Beiträge von Sextus Aurelius Lupus

    Sextus musste sich beherrschen, nicht die Hand vor den Kopf zu schlagen. Sämtlichen Respekt, den der Mann noch etwaig hätte erwarten können, verlor er, als er sich auf das Niveau der Beleidigungen der Mutter seines Gegenübers herabließ.


    Wie oft er getötet hatte? Sextus hatte keine Ahnung, kam auch auf die Definition an. Mit 14 hatte er einen Sklaven getötet, der geflohen war. Sein Vater meinte, dass er das als Mann können musste, also hatte Sextus ihm einen Dolch quer über die Kehle gezogen. War auch nicht anders als bei einem Opfertier, dasselbe rote Blut, dieselben Spritzer. Es machte Sextus nichts. Mit 19 hatte er eine Lupa getötet, die ihn ausrauben wollte, auch wenn das eher ein Unfall gewesen war, weil er seine Kraft unterschätzt hatte. Wesentlich öfter hatte er dafür gesorgt, dass jemand starb, es einfach angeordnet. Das letzte war das Kind einer Sklavin im Haus Aurelia, das er direkt nach dessen Geburt hatte aussetzen lassen, ehe es Probleme mit seiner Gattin hätte geben können, die in dem Sklaven noch einen konkurrierenden Bastard zu ihren Kindern hätte sehen können. Sextus war sich bezüglich dieser Einstellung zwar nicht sicher gewesen und hatte da auch kein Gespräch gesucht, aber sicher war sicher gewesen und Streit einfach zu vermeiden. Nur was tat das zur Sache? Ebenso wie der Krieg? Sah er aus wie ein tumber Prolet, der in den unteren Rängen diente? Der Mann vor ihm war ganz offensichtlich nicht nur nutzlos, sondern schlicht dumm.
    Sextus seufzte leicht. Das hier brachte nichts, und Sextus hatte etwas gegen Zeitverschwendung. Der Statthalter hatte nur gesagt, er solle sich um den Atier kümmern und sehen, was sich mit ihm machen ließ. Die Antwort darauf war einfach: Nichts. Also blieb nur eine Frage der Unterbringung.


    Sextus machte wieder einen Schritt zur Tür – natürlich ohne dem Mann da den Rücken zuzudrehen, der war offensichtlich blöd genug, ihn anzugreifen - und öffnete sie. Draußen standen natürlich noch immer zwei Legionäre Wache, denn entgegen des Gekeifes des Atiers hatte er nicht freien Zugang zur Castra, sondern nur unter Aufsicht und gegen den vor Iuppiter Optimus Maximus geleisteten Schwur, niemanden anzugreifen und nicht zu fliehen. Sextus würde gleich sehen, wie viel der Schwur wohl wert war. “Zwei Contubernia Milites hierher, jetzt“ befahl er einfach trocken und wartete neben der geöffneten Tür, ohne was zu dem Atier noch zu sagen. Den Mann konnte er definitiv nicht mehr ernst nehmen.



    Sim-Off:

    Erster Absatz aufgrund eines berechtigten Einwandes bezüglich schlechten Stils editiert. Tut mir leid, kommt nicht wieder vor.

    Im Gegensatz zu dem sich versammelnden Militär hatte Sextus nicht seine Rüstung an. Im Moment war er angetan in seinem Talar als Haruspex, mit einfacher Tunika und darüberhängendem Ledermantel aus der Haut eines geopferten Tieres. Hier in Mogontiacum war dies gar nicht so einfach aufzutreiben gewesen, aber was sein musste, musste eben sein. Noch schwieriger war der Hut gewesen. Jemanden ausfindig zu machen, der die spitze und feste Hutform bauen konnte, war hier in barbarischen Gefilden fast ein Ding der Unmöglichkeit. Der Lituus war dagegen schon fast einfach gewesen. Holz mittels Dampf zu verbiegen war hier nicht gänzlich unbekannt, auch wenn der Handwerker etwas dumm geschaut hatte, als Sextus erklärte, was er wollte.
    Und so stand er da in seiner Tracht, die sich in den nächsten Jahrhunderten noch so sehr in den Köpfen der Menschen als Aussehen einer religiösen Obrigkeit und weisen Mannes festfressen würde, dass selbst eine Sekte, die sämtliche etruskischen Schriften auf Scheiterhaufen verbrennen würden, um ihren Einfluss auf die Menschen zu tilgen, dennoch ihre höchsten Priester, die sie Bischöfe nennen würden, genau so ausstaffieren würden.


