Beiträge von Sextus Aurelius Lupus

    Waren hier alle verwitwet? Der Petronier sprach Sextus sein Beileid aus, und auch der Duccier zeigte eindeutige Betroffenheit aufgrund des Todes dessen Ehefrau. Die Petronia versuchte, das Thema etwas aufzulockern, allerdings schaffte sie es nicht, Sextus Verwunderung über die Männer neben ihm damit auszulöschen. Konnte es wahrhaftig sein, dass er, obwohl der Tod seiner Frau scheinbar am frischesten zurücklag, darüber als einziger nicht ernsthaft betroffen war? Sicher, er hatte Nigrina geschätzt, und selbstverständlich wäre es ihm lieber, sie wäre sicher in Tarquinia angekommen. Aber Frauen starben häufig im Verlauf einer Ehe, vor allem bei Geburten. Und es war ja nicht so, als hätte er seine Frau unsterblich geliebt oder so einen Blödsinn. Wobei das bei den anderen Herrschaften ein wenig so klang, als träfe dieser Unfug auf sie sehr wohl zu.


    Sextus mühte sich also darin, nichts davon zu bemerken und war froh, dass das Gespräch ohne eine Bemerkung seinerseits voranging. Und auch über seine äußerst beherrschte Mimik, die ihm nicht entglitt, als er von dem Petronier in einem Zug mit dem Duccier und sogar dem Peregrinus angeblickt wurde, als es um die Frage einer möglichen Ehepartie für dessen Nichte ging. Hier in dieser Provinz war zwar schon vieles geschehen, das Sextus nicht für möglich gehalten hätte, aber dass ein Senator und Patrizier auf eine Stufe mit einem Nichtrömer in Fragen der Heiratspolitik gestellt wurde, das war dann doch jenseits von Gut und Böse.
    Und mindestens ebenso sehr mühte er sich, die Annäherungsversuche und Blicke der älteren Tochter des Magonidas ganz offensichtlich nicht zu bemerken. Ganz eindeutig hatte sich die Frau in den Kopf gesetzt, ihm deutlich zu zeigen, dass sie die heutige Nacht in seinem Bett zu verbringen gedachte. Etwas, das Sextus zumindest nicht kategorisch ausschloss, auch wenn diese Vorgehensweise sehr langweilig war. Man ging ja nicht auf die Jagd, wenn der zu erlegende Bär sich dann schon von sich aus auf den Rücken legte und alle Viere von sich streckte, nur noch darauf wartend, dass man ihm einen Speer in den Leib rammte.


    Lustig fand Sextus da dann schon, dass der Vater sich nun wiederum beim Duccier entschuldigte, statt bei ihm. Fast sollte er ein wenig beleidigt sein, dass nun Valas Verwandter offenbar Ziel aller Aufmerksamkeit war. Auf der anderen Seite war Sextus zu froh darüber, offensichtlich nicht mehr in der Schusslinie potentieller Heiratskandidaten zu sein, als dass er sich darüber beschweren mochte. Sollten die Herrschaften die Petronia ruhig an ihn verschachern – denn dass dies so geschehen sollte, war langsam offensichtlich, so sehr wie das Gespräch gerade in diese Richtung gelenkt wurde.
    “Bei den Germanen unterliegen auch die Männer einer Trauerzeit?“ beteiligte er sich also nur rudimentär an der Unterhaltung, weil ihm diese Sache nicht geläufig war. In Rom war es üblich, dass die Frauen eine Trauerzeit einzuhalten hatten, die je nach Alter des Verstorbenen unterschiedlich lang zu sein hatte. So galt pro gelebtem Jahr eine Trauerzeit von einem Monat, aber nicht mehr als zehn Monate insgesamt, zumindest was Kinder anging. Bei Ehemännern galt sofort diese Höchstfrist. Bezüglich des eigenen Vaters natürlich auch, bei anderen Verwandten gab es einen gewissen Ermessensspielraum, wobei natürlich vor allen Dingen der Schein nach außen gewahrt werden musste, so dass die Trauerzeit dem Stand des Betrauerten angemessen sein sollte. War der eigene Bruder ein kleiner Fleischhändler, war die Trauer sicher schneller vorüber, als wenn man von einem Ritter des Reiches oder einem hohen Magistraten redete. Da wurde von den Frauen erwartet, entsprechend lange verzweifelt und klagend in Trübsal zu verweilen.
    Bei Männern jedoch endete jegliche Trauer für Verwandte oder Schwager jedweder Art mit dem Zeitpunkt der Verbrennung, augenblicklich. Immerhin war Trauern zum einen ein weiblicher Charakterzug und nichts, was einem Mann gut zu Gesicht stand. Ein Mann hatte vernünftig und zielstrebig zu handeln, und nicht in einer Ecke zu sitzen und zu flennen wie ein – nun ja – Weib. Und auf der anderen Seite hatten Männer häufig Magistratsfunktionen oder andere Pflichten, die es zu erfüllen galt, so dass es nicht nur ein positives Beispiel eines Mannes gab, der direkt nach dem Begräbnis des eigenen Sohnes seine Amtsgeschäfte wieder aufgenommen hatte.
    Überhaupt verwirrte die Frage Sextus ein wenig, da für ihn die Trauer eben auch mit einer Absenz von öffentlichen Aufgaben verbunden war, während der Duccius seines Kenntnisstandes nach im letzten Jahr als Magistrat tätig gewesen war. Andererseits hatte er in dieser Provinz schon sehr viel ungewöhnliche Dinge erlebt, die unter zivilisierten Bevölkerungsschichten Roms nicht akzeptabel gewesen wären, da würde ihn dies nun auch nicht weiter wundern.

    Notgedrungen blieb der Ianitor stehen, als der Inspektor stehen blieb und zum Tablinum rüberschaute. Da war er wohl verpflichtet, zu antworten, ebenfalls leise. “Ja, das ist der ehrenwerte Senator Aurelius Lupus.“ Er zögerte. Die Höflichkeit gebot, anzubieten, ob er den Magister dem Hausherrn vorstellen sollte. Auf der anderen Seite wusste der Ianitor, an wem der Hausherr es auslassen würde, wenn die Störung ihn nicht zusagte. Natürlich nicht am Gast, der würde nichts merken. Aber die Sklavenschaft, sobald er gegangen war, sehr wohl. Da stellte er sich lieber vergesslich und wartete weiter auf den Gast, still zu den Göttern betend, dass der junge Bursche sich nicht von sich aus traute, ins Tablinum zu marschieren und sich dem Hausherrn vorzustellen.

