Beiträge von Iunia Serrana

    Serrana wäre im Moment nichts lieber gewesen, als noch eine Weile ungestört Minos höchst ansehnlichen Körper in Ruhe betrachten zu können. Die Frage worin nun seine sonstigen hochgerühmten Qualitäten lagen, befand sich weit jenseits ihrer Vorstellungskraft, aber sie hatte etwas so schönes noch nie zuvor in ihrem Leben gesehen und den Anblick gern noch ein wenig genossen.
    Da sie immer noch ausgesprochen abgelenkt war, ging Calliphanas Antwort völlig an ihr vorbei. Dann jedoch sprang plötzlich die dunkelhaarige Flavierin wie eine Tigerin aus dem Becken und auf Calvena und Minos zu. Sie würde es doch wohl nicht wagen, ihre Freundin anzugreifen? Serrana spürte, wie allen zwischenzeitlichen Bemühungen zum Trotz die Wut wieder in ihr aufstieg und stand ebenfalls auf. Dieses arrogante Weibstück sollte blos nicht wagen Calvena auch nur ein bisschen zu nahe kommen, sonst würde Serrana ihr an die Gurgel gehen.

    Serrana starrte mit offenem Mund Calvena und dem Masseur hinterher, die sich gemeinsam vom Becken entfernten. So konnten Männer also auch aussehen? Nicht zu fassen..........


    Sie riss sich erst wieder von dem höchst erfreulichen Anblick los, als sie Calliphanas Stimme neben sich hörte und beeilte sich ein wenig Boden bei der unbekannten Patrizierin gut zu machen.


    "Oh nein, einen Streit haben wir nicht, Calliphana. Im Grunde war es wohl nur ein Missverständnis" sagte sie mit Blick auf die Aurelierin. Allerdings war sie sich nicht sicher, ob ihr Versöhnungsversuch noch Früchte tragen würde, denn der Blick, mit dem die beiden Patrizierinnen hinter Calvena hersahen, ließ übles befürchten.

    Serrana hatte bereits bei Calvenas letzten Worten ein schlechtes Gewissen bekommen, aber als sie jetzt sah, wie freundlich und herzlich die eine Patrizierin ihre Cousine begrüßte, war sie endgültig zerknirscht. Ach herrje, diesmal hätte sie doch wirklich den Mund halten können....
    Da ihr nun aber auch nichts einfiel, wie sie den Schaden wieder gut hätte machen können, entschied sie sich dafür einfach abzuwarten und sich weitere bissige Bemerkungen nach Möglichkeit zu verkneifen.

    Dankbar nahm Serrana zur Kenntnis, dass sich Narcissa nicht über ihre Verlegenheit lustig machte, sondern sie stattdessen ermutigte. Vielleicht würde der geplante Besuch doch nicht ganz so katastrophal werden, wie sie es sich bereits vorgestellt hatte.


    Dann jedoch beobachtete sie mit wachsender Erstaunen Narcissas dunkelhäutige Sklavin, die schnell und routiniert etwas zusammenbaute, von dem Serrana bislang nicht einmal gewusst hatte, dass es überhaupt existierte. Bald nahm auch sie den unbekannten aber durchaus angenehmen Geruch war, der von dem Becken aufstieg und betrachtete fasziniert, wie ihre Cousine einen tiefen Zug davon nahm.


    "Was in aller Welt ist das denn?" fragte sie schließlich neugierig und schnupperte noch einmal.

    Serrana war gerade dabei, für Calliphana ein wenig zur Seite zu rücken, als die Dame, über deren spitze Bemerkung sie sich eben noch so geärgert hatte mit samt ihrer Begleiterin zu ihnen herüberkam und sich immerhin in einem gewissen Abstand im Wasser niederließ. Kurz flammte der Ärger wieder in ihr auf, aber dann dachte sie an Calvenas Worte und bemühte sich, einen betont desinteressierten Gesichtsausdruck aufzusetzen.
    Leider klappte das nur sehr kurz, denn nur paar Augenblicke später hörte sie eine bekannte Stimme in ihrem Rücken, drehte sich nach der Sprecherin um und strahlte, als sie sie erkannte.


