calvena, das alles tut mir so furchtbar Leid."

    Du liebe Güte, Senator, Pontifex und auctor von was noch gleich...? Jeder einzelne dieser Titel allein hätte Serrana schon gebührend beeindruckt, aber von dieser Kombination war sie regelrecht eingeschüchtert. Sie hatte nach ihrem kurzen Zusammentreffen mit Durmius gerade Calvena erreicht und wollte diese freudestrahlend begrüßen, als sie beide überraschend vom Pontifex angesprochen wurden. Sie war ihrer Freundin mehr als dankbar, dass diese auch ihre Vorstellung mit übernahm und nickte dabei erleichtert lächelnd, denn die Aussicht, wieder einmal mit hochrotem Kopf verlegen nach Worten zu suchen, war Serrana alles andere als angenehm.


    Mit einer weiteren Frage hatte sie eigentlich gar nicht mehr gerechnet, aber den Göttern sei Dank ging es dabei um ein Thema, bei dem sie sich erstaunlicherweise immer sicher fühlte, so dass sie diesmal auch gern selbst antwortete. Sie räusperte sich leicht, um das letzte bisschen Verlegenheit abzuschütteln und sagte dann:


    "Ich möchte mein Leben gern in den Dienst der großen Göttin Minerva stellen und deshalb auch ihr das Opfer darbringen."

    Serrana hatte im Laufe der letzten Zeit so viele Opferungen wie möglich verfolgt, um sich mit möglichst vielen Details und Handgriffen rechtzeitig vertraut zu machen. Nicht zum ersten Mal machte sie jetzt der Gedanke an die erste blutige Opferung, die sie selbst würde vollziehen müssen nervös. Ob sie das überhaupt durchstehen würde? Bislang hatte sie noch nie mit eigenen Händen ein Tier getötet, und der Gedanke daran war ihr alles andere als angenehm. Aber andererseits war es der einzige mögliche Werk auf ihrem Weg, eine wirkliche Priesterin der Minerva zu werden, und deshalb würde sie sich auch dieser Aufgabe irgendwie stellen, wenn es mal soweit war.


    Da die Zeremonie nun definitiv zu Ende war, entschied sich Serrana, zu ihrer Freundin hinüberzugehen. Auf halbem Weg traf sie auf ihren alten Lehrer, Durmius Verus und grüßte ihn voller Zuneigung, denn er war ihr in der Zwischenzeit schon ziemlich ans Herz gewachsen.


    Aus den Augenwinkeln sah sie, dass der Pontifex auch noch stehen geblieben war und nachdenklich die Menge um sich herum betrachtete. Da er jedoch nicht nur einen sehr hohen Rang im Cultus Deorum einnahm sondern auch ganz offensichtlich auch ein Patrizier war, warf Serrana nur einen scheuen Blick zu ihm hinüber und beeilte sich dann, zu Calvena zu gelangen.

    Bei dem Wort "Prodigium" bekam Serrana immer ungewollt eine Gänsehaut, irgendwie machte sie diese Art der schlechten Vorzeichen nervös und sie beschäftigte sich nicht allzu gern mit diesem Thema.
    Als Calvena ihre Fragen stellte, beugte sie sich automatisch ein wenig vor, denn die Antworten darauf interessierten sie auch. Und dann war da noch etwas anderes...


    "Diese Prodigien....zum Beispiel die Krankheit, von der du gesprochen hast...würde die dann nur die Römer treffen, die sich nicht an die göttlichen Regeln halten, oder wären auch die gottgläubigen von ihr bedroht? Das wäre doch nicht richtig..."