Beiträge von Cnaeus Prudentius Spurinna

    Als erstes erschien mir der Wein – schillernd, perlend, kostbar erscheinend –, den der Sklave mir in den schon vorherig dagewesenen Becher füllte und in geradliniger Konsequenz reichte, woraufhin ich nicht lange zauderte ob der Möglichkeit, einen Schluck daraus mir zu nehmen. Ich tat es einfach.


    Und als zweites tauchte die Herrin des Hauses selbdritt auf. Welch wunderschöne Erscheinung, einem nymphenhaften Wesen ähnlicher als einem menschlichen, dachte ich mir wie bezaubert und ließ ein Lächeln meinen Mund umspielen.


    Salve, Aelia Vespa. Ich danke dir für deine Gastfreundlichkeit.


    Mir war sonder Zweifel bewusst, dass sich der Anblick der Ehegattin meines Neffen bot, so bedurfte dies keiner weiteren Erläuterung – was Vespa auch so sah. Ach, welch wundervolles blondes Haar sie hatte, wie Weizen, der vom Wind gestreichelt. Sicher färbte man sie.


    Sicherlich beschäftigt meinen Neffen seine neue Arbeitsstelle durchaus, und somit ist es mehr als verzeihbar, dass er nicht zugegen sein kann, versäumte ich es doch, in den letzten 10, gar 15 Jahren den stadtrömischen Prudentiern meine Aufwartung zu machen.


    Die Frage nach meiner Reise entsprach gewisslich nicht ehrlicher Wissbegierde, sondern eher der hehren Intention, ein Gespräch in Gang zu bringen. Also tat ich dergleichen.


    Meine Reise war durchaus angenehm, ich danke. Auf meiner Schiffahrt von Cemenelum nach Ostia ereilten mich keinerlei Stürme oder sonstige untrennbar mit der hohen See verbundenen Gefahren. Einzig meinem Hund erging es nicht so trefflich.

    Nach den geschehnissen an der Porta ward ich froh, dass mich nun, nachdem ich hereingeführt worden, die Wärme der Casa Prudentia zu Rom umfing. Mein Blick schweifte kurz durch die Räumlichkeiten, ehedem ich tat, wie vorgeschlagen vom Sklaven, und dazu nickte.


    Sehr wohl, Wein wäre nicht verachtenswert.


    Zur Zeit, da ich nun wartete sowohl auf Hausherrin wie Wein, gab es nicht sonderlich viel zu tun, so genoss die Ruhepause ich, indem ich umher blickte im Tabularium, in der Hoffnung, etwas zu erblicken, was die Imagination zu inspirieren imstande sei. Doch leider fand ich wenig vor, was mir wert schien, genauer anzuschauen. Hoffentlich bot die Hausherrin einen interessanteren Anblick als diese Räumlichkeiten.

    Tappo hatte es nun wohl wahrhaftig vollbracht, des Sklaven Fassung aus dem Lote zu bringen und ihm die Furcht auf das Gesicht zu jagen. Doch sowie ich meine Wort gesprochen und das Tier sich zurückgezogen, erblickte ich trotzdem einen furchtsamen Mann am Sklaven. Es dauerte einige Augenblicke, ehedem er wieder zu sprechen anhub. Ich horchte, lauschte, wartete, während meine Stirn sich leicht verzog, sodass leichte Runzeln mein Antlitz nun zierten.


    Er ist... nicht zugegen?


    Meine Augen wurden ob des Druckes, den meine Lidmuskeln unwiderstehlich auf sie ausübten, leicht zusammengekniffen, und der Sklave erhielt einen misstrauischen Blick, bevor meine Gesichtszüge sich wieder zu glätten schienen.


    So sei es. Ich wünsche eben diese Domina, Aelia Vespa, die Gattin des Tiberius Balbus zu sprechen, sowie jene verfügbar sei.

    Zitat

    Original von Aelia Vespa
    Es dauert ein wenig, aber dann wurde dem Mann die Türe geöffnet und der Türsklave begrüßte den Klopfenden.
    "Salve, was kann ich für dich tun?"
    Der Sklave lächelte freundlich und wartete auf die Antwort des Mannes, der vor ihm stand.


