Nach nur wenigen Schritten fand Sextus eine einladend wirkende Gasse. Einige der Lupae standen hier herum, in ihren langen, meist grellbunten Togen, geschminkt wie die Vögel. Dicke, rote Lippen, blauer Lidschatten bis hoch zur Stirn, so verrieten sie eindeutig ihren Stand. Da brauchte es gar nicht erst die herben Sprüche und anzüglichen Einladungen.
“Hierher, Süßer. Komm, ich bin sauber. Komm mit mir mit.““Nein, vergiss die alte Schachtel, komm zu mir. Schau, wie fest meine Brüste sind. Komm her. Komm.“ “Nein, Hübscher, komm zu mir. Ich seh doch, wie stark du bist. Willst du mir das nicht zeigen?“ “Ach, was weißt du schon von Stärke? Mich hat mal ein Stier ... Und, bist du stärker als ein Stier? Hm?“
Sextus lachte, als er an den Mädels vorbeischritt. Ja, das hier war schon eher nach seinem Geschmack als dieses enge, stinkende Schiff mit den feinen Dämchen, die so eifersüchtig bewacht wurden. Er besah sich in Ruhe die Ware, die hier vor den verschiedenen Lupanaren feilgeboten wurde, zog die eine oder andere prüfend an sich heran, ließ sie seine Bereitschaft fühlen. Aber keine gefiel ihm so recht. Nicht, dass das unbedingt eine Voraussetzung war. Man musste das Mädel ja nicht zwangsläufig anschauen. Aber wenn man schonmal die Auswahl hatte...dann doch bitte eine ohne Mundgeruch, die nicht nach fünfzig anderen Kerlen am heutigen Tag stank.
Er ging weiter, bemerkte mit noch viel herzlicherem Lachen, wie die Blicke der Mädels immer zuerst zu seinen Schuhen gingen, ehe sie sich so richtig ins Zeug warfen. Offenbar gab es hier nicht so viel Besuch vom Patriziat. Umso besser für ihn. Er besah sich grad eine fesche, junge Blonde, als er ein zögerliches Stimmchen hinter sich ausmachte.
“Nehmt mich, dominus! Bitte, ich bin besser als die da.“
Beinahe hätte er das Stimmchen überhört, aber er drehte sich um und sah eine Frau, die ihre beste Zeit schon hinter sich hatte. Götter, die war älter als er! Was wollte er mit so einer alten Schachtel? “Und was will ich mit so einer alten Schachtel?“
Die Frau schaute verunsichert hoch. Gott, nichtmal so wirklich hübsch war das Weib. Naja, häßlich auch nicht grade, aber die war geschminkt, als hätte ihr niemand gezeigt, wie eine Lupa das zu machen hatte. Viel zu wenig, von allem. Nichtmal vernünftig Bleiweiß im Gesicht. Und die Kleidung erst! Die sah eher aus wie eine Ehefrau auf der Suche nach ihrem Mann, damit der nicht das ganze Geld hier ließ und genug zum Essen blieb.
“Ich hab Erfahrung, dominus. Und ich bin wirklich sauber. Und...“
Venus, die hatte ja echt keine Ahnung, was sie zu tun hatte. Die stand einfach nur da, während sich in Sextus' Rücken die Blonde an ihm räkelte und nur durch einen sehr festen Griff um ihr Handgelenk davon abgehalten wurde, weiter nach seiner Börse zu suchen, um sie ihm abzunehmen.
“Und wieviel soll mich der saubere Spaß kosten?“ Sextus musste beinahe laut loslachen, als er sah, wie das Weib so hoffnungsvoll zu ihm hochschaute und offenbar die Chancen hochrechnete.
“Zwei Sesterzen, dominus, und...“
“Zwei Sesterzen? Weib, du bist nichtmal zwei Quadrans wert! Wenn du mich ausrauben willst, mach es vernünftig, Lupa!“ Zwei Sesterzen, die Huren hatten Vorstellungen... Er wandte sich da lieber der jungen Blonden zu, deren Hand mittlerweile in seinen Schritt gewandert war.
“Ich meinte zwei Asse. Dominus? Bitte, ich...“ Jammerte das Weib jetzt etwa auch noch? Er nahm seine Zunge aus dem Hals der Blonden und sah sich dieses jämmerliche Weib nochmal an. Götter, die war echt noch nicht lange in ihrem Beruf. Keine Hure bettelte ihre Freier an. Außer das waren diese speziellen Weiber, die darauf dressiert waren, zu wimmern und zu jammern. Die meisten Huren wandten sich einfach an den nächsten und gut. Vielleicht noch ein paar Beschimpfungen an den 'Nequissimus, der eh nicht Manns genug war', aber das war's auch.
Sextus sah sie sich nochmal an und schürzte die Lippen. “Und wo?“ fragte er nach und schubbste die Blonde etwas unwirsch beiseite, als das Weib sich erdreistete, seinen Hals mit ihrer Zunge zu berühren. “Wenn du was ablecken willst, nimm nicht meinen Hals!“ fauchte er sie an und sah dann wieder zu der Frau.
Die überlegte einen Moment. Einen zu lange für Sextus, der die Nase voll von ihr hatte und weiter ging. Wenn die nur hier an der Häuserwand ein paar Asse verdienen wollte, sollte sie sich nicht an ihn halten. Bisschen Luxus musste schließlich sein.
“Bei mir daheim? Ich... es ist nicht weit, und es ist sauber. Nicht ein Bordell wie hier.“
Entnervt drehte sich Sextus um, ging auf die Frau zu. Diese wich vor ihm zurück, bis sie mit dem Rücken an der Wand stand. Er drängte sich gegen sie, fasst sie hart an die Brust und kam ihr ganz nahe. Nun, sie roch sauber, das stimmte. Und hatte heute entweder noch keinen Kunden gehabt oder aber sich danach gut gewaschen. “Wenn wir nicht da sind, bevor ich die Lust an dir verliere, verprügel ich dich und lass dich liegen. Verstanden?“
Er sah die Angst in den Augen der Frau, dann das ergebene Nicken. “Es ist nicht weit. Nur ein paar Straßen. Nicht weit, wirklich.“
Vermutlich würde irgendein verblödeter Tölpel versuchen, ihn dort aufzuschlitzen. Aber das war auch sicher lustig, war eine Weile her, dass Sextus jemanden getötet hatte. Und sollte es schieflaufen, würde er schon die flavische Schnepfe nicht mehr heiraten müssen.
“Gut, geh vor.“ Er ließ die Frau los und wies in eine Richtung.
“Es... geht da lang“, ging sie natürlich in die andere Richtung los. Sextus hatte jetzt schon nicht übel Lust, sie zu prügeln und liegen zu lassen. Die Blonde wiederum hinter ihm benahm sich wie eine richtige Hure. “Ach, du Schlappschwanz! Steck dein Dingelchen doch in die da, wirst schon sehen, was du davon hast! Ich kann bessere haben! Und größere! Mistkerl!“
Sextus hörte nicht einmal hin und folgte dem Weib nur, eine Hand aber am Messer an seiner Seite. Er kannte dieses Verhalten von den Freudenmädchen aus Achaia, da waren die hier auch nicht anders.
“Mein Name ist übrigens Beroe.“
“Weib, das ist mir scheißegal.“