    Aber all das konnte Sextus nicht wissen, als er da stand und seinen Blick über das sich versammelnde Heer schweifen ließ. Lustig, dass der Annaeer erst jetzt Haruspizien einholen wollte. Würde Sextus jetzt sagen, dass die Zeichen schlecht stünden, konnten sie alle nach Hause gehen. Jeder einzelne von ihnen, einfach so. Ein Wort von Sextus genügte. Und er war sich nicht sicher, ob er es nicht einfach tun sollte, nachdem der Annaeus seine Macht derart überschätzte. Hatte er schon bei der unsäglichen Besprechung getan, und Sextus verspürte einen erheblichen Widerwillen, sich von diesem Mann benutzen zu lassen. Und gäbe es auch nur die Chance zu einer Alternative zur jetzigen Situation für ihn, Sextus hätte es ernsthaft getan, einzig, um diesem Einfaltspinsel auf seinem Pferd seine Grenzen aufzuzeigen. Und dem Claudier nebendran gleich mit. Nur leider hatte er im Moment keine Wahl, wollte er wenigstens die Chance haben, nach Rom zurückzukehren.
    Und so wartete er, bis die Sonne aufgegangen war. Culsans, den die Römer als Ianus kannten, musste nach den Regeln erst die Himmelsgewölbe des Tages öffnen, so dass er für den Tag daraus lesen konnte. Und Sextus war mehr als froh, dass es nicht regnete oder gar stürmte. Blitze wären äußerst ungünstig, wenn auch sehr interpretierbar. Doch nicht umsonst durfte in Rom kein Gremium tagen – selbst der Senat nicht – wenn Iuppiter draußen Blitze schleuderte.
    Er wartete auch noch, als Ruhe in die Mannschaften eingekehrt war und auch, als der Annaeer zu ihm herüber sah. Er könnte zwar anfangen, aber so viel gestand er der Situation dann doch zu, alle etwas warten zu lassen, um den 'rechten' Zeitpunkt abzupassen. Überhaupt fand er die Aufmerksamkeit hier überhaupt nicht der religiösen Sitte entsprechend. Während in Rom praktisch keine Handlung ohne religiöse Handlung vollzogen werden konnte, jede Magistratur ihrem Sinn nach ein religiöses Ritual war, um den Frieden mit den Göttern zu sichern, jeder Magistrat für eben jenen verantwortlich war und in der Öffentlichkeit auch stets die rechten Opfer zur rechten Zeit vorzuweisen hatte, interessierte sich hier im fernen Barbaricum keine Sau für die Götter. Sextus sah nur die Legionen, die auf ihren Abmarsch warteten, aber kein Interesse seitens der Stadtbevölkerung. Und auch die Legionen waren nur da der Form halber. Wahrscheinlich könnte Sextus auch ein lapidares 'Jo, stapfen wir mal los' einfach in den Raum werfen, hätte vermutlich bei diesen nefarischen Gemütern dieselbe Wirkung.


    Erst, als die Sonne schon eine Handbreit über den Horizont gewandert war, trat Sextus schließlich vor auf das errichtete Podest, den Stab in der rechten Hand haltend, und stellte ihn mit einem hörbaren PONG auf das Holz ab. Auf etruskisch sagte er die alten Formeln, wohl wissend, dass niemand hier ihn verstehen würde, wenn er in dieser Sprache redete. Allerdings verlangte es so das Ritual. Sein Blick war exakt nach Süden ausgerichtet – etwas, auf das Sextus beim Bau des Podestes und des Altares mehrfach hingewiesen hatte. Im Grunde bedeutete die Formel nicht viel mehr als 'Hier ist meine Front, und hier ist mein Rücken, dort ist meine linke Seite, und dort meine rechte Seite', aber sie legte damit exakt einen Raum fest, definierte einen Ort und teilte ihn ein, machte ihn für die Dauer des Rituales heilig und besonders und lenkte die Aufmerksamkeit der Götter auf eben diesen Bereich, in dessen Zentrum der Haruspex stand.
    Sextus ließ die Stille sich einen Moment ausdehnen, beobachtete den Himmel, ob sich hier spontane Zeichen ergeben würden. Ein Schwarm Raben wäre jetzt sehr ungünstig gewesen, denn soviel wussten wohl sogar diese Barbaren, dass das ein schlechtes Zeichen war. Aber die obligatorische Minute blieb alles ruhig, so dass die Eingeweideschau beginnen konnte.


    “Ich bitte die Götter, ihren Willen kund zu tun. Wir Sterbliche sind nichts ohne eure Führung und erbitten Einblick in euren Plan, ob unser Marsch auch vor eurer göttlichen Ordnung sein Wohlwollen findet!“ Diesmal auf dem gemeinen Latein, das hier jeder sprechen sollte. Wenigstens ein bisschen was sollten die Legionen auch verstehen, selbst wenn es sie nicht interessierte.


    Die Ministri brachten das vorbereitete Schaf vor zum Podest, so dass die Männer es sehen konnten. Sextus warf nur kurz einen Blick auf das Tier. Wenigstens scheren hätten sie es können, schoss ihm durch den Kopf, als er das Tier sah. Sie hatten das weißeste und fluffeligste Schaf von allen ausgesucht, mit weißen Wolllöckchen und großen, dunklen Augen, die treuherzig zu ihm hochschauten. Sicher ein angemessenes Opfer, die Götter freuten sich auch über ein flauschiges Vollwatte-Mäh. Aber so plüschig, wie das Ding war, gab das gleich eine Sauerei...
    “Ich weihe euch dieses Schaf, oh göttliche Lenker, auf dass ihr uns teilhaben lasst an eurem Plan!“
    Das Schaf bekam etwas Wein über den Kopf gegossen in Ermangelung von Mola Salsa und wurde somit den Göttern geweiht. Danach machte sich auch schon der Schlachter ans Werk. Den treudoofen Blick ignorierend schnitt er dem Schaf kurzerhand die Kehle durch, so dass das Blut geradezu spritzte. Die weiße Wolle färbte sich den Hals und Bauch hinunter rot, während das Tier zuckend zusammenbrach. Seine Bauchdecke wurde geöffnet – und Sextus behielt recht, dass die viele Wolle die Sauerei nur verschlimmerte – und die Leber wurde vom Schlachter herausgeholt und auf eine goldene Patera gelegt, die einer der Ministri ihm anreichte. Sextus nahm das noch warme und blutige Organ in die Hand und fing an, die einzelnen Strukturen eingehend zu betrachten, die einzelnen Häuser der Götter mit den Fingern nach Verknotungen abzutasten oder andere Auffälligkeiten in Augenschein zu nehmen. Nicht, dass diese etwas an seinem Urteil ändern würden, aber zum einen musste der Schein gewahrt werden, und zum anderen war es auch nicht ganz uninteressant, als einziger zu wissen, was die Götter denn wirklich von der ganzen Sache hielten.