    Das Warten, mit dem ich bereits gerechnet, trat auch ohne Fehl auf. Es zog sich über einen gewissen Zeitintervall, den ich damit zubrachte, meinen Blick eine Wenigkeit herumschweifen zu lassen. Doch wurde meine Hoffnung, etwas Bedeutsames sehen fähig zu sein, dadurch zerstört, dass bereits das Dunkel der Nacht sich über die ewige Stadt gelegt. So wanderte mein neugieriger Blick wieder zur Tür, welche just in diesem Moment schon geöffnet. Kaum hatte der Sklave seine Worte – durchaus nicht feindselig – hervorgebracht, da erdreistete sich Tappo, hochzuspringen und den Sklaven anzuknurren, sodass ihm schier der Geifer von den Lefzen fliegen wollen schien.


    Tappo! Schluss!


    Ein gezielter Schlag vermitelst meines Stockes traf das Tier, welches darob sich wieder zurückzog.


    Just sagte ich dir, so du du meine Ankunft in Rom darniederziehst, wirst du vom Stocke gestrichen wie mit Ruten!


    Meine Worte, die vorher meinem Hund gegolten, richtete ich nun an den Bediensteten.


    Salve. Mein Name ist Cnaeus Prudentius Spurinna, aus Cemenelum. Ich bin mit dem Hausherrn, Tiberius Prudentius Balbus, dergestalt verwandt, dass ich der Enkel seines Urgroßvaters bin, also ein Onkel zweiten Grades. Mich verlangt es, meinen Neffen zu sehen, habe ich mich und meine bevorstehende Ankunft doch schon durch die treue Post bei ihm angekündigt. Ist er zugegen?


    Ich klopfte unbewusst mit meinen Stock gen Boden, wie um meine Worte zu betonen.

    Ich musste eingenickt sein. Ja, nur so konnte ich mir erklären, dass ich mich im einen Moment noch am Tore Ostias gen Rom befunden, und nun schon der Kutscher mich aufrüttelte und mir etwas ins Ohr zu rufen anhub.


    Prudentius!


    Oh ja, mein Name. Mein Nomen Gentile, über den ich in letzter Zeit so wenig nachgedacht. Wiewohl wichtiger Teil meines Selbst, hatte ich ihm wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Dies würde anders sein.


    Prudentius Spurinna!


    Ah, Rom. Vielleicht fand ich hier meine Erfüllung. Und, nebenbei, den Sinn des Lebens, das wäre auch noch schön.


    Es oblag mir nicht, solchen mit Kraft vorgebrachten Aufforderungen mich lange zu wiedersetzen. Ein Ächzen drang zwischen meinen Lippen hinaus in die Luft der ewigen Stadt, in der ich mich nun befand, als ich zuerst Tappo rausschmiss, dann meine Arme aufs Polster platzierte und mich aufstemmte, bevor ich mich mit einem fast schon als jugendlich zu bezeichnenden Schwung aus dem Interieur schwang – obgleich auch bestialischer Schmerz mein Bein durchfuhr, als ich am Boden aufkam. Eine schlechte Idee war dies wohl gewesen, und ich klammerte mich an meinen Stock, um den Druck, den mein Körper auf das rechte Bein ausübte, sowie ich stand, zu mindern. Ein Sklave hatte schon meine 2 Kisten aus dem Gefährt geholt, und sie vor der Türe einer Casa hingestellt. Das schummrige Licht einer Fackel, welche vorm Haus befestigt, gab mir Einsicht auf die Tafel vorm Hause, wo in güldenen Lettern der Name der ansässigen Gens sich befand. Casa Prudentia. Zufrieden händigte ich dem Fuhrknecht den letzten Teil meiner Reisespesen aus, ehedem ich mich verabschiedete und die Kutsche ruckelnd weiterfuhr.


    Kurz beäugte ich abermals das Schild, welches vor der Casa leserlich angebracht, blickte meine linke Hand, welche unbeeinträchtigt vom Stock, der in meiner rechten Hand war, kurz an, wiewohl ihre Sehenswertigkeit zu wünschen übrig lassen pflegte dieser Tage, da meine Haut durchaus in Mitleidenschaft gezogen vom Seesalz, welches mich fühlen ließ wie einen alten Seebären, obwohl ich selten je zur See gefahren, bevor ich ebendiese Hand zur Faust ballte, sie langsam erhob und bedächtig, sorgsam fast, an die Türe klopfen ließ.