    "Oh, Narcissa, wie schön, dass du gekommen bist!" Sie wandte sich wieder ihren Freundinnen zu. "Das ist meine Cousine Narcissa, wir haben uns gerade erst in der Casa Iunia kennengelernt und ich bin furchtbar glücklich darüber. Narcissa, das sind Caecilia Cara und Germanica Calvena, meine Freundinnen." sie wunderte sich selbst, wie leicht ihr das Wort "Freundinnen" über die Lippen kam und strahlte noch mehr.
    "Komm schnell zu uns, bevor sich noch mehr Leute aus den Nachbarbecken bei uns niederlassen und kein Platz mehr übrig ist." fügte sie dann mit einem letzten kleinen Seitenhieb auf die beiden neu hinzugekommenen Damen hinzu.

    Serrana hatte sich immer eingebildet, dank ihrer strengen Erziehung eine relativ gute Selbstbeherrschung zu besitzen, aber die Vorstellung von einer verzückten Lavinia, die sich in wilder Leidenschaft die Kleider vom Leibe riss, war einfach zu viel für sie. Es begann mit einem leisen Glucksen aber schon bald musste sie so lachen, dass ihr die Tränen kamen und ihr die Wangen herunterliefen. Aus den Augenwinkeln nahm sie wahr, dass sich an den umstehenden Tischen einige Gesichter nach ihr umdrehten, aber es gelang ihr einfach nicht aufzuhören.


    "Entschuldige bitte" sagte sie mit erstickter Stimme und hochrotem Kopf zu Calvena. "Es hört sicher gleich wieder auf" sie prustete noch einmal los.

    Serrana wurde schon wieder rot und verfluchte sich in Gedanken selbst. Ob sie noch einen Schluck Wein trinken sollte?...
    Allmählich stieg ihr der ungewohnte Alkohol schon ein wenig in den Kopf, aber er wirkte auch so herrlich entspannend.
    Ein Besuch in der Casa Decima? Serrana fand diese Idee sehr aufregend, aber nur einen Augenblick später packten sie wieder die gewohnten Selbstzweifel. Die Menschen dort waren sicherlich alle furchtbar elegant und weltgewandt, was sollte sie da überhaupt? Bei der Vorstellung, noch einmal so einen erbärmlichen Eindruck zu machen wie seinerzeit bei Livianus wurde ihr ganz schlecht. Aber mit etwas Glück hatte er dieses Zusammentreffen ohnehin längst vergessen und erinnerte sich gar nicht mehr an sie. Dann konnte sie auf eine neue Chance hoffen, zwar immer noch nicht vornehm oder besonders beeindruckend, aber doch immerhin in sauberer Kleidung und mit ordentlich frisiertem Haar.


    "Ja, das ist eine nette Idee" sagte sie dann an Narcissa gewandt. Ich komme dich sehr gern mal besuchen. Ich bin sehr gespannt darauf, mal ein anderes Haus zu sehen, vor allem wenn dort so viele Familienmitglieder wohnen."


    Dann dachte sie über Narcissas erste Frage nach. "Ehrlich gesagt krieg ich im Moment schon bei dem Gedanken an Heirat eine Gänsehaut, weil ich bei dem Wort immer an Balbus denken muss." sagte sie schaudernd. "Aber wer weiß, vielleicht treffe ich ja mal irgendwann jemanden bei dem das anders ist." Sie spielte gedankenverloren mit einer Haarsträhne. "Reich oder mächtig müsste er gar nicht sein" sagte sie dann."Das kann ich wohl auch gar nicht erwarten, schließlich habe ich selbst nicht viel mehr zu bieten als meinen Namen. "Aber es wäre schön, wenn ich mit ihm über alles reden könnte und....naja....gut aussehen darf er natürlich auch gern..." fügte sie hinzu und kicherte verlegen.


    Dann dachte sie an ihre beiden neugewonnenen Freundinnen und ihr Gesicht hellte sich auf. "Ich hab zwei ganz wundervolle junge Frauen in unserem Alter kennengelernt: Germanica Calvena und Caecilia Cara. Die würden dir sicher auch gefallen." Sie strahlte Narcissa an. "Ich will später noch mit Adula in den Thermen vorbeischauen, vielleicht sind die beiden ja auch dort. Hast du nicht Lust dorthin zu kommen?"

