Beiträge von Iunia Serrana

    "Warte nur ab, wir werden bestimmt eine Menge Spaß bei den Vorbereitungen haben" sagte Serrana eifrig. "Es ist sicher viel Arbeit, aber dafür kannst du schon mal üben, wie es demnächst als Hausherrin für dich sein wird." fügte sie mit einem Augenzwinkern hinzu.


    "Und falls sich Großmutter Laevina wirklich von halbnackten Tänzern ablenken lässt, dann sollten wir ihr vorsorglich eine komplette Tanzgruppe aufs Zimmer schicken, vielleicht lässt sie uns dann für eine Weile in Ruhe."


    Als Calvena die schlechte Laune ihres Onkels erwähnte, wurde Serrana nachdenklich.


    "Nun, ich glaube, dein Onkel Avarus meint es nur gut mit dir. Und natürlich hat er als Oberhaupt einer so wichtigen Gens auch Interesse daran, durch Heirat Verbindung zu anderen Familien zu knüpfen. Und du bist nun mal weit und breit die einzige heiratsfähige Frau in eurer Familie. Aber du wirst schon sehen," bei diesen Worten knuffte sie ihre Freundin liebevoll in die Seite, "er wird sicher bald merken, dass er dich nur unglücklich machen wird, wenn er die die Ehe mit Valerian verbietet, und eine unglückliche Nichte lässt sich viel schlechter verkuppeln..."

    "Oh, natürlich komme ich gern früher und helfe dir so gut ich kann." sagte Serrana eifrig und drückte Calvenas Hand.


    "Mach dir mal keine Gedanken, dieses Fest wird sicher ganz wundervoll werden und keiner deiner Gäste wird nach Hause gehen wollen. Es wird sicher nichts schiefgehen. Und was das Wichtigste ist: du hast eine ganze Familie die hinter dir stehen und dich unterstützen wird, das ist sehr viel wert. Selbst Großmutter Laevina wird sich anstrengen, dass alles perfekt abläuft, denn es gibt wirklich nichts, was ihr über das Wohl und Gedeihen ihrer Gens geht. " Sie selbst hätte sich auch eine große Familie gewünscht, anstatt nur von den Schatten ihrer toten Angehörigen umgeben zu sein, aber vielleicht würde sie ja irgendwann mal eine haben.


    "Und wovon hängt denn eure offizielle Verlobung ab?" fragte sie dann neugierig.

    Wie gut es doch tat, eine Freundin zu haben, der man auch seine Schwächen anvertrauen konnte, ohne dass sie einen auslachte.
    Serrana hatte noch nie eine besonders hohe Meinung von sich selbst gehabt, aber Calvenas Zuspruch gab ihr doch ein wenig mehr Zuversicht, auch wenn sie in keinster Weise an deren rosige Zukunftsbeschreibungen glaubte.


    "Ich werde auf diesem Fest auf jeden Fall mein Bestes geben" sagte sie dann entschlossen. Schließlich war Calvena ja die Gastgeberin, und Serrana war immer schon besser darin gewesen für andere zu kämpfen als für sich selbst.


    "Aber jetzt lass uns mal von etwas anderem reden." sagte sie dann und sah ihre Freundin gespannt an.
    "Weißt du denn schon, wann die Hochzeit stattfinden wird?"

    Wieder einmal war sie ausgesprochen dankbar, dass Calvena nie die Geduld mit ihr verlor und ihr immer wieder gut zuredete. Dadurch fühlte sie sich gleich viel zuversichtlicher.


    "Oho, "begeistern" ist schon viel mehr, als ich mir von so einem Abend erhoffe. Wenn es mir gelingt, ein paar Unterhaltungen durchzustehen ohne irgendetwas peinliches zu sagen oder zu tun, dann werde ich schon mehr als zufrieden sein. Und falls ich mich blamieren sollte, werde ich gern auf das Angebot mit deinem Zimmer zurückkommen."


    Die Vorstellung, eine Cena mit lauter purpurgewandeten Senatoren zu bestreiten, war für Serrana nach wie vor ziemlich einschüchternd, aber als sie an Calvenas Onkel Sedulus dachte, musste sie lächeln.


