Beiträge von Iunia Serrana

    Als Calvena sie beschwichtete, war Serrana unendlich erleichtert. Offenbar war ihre Freundin ihr wirklich nicht böse, dabei hätte sie selbst dafür durchaus Verständnis gehabt. Dankbar drückte auch sie Calvenas Hand und schüttelte dann abwehrend den Kopf.


    "Nein, bitte, du musst es mir nicht erzählen, wenn so eine schlimme Erinnerung für dich ist. Im Grunde geht es mich doch auch gar nichts an." Das letzte, was Serrana wollte, war dass Calvena sich dazu verpflichtet fühlte, ihr etwas so wichtiges anzuvertrauen, auch wenn sie im Grunde sehr glücklich über diesen Vertrauensbeweis war.


    Dann hörte sie nur noch das Wort "überfallen" und starrte ihre Freundin erschrocken an. Das Gewaltsamste, was Serrana selbst jemals gesehen hatte, war das Schlachten der Hoftiere daheim auf dem Landgut gewesen. Selbst bei diesen Gelegenheiten war sie regelmäßig in Tränen ausgebrochen und von wohlmeinenden Sklaven ausser Sichtweite gebracht worden, auch wenn ihre Großmutter die Meinung vertreten hatte, der Anblick von ein wenig Blut könne der Abhärtung nur förderlich sein.


    Bei so einer entsetzlichen Einleitung konnte sie doch unmöglich wieder ihre Fragen stellen. Daher sah Serrana ihre Freundin nur immer noch schockiert und mitfühlend an, um Calvena selbst die Entscheidung zu überlassen, ob sie wirklich weitererzählen wollte oder nicht.

    Erleichtert sah Serrana, dass Calvena mittlerweile zumindest wieder in der Lage war mit ihr zu sprechen. In den letzten Minuten hatte sie selbst nichts weiter tun können, als mit ihrer Freundin mitzuleiden und ihr das Gefühl zu geben, in ihrem Kummer nicht allein zu sein.
    Dennoch war ganz offensichtlich, dass es Calvena nach wie vor sehr schlecht ging, und das nur, weil sie selbst, Serrana, mit ihrer Unbedachtsamkeit offenbar etwas aufgerührt hatte, was vielleicht besser im Dunkeln der Vergangenheit geblieben wäre.


    "Calvena, bitte verzeih mir, dass ich dich so gedankenlos ausgefragt habe. Ich hätte nicht so neugierig sein dürfen." sagte sie unglücklich und sah ihre Freundin beschämt an.

    Serrana war nicht besonders überrascht, dass Narcissa über deutlich mehr Informationen über die römische Tagespolitik zu verfügen schien als sie selbst. Immerhin wohnte sie ja auch in der Casa Decima und bekam auf diese Weise vermutlich ein paar Dinge mehr mit als sie selbst in dem momentan etwas verwaisten Haus der Iunier. Als sie Narcissas fragenden Blick in ihre Richtung auffing, schüttelte sie daher noch einmal den Kopf.


    "Es tut mir leid, über diese Sache weiß ich leider noch weniger als Narcissa." sagte sie mit einem entschuldigenden Lächeln an den Duccier gewandt. "Ich fürchte, meine Kenntnisse über die aktuelle Politik und die zur Zeit wichtigen Staatsmänner in Rom halten sich zur Zeit noch sehr in Grenzen."


    Etwas verlegen senkte sie den Blick wieder auf ihren Teller und nahm sich noch ein bisschen von dem Broccoli. Vermutlich hätte sie etwas wesentlich geistreicheres von sich geben können, aber Serrana hatte leider noch nie über die Fähigkeit verfügt, Unwissenheit oder sonstige kleinere oder größere Schwächen überzeugend zu kaschieren, also versuchte sie es auch jetzt erst gar nicht.

    Es dauerte eine ganze Weile, bis Calvenas Körper in ihren Armen nicht mehr von verzweifelten Schluchzern geschüttelt wurde und sie auch nach und nach wieder ruhiger atmete. Ohne ihre Freundin ganz loszulassen, trat Serrana einen kleinen Schritt zurück und betrachtete prüfend und immer noch sehr besorgt deren vom Weinen gerötetes Gesicht. Die Tränen schienen zwar allmählich versiegt zu sein, aber Calvenas Augen spiegelten nach wie vor deutlich inneren Schmerz und Trauer wieder.


