Ein wenig nervös war Serrana schon, als sie vor der Tür der Casa Sergia stand. Ob sie sich tatsächlich heute zum ersten Mal in ihrem Leben auf ein Pferd setzen würde?
Auf jeden Fall freute sie sich nach wie vor sehr über Duccia Claras Einladung und auf das Wiedersehen mit ihr und Aurelia Prisca.
Mal sehen, was dieser Tag an neuen Dingen für sie bereithielt, Serrana räusperte sich noch einmal und klopfte dann an die Tür.
Beiträge von Iunia Serrana
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Wäre sie nicht ohnehin schon rot gewesen, wäre sie es wohl spätestens bei Sedulus' letzter Bemerkung geworden. Serrana quittierte seinen Scherz mit einem verlegenen Kichern, das sie jedoch schnell unterdrückte, als sie wieder bei ihren früheren Gesprächspartnern angekommen war.
Dankbar registrierte sie dort Priscas beschwichtigende Geste und erwiderte deren Händedruck. Jetzt galt es nur noch, die richtigen Worte zu finden, um ihr für Aussenstehende vermutlich ziemlich verwirrendes Verhältnis zu Laevina zu erklären.
"Ja, ich kenne sie gut." sagte sie dann etwas zögerlich und warf einen Blick auf die Tür, hinter der die alte Germanica mittlerweile verschwunden war. "Germanica Laevina ist meine Großmutter mütterlicherseits. Nach dem Tod meiner Mutter vor zehn Jahren haben mich meine Großeltern bei sich aufgenommen und für mich gesorgt, bis Großvater gestorben ist und ich nach Rom gekommen bin." Den genauen Grund für ihre überstürzte Abreise behielt sie dabei lieber für sich, zum einen würde er die Anwesenden kaum interessieren und zum anderen war es ihr viel zu peinlich darüber zu reden.
"Als Laevina meinen Großvater geheiratet hat, war sie bereits Witwe. Ihr erster Mann war ein Cousin des Senators Avarus, und der hat sie vor kurzem freundlicherweise in sein Haus aufgenommen." ergänzte sie dann noch schnell, um zu erklären, warum sich ihre Großmutter derartig selbstverständlich in der Casa Germanica bewegte, als hätte sie niemals irgendwo anders gelebt.
Mattiacus' Bemerkung, er habe sich aus Langeweile und Zufall der Medizin zugewandt, überraschte sie dann doch sehr.
"Dann kann meine Großmutter ja wirklich froh sein, dass du dich damals nicht für Geschichte oder Poesie entschieden hast." sagte sie lächelnd und konnte sich Priscas Lob für seine Fähigkeiten nur anschließen.
Auf Livianus' Bemerkung hin, sein Bruder sei streng, musste Serrana schmunzeln, irgendwie sah der junge Decimer gar nicht danach aus. Unauffällig musterte sie die beiden Männer, wirklich ähnlich sahen sie sich ja eigentlich nicht. Viel zu bedeuten hatte das allerdings nicht, vielleicht schlugen die beiden Brüder ja nach dem jeweils anderen Elternteil. -
Mittlerweile war sie doch sehr froh, dass die Cena in der Casa Iunia stattfand. Wie schön es doch war, das Haus einmal voller fröhlicher Menschen zu sehen, die miteinander sprachen und lachten. So dankbar Serrana auch dafür war, hier wohnen zu dürfen, fühlte sie sich doch an manchen Tagen ziemlich einsam und war froh, einen Großteil des Tages im Tempel verbringen zu können. Ihre Gesprächsgruppe war noch ein Stückchen größer geworden, und sie hoffte von Herzen keinen ihrer Gäste zu übersehen.
Zu allererst war es ihr wichtig, Priscas Zweifel zu zerstören. "Oh, mach dir bitte keine Gedanken, du bist überhaupt nicht indiskret gewesen, die Geschichte ist nur ein bisschen kompliziert." antwortete sie der jungen Aurelia mit einem verlegenen Lächeln. Dass Prisca ebenfalls sehr lange keinen Kontakt zu ihrer Familie gehabt hatte, überraschte sie schon sehr, aber es schien ihr doch ein wenig zu unpassend in einer derart großen Runde nachzuhaken. Vielleicht ergab sich ja bei dem gemeinsamen Ausflug die Gelegenheit in Ruhe miteinander zu reden, dann könnte auch sie ein wenig offener über die Probleme sprechen, welche die überstürzte Hochzeit ihrer Eltern seinerzeit ausgelöst hatte.