    "Nein, du hast recht. Dein Onkel ist wirklich sehr nett und überhaupt nicht so, wie man sich einen Senator im allgemeinen vorstellt."


    Der Gedanke an die notwendige Garderobe für einen derartig festlichen Anlass war eine ihrer weiteren Sorgen gewesen. Sie besaß kaum gute Kleider, und sie konnte ja nicht schon wieder die selben Gewänder tragen wie bei den Ludi Romani. Daher lächelte sie dankbar bei Calvenas Angebot.


    "Das ist sehr großzügig von dir, ich wäre sehr froh, wenn ich etwas von dir ausleihen dürfte. Hoffentlich bekomme ich irgendwann mal die Gelegenheit, all das wieder gut zu machen, was du schon für mich getan hast...."

    Serrana schämte sich zutiefst, weil sie wieder einmal von ihren alten Ängsten heimgesucht wurde und drückte dankbar Calvenas Hand. Wirklich beruhigt war sie immer noch nicht, aber sie wusste, dass ihre Freundin es nur gut mit ihr meinte.


    "Ja, du hast ja Recht", sagte sie zerknirscht. "Ich weiß, dass ich mich nicht ewig vor so einem Zusammentreffen drücken kann, aber wenn ich mit jemandem reden soll, der in irgendeiner Weise wichtig ist, dann fühle ich mich selbst immer gleich ganz wertlos und unfähig und dann bekomme ich Angst. Ich habe keine Ahnung, woran das liegt, aber ich hasse es selbst furchtbar, so eine verschreckte Heulsuse zu sein.... "


    Serrana schluckte und wäre an dieser Stelle des Gesprächs vermutlich geflüchtet, wenn nicht ausgerechnet ihre Freundin neben ihr sitzen würde. Andererseits hätte sie all diese Dinge, vielleicht mit Ausnahme ihrer Cousine Narcissa, auch keinem anderen Menschen jemals freiwillig anvertraut.


    "Aber wenn Cara und du auf dem Fest bei mir seid, und ich tatsächlich Narcissa mitbringen kann, dann werde ich das sicher irgendwie durchstehen."
    Bei Calvenas letzter Bemerkung wurde Serranas Laune wieder deutlich besser und sie musste lachen.


    "Oje, Großmutter Laevina auf Männerfang....sollte sie sich wirklich auf die Suche machen, dann geht es mit Sicherheit nicht um die Männer selbst sondern wenn überhaupt um die Macht, die sie jeweils verkörpern. Sie ist ja auch wirklich nicht mehr die Jüngste, obwohl mir die Sklaven daheim erzählt haben, dass sie vor 30 Jahren sehr schön gewesen sein soll."

    Nach und nach trafen immer mehr Gäste in der Casa Iunia ein; nach Prisca und Sermo folgten Calvena, Cara, Clara, Macer und Arvinia, und Serrana wurde immer aufgeregter. Allerdings war diese Aufregung zu ihrer eigenen Überraschung kein unangenehmes Gefühl, denn sie kannte all diese Menschen mittlerweile zumindest flüchtig und freute sich darauf, den ein oder anderen auch noch besser kennenzulernen. Als alleinige Gastgeberin wäre sie vermutlich längst vor Angst gestorben, aber mit Narcissa an ihrer Seite fühlte sie sich wie immer ein wenig stärker und zuversichtlicher.


    So ging sie mit ungewohntem Selbstbewusstsein durch die Reihen der Gäste und begrüßte jeden einzelnen persönlich.


    "Salvete, Prisca und Sermo, es freut mich sehr euch wiederzusehen." lächelte sie die ersten beiden an und fügte dann an Prisca gewandt noch hinzu: "Vielleicht bekommen wir ja heute abend mal die Gelegenheit über andere Dinge zu sprechen als die Wassertemperatur in den Thermen."


    "Schön, dass du auch gekommen bist, Clara" sagte sie dann zu der jungen Duccierin. "Ich hoffe, es wird dir hier gefallen".