    "Oooh" war der einzige Kommentar, der Serrana zu Calvenas Kommentar über die Affäre ihrer Eltern einfiel. Aber dann erinnerte sie sich an eine fast vergessene Geschichte, die ihr Großvater Lento einmal im geheimen anvertraut hatte. Sie beugte sich über den Tisch vor, ergriff Calvenas Hand und wisperte leise:


    "Mach dir keine Sorgen, das werde ich ganz sicher niemandem verraten. Und weißt du...." damit wurde ihre Stimme noch ein bisschen leiser und ihre Ohren noch ein wenig röter....."meine Eltern durften nur heiraten, weil sie heimlich eine Nacht zusammen in unserer Scheune verbracht haben, und irgendein Nachbar das mitbekommen hat. Meine Großmutter hat damals fast der Schlag getroffen, weil sie meinen Vater für absolut unpassend hielt. Aber um den guten Ruf der Familie zu retten, ist ihr nichts anderes übrig geblieben, als die Hochzeit zu erlauben!" Serrana seufzte auf.


    "Das ist vermutlich auch der Grund, warum sie auf mich immer aufgepasst hat wie ein Zerberus..."

    Serrana brauchte einen kleinen Moment, bis sie Calvenas Anspielung verstanden hatte und merkte dann, dass sie rote Ohren bekam. Ihre eigenen Erfahrungen auf diesem Gebiet waren bislang gleich null und bis zum heutigen Tag waren viele andere Dinge auch wesentlich interessanter für sie gewesen.
    So war sie zwar nach wie vor ziemlich naiv, was Beziehungen zwischen Männern und Frauen betraf, aber von Natur aus auch tolerant und offenherzig und deshalb in keinster Weise von Calvenas Enthüllung schockiert.


    "Ich kann mir gut vorstellen, dass dein Vater sich in deine Mutter verliebt hat, wenn sie so war, wie du sie beschreibst." sagte sie und lächelte Calvena an. "Es klingt wirklich so, als wäre sie dir sehr ähnlich gewesen."

    Serrana lächelte als Calvena von ihren Onkeln erzählte. Sie genoss die neugewonnene und unbeaufsichtigte Freiheit in der Casa Iunia sehr, aber es wäre auch nett gewesen, einen älteren Verwandten zu haben, den man ab und zu mal um Rat fragen konnte.
    Sie sah Calvena an, die ein wenig nachdenklich das Treiben um sie herum betrachtete. Bislang hatte sie noch mit keinem Wort ihre Eltern erwähnt, und das wunderte Serrana ein wenig. Ob sie einfach fragen sollte? Serrana entschloss sich, den Versuch zu wagen. Wenn Calvena über dieses Thema nicht sprechen wollte, würde sie es ihr schon zu verstehen geben.


    "Du hast mir noch gar nichts von deiner Mutter erzählt." sagte sie dann vorsichtig und hoffte inständig, auf diese Weise nicht ihre neugewonnene Freundschaft aufs Spiel zu setzen. "Wie war sie denn so?"

    Mit einem erfreuten Blick auf die leckeren Knabbereien auf dem Tisch setzte sich auch Serrana hin und trank dankbar einen Schluck von dem verdünnten Wein. Auf Calvenas Bemerkung hin seufzte sie auf, ergriff eine der Oliven und rollte diese gedankenverloren auf dem Tisch hin und her.


    "Da hast du wohl recht. Sei froh, dass du meine Großmutter nicht kennst. Daheim in Nola haben alle Angst vor ihr, nicht nur unsere Sklaven sondern auch die Nachbarn und sogar die Duumviri. Sie ist wirklich furchtbar streng und kann sehr einschüchternd sein, wenn sie will. Ich habe wirklich nie verstanden, warum ein so freundlicher und gütiger Mann wie mein Großvater so eine Frau heiraten konnte. Aber zumindest ist mir mittlerweile klar, warum er sich immer so gern in seinem Officium aufgehalten hat und fast nur zu den Mahlzeiten rausgekommen ist...."
    Serrana kicherte. Aus der Ferne betrachtet war die ganze Geschichte fast schon lustig, und mit etwas Glück würde sie nie wieder nach Hause zurückkehren müssen.
    Dann fiel ihr auf, dass Calvena bislang nur sehr wenig über ihre eigene Familie erzählt hatte. Ob es dafür wohl einen besonderen Grund gab? Serrana sah ihre Freundin an und fragte dann behutsam:


    "Wie ist es denn bei dir? Gibt es irgendjemanden in deiner Familie, den du besonders gern magst oder mit dem du dich nicht verstehst?"