Dann erkundigte sich Clara nach einem neuen Mitglied der iunischen Familie. Serrana runzelte die Stirn und dachte angestrengt nach. Da war doch irgendetwas in Germanien gewesen, Narcissa hatte ihr davon erzählt, als sie diese in der Casa Decima besucht hatte. Irgendetwas war doch besonders an dem Namen gewesen....
Plötzlich fiel es ihr wieder ein und sie lächelte Clara an: " Oja, ich erinnere mich. Ich glaube, mein Verwandter Silanus hat jemanden in die Gens aufgenommen, der sich jetzt Iunius Brutus nennt. Aber mehr kann ich dir darüber leider nicht erzählen, ich habe beide bislang noch nicht persönlich kennengelernt." Für einen kleinen Moment erschrak sie, als Clara davon sprach, eine von ihnen könne eventuell vom Pferd fallen, aber da die junge Duccierin dabei lachte, entspannte sie sich gleich wieder. Wenn andere Frauen reiten konnten, dann musste es doch auch bei ihr möglich sein.Als Septima Narcissa als ihre Schwester bezeichnete, schüttelte Serrana automatisch den Kopf. Sie hätte wahrlich nichts dagegen, wenn es so wäre, aber leider war ihre Verwandtschaft nicht ansatzweise so eng.
"Narcissa und ich sind Cousinen, keine Schwestern." erklärte sie bereitwillig und sah sich dann auch suchend nach dieser um. Narcissa war schon seit geraumer Zeit mehr als still gewesen, und irgendwann in den letzten Minuten war sie ganz verschwunden. Was war denn nur mit ihr los? Hoffentlich war alles in Ordnung...
Serrana wäre gern losgelaufen, um Narcissa zu suchen, aber sie konnte unmöglich weggehen und ihre Gäste ganz allein zurücklassen. Überhaupt wurde ihr jetzt erst bewusst, wie lange sie alle bereits herumstanden, mittlerweile hatten sicher alle furchtbaren Hunger und waren nur zu höflich etwas dazu zu sagen. Serrana hielt einen der vorbeieilenden Sklaven auf und wies ihn leise an, nach Narcissa zu suchen und ihr dann sofort Bescheid zu geben.Als ihr klar wurde, dass ihr jetzt nichts anderes übrig bleiben würde, als vor allen Anwesenden das Wort zu ergreifen, wurde ihr ziemlich flau im Magen, aber der gute Ruf der Familie ging schließlich vor.
Die junge Iunia räusperte sich noch einnmal, straffte sich dann und sagte lächelnd an alle Anwesenden gewandt:"Meine lieben Gäste, ich würde mich sehr freuen, wenn wir jetzt alle gemeinsam ins Triclinium hinübergehen könnten. Ich bin sicher, ihr seid nach dem langen Tag alle hungrig und Narcissa und ich würden euch sehr gern nun zur Cena bitten. Es wäre uns eine besondere Freude, wenn Senator Sedulus und Claudia Romana als Dienerin der Vesta die Ehrenplätze einnehmen würden, alle anderen können sehr gern Platz nehmen, wie immer sie möchten." Den Platz des Hausherren würde sie ihrer Cousine Narcissa überlassen, der stand dieser nach all der Arbeit, die sie sich im Vorfeld der Cena gemacht hatte, in jedem Fall zu. Sie selbst würde einfach abwarten, wo noch ein Platz übrig bleiben würde und diesen dann einnehmen.
Mit einer einladenden Geste stellte sie sich in den Eingang zum Triclinium und hoffte, dass sie sich nicht allzu dämlich bei dieser Überleitung angestellt hatte. -
Oje, hatten sie etwa einen Fehler gemacht oder irgendetwas falsch verstanden?
Serrana ließ die Möglichkeit einer natürlichen Ursache für die missgebildeten Kinder jetzt ausser acht und überlegt stattdessen, welche Ursachen noch möglich sein konnten."Nun, der Mann ist ja schon sehr alt, und vielleicht hat er in seinem Leben etwas getan, was die Götter so verärgert hat, dass sie ihm keine Nachkommen zugestehen wollen. Und da er es trotzdem auch weiterhin noch versucht, strafen sie ihn mit missgebildeten Kindern.