    Der junge Octavier stand noch ein wenig abseits von den anderen, und da Serrana nur zu gut wusste, wie es sich anfühlte sich unter vielen fast unbekannten Leuten aufzuhalten, ging sie zu ihm hinüber und forderte ihn auf, sich zu den anderen Gästen zu gesellen.


    "Guten Abend Macer, komm doch bitte mit hinüber, die anderen werden sich sicher freuen."


    Bei Calvena und Cara war sie dann deutlich weniger förmlich und umarmte die beiden Freundinnen einfach spontan.


    "Nein, du bist nicht zu spät, Cara, mach dir keine Sorgen" sagte sie mit einem Augenzwinkern zu der jungen Caecilierin.


    Zum Schluss waren da noch die beiden Tiberierinnen, und da Serrana mittlerweile einiges an Scheu vor der Patrizierkaste abgelegt hatte, was übrigens hauptsächlich Arvinias nettem Verhalten ihr gegenüber zu verdanken war, ging sie auch auf die beiden zu und begrüßte sie fröhlich.


    "Schön, dass ihr beide hier seid, ich hoffe, ihr werdet euch in der Casa Iunia wohlfühlen."


    Hoffentlich hatte sie bislang niemanden übersehen...Serrana warf noch einen letzten prüfenden Blick in die Runde und ging dann wieder zu ihrer Cousine zurück.


    "Ich glaube, das wird ein ganz wunderbarer Abend werden" sagte sie zuversichtlich und lächelte Narcissa dankbar an.

    Was, ein derartiges Verhalten sollte typisch Mann sein? Hoffentlich war das nur ein Scherz, die Vorstellung, dass auch Rom voll von Männern wie ihrem widerlichen Fast-Verlobten war, war nun wirklich ziemlich abschreckend...Und was die Fontanalien anging...


    "Calvena, du weißt ja, wie sehr ich mich über deine Einladung zu dem Fest gefreut habe, aber ich habe wirklich furchtbare Angst dorthin zu gehen.
    Da werden doch furchtbar wichtige Leute sein, und ich hab keine Ahnung, was ich mit denen reden soll. Ich mache bestimmt alles falsch und blamiere dich damit."

    Plötzlich kam ihr ein Gedanke, der fast noch abschreckender war.


    "Und wenn die Feier in eurer Casa stattfindet, wird Großmutter Laevina auch dort sein. Die bringt es fertig und kanzelt mich vor allen Leuten ab, wenn ich einen Fehler machen sollte."


    Dann ließ sie sich Calvenas letzte Erklärung durch den Kopf gehen. Gern haben war vielleicht zuviel gesagt, aber immerhin war ihr der eine oder andere Mann hier in Rom schon ganz sympathisch gewesen. Aber hatte sie schon auffallend viel an einen von denen gedacht? Serrana seufzte. Sollte es mal irgendwann soweit sein, dann würde sie es sicher merken.


    "Das hört sich schön an" sagte sie dann lächelnd. "Ich wünsche dir wirklich von ganzem Herzen nur das Beste, das weißt du doch, oder?"

    Im ersten Moment war Serrana sicher sich verhört zu haben.


    "Wo hat er dir hingeschaut?" fragte sie ungläubig und fing dann an zu kichern.


    "Das glaube ich dir nicht, ein Präfekt würde so was doch nicht machen und schon gar nicht bei einer Tempel-Einweihung" sie kicherte wieder.
    Bislang war Serranas Weltbild in dieser Hinsicht noch sehr rosarot. Je höher ein Mann in Amt und Würden stand, desto größer mussten natürlich auch seine charakterlichen Tugenden sein, das war doch irgendwie logisch...


    Als Calvena ihr dann ihre Liebe zu Valerian gestand, lächelte sie automatisch und wurde dann nachdenklich.


    "Sag mal, wie merkt man denn, dass man jemanden ...ähm....liebt? Ich meine,....was genau fühlt man da? Ich kann mir das irgendwie gar nicht vorstellen..." Eine derartig intime Frage hätte Serrana keinem anderen Menschen jemals gestellt, aber Calvena war schließlich ihre beste Freundin und das Thema beschäftige die junge Iunia durchaus. Schließlich war sie selbst noch nie in ihrem Leben verliebt gewesen, und die tiefe Zuneigung zu ihrem Großvater hatte auf ganz anderen Dingen beruht.