    Serrana musste bei Caras Geschichte laut lachen und sah ihre Gastgeberin dann lächelnd an. "Oje, du Arme, das war bestimmt kein schönes Erlebnis." sagte sie mitfühlend. "Ich brauchte bislang gottlob nirgendswo etwas vorzuspielen, das hätte sonst vermutlich ähnlich katastrophal geendet... Könntest du mir denn vielleicht mal etwas vorsingen? Ich habe zwar selbst kein Talent, aber ich mag Musik sehr gern"

    Serrana trat hinter Calvena an den Tisch, den diese für sie ausgewählt hatte und sah sich dabei unauffällig nach allen Seiten um. Die Taverne Apicia machte einen einladenden und gemütlichen Eindruck auf sie, und Serrana fühlte sich sofort wohl an diesem Ort. Vor allem hatte er nun gar nichts mit dem abschreckenden Sündenpfuhl gemein, vor dem ihre Großmutter sie immer gewarnt hatte. Unwilllkürlich drehte sie sich nach allen Seiten um, als könne Lavinia jeden Moment aus dem Dunkel hervorspringen, um sie für ihr unfassbares Benehmen zu bestrafen.


    "Oja, es ist sehr schön hier, und ganz anders als ich es mir vorgestellt hatte." antwortete sie lächelnd und ließ ihren Blick nun entspannt und ein wenig neugierig in alle Richtungen schweifen.

    "Das ist sehr lieb von dir, ich danke dir." Serrana sah Calvena voller Zuneigung an. Ihre neue Freundin war offenbar nicht nur hilfsbereit sondern auch großzügig und das, ohne ohne auch nur einen Moment gönnerhaft oder herablassend zu wirken. Was hatte sie nur für ein Glück gehabt! Jetzt war sie sehr froh, dass ihr die Entscheidung auf dem Markt so schwer gefallen war, denn sonst hätten Calvena und sie einander wohl kaum kennengelernt. Serrana ließ kurz den Blick über die Menge um sie herum schweifen und da fiel ihr etwas ganz anderes wieder ein.


    "Ist dir eigentlich klar, dass wir schon seit ewigen Zeiten an der selben Stelle stehen?" fragte sie Calvena und lächelte verschmitzt. "Und dabei wolltest du mir doch die Taverne zeigen" Ihr Lächeln wurde breiter und ihr Blick ging hinüber zu dem Gebäude am anderen Ende des Platzes.

    Bei Calvenas Worten lief Serrana dunkelrot an und kicherte ebenfalls.


    "Oje, ich weiß nicht..... Ich wäre ja schon froh, wenn er nicht aussieht wie ein Fisch und ich mich mit ihm auch über etwas anderes unterhalten könnte als das Wetter und die letzte Ernte...."sagte sie mit der Erinnerung an ihren ungeliebten Verehrer in der Heimat.


    "Aber vielleicht will sich ja auch niemand mit mir unterhalten. Ich hab ja nichts wirklich spannendes zu erzählen" fügte sie ein bisschen zerknirscht hinzu. Derartige Sorgen kannte Calvena sicherlich nicht. Sie war von einer geheimnisvollen Aura umgeben, die auch Serrana spürte und die die Männer vermutlich anzog wie die Fliegen.

    Mittlerweile war Serranas Laune wieder so gut und unbeschwert wie vor dem Zusammentreffen mit Decimus Verus. Vergnügt drehte sie ihren neuen Armreif hin und her und freute sich, dass sie sich dazu durchgerungen hatte ihn zu kaufen. Von jetzt an würde er ihr besonderer Glücksbringer für ihr neues Leben sein und das hatte sie auch ihrer neuen Freundin zu verdanken. Sie sah Calvena an und strahlte sie vergnügt an.


    "Wer hat denn was vom Heiraten gesagt? Ich will sie mir ja nur mal ansehen."

    Calvena hatte sich ganz allein in die Subura gewagt? Serrana war ein wenig fassungslos, bewunderte ihre Freundin aber auch für deren Mut. Sie selbst kannte die Subura nur aus den Geschichten der Sklaven in der Casa Iunia und natürlich aus den häufigen Vorträgen ihrer Großmutter. Mit dem Auspruch "................sonst wirst du früher oder später in der Subura enden" hatte so manche Ermahnung aus Lavinias Mund geendet. Was das genau bedeuten sollte, war Serrana bis heute nicht wirklich klar, aber nett war es ganz sicher nicht gemeint.


    "Oh, das klingt aber romantisch" sagte sie dann. "Vielleicht sollte ich auch einmal dort hingehen, wenn man dort so nette Männer kennenlernt." Ganz ernst meinte sie diesen Satz nicht, aber irgendwie wäre es doch ganz schön, wenn in ihrem Leben auch mal etwas aufregendes passieren würde.