    Der Plan war eigentlich, dass die Küche nicht brannte. “Bislang kamen wir nie in Verlegenheit, es auszutesten. Das Wasser müsste genügen, im Stall gibt es auch genügend Eimer. Außerdem Besen und Decken, um ein Feuer auszuschlagen. Und die meisten Bestandteile des Hauses sind aus Stein oder mit Terracotta oder Steinputz versehen, so dass sie nicht so schnell brennen sollten. Von den Nachbarhäusern ist es auch weit genug entfernt, so dass ein Feuer nicht überspringen sollte.“
    Ein Sklavenjunge trat aus dem Inneren des Hauses auf den Hof und schaute sich interessiert um. Vor allem schaute er zu den noch immer vor sich hinbrummenden Hunden hinüber. Kurz zögerte er, als er den Magister erblickte, aber dann sprach er doch. “Der Dominus lässt fragen, warum die Hunde so einen Krach gemacht haben.“
    Der Ianitor sah kurz unsicher zu dem Magister, ehe er dem Jungen antwortete. “Dann sag Senator Aurelius, dass der Magister Petronius eine Brandschutzkontrolle durchführt und die Hunde deshalb gebellt haben. Sie werden ihn nicht wieder stören.“
    Der Junge nickte eifrig, warf dem Petronier noch einen grinsenden Blick zu, und verschwand dann wieder ins Hausinnere, um Meldung zu machen.
    Sein Kollege draußen hingegen versuchte, die Situation zu überspielen und einfach unbefangen weiterzumachen. “Hast du sonst noch Fragen, Magister?

    Sextus musste nicht fragen, wer den Kaiser ermordet hatte. Er wusste es ziemlich genau. Nungut, nicht den Namen, aber was interessierte ihn auch der unbedeutende Name eines noch unbedeutenderen Handlangers? Doch so langsam neigte sich seine Geduld dennoch ihrem Ende zu. Was bildete der Atier sich ein, wer er war? Und was glaubte er, was er tun konnte? Sich wie Hercules seinen Weg durch das komplette Lager bahnen? Unbewaffnet wie er war kam er noch nicht einmal an Sextus vorbei, wenn der das nicht wollte. Und Sextus wollte sicher nicht.
    Seine Hand legte sich auf den Griff seines Kurzschwertes, mit eindeutiger Botschaft an den Atier. Er machte sich auch nicht länger die Mühe, zu lächeln und nett zu tun. Sie waren hier ja nicht im Circus. “Wenn du nicht sofort dich wie ein Mann benimmst anstelle eines kläffenden Köters, werde ich dich wie einen Hund behandeln. Droh mir noch ein mal, und ich werde dieses Gespräch mit dem Befehl beenden, dich in die dunkelste und feuchteste Zelle zu einem Lepra-Kranken zu stecken. Wir sind im Krieg und du ein Gefangener. Also drohe mir noch ein mal, und ich sehe deine Nützlichkeit als erschöpft an.“

    “Der Legat könnte bestätigen, dass der Legatus Augusti mich auf der soeben erfolgten Besprechung zu eben jenem erklärt hat. Allerdings denke ich nicht, dass diese Sache wichtig genug ist, um ihn dafür zu stören.“ Sein Tribunenclub-Ausweiskärtchen hatte Sextus wohl leider in der anderen Rüstung vergessen. “Ich denke, das mit der Gebühr geht so in Ordnung, Optio. Wenn es überflüssig sein sollte, sieh es als Beitrag für die Sterbekasse der Legion.“ Und da ein Krieg bevorstand, würde die wohl in vielen Fällen an die Hinterbliebenen ausbezahlt werden.

    Und schon kamen die nächsten an. Sextus kam aus den Gefälligkeitsaussagen scheinbar heute wohl nicht wieder heraus. Würde er doch einmal in Rom solchen Status innehaben wie hier während der letzten halben Stunde, sein Tablinum wäre jeden Morgen mit Klienten vollgestopft. Wobei das ja noch kommen konnte, sobald sie diesen Krieg gewonnen hatten. Sollten sie verlieren, musste sich Sextus auch keine Gedanken mehr um derlei Vorstellungen machen, denn dann war er ein sehr toter Senator.


    So also unterbrach er sein Gespräch mit dem Princeps Prior des Legaten – es gab ohnehin wohl kaum seichtere Themen als das Wetter – und wandte sich den Neulingen zu. Moment... stutzte er kurz, als er die Namen hörte. Sextus war mit einem sehr guten Gedächtnis gesegnet, mit welchem er jede Information abzuspeichern sich mühte, und so war er auch sicher, zumindest einen Namen schon zu kennen. Magonidas hieß doch der Händler, der ihn zu einem Essen einladen wollte? Folglich war der Petronier, der sich als dessen Patron vorstellte, auch ein Teil dieser Feiergesellschaft gewesen – zumindest, sofern der Klient als solcher was taugte. Es schien, als würden die Parzen wollen, dass er auf diese Personen hier traf, warum auch immer.
    Bei der Vorstellung übernahm Duccius Marsus auch gleich wieder die Führungsrolle und lieferte einige nützliche weitere Details hinzu. Veteran – womit Sextus bei seiner Vermutung bezüglich der möglichen Anwesenheit des Petroniers bei einer eventuellen Feier recht behielt – der Legio, und den Namen der Tochter.
    “Oh nein, Petronius, ich bin es, der geehrt ist. Mogontiacum heißt mich mehr als freundlich willkommen. Und auch, wenn man uns Patriziern und Senatoren im besonderen gerne nachsagt, dass sie die Soldaten des Reiches nicht genügend würdigen, kann ich dir versichern, dass ich mich geehrt fühle, einen Mann kennen zu lernen, der für die Sicherung den Imperiums seine Pflicht erfüllt und zweifellos Ehre errungen hat. Rom wäre nicht das, was es heute ist, gäbe es nicht die Männer der Legionen.“ Sextus brachte diesen ganzen Schmonzenz über seine Lippen, als würde es seiner tiefsten Überzeugung genau so entsprechen. Sein Rhetorik-Lehrer wäre stolz auf ihn. Wäre es nicht unehrenhaft, er wäre ein mehr als passabler Schauspieler. Beinahe schade, dass nichts von dem Gesagten stimmte.