    "Geht es dir wieder ein bisschen besser?" fragte sie dann sanft. "Soll ich dir vielleicht irgendetwas holen, etwas zu trinken vielleicht?" Jetzt ärgerte sie sich sehr, dass sie einfach so, ohne irgendetwas mitzunehmen, in den Park gelaufen war, sonst hätte sie Calvena zumindest etwas geben können, um sich die Tränen abzuwischen.

    Ein wenig ausser Atem erreichte Serrana den kleinen Nymphentempel in den Gärten des Lucullus, wo sie sich mit Duccia Venusia verabredet hatte. Die beiden Frauen hatten sich bei einer gemeinsamen Cena in der Casa Decima kennengelernt, und Venusia hatte der jungen Iunia zu deren großer Freude versprochen, ihr ein wenig über ihre Heimat zu erzählen. Für Serrana, die bislang nur die eher ländliche Campania und einige wenige Dinge in Rom kannte, bedeutete das die Aussicht auf ganz neue Eindrücke und Erfahrungen, und sie freute sich schon seit einigen Tagen auf diesen Treffen, zumal ihr Venusia auch noch ausgesprochen sympathisch gewesen war.


    Um nicht allzu viel Zeit zu verlieren oder eventuell zu spät zu kommen, hatte sie sich nach ihrem Tagewerk im Tempel direkt dort umgezogen, sich das während ihrer Ausbildung offen fallende Haar hochgesteckt und war gemeinsam mit ihrer Leibsklavin Adula zu den Gärten des Lucullus geeilt. Venusia war offensichtlich noch nicht angekommen, aber das gab Serrana die Gelegenheit, ein wenig zu verschnaufen und sich der Duccierin nicht mit hochrotem Kopf und ausser Atem zu präsentieren. Während sie allmählich zur Ruhe kam, genoss sie die friedliche Atmossphäre an diesem Ort und ließ den Blick ein wenig über die wunderschöne Parkanlage schweifen.

    Was auch immer die Gründe für Calvenas Weinen sein mochten, in diesem Augenblick interessierte sich Serrana nur für das Wohlergehen ihrer Freundin. Sie dachte nicht länger darüber nach, was in einer solchen Situation nun wohl passend oder nicht sein würde, sondern stand einfach auf, legte sanft die Arme um Calvena und zog sie zu sich heran. Sie spürte, wie der Körper ihrer Freundin durch das zurückgehaltene Schluchzen erbebte und streichelte ihr ganz vorsichtig über das Haar.


    "Wein ruhig, es ist nichts Schlimmes daran..." murmelte sie leise und in beruhigendem Tonfall und wiegte sich mit Calvena in ihren Armen nur ganz sanft hin und her. Wenn nötig würde sie auch den Rest des Tages so stehen bleiben, das hatte ihre Freundin, die bislang immer so geduldig und liebevoll mit ihr umgegangen war, einfach verdient.

    Bisher waren noch keinerlei Problem aufgetreten und Serranas Nervosität verlor sich nach und nach. Allerdings gab es auch so viele Dinge zu beachten, die neu angekommenen Gäste zu begrüßen und sie einander, falls noch nicht bekannt, vorzustellen, dass sie kaum die Gelegenheit hatte sich Sorgen zu machen.
    Claudia Romana, die junge Vestalin, hätte sie ohne deren Priesterinnenornat im ersten Moment kaum wiedererkannt, allerdings half ihr die ungewöhnliche Körpergröße der Patrizierin schnell auf die Sprünge.


    "Salve, Romana, wie schön, dass du es einrichten konntest herzukommen. Es ist eine große Ehre für die Casa Iunia, eine Dienerin der Vesta beherbergen zu können." begrüßte sie lächelnd die junge Priesterin. Vielleicht würde sich ja später die Gelegenheit ergeben, mit Romana über deren Ausbildung zu sprechen, für die sich Serrana, die ja ebenfalls Schülerin des Cultus Deorum war, sehr interessierte.