    “Hier entlang, bitte“, bat der Ianitor weiterhin höflich und schlug den Weg wieder zum Haupthaus ein. Diesmal aber vermied er den Hinterhof mit den Wachhunden, aus Respekt zu dem Hausgast, und führte ihn durch das Haus, anstatt daran entlang. Und so gingen sie über einen weißen Kiesweg vorbei an noch mehr Blumenbüschen und zum ersten Mal wirklich in den Repräsentationsbereich der Villa.
    Vom überaus geräumigen Atrium mit seinen feinen Marmorsäulen aus konnte der Petronier, wenn er sich umschaute, auch einen Blick in das holzvertäfelte Tablinum werfen, wo sich der Hausherr gerade sein Haruspexgewand noch anfertigen ließ. Dabei wies er den Handwerker darauf hin, wie wichtig die konische Form des Hutes war, und vergewisserte sich, dass der Mann das hinbekam. In Etruria wäre es kein Problem gewesen, sein genaues Anliegen zu erklären, aber hier in Germania hatte vermutlich noch kein Mensch einen echten Haruspex gesehen. Eher einen der herumstreunenden Wahrsager, die eher aus gebratenem Fisch und Kuchen lasen, bei großen Wildschweinen ihre Probleme hatten, kleine Hunde aber hervorragend lesen konnten, und mit Wolfsfell durch die Gegend zogen und versuchten, den keltischen Teil der Bevölkerung auszunehmen. Da erwartete Sextus jetzt nicht unbedingt profunde Kenntnisse über das Aussehen etruskischer Priester.


    Der Ausgang war ebenfalls schon vom Atrium aus zu sehen. Durch das luftige und geräumige Vestibül war die große und schwere Tür zu sehen, in deren Richtung der Ianitor gemessenen Schrittes voranging.

    Erst einmal passierte eine ganze Weile lang gar ncihts, und Sextus musste sich beherrschen, mit ausgebreiteten, blutverschmierten Armen stehen zu bleiben und nicht ungeduldig mit dem Fuß aufzutippen, bis der Annaeus seinen Gaul in Bewegung setzte, um zur Truppe zu sprechen. Überhaupt verstand er nicht, warum der Mann sich dort hinten positioniert hatte und nicht direkt vor dem Podest, um die Zeichen mit eigenen Augen sehen zu können, sich gegebenenfalls auch rückzuversichern und sich die Male erklären zu lassen. Sehr viele Männer, die auch nur ein bisschen was auf Religion gaben, hielten längere Zwiegespräche, wollten verstehen, was man da in den Eingeweiden sah und zeigten sich zumindest interessiert. Allerdings hatte Sextus ja schon zuvor den Eindruck gewonnen, dass diese Provinz fernab von jeglicher Zivilisation war und nur den Anschein des römischen Reiches zu wecken versuchte. Er hatte hier noch keinen wirklich götterfürchtigen Mann gesehen, der die Opfer vernünftig einhielt. Wenngleich er auch nicht danach gesucht hatte, die Begegnungen bislang hatten ihm da als Stichprobe gereicht. Und nach allem, was man hörte, war die Leiche des Terentiers, der damals bei der Besprechung beleidigt aufgebrochen war, auch ohne die üblichen Riten wieder in die Stadt gebracht. Was aber wohl weniger ein Verschulden der Provinz als ein solches der Claudier darstellte.


    So oder so, Sextus verzichtete auf maßregelnde Worte, sowohl an den Annaeus, der sich zu einer pathetischen Rede hinreißen ließ - jetzt dann doch vor dem Podest und nicht von seinem ursprünglichen Platz aus – als auch an die Claudier. Im Moment war er leider in der wenig beneidenswerten Position, auf beide noch angewiesen zu sein, also arrangierte er sich mit der Situation.
    Während der Annaeus also redete, ließ Sextus die Leber in das Opferfeuer legen, sah sich noch den Rauch an. Er qualmte gut und hell, und zog leicht nach Süden vom Feuer weg, obwohl es relativ windstill war. Ein gutes Zeichen. Überhaupt war der Süden der Sitz der wohlwollenden Geister; wenn der Rauch schon diesen Weg wies und Sextus auch nach Süden wollte, war er gern bereit, das Zeichen auch als Zeichen gelten zu lassen.
    Während der vom Annaeus erwartete Jubel groteskerweise ausblieb (noch nicht einmal gestampft wurde, und es knallten auch keine Waffen hörbar auf Schilde. Offenbar waren die Legionen etwas skeptischer, was kaiserliche Arschtritte anging), wusch sich Sextus bereits die Arme. Das Blut trocknete schon an den Ellbogen, und so ließ er sich Zeit mit der gereichten Waschschüssel und machte auch ausgiebigen Gebrauch von dem angereichten Tuch. Seine Aufgabe hier war fertig. Es fehlte eigentlich nur der verdammte Marschbefehl, der aber auch wieder auf sich warten ließ. Sextus schüttelte stumm den Kopf. Da fasste er sich extra mit seinen Ausführungen kurz, damit es schnell ging, und dann kam das 'Jo, marschieren wir' trotzdem nicht. Die Götter hatten wirklich einen ausgesprochen feinen Sinn für Humor.


    Während also das Schaf beseitigt wurde, seine Innereien verbrannt und das Fleisch vom Schlachthelfer langsam zerlegt wurde, um für das heutige Abendessen bei den Bessergestellten ihres Zuges zu sorgen, stieg Sextus schon von dem Podest herab und nahm seine Kopfbedeckung ab. Die lederne Robe folgte direkt danach, und auch die blutbeschmierte Tunika, die er durch eine wollene Untertunika, die ihm angereicht wurde, schnell austauschte. Seine Rüstungsteile folgten, feiner Brustpanzer, Beinschienen, Armschienen, schließlich auch Cingulum, Schwert und Umhang. Auf den Helm verzichtete Sextus vorerst, den ließ er an dem Sattel des Pferdes befestigen, auf das er aufzusteigen gedachte. Ein Legionär diente ihm dafür ganz selbstverständlich mit seinem Rücken als Trittleiter – immerhin war er Offizier – und so saß Sextus dann hinter dem Podest auf einem zottigen Etwas, das er jetzt schon zu hassen begann, jetzt nicht mehr Haruspex, sondern Tribun, und wartete wie alle anderen auf den endgültigen Marschbefehl.