    Auch der andere Mann bekam eine freundliche Erwiderung auf den kurzen Gruß. Und Sextus war dankbar für sein Namensgedächtnis. “Auch ist es mir eine Freude, dich kennen zu lernen, Magister Magonidas. Nachdem ich aus Zeitgründen deine Einladung leider ausschlagen musste, hatte ich schon fast befürchtet, dass mir das Vergnügen, dich kennen zu lernen, versagt bleiben muss. Aber scheinbar gehört dies zu den durch die göttliche Vorsehung geordneten Ereignissen. Und ich sollte es wissen, ich bin Haruspex.“ Der letzte Satz hatte eindeutig scherzhaften Charakter.
    Nachdem also die Pflicht bezüglich der Begrüßungen erledigt war, kam jetzt die Kür. Auch wenn ihre Väter häßliche, alte Knacker waren, die Töchter hatten wohl den Göttern sei dank das gute Aussehen ihrer Mütter geerbt. Die Petronia errötete sogar ganz leicht, während die Peregrina – als Nicaea vorgestellt – komplett rot wurde, und das bei einem einfachen Handkuss. Sextus Lächeln wurde wölfischer. Ob die beiden auch unter anderen, intimeren Umständen erröteten? Oder war die Schüchternheit nur eine Oberfläche, unter deren Tiefen ein Hai auf Beute lauerte? Ein kleines Detektivspiel, das Sextus im Grunde sehr gerne und mehr als bereitwillig spielte.
    “Aber verzeiht, meine Herren, wenn ich nun zunächst die Damen begrüßen muss.“ Sein Blick war bereits auf die beiden Grazien gerichtet, als er sich ihnen zuwandte. “Ich bin in tiefstem Maße verzückt, meine Damen. Nie brachte Flora liebreizendere Blüten hervor als am heutigen Tag, scheint es mir. Petronia...“ wandte er sich zunächst an die im Rang höhere. Allerdings verzichtete er auf einen Handkuss. Zum einen, weil man nichts anfasste, an dem ein anderer Kerl schon geleckt hatte (und mit fünf Brüdern kam so etwas häufiger vor, als man zählen konnte, vor allem wenn es um süßes Gebäck oder andere Delikatessen ging), und zum anderen, weil ihr Vater direkt daneben stand und er nicht wie ein Barbar etwas antatschen wollte, was einem anderen gehörte. Dem Vater, nicht dem Duccius. “... ich würde gern nun Vergleiche deiner Schönheit mit der von Rosen oder Orchideen ziehen, aber ich fürchte, sie würden deiner allesamt nicht gerecht. Eine solch graziöse Erscheinung findet man wohl nicht in einem Garten, höchstens dem der Hesperiden.“
    Die Peregrina hingegen war da schon eher im Bereich des Freiwildes. Und damit um einiges interessanter in Sextus ureigendsten Beutehierarchie. Immerhin gab es bei sowas keine rechtlichen Mittel eines Vaters, außerdem waren peregrine Mädels wahrliche Wiesel in den Laken, während Römerinnen selbst dann noch krankhaft um ihre Haltung bemüht waren. Zumindest sehr viele.
    “Nicaea...“ wiederholte Sextus den Namen einmal langsam, fast beschwörend, und trat einen Schritt näher zu ihr. Da sie zu Boden sah, nahm Sextus seine Hand und legte einen Finger sanft unter ihr Kinn, um ihren Blick emporzubewegen. “Die Siegreiche... wer einen solch stolzen Namen trägt, sollte nicht zu Boden blicken. Vor allen Dingen nicht, wenn die Frau die Schönheit der Sterne in sich trägt. Und Sterne erstrahlen immer von dem ihnen gebührenden Platz: Hoch erhoben.“
    Sextus ließ seinen Blick einen Moment länger auf ihr verharren, aber nicht so lange, um Einwendungen des Vaters heraufzubeschwören, oder um als unzivilisierter Barbar zu gelten, der seinen Trieben folgte. Daher galt es, die Konversation mit den Vätern wieder aufzunehmen, ehe die Situation ins Ungebührliche schwenkte.
    “Meine Herren, ich weiß nicht, ob ich euch um eure Töchter beneiden soll oder nicht. Bei derart von den Göttern gesegneten Kindern ist es sicher nicht leicht, die nötige Wachsamkeit jeden Tag zu zeigen, um die vielen Bewunderer ihrer Schönheit abzuwehren.“

    Zum Glück waren die Räumlichkeiten der Academia nicht weiter schwer zu finden. Sextus betrat den Raum und stellte sich dem diensthabenden Optio vor. “Sextus Aurelius Lupus, Tribun des Legatus Augustus pro Praetore. Ich bin hier, um das Examen Primum abzulegen. Hier ist die Anmeldegebühr“, überreichte Sextus ein Beutelchen mit einer der abgezählten Menge an Münzen – für die leichtere Tragbarkeit in Aurei – an den Optio.