    Dann näherte sich Senator Sedulus und wurde von Narcissa in formvollendeter Weise begrüßt. Im ersten Moment wirkte er etwas förmlich, und Serrana musste ein wenig schmunzeln, weil das nicht so ganz zu dem zu passen schien, was ihr ihre Freundin Calvena bislang über ihn erzählt hatte. Dann aber erinnerte sie sich an ihre gute Kinderstube und beeilte sich ebenfalls ihn gebührend zu begrüßen.


    "Salve, Germanicus Sedulus, es freut mich sehr, dich kennenzulernen. Bitte fühle dich in dieser Casa ganz wie zuhause." lächelte sie ihn an und zwinkerte dann Calvena zu.

    Oje, hatte sie da jetzt vielleicht etwas falsches gesagt? Serrana dachte angestrengt darüber nach, wie sie ihre eigene Formulierung in andere Worte fassen konnte.


    "Ich meine damit, dass die Götter den Menschen gegenüber eigentlich wohlwollend eingestellt sind und ihnen gern helfen wollen. Aber dafür setzen sie auch bestimmte Dinge vorraus...Und wenn sie sehen, dass die Gläubigen wirklich alles dafür tun, um sie gnädig zu stimmen, dann erfüllen sie ihnen auch ihre Wünsche. Und das Einhalten von genauen Regeln zeigt, dass der Bittende es wirklich ernst meint. Es ist im Grunde eine Art Geben und Nehmen, deshalb kann man auch das Bild von der Waage benutzen." sagte sie dann in der Hoffnung, sich einigermaßen verständlich ausgedrückt zu haben.

    Akrobatische Kunststücke? Serrana bekam große Augen und sah Calvena höchst beeindruckt und neugierig an.


    "Du musst mir unbedingt mal was davon vorführen" sagte sie eifrig und fing dann an zu kichern.


    "Aber vielleicht besser nicht hier, wenn dich unser Lehrer bei einem Handstand beobachtet, fällt er vielleicht direkt tot um. Er ist ja nicht mehr der Allerstabilste..."


    Serrana war noch ganz in dieser amüsanten Vorstellung versunken, als sie mitbekam, wie sich das Gesicht ihrer Freundin plötzlich verdunkelte und sie sich von ihr abwandte. Diese Anzeichen kannte sie von sich selbst gut genug und sie erschrak sofort furchtbar.


    "Calvena, was ist denn los? Hab ich etwas falsches gesagt?" Entsetzt ergriff sie sie sofort beide Hände ihrer Freundin und begann diese ein wenig unbeholfen zu streicheln.


    "Entschuldige bitte, wenn ich dich verletzt habe, das war wirklich nicht meine Absicht..." Was hatte sie denn da nur angerichtet und was konnte sie bloß tun, um Calvena wieder aufzuheitern?

    Kein Wunder, dass Calvena sich soviel selbstsicherer bewegte und benahm als sie selbst, sie war ganz augenscheinlich durch eine härtere Schule gegangen. Natürlich war es alles andere als schön gewesen, unter Laevinas strenger Fuchtel aufzuwachsen, aber immerhin war Serrana zeit ihres Lebens behütet und mit allem Notwendigen versorgt worden. Und zum Ausgleich für ihre Großmutter hate ihr Fortuna auch einen überaus gütigen Großvater geschenkt, mit dem sie viele wundervolle Stunden hatte verbringen dürfen. Und dennoch fühlte Serrana bei Calvenas Worten ein klein wenig Neid.


    "Das klingt alles so aufregend, ich weiß ja, dass du sehr gut musizieren kannst, aber kannst du auch ...äh...tanzen?" Sie musste sich ein wenig anstrengen um ihre Verlegenheit zu verbergen, schließlich beschränkten sich ihre Kenntnisse über diesen Berufszweig nur auf Laevinas Zetereien und diverse pikante Anspielungen der Haussklaven.