    Serrana hatte es sich gerade gemütlich gemacht, um Caras Sangeskünsten zu lauschen, als ein vornehm gekleideter Mann, und damit vermutlich der Hausherr, das Triclinium betrat. Natürlich war er größer als Cara , ein paar Jahre älter, und seine Augen waren grün und nicht braun wie ihre, aber dennoch war es unverkennbar, dass die beiden Geschwister waren. Von ihrem guten Aussehen einmal abgesehen, hatten sowohl Crassus als auch Cara etwas stolzes und selbstbewusstes in ihrem Auftreten, um das Serrana die beiden glühend beneidete.


    "Mich freut es auch sehr, Caecilius Crassus, und ich möchte mich auch bei dir noch einmal für die Einladung danken" entgegnete sie seinen Gruß mit einem Lächeln.

    Serrana begann bei Calvenas Worten zu strahlen. Offenbar bedeutete sie ihr wirklich etwas, und es gab zumindest einen Menschen in Rom, der sich über ihre Anwesenheit freute.


    "Ich bin auch sehr glücklich, dass ich hier bin." sagte sie aufrichtig. "Es ist nicht ganz einfach gewesen bislang, aber ich lerne jeden Tag etwas dazu und vielleicht gelingt es mir ja auch, mich irgendwann endgültig von meiner Großmutter zu befreien."


    Calvenas Gesicht schien richtig zu leuchten, als sie über Valerian sprach, und Serrana war sich instinktiv sicher, dass ihre Freundin die richtige Entscheidung getroffen hatte.


    "Warum solltest du ihn denn nicht haben wollen? In dieser Stadt gibt es so viele Blender und Schaumschläger, sei froh, dass du so einen netten und aufrichtigen Mann gefunden hast. Oder stört es dich etwa, dass er kein hochrangiger Politiker ist wie deine beiden Onkel?"

    Serrana eilte aus ihrem Cubiculum herbei und hoffte, nicht bereits die Ankunft einzelner Gäste verpasst zu haben. Sie hatte sich in der Zwischenzeit so gut es ging frisch gemacht und ihre Kleidung wieder in Ordnung gebracht. Zum Glück hatte hatte der Stoff ihres Kleides trotz der stürmischen Umarmung von Adula kaum etwas abbekommen, und Serrana war zuversichtlich, dass der weitere Abend deutlich ruhiger ablaufen würde als der aufregende Tag mit dem wildgewordenen Bären. Die Frage, ob sie sich nochmal umziehen wollte, stellte sich ihr logischerweise erst gar nicht, schließlich trug sie gerade die einzigen kostbaren Gewänder, die sie besaß und auch das nur aufgrund der Großzügigkeit ihrer Cousine.
    Aufgeregt sah sie sich im Triclinium um und bestaunte nicht zum ersten Mal, auf welch wundersame Weise sich der Raum verwandelt hatte. Eilig ging sie zu Narcissa hinüber und ergriff deren Hände.


    "Es sieht alles so wundervoll aus, Narcissa, ich weiß gar nicht, wie ich dir dafür danken soll, dass du das alles hier so perfekt organisiert hast." Ihr selbst wären wahrscheinlich nicht einmal die Hälfte von all den schönen Details im Raum eingefallen, dachte sie ein wenig beschämt.


    Bevor sie sich noch länger umschauen konnte, betraten Quintilius Sermo und Aurelia Prisca das Triclinium und Serrana eilte zu den beiden hinüber, um sie in aller Form zu begrüßen.

    Ja, mit dieser Einschätzung von Laevinas Charakter lag Calvena vermutlich genau richtig. Die Laune ihrer Großmutter war immer schon deutlich gestiegen, wenn sie auf die eine oder andere Weise in das Tagesgeschick in Nola hatte eingreifen können. Kein Wunder, wenn sie jetzt hier, im Zentrum der Macht, aufblühte wie eine ganze Blumenwiese...