    Poch, poch, machte die Türe, und hoffentlich würde schon bald das vertraute Quietschen erklingen, welches charakteristisch für Türen, die sich öffneten, war. Die Zeit dazwischen vertrieb sich der gute Tappo neben mir, indem er laut und in schräger Tonlage, welche irgendwie wie ein Blubbern klang, kläffte.

    Ehrlich fragte ich mich, was den Mann, dem es oblag, die Gespäcksstücke des Schiffes auszuteilen, umtrieb. Sein Gesicht war verkrampft, als ob er bei Tag und Nacht mit einem mieselsüchtigen Ausdruck im Antlitz einherzuschreiten pflegte, und rot, als ob mit Farben er sich angetrichen hätte. Ich war der Nächste, der sich dranzukommen eilte. Ich grüßte den Mann, bevor ich noch einmal tief die meine Nase umschmeichelnde Luft von Ostia einsog, und nannte dann meinen Namen. Jener wiederholte ihn missmutig.


    Gnaeus Prudentius Spurinna.


    Dergestalt war die barsche Antwort des Verwalters, der schon anfing, die Liste durchzugehen.


    Cnaeus mit C, mahnte ich, und erhielt ein Grunzen als Antwort. Ich wusste ja, Gnaeus war die häufigere Schreibung. Doch ich pflegte meinen Namen mit C zu schreiben. In der Aussprache änderte das wenig, und das Schriftbild gefiel meinen Augen mehr. Es mochte ein bisschen archaisch sein, aber auch zeitlos und einzigartiger, ohne ungewöhnlich und somit hässlich zu wirken. Ich begann schon ungeduldig herumzuwippen, was allerdings den Schmerz in mein Hirn schießen ließ. Ich hustete zum Ausdruck meiner Pein.


    Da haben wir es ja. Cnaeus Prudentius Spurinna, 2 Reisekisten. Stimmt das?


    Ja.


    Gut. Das Handgepäck hast du bei dir?


    Eine riesige, ein wenig unförmige Tasche hing von meiner linken Schulter, ich hatte keinen Sklaven, der es mir trug, meine beiden hatte ich in Cemenelum gelassen. Wie der Schreiber dies übersehen konnte, entzog sich meines Wissens.


    Ähm. Ja.


    Gut!, machte er, und pfiff ein paar Sklaven herbei, die eilends meine Kisten hochhoben und auf die Kutsche hieften, die ich mir, zusammen mit einigen Mitreisenden, schon in der Zwischenzeit besorgt hatte, und auf meine Abreise wartete. Wie gut, dass es schon Abend war – bis wir in Rom ankämen, würde es schon die frühe Nacht sein, und die Kutsche konnte in die ewige Stadt einfahren.


    Ich langte zu dem Posten, wo ich Tappo festgebunden. Ja, mein treuer Hund, er mochte zwar stinken, doch es war ein gutes Tier.


    Einen letzten Blick warf ich auf das Schiff, das mich nach Ostia gebracht, bevor ich, meinen Stock gebrauchend, in die Kutsche stieg, und es mir, mit Tappo auf meinem Schoße, auf einem Sitz bequem machte, gegenüber von einem jungen Paar, welches miteiander herumturtelte, sowie neben einem grimmig einherblickenden Freigelassenen mit einem mitnichten ungewaltigen Bart, der mich faszinierte (ob Flöhe herinnen hausten? Doch machte dies nicht, mochte ich doch alle Tiere). Tappo aber blickte auf ihn und knurrte ihn an, und all mein Respekt für den Mann schwand, als er mich darob empört anschaute. So etwas Schäbigem konnte man nur damit entgegen halten, indem man seinen Kopf demonstrativ wegdrehte, wie auch hier geschehen. Ich hörte den Peitschenknall, als der Fuhrknecht abfuhr, als der letzte Fahrgast, ein neureicher Sägewerkbesitzer aus Segusio, eingestiegen war. Die Sonne ging unter, es wurde dunkel, der Bärtige und der Neureiche schwiegen sich aus, das Liebespaar kicherte und hub an, sich im Schutze der Dunkelheit zu befummeln, und ich blickte hinaus, in die langsam dunkel werdene Landschaft, welche das Tiberdelta darstellte, dann und wann mit meinem Stock rhythmisch auf den Boden klopfend.


    Der Tiber, der Vater aller Flüsse, göttlich wie Rom selbst, ertappte ich mich beim Murmeln. Bald wären wir sicher schon in Rom.