Eine andere Möglichkeit wäre vielleicht, dass die Götter aus irgend einem Grund nicht mit dieser Ehe einverstanden sind, und auf diese Weise ihren Ärger darüber zeigen wollen." Serrana warf einen Blick zu Calvena hinüber. Vielleicht hatte ihre Freundin ja noch eine gute Idee. -
Wurde sie jetzt etwa schon wieder rot? Serrana fand ihr eigenes Leben und ihre Vorgeschichte derartig langweilig und belanglos, dass sie kaum glauben konnte, dass sich jemand wirklich dafür interessierte. Dennoch freute sie die Aussicht auf ein weiteres Gespräch mit Sedulus sehr, auch wenn ihr im Moment nicht wirklich klar war warum.
"Von Großmutters Sturz einmal abgesehen, ist dieses Fest viel zu schön um früh nach Hause zu gehen, ich werde sicher noch eine Weile hierbleiben." Um die Wahrheit zu sagen, hatte der Abend durch den Abgang ihrer ewig lauernden Großmutter sogar noch einiges an Reiz gewonnen, aber diese Bemerkung verkniff sich Serrana lieber, immerhin war Laevina ja auch mit den Germanicern verwandt.
"Dann werde ich dich jetzt auch nicht länger aufhalten, schließlich möchte ich nicht der Grund dafür sein, dass du vielleicht krank wirst." sagte sie aufrichtig besorgt, lächelte Sedulus noch einmal an und ging dann zu Prisca und den beiden Decimern zurück.
"Entschuldigt bitte, dass ich einfach fortgerannt bin, ich hab mich nur so furchtbar erschreckt" sagte sie entschuldigend in die Runde, um dann ganz leicht Priscas Hand zu berühren.
"Ich fürchte, ich hab dich mitten im Satz einfach stehen lassen, ich hoffe, du nimmst mir das nicht übel."
Eine Sache interessierte sie jetzt allerdings sehr.
"Wie bist du denn auf die Idee gekommen, Medicus zu werden?" fragte sie neugierig an Mattiacus gewandt.
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Allmählich ließ Serranas Verlegenheit wieder etwas nach, was vermutlich auch damit zusammenhing, dass Sedulus ihre kindische Reaktion entweder nicht bemerkt hatte oder sich nicht daran störte. Dankbar registrierte sie, dass er einfach ganz normal mit ihr weitersprach, ohne dabei in irgendeiner Weise gönnerhaft zu wirken und begann, sich in seiner Gegenwart zunehmend wohl zu fühlen.
Als er den Namen seiner Tochter erwähnte, den sie aus diversen Unterhaltungen mit Calvena kannte, schaute sie sich automatisch nach der Kleinen um, konnte diese aber nirgendwo entdecken. Vermutlich war sie, wie bereits viele andere Anwesende, zum Essen ins Triclinium hinübergegangen. Serrana war mehr als beeindruckt davon, mit welchem Selbstbewusstsein und Unbekümmertheit sich Sabina schon den ganzen Abend über zwischen den Erwachsenen bewegt hatte. Sie selbst hätte sich vermutlich in diesem Alter mit ihrer Puppe unter irgendeinem Tisch versteckt, bis alle Fremden wieder gegangen waren.
Der Scherz über Laevina brachte sie unwillkürlich zum Kichern, aber dann schien es ihr für einen Augenblick lang, als würde Sedulus frösteln. Ein Wunder wäre das ja nicht, schließlich stand er jetzt schon seit etlichen Minuten in nasser Kleidung herum und unterhielt sich mit ihr.
Serrana räusperte sich und sagte dann ein wenig verlegen, da männliche Bekleidung nun auch nicht gerade zu den Themen gehörte, in denen sie sich besonders routiniert fühlte:
"Ist dir nicht kalt in deiner nassen Toga? Vielleicht solltest du dir lieber etwas trockenes anziehen, damit du dich nicht erkältest."
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Der Hitze ihrer Wangen nach zu urteilen, war ihr Gesicht nach wie vor puterrot, aber da Serrana kaum den ganzen Abend den Boden betrachten konnte, hob sie den Kopf und warf Sedulus einen schnellen und scheuen Blick zu, während dieser über Laevina sprach. Seine Augen waren blau, komischerweise war ihr das bislang noch gar nicht aufgefallen.
Seinem Tonfall und Gesichtsausdruck konnte sie deutlich entnehmen, wie ernst es ihm mit dem war, was er sagte und beneidete ihn einen Augenblick lang um seine offensichtliche Selbstsicherheit. Dann schüttelte sie noch einmal den Kopf, wobei sich allmählich wieder ein zögerliches Lächeln auf ihre Lippen stahl.