    "Du hast wahrscheinlich recht..." sagte Serrana nachdenklich. "Ich wünschte nur, sie wäre schon vor vielen Jahren nach Rom gegangen und hätte Großvater und mich daheim zurückgelassen. Vielleicht würde er dann heute sogar noch leben... Aber wenn sie einmal über jemanden die Kontrolle bekommen hat, dann lässt sie ihn nicht mehr freiwillig entwischen..."fügte sie mit Bitterkeit in der Stimme hinzu.


    "Es ist gut, dass sie mit Sedulus' Tochter nichts zu tun hat, dann wird es die Kleine sicher leichter haben. Und auf Elissa solltest du gut aufpassen, meine Großmutter ist entsetzlich nachtragend, sie vergisst nie etwas, und falls sie jemals die Gelegenheit bekommen sollte sich zu rächen, dann wird sie das sofort und ohne jede Gnade tun."


    Dann ging Calvena wieder auf ein deutlich angenehmeres Gesprächsthema über, und Serrana hörte gespannt ihrem Bericht zu.


    "Oh, ist das romantisch!" rief sie aufgeregt. "Stell dir vor, er hat dich zuerst gefragt... normalerweise erfährt man es doch von seinem Vater oder Vormund, wenn ein Eheabkommen geschlossen worden ist. Du hast wirklich unglaubliches Glück, weißt du das eigentlich?"

    Serrana war ihrer Freundin sehr dankbar dafür, dass sie ihr offenbar keine Vorwürfe für Laevinas Auftauchen in Rom machte, aber sie selbst tat es nach wie vor.


    "Vielleicht hast du ja recht, aber wie kann ich mein neues Leben hier geniessen, wenn ich ständig das Gefühl habe, dass andere Leute für mich büßen müssen....
    Wenn ich in Nola geblieben wäre, ginge es euch Germanicern jetzt mit Sicherheit besser, und vielleicht hätte ich mich ja mit der Zeit auch an die Ehe mit unserem Nachbarn gewöhnt."
    Die Erinnerung an ihren unerfreulichen Verehrer in der Heimat verursachte ihr nach wie vor eine Gänsehaut und sie blendete sie ganz schnell wieder aus.


    Aber vielleicht würde Calvena ja wirklich besser mit Serranas Großmutter zurechtkommen, schließlich war sie ja um einiges selbstbewusster als die junge Iunia und ließ sich auch nicht so viel gefallen. Serrana betrachtete ihre Freundin liebevoll und fuhr dann fort.


    "Natürlich hat sie kein Recht, deine Sachen zu durchwühlen, aber so sieht meine Großmutter das nicht. Sie wohnt jetzt in eurem Haus, und damit ist die Casa Germanica in ihren Augen jetzt automatisch auch ihr Revier und Herrschaftsbereich. Und sie denkt von jedem Menschen erst einmal das Schlechteste, deshalb ist ihr ganz egal, wie Valerian wirklich ist..."


    Jetzt lächelte Serrana und ergriff Calvenas Hand. "Aber mich freut es sehr, dass du soviel Glück gehabt hast. Ich habe Valerian ja erst einmal bei den Ludi gesehen, aber man konnte gleich sehen, dass er ein guter Mensch ist. Ihr werdet bestimmt sehr glücklich miteinander werden..." Obwohl ausser den beiden Mädchen im Park zu Zeit offenbar niemand unterwegs war, beugte sie sich noch ein bisschen weiter zu ihrer Freundin herüber und sagte dann in verschwörerischem Ton:


    "Du hast mir auch noch gar nichts über seinen Antrag erzählt....Wie war es denn?.....was hat er genau gesagt?....."

    Bis vor wenigen Augenblicken war Serrana sicher gewesen, dass nichts ihren Seelenfrieden an diesem Ort würde trüben können, aber der Name ihrer verhassten Großmutter schaffte das ohne größere Probleme.
    Augenblicklich fühlte sie großes Mitgefühl mit Calvena gleich gefolgt von einem großen Maß an schlechtem Gewissen. Schließlich war ihre eigene Flucht ja der ausschlaggebende Grund für Laevinas endgültigen Umzug nach Rom und in die Casa Germanica gewesen...