    "Und du glaubst gar nicht, wie sehr ich dich um diese vielen Menschen dort beneide, mit denen du dort zusammen gelebt hast. Ich kann mich nicht mehr sehr gut an meine Mutter erinnern, aber ich weiß noch genau, wie ich mit ihr im Garten gesessen habe, ein paar Tage bevor das Baby auf die Welt kommen sollte. Da haben wir uns wir uns ausgemalt, wie es sein würde wenn wir endlich endlich zu viert wären, und wir haben uns unheimlich gefreut.
    Naja, und stattdessen war ich kurz darauf völlig allein...."
    Serrana musste schlucken und biss sich dann entschlossen auf die Lippe. Was brachte es schon, über diese alten Geschichten nachzudenken, ihr Leben spielte schließlich im Hier und Jetzt.


    "Und warum bist du dann letzten Endes doch von ihnen weggegangen? Wenn du so gern mit diesen Menschen gelebt hast, war es doch sicher schwierig sie einfach zu verlassen..."

    Fahrendes Volk? Serrana stutzte einen Moment bei diesem Ausdruck, denn damit hätte sie ihre Freundin nun wirklich niemals in Verbindung gebracht. Sie selbst hatte nur ein oder zweimal bei einem Besuch in Nola ein paar der bunten Wagen gesehen, aber jedesmal hatte Laevina sie sofort ausser Sicht- und Hörweite gezerrt und ihr dann lange und abschreckende Vorträge gehalten. Und was sie dabei für Ausdrücke benutzt hatte...Diebe und Halsabschneider waren noch die freundlichsten gewesen, und bei der Erinnerung an das eine oder andere Schimpfwort bekam Serrana heute noch rote Ohren.


    Aber hatte Laevina nicht auch über viele Jahre hinweg immer wieder unter Beweis gestellt, wie wenig sie von ihren Mitmenschen hielt und dass es ihr im Grunde keiner wirklich recht machen konnte?
    Serrana fasste den Beschluss, sich bei ihren eigenen Bewertungen nicht mehr länger von der Meinung ihrer Großmutter beeinflussen zu lassen und schon gar nicht, wenn es um ihre Freundin ging.


    "Mit fahrendem Volk meinst du doch Gaukler und Spielleute, nicht wahr?" fragte sie und hoffte einigermaßen wertfreie Bezeichnungen gewählt zu haben. "Bist du denn bei denen geblieben, nachdem deine Mutter gestorben ist?"

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    Germanica Calvena



    Liebste Calvena,


    vielen Dank für deine Einladung. Natürlich komme ich gern zu deinem Fest und werde dir auch schon bei den Vorbereitungen helfen, so gut ich kann. Sag mir einfach Bescheid, wenn ich etwas für dich erledigen kann.


    liebe Grüße von deiner Freundin


    Serrana

    Serrana lächelte bei der Erinnerung an die Cena in der Casa Iunia und schüttelte dann den Kopf.


    "Nein, mit der Cena nach den Ludi kann ich mich nicht brüsten, die Ehre gebührt wirklich Narcissa. Ich hab ihr nur geholfen, so gut ich konnte. Aber wenn wieder so eine Herausforderung auf mich zukommt, werde ich sie allein und ohne fremde Hilfe meistern, das habe ich mir fest vorgenommen."


    Überrascht hörte sie dann, dass ihre Freundin und sie offenbar im selben Alter gewesen waren als sie ihre Mütter verloren hatten. Serrana war ein wenig erstaunt, wie gelassen Calvena über den Tod ihrer Mutter sprach, allerdings ging es ihr selbst bei ihrem Vater ähnlich, daher hatte ihre Freundin sicherlich ihre Gründe dafür.


    "Oh, ich war damals auch fünf, das ist ja wirklich ein Zufall, wenn auch wahrlich kein schöner..."


    "Ein Überfall? Aber wie konnte denn sowas passieren?" fragte sie dann überrascht. Automatisch stellte sie sich das Landhaus vor, in dem sie selbst ihre früheste Kindheit verbracht hatte. Ein gewaltsamer Angriff passte da so gar nicht ins Bild...