    Im Schlepptau des sehr schweigsamen Claudiers kam Sextus schließlich beim Castell an. Er hatte noch überlegt, eine Konversation zu suchen, sogar auf die Sache mit Menecrates... Enkel? Neffen? Verwandten unspezifischer Herkunft einzugehen und sich sowas ähnliches wie zu entschuldigen. Sogar schwebte durch Sextus Gedankenwelt kurzzeitig die Idee, eine Ehe zwischen einer Claudia und ihm, wo er doch nun verwitwet war, in Aussicht zu stellen. Allerdings war der Kommentar des Claudius und sein Gesichtsausdruck doch deutlich genug gewesen, so dass Sextus davon bisweilen Abstand nahm. Vermutlich musste er denn Mann einfach in Ruhe lassen, bis der sich an den Gedanken gewöhnt hatte, einen Aurelius in seiner Nähe zu haben. Auch wenn Sextus bezweifelte, dass diese Gewöhnung irgend etwas an der Einstellung des Legaten ihm gegenüber ändern würde. Andererseits: Wer waren schon die Claudier? Sollten sie verlieren, war eine gute Verbindung zu ihnen absolut obsolet. Und sollten sie gewinnen, hatte Sextus wohl selbst ausreichend Macht um Einfluss, um nicht auf die Claudier angewiesen zu sein. Dann konnte er unter den Töchtern der Nobilitas die ihm nützlichste wählen.


    Und so schwieg auch er den Weg über, ließ sich von den Wachen am Tor seine Waffen brav abnehmen und folgte dem ihn durchwinkenden Claudier* in das Castell der zweiten Legion. Was tat man nicht alles für einen Fetzen Papyrus?



    Sim-Off:

    *Ist so mit Menecrates abgesprochen

    Der Ianitor nickte einfach als Antwort. “Ja, ist sie. Das Nymphaeum wird hingegen aus einer Zysterne gespeist, die auf dem Grundstück liegt. Deshalb ist die Wassermenge auch nicht so ergiebig. Sie ist recht klein.“ Oder blieb in heißen Sommern auch schon einmal ganz aus, was zu feierlichen Anlässen – welche es zugegebenermaßen in den letzten Jahren keine gab – dazu geführt hatte, dass besagte Zysterne von Sklavenhand wieder aufgefüllt worden war. Eine elende Plackerei.
    Hast du noch weitere Fragen hierzu, oder darf ich dich zum Hypocauston führen?“, fragte der Ianitor höflich weiter den jungen Mann. Er wollte nicht so erscheinen, als wolle er den Magister schnellstmöglich loswerden, aber im Grunde wollte er genau das. So eine Inspektion war etwas anderes als eine einfache Hausführung, vor allem, wenn der Hausherr sich seines Gastes nicht bewusst war.

    “Gerne. Wenn du mir folgen möchtest?“ Der Ianitor ging also weiter durch die hintere Tür der Küche, die hinaus aus dem Haus in den Hof führte. “Vorsicht, Stufen“, warnte der Ianitor noch freundlich, als er die Treppe hinab betrat.


    Der Hof befand sich räumlich gesehen als abgeschlossener Teil seitlich an der Villa und schirmte so den daran angeschlossenen Garten ebenfalls noch einmal zur Stadt hin ab. In Richtung des Ziergartens fand sich auch ein kleines Gemüsebeet, das die Köchin dort wohl angelegt hatte, um Kräuter und einfache Gemüsesorten selbst zu ziehen. Der Hof selbst war mit feinen Granitsteinen gepflastert, die in kreisförmigen Mustern angelegt waren. Rechterhand schloss sich auch gleich der Stall an, wo neben den Reittieren der momentanen Hausbewohner auch der Arbeitsesel und ein wenig hauseigenes Kleinvieh wie Hühner, Gänse und Kaninchen ihren Platz fanden. Direkt daran angeschlossen der große Zwinger der Hunde, die den Neuankömmling in 'ihrem' Hof auch gleich laut anschlagend vermeldeten und sich in die Ketten, die sie hielten, warfen. Es waren scharfe Wachhunde, keine Schoßtiere. Und auch das “FINIS! PROCUMBETE!“ des Ianitors sorgte nicht sofort für Ruhe. Zwar legten sich die großen Tiere wie befohlen nieder, aber ein tiefes Grollen in der Kehle blieb bestehen. “Verzeih, Magister. Ich hatte nicht an die Hunde gedacht. Wenn sie dich stören, kann ich den Hundeführer rufen, dass er sie aus dem Hof entfernt.“
    Der Brunnen befand sich nah zum Eingang der Küche, fast ein wenig unscheinbar im Vergleich zu dem ganzen Bauwerk. Ein einfaches Brunnenhaus, gemauerter Stein, in dessen Inneren ein Löwenkopf beständig Wasser in ein kleines Becken spie. “Hier ist der Brunnen für die Küche und die Wasserversorgung des Hauses. Im Garten befindet sich noch ein dekorativer gestaltetes Nymphaeum, dessen Wassermenge allerdings nicht so ergiebig ist wie die dieses Brunnens und neben der Verehrung der Nymphen – natürlich – eher optischen Belangen dient.“

    Eigentlich hatte Sextus nichts dergleichen gesagt und den Statthalter nur insofern erwähnt, als dass der ihn zum Tribun gemacht hatte. Woher auch immer der Atier seine gedankenleserisch hoch begabten Informationen schloss, es war Sextus auch gleichgültig. Sollte sich der Mann doch an den Annaeer wenden, solange er nur seine Lektion gelernt hatte und fortan wieder auf Spur war.
    Nachdem der eine Atier also endlich aus seinem Blickfeld verschwunden war, hörte sich Sextus ungerührt den Ausbruch des anderen an. Unzureichendes Verhalten lag hierbei wohl wirklich in der Familie.