    "Calvena, das tut mir alles so furchtbar leid," sagte sie aufrichtig zerknirscht und legte den Arm um ihre Freundin.


    "Meine Großmutter kann einem das Leben zur Hölle machen, wenn man nicht alles genauso macht, wie sie es gerne möchte. Meine Sachen hat sie jeden Tag kontrolliert, deshalb wäre ich auch nie auf die Idee gekommen, irgend etwas vor ihr zu verstecken. Und ein Brief von einem fremden Mann ist für sie natürlich ein gefundenes Fressen....
    Aber geschlagen hat sie dich doch hoffentlich nicht, oder?"
    bei der letzen Frage musterte Serrana ihre Freundin besorgt. Sie selbst hatte Laevinas harte Hand von klein auf oft genug zu spüren bekommen und sie wollte nicht, dass es anderen Menschen, die ihr wichtig waren, auch so erging.

    Serrana ließ sich neben Calvena auf der Bank nieder und lächelte sie dankbar an.


    "Vielen Dank, mir geht es auch sehr gut. Manchmal würde ich am liebsten gar nicht mehr nach Hause gehen sondern im Tempel bleiben, aber das geht natürlich nicht."


    Sie warf einen Blick auf die Tasche ihrer Freundin.


    "Was hast du denn gerade gemacht? Oder ist das etwa ein Geheimnis" fragte sie dann in verschwörerischem Ton und zwinkerte Calvena zu.

    Nach Venusias Antwort begann Serrana sofort über das ganze Gesicht zu strahlen. Mit der Aussicht auf neues Wissen und noch unbekannte Eindrücke hatte man sie immer schon locken können, und sie freute sich jetzt schon sehr auf ihr Treffen mit Venusia. Endlich würde sie ihren Horizont mal wieder erweitern können, und noch dazu mit einer so angenehmen Gesprächspartnerin... Um sich diese einmalige Gelegenheit nicht doch noch durch die Lappen gehen zu lassen hakte sie direkt noch einmal nach.


    "Wundervoll, das wird sicher ein schöner Spaziergang, auch wenn ich mich kaum werde revanchieren können..." Ihre eigene Lebensgeschichte war schließlich in drei Sätzen erzählt, dafür konnte sich kaum jemand interessieren, der schon soweit herumgekommen war wie die junge Duccierin.


    "Vielleicht können wir ja vor Ende der Cena noch einen Tag ausmachen, der für uns beide günstig ist."
    Bestens gelaunt wandte Serrana dann wieder ihre Aufmerksamkeit Vala zu und schüttelte automatisch den Kopf, als er nach den Verwicklungen zwischen den Senatoren Livianus und Sedulus fragte. Zwar kannte sie beide Männer zumindest vom Hörensagen, aber von besagtem Vorfall hatte sie bislang nichts mitbekommen.


    Da ihr Appetit erst jetzt, mit abnehmender Nervosität, spürbar wurde, hatte sie selbst bislang noch nichts gegessen und beobachtete stattdessen mit wachsender Faszination, welche Unmengen von Oliven der junge Germane vertilgte. Ob die wohl unter Germanen als besondere Delikatesse galten? Sie selbst konnte Oliven nicht allzu viel abgewinnen, aber die Geschmäcker waren ja schließlich verschieden. Vielleicht war er aber auch krank, und konnte nichts anderes vertragen...
    Sicherheitshalber hielt sie sich selbst deshalb an Karotten und Broccoli, um den schnell dahinschwindenen Bestand an Oliven nicht auch noch noch zu dezimieren.