    Ad
    Tib. Prudentius Balbus
    Casa Prudentia
    Roma
    Italia


    Cn. Prudentius Spurinna Tib. Prudentio Balbo filio consobrini sui G. Prudentii Commodi salutem dicit.
    Nicht würde es mir wunderlich erscheinen, wärest du ob dieses Briefes verunsichert. Tatsächlich ward dir lange kein Brief geschrieben aus dem Hause Prudentia in Cemenelum – um der Ehrlichkeit Genüge zu tun, seit dem Tod deiner Tante Albinovana nicht mehr. Noch viel länger war ich nicht mehr in Rom selbst. Du wirst dich vielleicht erinnern, das war vor vielleicht 15 Jahren, da warst du noch ein Halbstarker. Nichtsdestotrotz bin ich bestrebt, familiäre Banden nicht abbrechen zu lassen, und so wende ich mich an dich. Das Problem, welches sich vor mir sein hässliches Antlitz erhebt, ist, dass ich alleine bin, ein Zustand, der mir auf die Dauer unzulänglich scheint.
    Selbstredend ist mir bewusst, dass sich selbst einzuladen es nicht ziehmt, und so bleibt dir die Möglichkeit erhalten, mich an deiner Türe abzuweisen. Ich würde es verstehen, und meinen Platz in einer Insula suchen. Doch hoffe ich, dein Familiensinn überwiegt – so mein Vetter Gaius Commodus auch seine Vorzüge auf dich vererbt hat, Tiberius Balbus. Und so bleibt mir die Hoffnung, dass du mich, deinen Onkel Cnaeus Spurinna, in der Casa der Familia empfängst. Da ich gedenke, einem Beruf in Rom nachzugehen, vielleicht dem eines Aquarius, hat mich die Technik dahinter doch schon immer interessiert, erhoffe ich mir, dass meine Anwesenheit deinem Geldbeutel nicht abträglich sein wird, und dass ich zum allgemeinen Befinden und der Wohlfahrt der gens beitragen kann.
    Tatsächlich bin ich im Begriff, morgen ein Schiff nach Ostia zu besteigen. Wenn die Winde günstig sind, so gedenke ich in einer Woche in Rom zu sein. Ich freue mich auf das Wiedersehen, oh Neffe zweiten Grades.


    Trist, von der Hoffnungslosigkeit, die über meinem Kopf zu hängen schien, angewidert, saß ich an jenem Schemel, den ich einst als junger Bursch selbst geschnitzt, und betrachtete trüben Auges meinen Geburtstagskuchen. Ein großes, aus Zucker gebranntes L lag oben auf, die Zahl 55 wiedergebend, und der leichten, luftigen Art zutrotz, in welcher Gestalt der Kuchen gebacken, konnte er mir nicht Erheiterung verschaffen. Ja, ich wusste, undankbar erschien ich gegenüber meiner Sklavin Doryphora, der Kuchen Bäckerin. Sie war ein gutes Mädchen, glaubte ich zumindest, herzensgut sogar. Ich glaubte, sie mochte mich ebenfalls. Dereinst tatsächlich schaffte ich es, sie zu überreden, mit mir ins Bett zu steigen – das mochte 1 Jahr her sein. Nur schaffte ich es nicht, das notwendige Maß an Mannbarkeit mir erwachsen zu lassen. Schlaff war meine Mannespracht, und man konnte Doryphora die Enttäuschung ansehen. Sie ist eine nette Frau. Und sie buk mir auch den Kuchen – doch erwähnte ich dies schon.


    55 Jahre. Vor 55 Jahren geboren, so man den Aufzeichnungen meiner Eltern Glauben schenkt. Me Hercle. Schon 55 Jahre auf der Welt, und das höchste Amt, das ich je bekleidet, war das eines Magistraten von Cemenelum. Einst scheiterte ich an der Wahl zum Duumvir, und wagte mich kein zweites Mal an die Politik – vielmehr zog ich mich aus ebendieser zurück, um von den Früchten dessen, was der Familiensitz hergab, zu leben. Als ich meinen 40. Geburtstag beging, gerade eben hatte ich damals die Lokalpolitik quittiert, war ich mir gewiss, dass der fünfundfünfzigste wonnig und heiter sein würde, man muss sich das vorstellen.