    “Und welcher Art waren deine Befehle, Decurio? Wenn du fragst, was dir vorgeworfen wird, musst du dir nur die Ereignisse ansehen. Findest du es nicht ein klein wenig auffällig, dass ein Prätorianer aus Rom hier in Germania auftaucht, Fragen stellt, um die Lage der Provinz und die Einstellung der Legionsführer zum Kaiser und dessen Stellvertreter in Rom zu erkunden, Berichte an Rom schickt... ? Und nur ein paar Wochen später ist der Kaiser mitsamt seinem Sohn tot, besagter Stellvertreter macht sich selbst zum Imperator und die von dir befragten Leute finden sich auf einer Proskriptionsliste wieder. War sicher ein sehr großer Zufall das ganze.“ Der letzte Satz war eindeutig als sarkastisch auszumachen und beinhaltete die implizite Frage, wie er diese Zusammenhänge denn erklären würde. Auch wenn Sextus ja um einige Zusammenhänge mehr wusste als der Atier vor ihm, sogar um einige mehr als Claudius Menecrates oder Annaeus Modestus. Doch die Situation bot sich geradezu an, wieder ein paar neue Wahrheiten mehr zu streuen.

    Der Ianitor schaute kurz ein wenig unsicher. Sowohl die Wand als auch der Herd daran standen immerhin schon eine ganze Weile. “Die Wand ist aus Stein und Feinsteinputz, Die Decke... Der Hauptteil der Decke ist aus Holz, mit Terracotta verkleidet und geputzt. Das Gesims hier direkt an der Wand sollte noch Stein sein. In jedem Fall, wie du selbst sehen kannst, ist hier auch Feinsteinputz aufgetragen.“ Brennen sollte das nicht. Hatte es bislang ja auch nie, auch wenn mal eine Stichflamme aus dem Herd geschossen war.

    Sim-Off:

    Eigentlich wollte ich Scarpus noch Gelegenheit zum Editieren geben, aber na gut, machen wir so weiter.


    Gut, hier lag die Dummheit vielleicht auch doch in der Familie. Es war ja schon beinahe amüsant, wie die beiden sich aufzuplustern versuchten. Fakt war nur: Er war im Rang höher als beide. Und es war vollkommen gleichgültig, von welcher Einheit er war. Sie waren hier gerade in seiner Einheit, mit Soldaten, die ihm untergeben waren, und das eindeutig nicht als Gäste. Zumindest in einem Fall. Und sie hatten Krieg, gegen den römischen Kaiser. Wollte der Atier da Klage einreichen, weil Sextus nicht den Dienstweg gegangen war? Noch dazu, wo er einen schriftlichen Befehl in der Tasche hatte, der genau bezeugte, dass alle seine Befehle so auszuführen wären, als kämen sie vom Legaten selbst? Witzig.
    “Ich denke, wir erhöhen auf sieben Schläge mit dem Stock. Und ein weiteres Wort, Atius, und es ist die Peitsche.“ Sextus hatte nicht vor, zu verhandeln. Nicht einmal ansatzweise. “Und jetzt abführen, bevor ich mir andere Maßnahmen ausdenke.“ Das letzte galt dem Legionär, der dann auch den Atier mit nach draußen erst einmal nahm.


    Die Drohung von Romanus hingegen nahm Sextus eher ruhig zur Kenntnis. Romanus war Gefangener, Sextus war Kommandant. Romanus war unbewaffnet, Sextus nicht. Und selbst wenn der Atier durch absolut unglaubliche Fähigkeiten einem deus ex machina gleich es schaffen sollte, Sextus anzugreifen, standen draußen eine ganze Cohorte, deren Loyalität recht eindeutig verteilt war in diesem Fall. Sextus hatte es da gar nicht nötig, zu drohen.
    “Wäre ich wegen deinem Vetter unterwegs, was sollte ich dann hier machen? Und wie du es schon sehr richtig siehst, Decurio Atius, du bist hier gefangen. Von daher interessiert mich dein persönlicher Frieden gerade reichlich wenig. Du solltest dir der Gnade bewusst sein, nicht in einem feuchten Kerker irgendwo unter der Erde zu verrotten.“ Witzig, dass er gerade einen in die Ecke getriebenen Wolf anführte, hieß Lupus doch nichts anderes als Wolf. Auch wenn Sextus sich ganz und gar nicht in eine Ecke getrieben fühlte.
    “Und was die Ermordung des Kaisers angeht, da suchst du an der völlig falschen Stelle. Was hat dich dazu gebracht, ausgerechnet in Germania nach den Mördern von Valerianus zu suchen?“ Erst mal ein wenig Frage-und-Antwort-Spiel auf der Suche nach ein paar Informationen, mit denen Sextus vielleicht etwas anfangen konnte. Immerhin oblag ihm jetzt erst einmal die Entscheidung, was sie mit diesem Gefangenen für die Dauer des Feldzuges machen sollten. Im Moment war Sextus ja dafür, ein schön feuchtes, modriges Loch zu suchen und ihn darin anzuketten, wobei auch andere Optionen noch im Raum waren. Vielleicht war der Kerl ja wider Erwarten zu irgendwas nütze.