    Serrana nutzte die kurze Unterrichtspause, um eine Weile in den kleinen Park in der Nachbarschaft des Tempels zu gehen. In einer so großen, überfüllten und lauten Stadt wie Rom war es kaum möglich, einmal wirklich zur Ruhe zu kommen, und so glücklich Serrana auch darüber war, endlich in diesem Trubel angekommen zu sein, so froh war sie auch manchmal ein wenig für sich zu sein und die Stille zu genießen. Mit etwas Glück würde sie ein schönes Plätzchen finden, wo sie in Ruhe ihre Gedanken fließen lassen und beten konnte. Natürlich tat sie das auch gern im Tempel vor dem Kultbild der Minerva, aber sie hatte sich von frühester Kindheit an immer im Garten ihrer Großeltern zurückgezogen, häufig genug auf der Flucht vor Laevinas ständigen Zetereien und Schikanen, und fühlte sich ihrer Göttin daher immer besonders verbunden, wenn sie von Bäumen und Blumen umgeben war.
    Die junge Iunia liebte ihre Priesterinnenkleidung und trug sie voller Stolz. Das einfache weiße Leinen erschien ihr kostbarer als jede seidene Stola, und wenn sie es trug, fielen automatisch all die Ängste und Unsicherheiten von ihr ab, die sie im täglichen Leben sonst immer begleiteten. Sie war sich ihrer Berufung absolut sicher, und seit sie in den Cultus Deorum eingetreten war, hatte sie zum ersten Mal in ihrem Leben nicht das Gefühl, es ständig allen Menschen recht machen zu müssen. Leider beschränkte sich dieses Hochgefühl bislang nur auf die jeweilige Zeit im Tempel, aber vielleicht würde sie ja irgendwann auch etwas davon in ihr alltägliches Leben hinüberretten können...


    Als ein Windstoß ihr offenes karamellfarbenes Haar durcheinanderwirbelte, musste sie an Adula denken und automatisch schmunzeln. Ihre Leibsklavin, die ihr mittlerweile sehr ans Herz gewachsen war, war als Ornatrix alles andere als begabt, und der Umstand, dass Priesterinnen ihr Haar offen trugen, kam ihr sehr entgegen. Auf diese Weise war sie nur dafür verantwortlich, das glatte Haar ihrer Herrin solange zu bürsten, bis es seidig glänzte und ordentlich den Rücken hinunterfiel, und das beherrschte sogar Adula ohne größere Probleme.


    Serrana erinnerte sich, dass irgendwo auf diesem Weg eine Bank stehen musste und beschleunigte ihre Schritte. Sie bog um eine letzte Ecke und sah plötzlich zu ihrer großen Freude ihre Freundin Calvena auf eben dieser sitzen und lesen. Um die Freundin nicht zu erschrecken ging Serrana wieder etwas langsamer und sagte dann:


    "Calvena, wie schön, dass ich dich hier treffe, störe ich dich gerade oder darf ich mich einen Moment zu dir setzen?"

    Sie hatte sich schon wieder von Calvena ab- und der restlichen Gruppe zugewandt, als ihr erst richtig zu Bewusstsein kam, was ihre Freundin ihr gerade anvertraut hatte. Valerian hatte ihr einen Antrag gemacht? Oh ihr Götter, dann würden die beiden ja heiraten....
    Serrana freute sich unbändig für ihre Freundin und hätte sie am liebsten sofort weiter ausgefragt, aber leider ließ die momentane Situation das nicht zu. Notgedrungen schob sie ihre Neugier erst einmal beiseite und versuchte, sich ein bisschen abzulenken, indem sie mehr auf die anderen Mitglieder ihrer Gruppe achtete.
    Calvenas besorgt herbeigeeilter Verwandter war also wirklich ihr Onkel Sedulus, so wie es Cara schon vermutet hatte. Kein Wunder, dass Calvena ihn so gern mochte und häufig von ihm erzählte, er machte wirklich einen sehr sympathischen Eindruck und hatte so gar nichts von einem steifen und autoritären Politiker an sich.


    "Sobald wir ein bisschen unter uns sind, musst du mir unbedingt alles erzählen" flüsterte Serrana dann noch Calvena zu und hoffte sehr, dass sich diese Gelegenheit bald ergeben würde. Sie war wirklich ganz furchtbar neugierig.