    Doch diese Hoffnung wurde mir geraubt, 2 Monate und 5 Tage vor meinem 49. Geburtstag. An diesem Tag verstab meine Frau. Eine Lungenentzündung raffte sie hinweg, in die Arme des Pluto hinein, mich alleine zurück lassend.


    6 Jahre, 2 Monate, 5 Tage war es her, dass mir alle Freude am Leben geraubt wurden. Sempronia Albinovana, selbstredend aus dem plebejischen, nicht dem patrizischen Zweig der gens Sempronia, war mehr als nur ein Eheweib, eine Geliebte, eine Angebetete – sie war eine Göttin von einer Frau gewesen. Ich scherze nicht, wenn ich dies sage. 29 Jahre waren es, die ich mit ihr verbracht. Wären es 28 Monate gewesen, 28 Wochen, 28 Tage, 28 Stunden nur – mein Leben hätte ich als erfüllt gesehen. Doch es waren 28 wundervolle Jahre gewesen.


    Ich sollte darob froh sein. Aber ich war es nicht. Betrübt wanderte mein Blick zur Tischkante, wo das Bild meiner Frau aufgestellt. Ein Lächeln zeigten meine Mundwinkeln, als ich ihre zarten, wunderschönen Züge am Bild erblickte.


    Albi, Liebstes...


    Mein Flüstern war kaum zu vernehmen. Nicht einmal der Sklave, der neben mir zu stehen geruhte, begierig darauf, weitere Wünsche seines Herrn entgegen zu nehmen, hörte sie. Sie waren nicht für ihn. Nur für mich und meine Albinovana, welche jetzt im Elysium zweifelsohne von den Göttern mit Nektar und Ambrosia gefüttert wurde.


    Ich entließ Luft aus meiner Nase, quasi wie um Frust abzustoßen. Dann erhob ich meine Hand, und ergriff ein Stück des Kuchens, welches Doryphora mir bereit gestellt. Es wanderte in meinen Mund. Es schmeckte, doch dies Gefühl widerspiegelte sich nicht in meinem leicht verhärmten Gesicht.


    Herr? Schmeckt’s nicht?


    Es ist die Stimme der holden Doryphora, welche trotz meiner Sympathie für sie niemals an Albinovana hinzugereicht. Ein Freund, Veturius Maturus, gab mir einst den Ratschlag:


    Hey, Spurinna, altes Haus, lass dich doch nicht so gehen, Mann! Ich weiß, dass mit der guten Albinovana war nich‘ so toll, ich meine, sie ist schon ne scharfe Tuss... äh, eine gute Gattin gewesen, aber, Mensch, da muss doch was dagegen zu tun sein! Schau, wir gehen zum Sklavenmarkt, ja? Such dir ne Sklavin aus, ich kauf‘ sie dir. Mit der kannst du dich dann vergnügen, und dann kannst du das alles vergessen, nich‘ wahr?


    Maturus war ein guter Mann, auch wenn seine Art zu sprechen seinem Cognomen eigentlich nicht zu entsprechen schien. Ich willigte ein, unsicher, ob dies die richtige Entscheidung gewesen. Zögerlich am Markt ward Doryphora ausgewählt, und sie war das Geld wert, welches Maturus für mich ausgegeben.


    Und trotzdem, eine Linderung meines Schmerzens hatte sie nicht herbeigeführt. Ich hielt es nicht mehr hier aus. Jeder Tag hier war eine Qual für mich. Ich musste weg. Musste.


    Doch, es schmeckt sehr gut, Doryphora.


    Ein Blick in ihre Augen. Ich rang mir ein Lächeln ab, bevor ich mich wieder dem Kuchen zuwandte. Noch ein Stück, und noch eines. Er war wirklich gut. Doch es gab Wichtigeres zu erledigen, als eines Kuchens zu frönen.


    Doryphora?


    Ja, Herr?


    Ich vertraue dir, weißt du das?


    Doryphora errötete.


    Das ehrt mich. Danke.


    Ich hüstelte.


    Und deshalb überlasse ich dir die Verwaltung meines Hauses in meiner Abwesenheit.


    Jetzt aber zeichnete sich Erstaunen auf ihren weichen, ebenmäßigen Gesichtszügen ab.


    Herr, du willst gehen?


    Ich nickte.


    Wohin denn?


    Nach Rom.


    Rom? Zu...


    Zu Tiberius Balbus, dem Prätorianerpräfekten, den ich meinen Neffen nenne.