    Das hieß dann wohl, keine Münze aus Lugdunum. Nun denn, solange sich dieses Heer endlich auf den Weg machen würde, war es zumindest eine bessere Aussicht, als nur mit einer Legion in Mantua zu stehen. Wenngleich Sextus bei der sich nun ergebenden Konstellation mehr Probleme als Lösungen aufkommen sah. Die Chancen, den Krieg zu gewinnen, standen seines Erachtens nach äußerst schlecht, und würden sich weiter verschlechtern, wenn Annaeus mit seinem Vetter Ursus als Gleichberechtigtem das Kommando würde teilen müssen. Ein Grund mehr für Sextus, sich um eigene Pläne Gedanken zu machen, denn er wollte seinen Kopf gerne auf seinen Schultern belassen wissen.
    Hier und jetzt allerdings gab es keinen Blumentopf mehr zu gewinnen. Der Annaeus hatte die Besprechung für beendet erklärt, also blieb nicht viel mehr, als einmal kurz zu grüßen und sich mit den Begebenheiten zu arrangieren. Vorerst.


    Da sie abtreten sollten, wandte Sextus sich auch im Plauderton nun noch einmal an den Claudius. Dessen Abneigung ihm gegenüber war zwar kaum zu übersehen, dennoch erforderte die gegenwärtige Situation eine erneute Kontaktaufnahme.
    “Wenn du gestattest, Claudius, schließe ich mich dir dann sofort auf dem Weg ins Castell an, um das Hindernis mit den Prüfungen heute noch aus dem Weg zu schaffen.“ Die Zeit war wahrlich knapp.

    Der Prätorianer konnte vernünftig grüßen, was von seinem Vetter nicht zu behaupten war. Sextus hatte ja aufgrund seiner Begegnung mit Terentius Primus schon den Zustand der Ala befürchtet, dass der Dienst unter einem furiosus allerdings derartige Blüten trieb, hatte er dann doch nicht erwartet. Der Kerl grinste einfach vor sich hin und fand das ganze hier amüsant. Nun, Sextus würde dafür sorgen, dass er sich der römischen Disziplin wieder erinnerte. Der Umgang mit Wilden, Barbaren und Verrückten schien den Atier in dieser Beziehung zu leichtfertig zu machen. Und wenn Sextus eine Sache nicht leiden konnte, dann war das despektierliches Verhalten.
    “Ich habe mein Kommen auch nicht angekündigt“, meinte er nur schlicht auf die Ansage des Prätorianers. Warum sollte er das auch machen? Er war ranghöher und der Prätorianer war ein Gefangener, welchen Sinn sollte es machen, sich da anzumelden, als müsse man um Erlaubnis fragen? Das hier war das Militär, nicht der Knuddelclub gelangweilter Hausfrauen. Da führte man Befehle aus und schloss keine Kompromisse.


    Sextus – der sich im Übrigen nicht in Richtung des Gartens bewegte, sondern noch immer an derselben Stelle stand, wie schon zu Beginn des Gespräches – beschloss also, die beiden daran zu erinnern und auch gleich klar zu machen, dass er nicht hier war, um irgendwelche Kompromisse zu schließen, die möglichst angenehm für seinen 'Gast' sein sollten. “Bei den Prätorianern lernt man offensichtlich noch die militärischen Gepflogenheiten. Du siehst, Atius Romanus, hier unter Barbaren verlernt man vernünftiges Verhalten. Aber ich denke, ich kann deinem Vetter helfen, es zu lernen.“
    Die Tür war ja nicht weit, er war im Grunde ja nur in das Haus eingetreten, und so waren es auch nur wenige Schritte, um die Haustür aufzureißen und einen Befehl zu brüllen.
    “DU! Antreten!“ Der angesprochene Legionär kam sofort herbei und grüßte.
    Sextus winkte den Legionär hinter sich her zu den beiden Atiern. “Decurio Atius Scarpus hat vergessen, wie man vernünftig grüßt. Bring ihn zum Optio, damit er es ihm noch einmal beibringt. Ich denke, fünf Stockschläge sollten fürs Erste reichen, um sein Gedächtnis anzuregen. Sollte er danach noch immer nicht eine militärisch angemessene Haltung annehmen können, soll der Optio die Prozedur wiederholen, bis er es kann.“ Jetzt lächelte Sextus zu dem Atier zurück. Bestimmt fand er die Situation jetzt nicht mehr so belustigend und erinnerte sich wieder besser an die militärischen Dienstränge.
    Der Legionär grüßte noch einmal zum Zeichen, dass er den Befehl verstanden hatte, und wartete dann auf den Atier, um ihn zum Optio zu führen, damit er seine Bestrafung annehmen konnte.