    Entgegen seines instinktiven Impulses zum Abstand ergriff Sextus die angebotene Hand und nickte sogar als leicht anerkennende Geste.
    “Ich bin mir sicher, dass ein Maultier aufzutreiben ist, um einige Habseligkeiten zu transportieren.“ Wobei Sextus sich nicht vorstellen konnte, welche Hausstände der Atier mitzuführen gedacht, dass er sie nicht auch auf sein Pferd laden konnte. Selbst Sextus plante nicht mit dermaßen viel Gepäck, wobei er dieses zugegebenermaßen auch auf ein Maultier auslagerte, das im Tross mitgeführt zu werden hatte, um an der Spitze des Zuges nicht mit einem beladenen Gaul daherzutrotten.
    “Was die Ala angeht, so hat sie ihr Lager vor dem Castellum der zweiten Legion aufgeschlagen. Es ist praktisch nicht zu übersehen und somit viel näher als Confluentes. Ich werde alles soweit vorbereiten und alle instruieren, so dass du morgen früh nach dem Wecken sogleich mit deinem Pferd und deiner Habe aufbrechen kannst.“
    Was rein technisch auch schon heute Abend ginge, aber Sextus wollte den Atier lieber noch eine Nacht hier darüber schlafen haben.*


    Sim-Off:

    *Hauptsächlich, damit dieser Plot: [Officium I] Legatus Augusti pro Praetore
    nicht ad absurdum geführt wird. Kannst aber jetzt gern schon als am nächsten Tag freigelassen schreiben.

    Kurz zögerte Sextus, als der Atier schon wieder darauf bestehen wollte, mit dem Legatus Augusti pro Praetore (Sextus fragte sich, ob der Mann einen ungeheuren Aküfi hatte oder ob er ihn demnächst als P bezeichnen sollte. Unhöfliche Unsitten, Sextus hasste sie) zu reden. Wäre die Situation nicht so ernst, es wäre schon an einer Grenze zum Humoristischen, wie Leute sich die Vorbereitungen eines Kriegszuges vorstellten. Und dass der Legat einer Provinz mit jedem Soldaten einzeln reden würde. Von Überspringen irgendwelcher Kommandoketten ganz zu schweigen.
    Allerdings war das nichts, was Sextus hier und jetzt zu besprechen gedachte. “Wie gesagt, die Vorbereitungen zum Abmarsch werden getroffen, in 2 Tagen ist der Abmarsch auch schon avisiert.“ Sextus überlegte, ob es eine kluge Idee wäre, den Atier jetzt schon mit seinem Vetter zu schicken, entschied sich aber dagegen. Zum einen sollte jener ohnehin schon das Lager verlassen haben, zum anderen war es unklug, die beiden Zeloten direkt nach der Bestrafung des einen wieder zueinander zu lassen. “Ich werde dafür sorgen, dass deine Ausrüstung dir morgen früh übergeben wird, dann kannst du dich zum Lager der Ala begeben und dich dort in das Kommando einfügen, so dies dein Wunsch ist. Benötigst du hierzu etwas schriftliches? Soweit ich informiert bin, ist deinem Vetter bis auf weiteres die Leitung anvertraut, so dass ich hier kein Problem mit deiner Eingliederung sehe.
    Dann könnt ihr übermorgen gemeinsam am Apell teilnehmen. Nach der Abreise wird sich bestimmt auch eine Gelegenheit finden, mit dem Legaten zu sprechen.“
    Die Reise war immerhin lang, da bestand die Möglichkeit.

    Sim-Off:

    Entschuldigt, ich hatte ganz übersehen, dass ich an der Reihe bin


    Und schon wieder war man thematisch beim Wetter angelangt. Sextus überlächelte die Bemerkung, ohne das Thema erneut aufzugreifen. Regen, Matsch und Kälte waren wirklich nicht so ergiebig, als dass man auf sie mehrfach und wiederholt an nur einem einzigen Abend eingehen musste. Sextus hasste sich paraphrasierende Wiederholungen, von denen er heute schon einige bei sich ebenso wiederholenden Begrüßungen hatte wiederholen müssen.
    Und so war Sextus nicht undankbar, dass der Duccius die Szene mit einem Trinkspruch überspielte, so dass er selbst um die Verlegenheit einer neuerlichen Antwort auf diese Phrase herumkam. Er trank nur pflichtschuldig von dem, was hier im Norden als guter Wein durchging, und wäre durchaus mit der Rolle des Schweigenden zufrieden gewesen, nachdem er zuvor schon mehr als genug gesagt hatte. So viel, dass er gar den Punier samt Tochter zum Verstummen gebracht hatte, wie es schien. Allerdings gefiel dem Schicksal diese Rolle wohl weniger als dem Aurelius, der sogleich hernach von dem älteren Veteran erneut angesprochen wurde, diesmal auf ein etwas heikleres Thema. Sextus schätzte kurz mögliche Intentionen hinter der Frage ab. Der alte Mann konnte nicht so weltfremd sein, dass er dieses Thema ansprach, um eine mögliche Ehe zwischen seiner Nichte und dem Aurelier ins Auge zu fassen. Germania war zwar weltfremd, und der Mann augenscheinlich älter, allerdings wirkte er auf Sextus nicht senil. Und dermaßen unrealistisch konnte doch auch das Leben in Germania einen Menschen nicht machen, als dass er den eigenen Stand in Relation zu seinem Gegenüber dermaßen fehlinterpretieren konnte.
    “Ich war verheiratet. Allerdings wurde mir der Tod meiner Frau Flavia Nigrina kurz vor meiner Abreise aus Mantua hier in den Norden mitgeteilt. Doch strebe ich eine neuerliche Bindung erst nach Beendigung des Krieges an, alles andere wäre aufgrund der momentanen Situation meines Erachtens nach unvernünftig“, antwortete Sextus wertungs- und emotionsfrei. Er wollte gewisslich nicht den Eindruck erwecken, als würde der Tod seiner Frau ihn über die Maßen gefühlsmäßig berühren (was er de facto auch nicht tat. Zwar hatte die Flavia durchaus mehrere Aspekte in ihrer Persönlichkeit vereint, die Sextus sehr schätzte, und er hatte ihr auch Zuneigung gegenüber empfunden. Allerdings war das nichts, was er einer neuerlichen Ehepartnerin nicht auch entgegenbringen konnte).
    So hatte Sextus beschlossen, vage genug zu antworten, um nicht unhöflich zu sein, und doch deutlich genug, um klar zu machen, dass Gespräche über Eheverbindungen bei ihm momentan am falschen Adressaten waren. Und zum Ende des Krieges wäre Sextus hoffentlich wieder weit fort von ihr und in Rom. Entweder das oder tot, aber keinesfalls an diese Einöde hier gebannt.
    “Und wenn ich mir die Verteilung von Männlein und Weiblein in unserem illustren Kreis so ansehe, scheint mir, dass ich nicht der einzige Junggeselle hier bin“, lenkte er das Thema auch gleichsam noch ein wenig von sich ab. Außer den Töchtern oder Nichten besagter Herren und den jungen Schwestern eines der Duccier war hier niemand, der sich als Ehefrau von irgendwem vorgestellt hatte, was die Vermutung nahe legte, dass die Herren hier allesamt auch verwitwet oder noch nie verheiratet gewesen waren.