    Bislang hatte Narcissa noch nie in einem derart scharfen Ton mit ihr gesprochen und Serrana fühlte sich sofort ganz elend, denn sie wollte unter keinen Umständen, dass ihre Cousine böse auf sie war. Trotzdem konnte sie sich Narcissas strikter Meinung in diesem Punkt ausnahmsweise einmal nicht anschließen. Natürlich war Tugend das wichtigste Gut einer jungen unverheirateten Frau, und für Serrana war schon allein die Vorstellung, ihre eigene aufs Spiel zu setzen unvorstellbar. Aber die Situation vor einigen Minuten hatte alle Anwesenden derartig gefordert, dass man doch zumindest für einen Moment etwas weniger streng sein konnte. Wenn es nicht einmal im Angesicht des Todes möglich sein sollte Gefühle zu zeigen, wann denn dann? Sie selbst jedenfalls bereute ihre öffentliche Zuneigungsbezeugung für ihre Sklavin Adula immer noch nicht. Serrana seufzte und beschloss, nicht weiter auf das Thema einzugehen. Mit etwas Glück würde Narcissa ja bald wieder bessere Laune haben und nicht mehr ärgerlich auf sie sein.


    Das Gespräch mit den anderen Frauen brachte sie erst einmal auf andere Gedanken.


    "Unsinn, Septima, es wäre uns eine Ehre, wenn du mit uns zur Cena in der Casa Iunia kommen würdest" sagte sie lächelnd zu der jungen Tiberierin. "Und du bist selbstverständlich auch herzlich willkommen, Clara" fügte sie dann an die Duccierin gewandt hinzu.


    Jetzt hatte sie auch endlich die Gelegenheit sich mit Calvena zu unterhalten und sie nahm ihre Freundin ganz fest in den Arm, auch um ihr zu zeigen, dass sie ihr offensichtliches Bekenntnis zu Valerían nicht übel nahm.


    "Ich bin so froh, dass dir nichts passiert ist" sagte sie lächelnd während der Umarmung und fügte dann so leise hinzu, dass nur Calvena es hören konnte: "Ich freue mich so für dich, dein Valerian ist wirklich ein wundervoller Mann, und ihr seid ein sehr schönes Paar"


    Dann drehte sie sich wieder zu den übrigen Damen um und sagte vergnügt:


    "Ja, ein Wagenrennen hört sich gut an. Ich hab nämlich noch nie eins gesehen und bin furchtbar gespannt, wie es sein wird."

    Serrana folgte Narcissas Blick zu der siegreichen Männerrunde und nickte dann als Antwort auf deren Bemerkung.


    "Ja, ich glaube, dass wäre eine gute Idee. Schließlich ist das ja keine alltägliche Situation, und es wäre wirklich undankbar, die Männer einfach stehen zu lassen, nachdem sie uns allen das Leben gerettet haben." flüsterte sie zurück. Dann dachte sie über Narcissas nächste Bemerkung nach und schüttelte mit Nachdruck den Kopf.


    "Ich glaube nicht, dass es da zu irgendwelchen ungebührlichen Szenen kommen wird, die vier haben sich anscheinend nur furchtbar gefreut, dass ihre Liebsten alles gut überstanden haben. Ich weiß, dass Calvena niemals zu weit gehen würde, und bei Calliphana kann ich mir das auch nicht vorstellen. Und es ist doch schön zu wissen, dass solche Gefühle zwischen Mann und Frau möglich sind, findest du nicht?" fragte sie immer noch sehr leise, damit ausser ihrer Cousine niemand etwas davon mitbekam, und warf einen etwas wehmütigen Blick zu den beiden Pärchen in der Runde.


    "Und ausserdem..." jetzt erschien ein verschmitztes Lächeln auf ihrem Gesicht, "....sieht es ja so aus, als würde Calvenas Onkel sich uns anschließen. Und in der Gegenwart eines Senators werden sich sicher alle vorbildlich benehmen."


    In der Zwischenzeit hatte Cara sie zu den anderen hinübergeführt, und Serrana lächelte die neu hinzugekommenen Damen freundlich an


    "Salvete, ich bin Iunia Serrana und freue mich sehr euch kennenzulernen, auch wenn die Umstände ein wenig ungewöhnlich sind."