"Oh, das wird sie sicher nicht riskieren. Ganz offensichtlich fühlt sie sich sehr wohl hier." Die Vorstellung von ihrer Großmutter, die mit Sack und Pack zurück in die Campania reiste, war ausgesprochen verlockend, aber jetzt, wo Laevina in Rom Blut geleckt hatte, würde sie niemals freiwillig wieder das Feld räumen...
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Serrana schmunzelte, als sich bestätigte, dass Laevina es tatsächlich nicht für notwendig gehalten hatte, sie bei ihrer neuen bzw alten Familie zu erwähnen.
Sedulus' nächste Worte brachten sie dann allerdings komplett aus dem Konzept und sie lief sofort und übergangslos dunkelrot an. Hübsch und zart,.... sie...? Ob er das wohl wirklich ernst meinte? Oder wollte er vielleicht nur höflich sein? Über sie lustig machte er sich doch hoffentlich nicht, dafür war er eigentlich viel zu nett.Die mit einem nicht gerade riesengroßen Selbstbewusstsein ausgestattete Iunia traute sich nun nicht mehr, Sedulus anzusehen und starrte stattdessen angestrengt auf ihre Füße. Als er jedoch ankündigte, Laevina zur Rede zu stellen, schüttelte sie automatisch den Kopf.
"Das solltest du vielleicht lieber nicht tun. Meine Großmutter mag es nicht besonders, wenn man anderer Meinung ist als sie selbst."
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Jetzt sah Sedulus derartig verwirrt aus, dass Serrana automatisch lächeln musste. Aber wer konnte es ihm auch verdenken, ihre Familienbeziehungen waren ja in der Tat ein wenig kompliziert.
"Das konntest du vermutlich auch nicht wissen, meine Großmutter hat sich im Grunde von mir losgesagt und legt wohl keinen Wert mehr auf meine Verwandtschaft."
Serrana schaute Laevina kurz an und seufzte, als diese konsequent durch sie hindurchschaute. Im Grunde konnte ihr diese Nichtbeachtung allemal lieber sein, als die sonstigen "Aufmerksamkeiten", die ihr ihre Großmutter in den letzten Jahren hatte zukommen lassen. Und Sedulus hatte Recht, Laevina machte tatsächlich schon wieder einen ziemlich lebendigen Eindruck.
Serrana atmete spürbar auf und nahm dankbar das Glass mit Wasser an, das Sedulus ihr gab. Wie nett von ihm, dass er sich so um sie kümmerte, dabei war ihr selbst doch gar nichts passiert.
"Mir geht es wirklich gut, vielen Dank". sagte sie schnell, damit er sich keine weiteren Umstände machte und lächelte verlegen.
Sedulus' Dank an Mattiacus konnte sie sich nur aus vollem Herzen anschließen.
"Ja, vielen Dank, dass du sofort zur Stelle warst und meiner Großmutter geholfen hast, wer weiß, wie die Sache ohne dich ausgegangen wäre."
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Der junge Mann war zwischen ihr und den Männern vor der Treppe stehengeblieben und schien ebenso wie sie selbst abzuwarten, wie sich die Situation weiter entwickeln würde.
Als die ersten Bandenmitglieder begannen, sich langsam vom Schauplatz des Geschehens zu entfernen, atmete Serrana erleichtert auf. Ihre Erleichterung währte allerdings nur kurz, denn Bularchus selbst machte keinerlei Anstalten sich zu entfernen und ging stattdessen plötzlich auf den Prätor zu, der sich nach wie vor nicht bewegte. Hatte Livianus denn nicht gesehen, dass dieser Gauner ein Messer hatte und er selbst in Gefahr war?
Den Liktoren hinter ihr schien etwas ähnliches durch den Kopf zu gehen, denn jetzt kamen auch sie die Treppe herunter, wobei es der verängstigten Iunia so erschien, als würden sie sich im Vergleich zu Bularchus viel zu langsam bewegen.
Erschreckt schlug sie die Hand vor den Mund und ging automatisch selbst die Treppe wieder ein paar Stufen hinunter.
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Je näher sie dem Circus kamen, desto aufgeregter wurde die junge Iunia und drückte schließlich die Hand ihrer Freundin. Noch vor nicht allzu langer Zeit war Serrana viel zurückhaltender gewesen, und hätte sich nie getraut, einem anderen Menschen so offen ihre Zuneigung zu zeigen. In Calvenas Fall war das erstaunlicherweise nie ein Problem gewesen, und Serrana war nach wie vor dankbar für die schicksalhafte Fügung, die die beiden Mädchen auf dem Marktplatz zusammengefügt hatte.