    Der Ianitor nickte auf die Frage des Magisters hin. “Ja, das sind alle größeren Feuerstellen sowie Brunnen dieses Hauses.“ womit er auch hoffte, die Inspektion damit hinter sich gebracht zu haben. Bislang schien ja auch alles glimpflich abzulaufen, wobei er auch kein Versäumnis seitens der Hausbewohner hätte feststellen können. Der Maiordomus hätte derlei streng geahndet, immerhin ging es bei einem Brand auch um das Dach über seinem Kopf nebst allen darin befindlichen Dingen und Personen. Da war das Eigeninteresse zur Vermeidung von Bränden wie wohl bei jedem Bürger der Stadt recht groß. “Hast du noch Fragen?“ fragte der Ianitor dennoch höflich. Vielleicht gab es ja noch etwas, was der Magister wissen wollte. Oder gesiegelt haben wollte.

    Er meinte den Cousin, der gerade draußen wie ein ungelehriger kleiner Schüler ein paar Schläge mit dem Rohrstock erhielt, damit er sich an seine Umgangsformen erinnerte? Irgendwie gefiel Sextus der Plan des Atiers nicht wirklich. Und auch sein offen geäußerter Zweifel an Sextus Aussagen war unter gutmütigster Definition taktisch unklug. Der Aurelier verspürte den Drang, jemandem Unterricht in Rhetorik und Logik zu geben, allerdings beherrschte er sich.
    “Das heißt, du möchtest dich unseren Truppen anschließen und mit uns nach Süden marschieren? Ich bin mir nicht sicher bezüglich den vorhandenen Kommandos innerhalb der Legio II, die Achte ist bereits in den Süden abgezogen. Ein Schwert mehr kann sicher nicht schaden, wobei ich nichts über deinen Rang als Decurio zu diesem Zeitpunkt sagen kann.“ Und als Decurio und damit Mannschaftsdienstgrad war der Mann glücklicherweise fernab des Stabes, so dass Sextus sich nicht weiter mit ihm würde herumärgern müssen. “Sofern das deinen Vorstellungen entspricht, könnte ich mir dich am ehesten bei deinem Vetter in der Ala vorstellen. Nachdem ihnen ihr Kommandeur nebst einigen Unteroffizieren nun abhanden gekommen ist, können die Männer dort sicher eine starke Hand gebrauchen, selbst wenn es kein Ritter ist. Das ließe sich sicher bewerkstelligen.“ Und das gefiel Sextus auch gar nicht schlecht, den Mann in der Ala zu wissen, so hatte er beide Atier auf einem Haufen und konnte auch beide durch einen taktischen Befehl einfach auf eine Selbstmordmission schicken, sollten sie sich doch als Plage erweisen.

    Gut, der Hinweis war wohl nicht verstanden worden. Sextus versuchte es also in seiner Paraderolle als Antagonist noch einmal, diesmal langsamer.
    “Wie bereits gesagt, der Legatus Augusti hat mich hierher geschickt, um mich um die jetzige Situation zu kümmern. Er hat mit den Vorbereitungen des Feldzuges zu tun, und es wäre doch arg unhöflich von mir, seinen Wünschen nicht zu entsprechen. Wie sähe das denn aus, er schickt mich zu dir, und ich schicke dich zu ihm?“
    Tatsächlich hatte Sextus nicht vor, da den Legaten wieder mit hinein zu ziehen, als könne er da nicht allein entscheiden. Er hatte den Auftrag bekommen, zu entscheiden, also würde er auch genau das jetzt tun. Zumal er hier so kurz vor einem Ziel stand. Sofern man das ein Ziel nennen konnte.
    “Allerdings hast du recht, als Gefangener kannst du wohl wenig machen. Es liegt allerdings in meiner Macht, diesen Status augenblicklich auch aufzuheben. Es interessiert mich dabei aber vor allen Dingen die Frage, was du in so einem Fall machen wirst, wenn ich dich jetzt und hier in die Freiheit entlassen würde?“

    Anscheinend hatte Sextus' kleines Schauspiel die pathetische Seite des Atiers angesprochen. So ganz traute er dem Braten noch nicht, wo der Atier ihn doch vor wenigen Momenten noch umbringen wollte, und nun offenbar Vescularius dasselbe antun wollte. Vielleicht aber drohte der Mann auch nur gerne irgendwem mit dem Tod oder fühlte sich unwohl, wenn er niemanden hatte, den er hassen konnte. Wer wusste das schon?
    “Deshalb bin ich hier. Cornelius Palma hat sich mit der Unterstützung der Truppen Syrias zum Kaiser ausrufen lassen, gegen Vescularius. Und er hat die Unterstützung sämtlicher germanischer Truppen. Wir werden nach Süden ziehen und diesen Fettsack aus Rom vertreiben.“
    Sextus erwägte kurz, auch darauf hinzuweisen, dass sie wegen des Abmarsches nach Süden natürlich keine gefangenen, erst recht keine gefangenen Prätorianer brauchen konnten. Allerdings war da der passende Zeitpunkt noch nicht gekommen, jetzt, wo der Atier gerade so schön in Rage war. Am Ende wäre sonst der Effekt des schönen Schauspieles wieder dahin und er ging doch wieder dazu über, Sextus mit dem Tod zu bedrohen oder ähnliches. Lieber übte der Aurelier sich noch ein wenig in Schauspielkunst.
    “In den nächsten Tagen beginnt der Abmarsch, die Vorbereitungen sind schon getroffen. Du siehst also, dass wir nicht daran denken, den Usurpator einfach so gewähren zu lassen. Allerdings ist jetzt und hier eher die Frage von Belang, was du tun wirst.“

    Die Zisterne für das Nymphäum? “Dort hinten, bei der kleinen Erhebung hinter den violetten Rhododendren. Aber sie ist nicht besonders groß.“ Allerdings musste sie auch nur das Nymphäum speisen und sonst nichts, da reichte auch eine kleinere Zisterne. Hier war auch weit und breit nichts, was Feuer fangen könnte, und wenn das Haus in Flammen stand, waren sowohl Nymphäum als auch die Zisterne nicht unbedingt ideal gelegen, um Löschmaßnahmen einzuleiten.