    Serrana nahm dankbar den Becher Wasser an, den ihr Lehrer ihnen auf den Tisch gestellt hatte und beobachtete dann mit einiger Besorgnis, wie er langsam wieder zu seinem Platz zurückwackelte. Manchmal sah er fast so aus, als könne er jeden Moment in der Bewegung innehalten und in Tiefschlaf fallen. Hoffentlich wurde ihm ihre Ausbildung nicht zu viel...


    Dann trank sie ebenfalls einen Schluck Wasser und konzentrierte sich auf seine Frage.


    "Nun, damit die Götter auch verpflichtet sind, sich so gut wie möglich um das Wohl der Gläubigen zu kümmern, ist es ungemein wichtig, die einzelnen Riten und Regeln, wie zum Beispiel während eines Opfers oder eines Gebetes genau einzuhalten. Wenn irgendetwas von der Überlieferung abweicht, kann das den Zorn der Götter hervorrufen."


    Nach diesen Worten sah Serrana zu Calvena hinüber. Ihre Freundin wollte sicher noch etwas ergänzen.

    "Ich finde es toll, dass sich Sabina so etwas traut, sicher wird sie eines Tages genauso stark und selbstbewusst sein wie ihre Cousine" sagte Serrana mit einem Lächeln. "Oder wie meine..." fügte sie mit einem Schmunzeln hinzu, als sie an Narcissa denken musste.


    Sie war nicht sicher, was sie sich unter einem unorthodoxen Leben vorstellen sollte, schließlich war ihr eigenes bislang in mehr als behüteten Bahnen abgelaufen und das schränkte ihre Phantasie auf diesem Gebiet doch merklich ein. Darüber hinaus war sich Serrana auch immer noch nicht sicher, wie weit sie mit ihren Fragen bei Calvena gehen konnte, ohne diese irgendwie zu verärgern.


    "Wie ist deine Mutter denn gestorben?" fragte sie dann vorsichtig und behutsam. "Und wie alt bist du da gewesen?" Schließlich wusste ihre Freundin ja, dass auch Serrana sehr früh ihre Mutter verloren hatte und deshalb kaum aus reiner Sensationsgier nachhaken würde.

    Auch Serrana befand sich an diesem Tag unter den Anwesenden und verfolgte aufmerksam die vor ihr ablaufenden Opferriten, damit ihr keine wichtigen Details entgingen. Auf der einen Seite fürchtete sie sich ein bisschen vor der Verantwortung, die eines Tages zwangsläufig auf sie zukommen würde, wenn sie erst Priesterin geworden war. Aber die Freude darauf, dann endgültig im Dienst ihrer geliebten Göttin Minerva zu stehen und etwas für diese tun zu können, überwog in ihren Gedanken bei weitem. Und da sie sich seit Beginn ihrer Ausbildung in ihrem einfachen Gewand aus Leinen viel wohler in ihrer Haut gefühlt hatte, als im normalen Leben, war sie auch jetzt zwar gespannt und neugierig, aber auch ausgesprochen gut gelaunt.


    Nachdem das Opfer zur allgemeinen Freude der Anwesenden angenommen worden war und sich die Menschenmenge allmählich zerstreute, zwinkerte Serrana kurz zu ihrer Freundin Calvena hinüber. Schließlich war die Zeremonie jetzt vorrüber, da musste man nicht mehr ganz so stocksteif und feierlich dreinschauen.

    Auf Calvenas Erklärungen hin nickte Serrana nachdenklich. Vermutlich hatte ihre Freundin recht, und Avarus hatte nur aus Sorge um seine Gens so scheinbar unfreundlich reagiert. Wer wusste schon, was man als Pater Familias für Sorgen mit sich herum trug, und da Serrana den Senator gar nicht kannte, beschloss sie ihm auch keine schlechten Motive zu unterstellen.


    "Sabina soll auf dem Fest etwas vorsingen? Das ist ja eine schöne Idee, aber wird sie sich das denn auch trauen? Ich hätte in ihrem Alter sicher nicht den Mut dazu gehabt." Heute hätte sie den vermutlich noch viel weniger, aber diesen Kommentar sparte sich Serrana lieber.Schließlich kannte Calvena ihre Freundin mittlerweile gut genug, um zu wissen, dass diese während einer Gesellschaft kaum auf den Tisch springen würde, um die übrigen Anwesenden zu unterhalten...