    Aber wieso?


    Ich starrte sie an. Verwundert, sowie ich mit leicht steigernder Stimmlautstärke nun sprach.


    Wieso? Das siehst du. Ich vergammele hier. Ja, vergammeln, ein unziemlicher, doch richtiger Ausdruck. Ich versauere.


    Solche Wörter konnte ich sprechen, ich war zweifelsohne mit der Zeit gegangen! Doryphora blickte mich groß an. Ich konnte es ihr nicht verdenken. Die ganze Zeit hatte ich nichts getan, keine Ambitionen gezeigt, keinen Ehrgeiz, aus Cemenelum herauszukommen. Einmal war ich in Rom gewesen, mit Albi. Alle hatten damals auf uns geschaut, und sich gefreut, welch liebes, verliebtes Pärchen wir waren - obwohl damals schon 15 Jahre lang verheiratet.


    Du siehst mich hier, als 55-Jährigen, der nichts erreicht hat in seinem Leben, nichts! Nicht einmal Duumvir bin ich geworden!


    Ich stand auf und ächzte, als ein Schmerz durchs Bein mir schoss. Die Nachwirkungen des Jagdunfalles, den vor 3 Jahren ich gehabt. Seither war der Stock mein ständiger Begleiter.


    Ich werde das ändern. Jetzt. Sieh mich an, was siehst du?


    Einen Mann im Herbst seines Lebens...


    Leicht erbost waren nun meine Worte an dieser Stelle.


    Nein! Ich bin nicht alt, noch nicht! Ich habe noch Zeit, das alles aufzuholen, was in der Blüte meiner Jugend ich versäumt! Ich werde es dir zeigen! Ich werde es allen zeigen! Ich bin noch lange nicht abgeschrieben! Ich werde nicht ins Elysium eingehen als Mann, der nichts erreicht hat. Wie soll ich mich vor Albinovana hinstellen? Nein, ich werde beweisen, was ich kann!


    Doryphora hatte solche Töne von mir noch nie gehört, und starrte noch immer. Ich begann zu grinsen, wie seit über 6 Jahren nicht mehr.


    Bald wirst du schon von meinem Ruhm hören! Bald wirst du die Leute von der Vorzüglichkeit und dem unvergleichbaren Erfolg des Cnaeus Prudentius Spurinna singen hören! Doch jetzt entschuldigt mich, ich muss Vorbereitungen treffen, meiner baldigen Abreise bezüglich.


    Und ich begab mich in mein Zimmer, den Kuchen stehen lassend. Später sollte ich ihn aber noch verzehren, ich verschwendete kein Essen. Ohne Stock ging das Gehen über kurze Distanzen noch, über längere jedoch war es unerträglich; in jenen Momenten war es unumgänglich, ebenjenen zur Hand zu haben. Doryphora und der andere Sklave – Caradog, ein Britannier – blieben und schauten sich blöd an.


    Was war das?, fand Doryphora ihre Sprache wieder. Caradog schüttelte seine Mähne, die er Haar nannte.


    Ich weiß nicht, wie man es auf Latein nennt. Aber bei uns in Britannien nennt man es...


    Er nannte ihr den Ausdruck.


    Mit-Leif-Krei-Sis?


    Caradog nickte nur stumm.


    Und wenige Tage später legte ich mit Sack und Pack aus Cemenelum ab, auf einem Schiff gen Ostia. Nur begleitet von meinem treuen Hund, Tappo. Nicht jedoch ging ich, bevor ich nicht noch einen Brief nach Rom losgesandt...

    *mit-Stock-auf-Boden-poch*


    Machen wir das ganze kurz und bündig.


    Name: Cnaeus Prudentius Spurinna
    Gens: Prudentia
    Stand: Civis (Plebejer)
    Wohnort: Cemenelum kann ich nicht wählen, wie es mir den Anschein hat. Also wird es Rom, was auch nichts ausmacht, da dies Spurinnas Geschichte sowieso nur vorgreift.


    Spurinna ist der Sohn von Kaeso Prudentius Sollinus und Apuleia Longina.


    Und, er war mit dem NPC Sempronia Albinovana verheiratet, nun aber verwitwet.


    Alsdann, jetzt harre ich einmal meines Neffen Tiberius Prudentius Balbus... und nicht zuletzt der treuen Stadtwache.