Die Entscheidung, Nola gegen den Willen ihrer unerbittlichen Großmutter zu verlassen, war der schüchternen und bis dahin ausgesprochen nachgiebigen Serrana seinerzeit mehr als schwer gefallen, aber im Nachhinein war sie doch sehr froh darüber. In Gedanken rechnete sie die Wochen zurück, die sie bereits in Rom verbracht hatte und kam zu der erschreckenden Erkenntnis, dass sie jetzt bereits seit acht Wochen verheiratet wäre, wenn sie sich Laevinas Willen gefügt und den wohlhabenden Nachbarn ihrer Großeltern geheiratet hätte. Dann würde sie jetzt auf dessen Landgut sitzen und auf die Rückkehr ihres abstoßenden Ehemanns warten, ohne Aussicht aus dieser grausigen Lage jemals wieder entkommen zu können.
Serrana schauderte und konzentrierte sich lieber wieder auf die wundervolle Prozession. Wenn die Götter ihr weiterhin gewogen blieben, würde sie bald eine wirkliche Priesterin sein, und allein dafür hatte es sich schon gelohnt, einmal im Leben ein wenig mutig zu sein... -
Während sie Sedulus zuhörte und seinen Blick erwiderte, spürte Serrana, wie sie allmählich etwas ruhiger wurde und nickte ihm dann dankbar zu.
Dann hörte sie zu ihrer Überraschung die Stimme des jungen Decimers, der herbeieilte und sich direkt um die nach wie vor bewusstlose Laevina kümmerte. Sie hatte gar nicht gewusst, dass er Arzt war, allerdings war ihr vorausgegangenes Gespräch mit ihm auch nur sehr kurz gewesen.
Jetzt wurde sie von Sedulus vorsichtig hochgezogen und rückte schnell ein paar Schritte zur Seite, um Mattiacus bei seiner Arbeit nicht im Weg zu stehen.
"Ja, du hast Recht. Sie ist bei ihm sicher in guten Händen." Sie sah Sedulus an und wunderte sich einen Moment lang über dessen leicht verwirrten Gesichtsausdruck. Dann wurde ihr plötzlich klar, dass er vermutlich gar nichts über ihre Verwandtschaft mit Laevina wusste. Der war durchaus zuzutrauen, dass sie den Namen ihrer Enkelin aus Wut über deren angeblichen "Verrat" noch kein einziges Mal in diesem Haus erwähnt hatte...
"Laevina ist meine Großmutter." erklärte sie dann leise und in leicht entschuldigendem Tonfall. Auch wenn sie sich in diesem Moment große Sorgen um ihre Großmutter machte, war diese doch nun wahrlich kein Mensch, mit dessen Verwandtschaft man sich brüsten konnte.
Inzwischen hatte der junge Decimer einige Wiederbelebungsmaßnahmen eingeleitet, die offenbar nach und nach ihre Wirkung zeigten. Laevina stieß erst einige Röchler und Huster aus und kam dann schließlich zu Serranas großer Freude und Erleichterung wieder zu sich. Der jungen Iunia fiel ein Stein vom Herzen, offenbar würde der Abend doch nicht so furchtbar enden, wie sie es noch vor ein paar Minuten befürchtet hatte...
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Dankbar beobachtete sie, wie Calvenas Onkel Sedulus sofort ins Becken sprang und Laevina hinauszog. Sie lief auf die beiden zu, aber ihre Erleichterung verschwand sofort wieder, als sie sah, dass ihre Großmutter sich nach wie vor nicht rührte und nicht einmal auf die Ohrfeigen irgendeine Reaktion zeigte. Zunehmend besorgt hockte Serrana sich neben Laevina auf den Boden, versuchte irgendein Lebenszeichen an ihr zu erkennen und sagte dann verzweifelt an Sedulus gewandt:
"Was ist denn nur mit ihr? Ich glaube, sie atmet kaum noch...."
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Serrana wollte sich gerade für Mattiacus' nettes Kompliment an Prisca und sie revanchieren, als ein plötzlicher Tumult in der Mitte des Atriums ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Sie sah hinüber und bekam gerade noch mit, wie Laevina rückwärts und ungebremst ins Atriumbecken stürzte und mit einem dumpfen Knall auf dem Boden aufschlug und liegen blieb.