    Die Argumente, die Calvena dann zugunsten von Serranas Vater aufführte, kamen bei dieser nicht wirklich durch, denn in diesem Punkt hatte sie sich längst ein festes Bild gemacht. Kein Wunder, dass sie sich heutzutage immer noch minderwertig fühlte, wenn sogar ihr eigener Vater sie abgegeben hatte wie ein lästiges Gepäckstück.


    Dann jedoch wurde sie von ihrem eigenenen alten Kummer abgelenkt. Bislang hatte Calvena ihr noch so gut wie nichts über ihre Eltern erzählt, und Serrana hatte das immer respektiert. Aber vielleicht wollte ihre Freundin ja heute darüber sprechen.


    "Warum glaubst du denn, dass du deiner Mutter ein Klotz am Bein warst? Sie hat sich doch immer um dich gekümmert und war für dich da, oder nicht?" Nach Calvenas Vater zu fragen, traute Serrana sich nicht so recht. Schließlich hatte diese ihr ja schon einmal anvertraut, dass ihre Eltern nur sehr wenig Zeit miteinander verbracht hatten.

    Immer noch ein wenig erschrocken über die dunklen Gedanken, die sie gerade gehegt hatte, nickte Serrana bei Calvenas Worten zustimmend.


    "Natürlich, das war Unsinn von mir, ich weiß gar nicht, wie ich auf so eine kindische Idee überhaupt kommen konnte."


    Als ihre Freundin dann weitererzählte, fühlte sie tiefes Mitgefühl für Senator Sedulus und seine Tochter.


    "Das ist so traurig...und wie kann man überhaupt sagen, dass jemand nicht gut genug für einen anderen Menschen ist? Das ist doch absolut gefühllos." sagte sie dann mit aufkeimender Verärgerung.


    "Aber es freut mich, dass es der kleinen Sabina schon wieder besser geht. Zum Glück hat sie ja einen netten Vater und eine liebe Cousine, die sich um sie kümmern und für sie sorgen."


    "Und wenn dein Onkel seine Frau wirklich geliebt hat, dann ist es wohl normal, dass er noch um sie trauert. Stell dir nur mal vor, du heiratest, bekommst Kinder von deinem Mann, und dann stirbst du, ohne dass es ihn besonders kümmert...."


    Serranas Gesicht nahm plötzlich einen harten Ausdruck an.


    "Ich glaube, so ist es bei meinen Eltern gewesen. Wenn mein Vater sich etwas aus meiner Mutter gemacht hätte, dann hätte er sich nach ihrem Tod doch nicht einfach aus dem Staub gemacht, oder?"

    "Unsinn, das Fest wird ein voller Erfolg, du wirst schon sehen!" sagte Serrana voller Überzeugung.


    Mit Valerians Verwandten meinte Calvena vermutlich Sermo, den die beiden Mädchen bei den Ludi kennengelernt hatten, und der mit Aurelia Prisca unterwegs gewesen war. Von einer Cousine war Serrana nichts bekannt, allerdings kam sie immer noch leicht bei all den familiären Verstrickungen innerhalb der römischen Gesellschaft durcheinander.


    Als es um Laevina ging, verdüsterte sich Serranas Blick kurz. "Ja, um das bezahlen zu können, müsstet ihr vermutlich die Casa Germanica verkaufen. Am liebsten würde ich Großmutter irgendetwas ins Essen streuen, damit sie drei Tage nicht mehr aufwacht und uns zumindest an dem einen Abend mal in Ruhe lässt" murmelte sie grimmig und erschrak ein wenig über sich selbst und ihre heftige Reaktion.


    "Was hatte dein Onkel Avarus denn gegen Sedulus' Frau?" fragte sie dann neugierig. "War sie etwa nicht standesgemäß oder konnte er sie einfach nicht leiden?" Was für eine schreckliche Vorstellung, dachte Serrana mitfühlend, als junge Ehefrau in ein fremdes neues Haus zu ziehen und dann von einem Familienmitglied angefeindet zu werden...