    Das war nun wirklich bühnenreif, was der Atier ablieferte. Wahnsinniger hätte ihn auch kein Horaz schreiben können, wie er durch das Atrium stapfte und die – mutmaßlicherweise teure – Einrichtung zu demolieren. “Ein paar der Einrichtungsgegenstände sind noch von Bedarf für die Zukunft“, merkte Sextus eher leise an, während der Atier sienem Zerstörungsdrang nachging. Kein Wunder, dass der Kerl nur ein Schwert schwang. Zu viel anderem konnte man ihn wohl nicht gebrauchen. Kaum auszudenken, er wäre Händler und würde von einem Kunden heruntergehandelt. Und als Politiker würde er wohl den Senat zu entvölkern versuchen.


    Sextus also wartete ruhig, bis der Anfall einigermaßen abgeklungen war, ehe er sich an die Beantwortung der Frage machte. “Ich nehme an, dass sowohl Marius Turbo als auch Terentius Cyprianus in ihrer Zeit als Präfekt einige neue Soldaten zu den Prätorianern gebracht haben. Die ganze Garde ist wie groß? Ein paar tausend Mann. Da zwanzig oder dreißig unterzubringen ist nicht schwer und nicht auffällig, und es reicht davon einer oder zwei, die dem Mörder Zugang zur kaiserlichen Küche verschaffen. Der Imperator wurde ja beim Essen vergiftet nach allem, was man hört. Da reicht ein kleines Fläschchen Gift. Und für manche Männer ist ein Eid vielleicht kein Eid. Aber ich gebe zu, ich weiß es nicht. Vescularius wird es wohl kaum preisgeben, wie er es angestellt hat. Ich nehme an, nachdem er die ganze Sache schon so lange geplant hat, wird er dafür auch einen Plan gehabt haben.“ Sextus zuckte leicht die Schultern. Ihm war es auch gar nicht wichtig, dem Atier ein genaueres Wie zu erklären, solange dieser nur das Warum glaubte. Das war weitaus wichtiger.

    Und Sextus sollte mit seiner Einschätzung recht behalten. Der Atier gab ihm ganz unwissentlich mehr Dolche zur Hand, als er bräuchte, um eine ganze Cohorte Prätorianer niederzustrecken – verbal natürlich. Der Befehl des Atiers war wie die perfekte Vorlage zu einer griechischen Tragödie, einem Drama in mehreren Akten. Und Sextus kannte seinen Text und war schon immer gut darin gewesen, anderen etwas vorzuspielen. Nach also einem ersten Akt, das den ahnungslosen Protagonisten – in diesem Fall der Atier – und den charismatischen Antagonisten – also ihn – als klare Gegenspieler auf die Bühne brachte und die Andeutung von Gewalt in sich trug, waren die Rollen für das Publikum klar verteilt. Der zweite Akt war dann die klassiche Klimax, in der sich die Situation zuspitzte und der Held in seine tragische Rolle weiter gedrängt wurde, in der er sich mit Strampeln gegen das unausweichliche Schicksal stellte und ihm doch nicht zu entrinnen vermochte. Der Tod des Helden schien schon klar, der Triumph des Bösen unausweichlich, doch nun begann der dritte Akt, der Wendepunkt der Geschichte, der sämtliche zuvor getroffenen Annahmen für das Publikum auf den Kopf stellen würde, den Feind zum Freund und den Helden zum tragischen Opfer machen würde.


    Dritter Akt, erste Szene. Der Ort: Ein Legionslager mitten im Nirgendwo. Auftritt Sextus Aurelius Lupus.