Entsetzt rief sie "Oh nein,....Großmutter......!"stellte ihren Weinbecher so hastig ab, dass er auf dem Tablett umfiel und rannte dann zum Becken hinüber. Laevina war zweifellos ein alter Drachen, und an den meisten Tagen sah Serrana sie wenn überhaupt lieber von hinten als von vorn, aber sie war immerhin auch ihre letzte enge noch lebende Blutsverwandte, und die ungewohnte Reglosigkeit ihrer sonst so überaus aktiven Großmutter machte ihr große Angst.
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Je mehr Venusia erzählte, desto weniger nahm Serrana von den Schönheiten des Parks mit, die sich rechts und links des Weges präsentierten. Aufmerksam lief sie neben ihrer Begleiterin her und versuchte, sich nichts von dem, was Venusia ihr erzählte, entgehen zu lassen.
"Aus welchem Teil Germaniens stammst du denn genau?" fragte sie dann interessiert. Natürlich waren ihr die Namen einiger Städte und Festungen ein Begriff, aber im großen und ganzen hatte sie von Germanien überhaupt keine Vorstellung. Und viele Dinge, die sie vom Hörensagen zu kennen glaubte, beruhten vielleicht auch nur auf gängigen Vorurteilen und Klischees, daher war es schon ein Glücksfall, jemanden kennengelernt zu haben, der wirklich dort aufgewachsen und heimisch gewesen war.
Bei Venusias Worten über Messalina nickte Serrana nachdenklich. Bei den Details über die Verfehlungen der unglückseligen Kaiserin hatte sich ihre Großmutter immer deutlich bedeckter gehalten, als bei der Schilderung ihrer Hinrichtung, aber inzwischen hatte sich die junge Iunia durch die Lektüre diverser historischer Werke auch ein eigenes Bild machen können und das eine oder andere Mal beim Lesen rote Ohren bekommen.
Der berufliche Werdegang der jungen Duccierin war da schon deutlich weniger verfänglich und Serrana hörte mit wachsendem Staunen zu, welche Vielfalt an Tätigkeiten Venusia in ihrem jungen Leben bereits ausgeübt hatte. Bald schwirrte ihr der Kopf von all den Namen und Bezeichnungen, und sie konnte sich kaum entscheiden, wonach sie als nächstes fragen sollte. Sehr gern hätte sie ja auch nachgehakt, wie Venusia ihren Mann kennengelernt hatte, aber die Frage schien ihr dann doch ein bisschen zu gewagt, schließlich kannten sich die beiden Frauen ja noch nicht allzu gut.
"Das klingt alles furchtbar aufregend für mich." sagte sie dann aufrichtig. "Fehlt dir denn jetzt nicht etwas, wenn du jahrelang so wichtige Aufgaben erledigt hast?"
Sie selbst hatte ja bislang weder Mann noch Kinder und konnte daher nicht beurteilen, wie einschneidend sich Ehe und Mutterschaft im Leben einer Frau auswirken konnten.
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Original von Faustus Octavius Macer: Salve Serrana. Hab dich heute ja noch gar nicht gesehen. Wie geht es dir?
Bei Macers Worten sah Serrana ihn überrascht an und unterdrückte dann mit Mühe ein Kichern. Bei dem armen Kerl schien tatsächlich ein tiberischer Blitz eingeschlagen zu haben, wenn er sich noch nicht einmal daran erinnerte, dass sie sich am heutigen Tage überhaupt erst kennengelernt hatten.
"Mir geht es sehr gut, Octavius Macer, vielen Dank" antwortete sie dann freundlich und ein bisschen mitfühlend. "Ich hoffe, es gefällt dir hier bei uns."
Claras Worte machten sie noch neugieriger auf deren Pferde, und sie freute sich schon sehr auf das baldige Abenteuer. Sie war der Duccierin dankbar, dass diese sie so sehr ermutigte und nickte zustimmend. Es kostete Serrana immer etwas Mühe, ihre übliche Unsicherheit und Ängstlichkeit zu überwinden, aber bislang hatte sich das auch immer gelohnt.
"Wenn du das sagst, wird es sicher auch so sein." lächelte sie Clara an. Und ich würde mich freuen, wenn wir heute abend noch einen Termin ausmachen würden." Bei den letzten Worten wandte sie sich auch Prisca zu.