    Sextus wartete ruhig auf den Weggang von Scarpus, ehe er sich weiter mit dessen Vetter unterhalten wollte. Vielleicht nicht der diplomatischste Start in ein Gespräch, aber Sextus ließ sich nicht auf diese Art und Weise von Untergebenen ansprechen. Das hier war nicht „wünsch dir was“, das hier war „so ist es!“

    Ungerührt schnippelten Sklavin und Köchin weiter, während der Magister sich in der Küche leicht umsah. Sie hatten eher mit Fragen zum Herd gerechnet, oder sonstiges, was man sich eben unter Brandschutz so vorstellen konnte. Allerdings war die Frage, die der junge Mann dann stellte, doch eher weit weg von Feuerbekämpfungsmaßnahmen.
    “Ja, Senator Aurelius ist im Haus zugegen. Allerdings betritt er eher selten die Küche. Im Moment befindet er sich im Tablinum“, antwortete der Ianitor gutmütig. Der junge Bursche wirkte etwas nervös. Fast ein wenig, als wäre die Brandschutzkontrolle nur ein vorgeschobener Vorwand, da er so gar nichts in diese Richtung fragte.
    “Der Brunnen ist hinter der Küche im Hof. Durch diese Tür da drüben geht es in den Keller zum Hypocauston unter dem Balneum. Möchtest du dir diese ansehen?“ half er daher dem Petronier ein wenig weiter, damit er nicht gar so verloren wirkte.

    Nicht wie erwartet ein Mann kam zu Sextus, sondern derer ganze zwei, plus noch eine Sklavin, die wohl fälschlicherweise angenommen hatte, dass ihre Anwesenheit hier erwünscht sei. Doch damit nicht genug, gab der Atier, der dankbarerweise sowohl sich als auch den zweiten Mann vorstellte, sich jovial als Hausherr und lud Sextus auch noch in den Garten ein, bot ihm etwas zu trinken an, als wäre er hier Hausherr und nicht ein unter Arrest gestellter Gefangener, dessen Kopf nur deshalb auf seinen Schultern noch ruhte, weil der Legat ihn bisweilen lebend als nützlicher eingeschätzt hatte.
    Ein Missverständnis, das Sextus aufzuklären gedachte.


    Und so war es nun an ihm zu lächeln, in einer Art und weise, die seinem namensgebenden Tier gerecht wurde, ehe er sich weit weniger gastlich und mit eiserner Nüchternheit in der Stimme an die beiden Atier wandte. “Und ich bin Senator Sextus Aurelius Lupus, durch den Willen des Statthalters hier Tribun des Numerus Singularium.“ Das Lächeln blieb noch gerade lange genug, um damit den beiden hier klar zu machen, wie weit im Rang er über ihnen stand. Er war Patrizier, Senator und hatte einen militärischen Rang, der über den ihren lag. Vielleicht brachte das die beiden dazu, Haltung anzunehmen, und wischte gleichzeitig das gastliche Grinsen von ihren Gesichtern.
    Seine Miene wurde ernst. “Und genau genommen seid ihr damit in meinem Haus.“ Allerdings erwähnte er nichts von dem Wort 'Gäste'. Mit einem kurzen Ruck des Kopfes gab Sextus der Sklavin zu verstehen, dass ihre Anwesenheit hier nicht erwünscht war, und gehorsam trollte sie sich. “Allerdings bin ich nicht sicher, was ich von meinem Besuch halten soll. Aus einem prätorianischen Atius sind nun zwei geworden.“ Was auch immer ein Civis bei einer Ala machte, anstelle der Legion. Aber gut, die Atier waren gesellschaftlich nicht weiter von Belang, vielleicht sah er so die Möglichkeit, als Spatz unter Mücken zu glänzen. Sextus wäre es nicht eingefallen, sich zu Peregrinen und Rechtlosen zu begeben. “Was soll ich also davon nun halten?“ Und er machte keine Anstalten, sich in Richtung des Gartens zu begeben.

    Es dauerte nicht lange, bis Sextus bemerkt worden war. Ganz offensichtlich kam nicht allzu oft Besuch für den Gefangenen hier vorbei, so dass ein mitten im Raum stehender Tribun wohl schon einmal bei den Verwaltern des Hauses auffallen durfte.
    “Geh, und hol den Prätorianer her. Gleich.“ Der Befehl war einfach und ruhig vorgetragen. Sextus machte sich noch nicht einmal die Mühe, den Sklaven anzuschauen oder ihm nachzublicken, als er ging. Stattdessen betrachtete er scheinbar interessiert seine kurz geschnittenen Fingernägel.

    Noch einen Moment wägte der Ianitor ab. Die Küche und die Feuerstellen, das sollte unauffällig hinzubekommen sein. Und den Brunnen natürlich auch.
    “Gut, dann tretet bitte ein, ich führe euch herum.“ Er trat beiseite, so dass der Magister und sei Scriba eintreten konnten. Die beiden Veteranen konnten vor der Tür warten.

    Der Ianitor führte den Magister Vici und seinen Scriba zielsicher in den rückwärtigen Teil des Hauses, wo sich die Küche befand. Die Köchin und eine Sklavin, die ihr gerade beim Zubereiten des Abendessens half, schauten verwirrt auf, als urplötzlich der Ianitor hereinspaziert kam und auch noch zwei Fremde mitbrachte, die nicht so aussahen, als würden sie etwas liefern wollen oder wären neue Sklaven. Fragend schaute die Köchin den Ianitor an, der dann auch gleich die Aufklärungsarbeit übernahm. “Der Magister Vici will die Feuerstellen des Hauses inspizieren und den Brunnen.“
    “Oh, äh, gut, aber ich koche gerade. Der Herd ist gerade sehr heiß.“ Sie deutete mit ihrem Messer in Richtung des vor sich hinblubbernden Topfes, der auf dem gut befeuerten Herd stand, von dem gerade auch gut Wärme ausging. “Der Magister soll aufpassen, dass er sich nicht verbrennt, wenn er etwas anfassen will.“ Sie wusste nicht, ob sie den Magister direkt ansprechen durfte, und machte es daher lieber über den Umweg des Ianitors, ehe sie weiter Pastinaken schälte und in Würfel schnitt.