    “Weil der Mann, der dich beauftragt hat, dich hier umzusehen, den Kaiser ermordet hat.“ Sextus hatte ja noch überlegt, ob er den Atier bitten sollte, sich zu setzen, aber das hätte der Mann als erneute Provokation aufgefasst. Also bekam er Sextus eigens zurechtgelegte Wahrheit im Stehen und ohne Umschweife an den Kopf geworfen, auf das die Klinge dieser Worte sich tief in seine Brust graben würde und den Weg bereiten für die vielen kleineren Stiche, die die Selbstsicherheit des Atiers zerstören würden, und ihn umso empfänglicher machen würden für Alternativen.
    “Vescularius Salinator hat sich selbst zum Kaiser erhoben, nachdem er Valerianus aus dem Weg geschafft hatte. Mein Patron Tiberius hegte einen Verdacht gegen den damaligen Praefectus Urbi und hat auch nach Beweisen gesucht, um die Niedertracht des Vesculariers offen zu legen und Valerianus die Augen zu öffnen. Überhaupt glaubte mein Patron, dass die Krankheit von Imperator Valerianus weit irdischeren Ursprungs und eher einem Gift verschuldet war. Du kennst doch sicher die Gifte aus den östlichen Provinzen, und was man ihnen alles nachsagt? Vescularius war sehr lange Zeit im Osten des Reiches.“
    Sextus war froh um sein stoisches Gemüt, andernfalls hätte er wohl gelächelt und nicht die steinerne Miene beibehalten, die den Worten noch weiteres Gewicht verlieh.
    “Ich nehme an, die Nachforschungen diesbezüglich haben Vescularius langsam aufgeschreckt. Prudentius Balbus, der offen sein Gegenspieler war und als Praefectus Praetorio genug Macht hatte, ertrank zufällig im Bad“, wobei Sextus die Worte so betonte, dass klar war, dass das eben absolut gar nicht zufällig war. Sextus hatte keine Ahnung, wie der Prudentier gestorben war, vermutlich aber war es sogar die Wahrheit, dass der Vescularier seine Hände im Spiel hatte. Das ganze kam dafür doch zu passend. “Danach wurde – wieder natürlich rein zufällig – ein alter Kampfgefährte von Vescularius dein Präfekt, Marius Turbo. Mit dem er schon in Dacia gekämpft hatte und der seit Jahrzehnten sein freund ist. Und dieser wurde dann abgelöst von Terentius Cyprianus, der ebenfalls auf der Liste der Günstlinge von Vescularius stand, während – wieder ein unheimlicher Zufall – Turbo just zum Statthalter DER Provinz ernannt wurde, die nur einige Zeit später Vescularius zum Kaiser ausrufen sollte, kaum das Valerianus erkaltet ist.“
    Sextus war durchaus zufrieden mit seiner schauspielerischen Leistung. Lügen lag ihm, und bei all diesen Halbwahrheiten lag genug wahres darin, als dass es jeder Überprüfung mühelos standhalten konnte. Man müsste schon Vescularius selbst fragen, und dieser würde natürlich abstreiten, was seine Schuld fast noch mehr untermauern würde.
    “Reden wir einmal Klartext. Auch wenn du es vermutlich nicht gewusst hast, du wurdest nicht hierher geschickt wegen irgendwelchen Stämmen oder Schwierigkeiten in der Administration. Vescularius musste wissen, wie die Lage in Germania ist, und brauchte da zuverlässigere Informationen, und er musste wissen, wie die Legionen hier bestückt sind und was sie machen würden, wenn der Kaiser stirbt. Im Gegensatz zum Osten des Reiches hat er hier nicht so viele Freunde. Legat Claudius ist Patrizier, und es ist bekannt, dass Vescularius meinen Stand abgrundtief verabscheut. Vescularius musste wissen, ob er die Füße stillhalten würde, wenn er den Kaiser ermorden lässt. Oder ob er zumindest hier oben in der Provinz festsitzen würde und nicht handeln könnte. Ebenso der Annaeus, dessen Vetter auch Praefectus Aegypti ist und der damit auf den Kornvorräten Roms sitzt. Vescularius brauchte eine Einschätzung, wie die Annaer wohl stehen, ob sie sich mit den Patriziern wohl verbrüdern würden, oder ob er sie eventuell auf seine Seite ziehen könnte.


    Und jetzt, nach deiner Information nach Rom, befinden sich die von dir untersuchten Personen auf einer Proskriptionsliste wieder und wurden zu Feinden des Reiches erklärt. Vescularius hat Valerianus ermordet und sich Rom Untertan gemacht, hat dazu über Jahre hinweg die Garde infiltriert und als erste Amtshandlung die Hälfte der Nobilitas Roms ausgelöscht. Kurz, er hat jeden geopfert, der ihm hätte gefährlich werden können oder der zuviel wusste. Prudentius Balbus, Tiberius Durus, die Vinicier...


    Und deshalb wurdest du gefangen gesetzt. Weil du für den Feind Roms und Usurpator Vescularius spioniert hast. Ob du es wolltest oder nicht, aber Vescularius hat dich als sein Instrument missbraucht und wirft dich jetzt nach getaner Arbeit auch einfach weg. Weil er dich nicht mehr braucht. Deshalb bist du jetzt hier gefangen und verhaftet worden. Weil die Prätorianergarde nun einmal leider auf der falschen Seite steht.“


    Sextus wäre eigentlich an der Reihe, eine erneute Frage zu stellen, aber er ließ in diesem Fall dem Atier den Vortritt. Denn, sofern dieser diese Geschichte der Halbwahrheiten gefressen hatte, hatte sicherlich Fragen.

    Na, was war denn das? Sextus machte sich eine Eigenart seiner Frau zu eigen und hob leicht die Augenbrauen, während er den Atier beobachtete, der anscheinend doch so etwas wie Vernunftbegabung besaß. Oder zumindest genug Erkenntnis, dass er hier wirklich in der Falle saß. In jedem Fall legte er seine Attitüde ab und redete beinahe vernünftig daher. Gut, ein Frage-und-Antwort-Spielchen war eigentlich nichts, was einem Gefangenen angemessen war, aber in diesem Fall Sextus' Plänen sogar gar nicht unnützlich. Es sagte ja niemand, dass er die Wahrheit sagen musste.


    “Die Contubernien sollen vor der Tür warten“, meinte Sextus also zu dem noch dagebliebenen zweiten Wachsoldaten vor der Tür. Vertrauen war gut, Kontrolle war besser. Der Atier gab sich jetzt ganz vernünftig, aber das hieß nicht, dass Sextus dessen Gewaltbereitschaft einfach vergab. Allerdings reichte da das kleine bisschen Kontrolle vor der Tür, um die Situation innerhalb des Hauses noch entspannt zu halten. Soweit das unter den gegebenen Umständen denn möglich war.


    Er trat also zwei Schritte auf den Atier wieder zu, nah genug, um umgestört zu reden, aber nicht so nah, um ein ungewolltes Vertrauensverhältnis zu suggerieren. Sextus war nicht so naiv, nach nur einem Satz seinem gegenüber plötzlich zu trauen. Im Grunde traute Sextus niemandem, noch nicht einmal seinen Verbündeten.
    “Einverstanden, reden wir“, meinte er einfach, um das Gespräch einzuleiten. “Dann stelle ich die erste Frage: Was waren deine Befehle in Germania?“ Abgesehen davon, dass die Beantwortung der Frage auf wirkliches Interesse von Sextus ob ihres Informationsgehaltes stieß, erschien es dem Aurelius unlogisch, zuerst danach zu fragen, und nun, da der Atier redewillig schien, sie beiseite zu lassen.