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Mittlerweile schwirrte es im Atrium wie in einem Bienenkorb. Immer noch kamen neue bekannte wie unbekannte Gesichter hinzu und Serrana begrüßte aus der Ferne erfreut Claudia Romana, deren weibliche Begleiterin sie nicht kannte und Tiberia Arvinia, die bei ihrem Gespräch mit dem Pontifex Durus so nett zu ihr und Calvena gewesen war. Aus den Augenwinkeln nahm sie wahr, dass auch ihre Großmutter wieder ins Atrium zurückgekommen war und sich in einiger Entfernung auf einem Sessel niedergelassen hatte. Schnell wandte sie den Blick wieder von ihr ab und konzentrierte sich lieber auf die deutlich angenehmeren Gesichter in ihrer Runde.
"Ja, ich bin auch allein hier." antwortete sie Priscas Frage. "Ich bin schon ein bisschen früher hergekommen, um mich mit Calvena zusammen vorzubereiten." Dass sie bei dieser Gelegenheit auch ihr geliehenes Kleid und den dazu gehörigen Schmuck in Empfang genommen hatte, ließ sie lieber unter den Tisch fallen, es musste ja nicht jeder wissen, dass sie von ein paar Ersparnissen und ihrem kargen Gehalt leben musste, während ihre nachtragende Großmutter hier in der luxuriösen Casa Germanica hauste wie die Made im Speck.
Auf Mattiacus' Trinkspruch hin hob auch Serrana ihren Becher und lächelte die anderen in der Runde an.
"Auf die Fontanalia" fügte sie hinzu und trank einen Schluck, bevor sie die Frage des jüngeren Decimers beantwortete."Calvena war einer der ersten Menschen, die ich in Rom kennengelernt habe, wir sind uns zufällig auf den Trajansmärkten über den Weg gelaufen." erzählte sie und lächelte bei der Erinnerung. "Wir haben uns sofort angefreundet und sind auch am selben Tag dem Cultus Deorum beigetreten. Ich mag sie wirklich sehr gern." Einen winzigen Moment lang kam Serrana der Gedanke, dass der letzte Satz für eine gesellschaftliche Unterhaltung vermutlich unpassend und zu distanzlos gewesen war, aber das war ihr egal. Sie war stolz auf die Freundschaft, die Calvena und sie verband, also konnte sie das auch offen zugeben.
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Auf Claras Vorschlag hin nickte Serrana eifrig und strahlte sie und Prisca voller Vorfreude an.
"Oh, das klingt so aufregend, ich würde sehr gern vorbeikommen und deine Pferde sehen." Ob sie sich wohl wirklich trauen würde, auf eins dieser großen Tiere zu steigen? Immerhin hatte sie in den letzten Wochen einige Dinge getan, vor denen sie früher immer eine Heidenangst gehabt hatte, da konnte sie es ruhig auch mal mit dem Reiten probieren.
In diesem Augenblick stieß Septima in Begleitung von Calvena und Macer zu Serranas Gruppe dazu, und sie rückte bereitwillig ein Stück zur Seite um der jungen Tiberia und den anderen beiden Platz zu machen.
"Septima, ich hoffe, du fühlst dich wohl in diesem Haus, hast du noch genug zu trinken?" fragte sie fürsorglich. Bislang hatte sie noch keine Gelegenheit gehabt, über die reine Begrüssung hinaus mit Septima zu sprechen, aber vielleicht klappte es ja jetzt. Calvena wirkte ausgesprochen gut gelaunt, nur Macer sah aus, als wäre er mit seinen Gedanken ganz woanders. Serrana hatte einen Verdacht, woran das liegen mochte und schmunzelte. Dann warf sie einen Blick zu Narcissa hinüber, die ebenfalls seit geraumer Zeit nichts mehr gesagt hatte. Ob ihre Cousine in Gedanken bei der Planung des weiteren Abends war? Serrana hätte ihr gern etwas Arbeit abgenommen, aber sie war sich nicht sicher, wie der genaue weitere Ablauf geplant war und wollte ihrer Cousine auch nicht einfach vorgreifen.
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"Wenn wir diesen Weg ein Stückchen weitergehen, laufen wir automatisch auf den Tempel zu." erklärte Serrana und wies mit dem Finger in die entsprechende Richtung.