    Sextus betrachtete die Leber eingehend. Das Blut triefte an seinen Armen Herunter, während er das in der kühlen Morgenluft leicht dampfende Organ genau untersuchte, erst die Oberseite digitus für digitus abfuhr, dann die Unterseite, das Organ mehrfach im Licht der aufgehenden Sonne leicht drehend. Er fand auch tatsächlich Zeichen.
    Im Haus von Selvans fand er einen goldenen Schimmer. Selvans war der etruskische Name für den Gott, den die Römer als Silvanus kannten, der Gott der Bärenjagd, der tiefen Wälder, der Reisen allein, und der Soldaten, vor allem der Veteranen. Nicht nur eine Sterbekasse stellte sich unter seinen Schutz, nicht nur ein einfacher Soldat stellte ihm Stelen auf, wenn er einen Marsch überlebt hatte.
    Und im Bereich von Tinia, den die Römer Iuppiter nannten, war ebenfalls ein heller Fleck. Sextus drehte die Leber ein wenig, und das zähe Blut lief ihm dadurch in die weiten Ärmel der Tunika. Sah aus wie ein Vogel. Sextus drehte die Leber noch ein wenig im Licht und fuhr das Mal mit seinem Finger ab. War eindeutig ein Vogel mit ausgebreiteten Flügeln. Kurz sah er von der Leber auf, über die Reihen der wartenden Männer hinweg. Die Morgensonne spiegelte auf Loricae und Feldzeichen, vor allem dem goldenen Adler der Legion, der ebenfalls mit ausgebreiteten Schwingen abgebildet war.
    Im Zentral südlichen Teil der Leber fand Sextus noch eine Erhebung, kein wirklicher Knoten oder eine Geschwulst, eher wie ein wenig Fett unter der dunklen Haut des Organs, weich und beweglich. Keine schlechten Zeichen, dafür zwei gute, die sogar einen Bezug zur Legion hatten. Er musste nicht einmal lügen! Das war schon so grotesk, dass Sextus beinahe hätte lachen müssen. Da stand er hier, der Proskribierte, der geflohene Senator, der Verschwörer und Kaisermörder, und erhielt von den Göttern für einen Feldzug, der seinen Verrat überdecken, ja, legitimieren würde, gute Vorzeichen! Wenn das nicht eine groteske Art von göttlichem Humor war, was dann?


    Sextus gab die Leber an den Helfer zurück, damit er sie auf dem Opferfeuer verbrennen konnte. Danach erhob er seine Stimme – musste er auch, hatte der Feldherr beschlossen, sich nicht direkt vor ihm zu positionieren. Sein erster Eindruck von damals im Officium des Legaten wurde damit erneut untermauert, dass hier in Germania wohl die meisten keinen besonderen Wert auf göttlichen Willen legten, oder gar die Götter gänzlich vergessen hatten. Aber in dieser götterverlassenen Einöde, die sich germanischer Sumpf und endloser Wald nannte, konnte man es auch fast verstehen, wenn die Sitten verrohten und der göttliche Friede weiter in den Hintergrund rückte vor sehr viel menschlicheren Bedürfnissen. Daher beschloss Sextus, seine Erklärungen für die von ihm gemachten Entdeckungen sehr kurz zu halten und sich auf ein 'Jo, marschieren wir' zu beschränken. Alles andere interessierte ohnehin niemanden.
    “Die Götter gewähren uns ihren Segen! Unser Marsch nach Italia, um den Ururpator und Kaisermörder Vescularius aus der Ewigen Stadt zu vertreiben, entspricht dem göttlichen Plan. Die Götter warten nur auf die mutigen Männer des Nordens, um ihren Willen in den Süden zu tragen!“
    Irgendwelche Ausführungen zu Silvanus besonderem Segen oder dem Zeichen Iuppiters ließ er aus. Es würde ohnehin umgehend wohl der Marschbefehl folgen.

    Der Ianitor folgte dem Mann, nachdem er die Lampe wieder gelöscht hatte, nach draußen und wäre fast in den wartenden Petronier hineingelaufen, der nur zu den noch immer grummelnden Hunden schaute, aber nicht weitergegangen war. Der ältere Mann schloss nur noch die Tür zum Heizraum des Hypocauston und wandte sich dann an den jungen Magister. “Folge mir bitte.“
    Er ging den niedrigen Gang wieder zurück, direkt zu den Hunden, die den drei Männern entgegenblickten. Allerdings blieben sie still, auch wenn es hinter ihren Augen leuchtete. Es waren große Viecher, geschaffen, um zu bewachen. Und es gefiel ihnen wohl nicht, jetzt untätig herumzuliegen. Der Ianitor würde mit dem Hundeführer vielleicht noch einmal reden müssen. Andererseits, wenn wirklich ein Einbrecher des Nachts kam... vielleicht unterließ er die Unterredung auch.


    In sicherem Abstand von den Hunden ging es nun im Hof durch einen kleinen Durchgang, der zum Garten führte. Fast sofort wurden sie von der frühsommerlichen Pracht umfangen. Der Garten war der ganze Stolz des Marcus Aurelius Corvinus gewesen, als er hier gewohnt hatte, und so gingen sie vorbei an Büschen von Rhododendren und säuberlich angepflanzten Orchideen, von blauen Kornblumen und weißen und rosa Löwenmäulchen, über fein gestutzten Rasen mit fein säuberlich eingelegten steinernen Bodenplatten.
    Das Nymphaeum war ein kleiner, von Säulen getragener, offener Bau. Drei Stufen führten hinauf zu dem kleinen Heiligtum der Geister der freien Natur, in dessen Inneren ein einfacher, kleiner Springbrunnen vor sich hinplätscherte. Zwischen den Säulen standen die Statuetten von blumengeschmückten Maiden, scherzend, lächelnd, tanzend. Es war so prächtig wie die neuere Ianus-Laube, aber dennoch wohl den Göttinnen genügend angemessen.
    “Das Nymphaeum“, stellte der Ianitor schlicht das Bauwerk inmitten des Blumenmeeres vor.

    Der Ianitor guckte kurz etwas verdutzt. Das Nymphaeum war schließlich eigentlich eher eine Zierlaube, wenn auch eine wirklich hübsche. Aber wenn der Magister sie sehen wollte, würde er sich jetzt auch nicht wehren. Bislang war bis auf das kleine Malheur mit den Hunden ja alles glatt gegangen, wobei er noch nicht wusste, ob selbiges noch ein Nachspiel hatte oder nicht.
    “Im Haus sind noch tragbare Kohlepfannen zum Einheizen einzelner Räume, und natürlich Öllampen so wie diese. Aber größere Feuerstellen gibt es sonst nicht.“
    Der Ianitor war sich nun nicht sicher, ob der Petronier auch die Kohlenpfannen sehen wollte. Wobei man ja nie wissen konnte, wo er ja auch das Nymphaeum sehen wollte.
    “Für das Nymphaeum würde ich dich bitten, wieder die Treppe hinauf zu steigen und dann nach links zu gehen, so geht es am schnellsten in den Garten von hier aus.“
    Der Ianitor wartete, dass der Petronier seiner Anweisung nachkommen würde, so dass er die Öllampe wieder löschen und ihm folgen konnte.

    Keine Reaktion. Kein Erröten, keine geschmeichelten Worte, nur ein distanziertes Lächeln. Die Petronia war ein kalter Fisch und das Kompliment wohl verschwendet. Sextus machte sich nichts weiter daraus, da sie ohnehin nicht auf seiner Beuteliste stand. Lediglich ein kleiner Gedanke darüber, dass die Damen der Provinz definitiv andere Umgangsformen wohl gewohnt waren als die in der Stadt, aber das war ebenfalls nicht weiter tragisch.
    Seine Gedanken kreisten ohnehin mehr um die junge Punierin, die sich deutlich beeindruckter zeigte. Und dabei hatte er im Grunde gar nichts gemacht. Nur ein paar nette Worte und etwas, das kaum als Berührung durchgehen konnte. Und doch erschauerte sie fast dabei und sah ihn geradezu ängstlich an.
    Das war der Augenblick, in dem Sextus sich sicher war, dass sie erröten würde, und er wäre zu gerne dabei, das mitzuerleben. Diese Art von Schüchternheit brachte nur Unberührtheit hervor, und das trotz ihres Alters. Da wurde es ja fast Zeit, an diesem Umstand etwas zu ändern. So ein hübsches Wesen sollte nicht im Schatten verblühen. Und der Umstand, dass sie so herrlich ahnungslos war, machte das ganze überhaupt erst reizvoll.


    Aber just da lenkte ein anderes weibliches Wesen die Aufmerksamkeit auf sich und gewährte Sextus tiefe Einblicke in die weibliche Anatomie, die er geflissentlich nicht offensichtlich bemerkte. Auch wenn es hübsche Einblicke waren. Die war definitiv keine Jungfrau mehr. Sie wurde ihm dann auch als andere Tochter von Magonidas vorgestellt, und mit nicht minderem Charme, aber dennoch nicht auffallend anders als die anderen Damen, begrüßte er sie natürlich. “Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite, geehrte Sicca.“ Ein vernünftiger Bezug zu ihrem Namen wollte ihm nicht einfallen, er kannte Sicca nur als Schwert, und da ein vernünftiges Kompliment zu finden, war schwer. Also hielt er sich allgemeiner. “Heute darf ich mich wirklich glücklich schätzen, von solch bezaubernden Damen hier begrüßt zu werden.“
    Er schenkte ihr ein kleines Lächeln und wollte gerade noch etwas über ihre Schwester und sie als gemeinsames Kompliment anfügen, als er bemerkte, dass ihr Vater die jüngere weggeschickt hatte. Sextus war sich nicht sicher, ob diese Tatsache ihm verschuldet war, und noch weniger sicher, was er davon halten sollte. Immerhin hatte er noch nicht einmal angefangen, ihr Interesse für ihn zu wecken.
    Bei der anderen Tochter schien das aber auch ohne sein Zutun vorhanden zu sein. Solch einen Blick erhielt ein Mann nicht 'einfach nur so', aber gleichzeitig machte es die ganze Sache auch etwas langweilig. Und wie war das mit Dingen, an denen andere Kerle schon geleckt hatten? Wobei etwas warme Gesellschaft in seinem Bett sicher auch nicht gänzlich abzuweisen war, wenn sie sich schon so bereitwillig anbot. Also hieß es, nett zu bleiben. Zunächst aber zu den Vätern.
    “Und ich fürchte, dass die Pflicht mir wirklich sehr wenig Zeit gelassen hat, die schönen Seiten der Stadt richtig zu würdigen, und sie hat mich auch jeglicher unterhaltsamer Gesellschaft beraubt. Doch – und hierbei werden die Honorationen dieser Stadt mir sicher beipflichten - “ und damit schloss er auch den Duccier wieder in das Gespräch ein “ist Pflichterfüllung eine der höchsten Tugenden, und was sie vorgibt, ist Befehl. Daher ist es umso erfreulicher, dass der heutige Abend hier auf angenehme Art beides vereint.“

    Der Ianitor nickte, und fast sah es ein wenig erleichtert aus. “Gut, dann folge mir bitte.“
    Es ging ein Stück außen am Haus entlang, nicht weit, bis dahin, wo das Pflaster zum Haus hin abfiel und eine Etage tiefer ging. Sie betraten einen kleinen Tunnel, der einen Boden aus gestampfter Erde besaß und ein niedriges Gewölbe, so dass der Magister sich würde bücken müssen, um nicht mit dem Kopf anzustoßen. Einige Amphoren waren in den Boden eingegraben und nur das obere Ende schaute heraus. Hier unter dem Haus war es auch im Sommer kühl, und so lagerten hier in der Erde eingelegte Gemüse und andere Vorräte, die etwas Kühlung gut gebrauchen konnten. An der ersten Tür zum Haus ging der Ianitor gebückt vorbei bis hin zu einer zweiten Tür, die er dann mittels Schlüssel öffnete, um hineinzugelangen. Dem Magister ließ er hierbei den Vortritt und hielt die Türe auf. Vorsicht, es geht einige Stufen nach unten.


    Das Hypocauston selber war ein einfacher Raum ohne größeren Schnickschnack. Im Grunde befand sich hier nur der Ofen unter dem steinernen Rohrleitungssystem, durch das die heiße Luft in den Zwischenboden darüber gelenkt wurde. Er hatte auch nur ein kleines Fenster, so dass es reichlich dunkel war. Mit einem geschickten Schlag von Feuerstein an Eisen entzündete der Ianitor aber auch die kleine, im Raum befindliche Lampe und hielt sie so, dass das Flämmchen den Raum einigermaßen ausleuchtete.
    “Das dort ist der Ofen. Wie du siehst, aus Stein. Die Decken und Wände sind ebenfalls alle aus Stein. Dort drüben ist das Anfeuerholz, da ein Fass mit Wasser. Direkt über uns ist das Balneum des Hauses, das hauptsächlich hierüber beheizt wird. Die Leitungen dort führen noch bis ins Tablinum.“ Allerdings war das hierüber nicht effektiv zu heizen, so dass dort Kohlepfannen aufgestellt wurden, wenn es einmal wirklich kalt geworden war.