Als Venusia ihr Alter nannte, war die junge Iunia wirklich überrascht, sie hatte die Duccierin mindestens drei oder vier Jahre jünger eingeschätzt."Im nächsten Frühjahr werde ich sechzehn." antwortete sie dann auf die Gegenfrage ihrer Begleiterin, denn noch war sie in einem Alter in dem man sich gern am nächsten Lebensjahr orientiert, um sich ein bisschen älter und erfahrener zu fühlen. Auf jeden Fall freute sie sich sehr, dass jemand wie Venusia, die einen Mann und Kinder hatte und ganz offensichtlich mit beiden Beinen im Leben stand, sich mit jemandem wie ihr selbst abgab.
Serrana ließ den Blick über die wunderschönen Anlagen schweifen und genoss die stille und friedliche Atmosphäre. Kaum zu glauben, dass dieser Ort auch schon Schauplatz grausamer Dinge gewesen war.
"Weißt du eigentlich, dass Kaiserin Messalina vor fast 60 Jahren in diesen Gärten gestorben ist?" fragte sie dann. "Sie ist hier auf Befehl ihres Mannes Claudius von den Prätorianern hingerichtet worden, weil sie heimlich einen anderen Mann geheiratet und sich angeblich gegen den Kaiser verschworen hat." Wie immer, wenn Serrana an diese Geschichte dachte, schauderte sie automatisch. Ihre Großmutter dagegen liebte diese Episode, denn sie war in ihren Augen das perfekte Beispiel, wohin sittenloses Verhalten junger Frauen führen konnte.
"Wie hat deine Arbeit in Germanien denn genau ausgesehen?" erkundigte sie sich dann neugierig. Arbeitende Frauen waren in Rom eher ungewöhnlich, vor allem wenn sie Mitglieder der besseren Gesellschaft waren.
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Sie stand immer noch wie angewurzelt auf ihrer Treppenstufe und starrte gebannt auf das Messer in der Hand des Angreifers, als sie plötzlich eine Stimme hörte, die sie aus ihrer Erstarrung riss. Im ersten Moment befürchtete sie, einem weiteren Mitglied der beiden streitenden Gruppen begegnet zu sein, aber ein Blick auf den hochgewachsenen jungen Mann genügte Serrana um sicher zu sein, dass er ganz offensichtlich nichts mit den lärmenden Rüpeln zu tun hatte.
Auf seine Warnung hin nickte sie ihm dankbar zu und stieg dann in Ermangelung anderer Möglichkeiten rückwärts einige Treppenstufen in Richtung Tempel hinauf. Die Streiterei direkt vor der untersten Stufe nahm mittlerweile fast den gesamten Raum vor der Treppe ein und sie hatte keinerlei Verlangen, sich allzu nah an dem bedrohlichen Getümmel vorbei zu bewegen.
Von ihrem neuen leicht erhöhten Platz aus sah Serrana besorgt, dass der junge Mann an Ort und Stelle stehen geblieben war. Er würde sich doch wohl nicht allein dieser Gefahr aussetzen? Gegen all diese wilden Gesellen hatte er mit Sicherheit nicht den Hauch einer Chance...Es waren nur wenige Augenblicke vergangen, als sie zum zweiten Mal der Klang einer männlichen Stimme zusammenfahren ließ, diesmal allerdings in ihrem Rücken. Serrana fuhr erschrocken zusammen, wandte sich um und sah zuerst die Liktoren, die vor dem Eingang zum Tempel in Position gegangen waren und dann den Praetor Livianus, der allein und mit festem Schritt die Treppe hinunter- und auf die Streithähne zuging. Da er den Zahnlosen beim Namen nannte, kannte er ihn ganz offensichtlich, wobei sich die junge Iunia unwillkürlich fragte, was ein römischer Senator mit einem derartig unangenehmen Menschen zu tun haben könnte. Bei den Worten "Banden" und "Schlachten" musste sie automatisch an die legendären Bandenkriege denken, die sich vor vielen, vielen Jahren die verfeindeten Gruppen um Annius Milo und Clodius Pulcher in den Straßen Roms geliefert hatten, wobei der Milo ihrer Phantasie deutlich mehr Zähne besessen hatte und auch ansonsten um einiges ansehnlicher gewesen war.
Kaum zu glauben, dass sie hier noch vor wenigen Minuten allein und friedlich lesend in der Sonne gesessen hatte, denn die Situation war nach wie vor ausgesprochen bedrohlich, auch wenn Serrana für die Anwesenheit der Liktoren in ihrem Rücken ausgesprochen dankbar war. Gebannt und nach wie vor sehr verängstigt beobachtete sie, wie sich die Situation am Fuße der Treppe weiterentwickeln würde.