Beiträge von Shayan

    Shayan konnte sich nicht so recht entscheiden, ob es nun drinnen unangenehmer war oder draußen. Heiß war es überall, die Luft war ebenfalls nicht die beste, nur hier waren die Plätze im Schatten begrenzt. Dafür erwischte man, wenn man Glück hatte, den ein oder anderen Lufthauch. Er blinzelte die feinen Schweißtröpfchen fort, die sich auf seiner Stirn bildeten, kaum dass er in die Sonne gekommen war, und in seine Augen zu rinnen drohten, während er sich zugleich ein wenig umsah. Wie der Lärm, der auch drinnen bereits wahrzunehmen gewesen war, schon angedeutet hatte, war auf dem Markt viel los, und es standen auch einige Menschen bei diesem Händler, dessen Namen zu merken Shayan sich nicht die Mühe gemacht hatte. Er hatte sich nicht einmal vorgestellt, nicht ihm zumindest, und es spielte ohnehin kaum eine Rolle, wie der Mann hieß, der ihn nur weiter verkaufte an jemand anderen.


    Zunächst hieß es für ihn warten. Der Händler war gerade dabei, noch andere Sklaven zu verkaufen. Immerhin gehörte er zwar zu denen, die Verstand genug besaßen, ihre Ware nicht allzu schlecht aussehen zu lassen, weswegen er sie in den Räumen im Haus ließ. Aber es ging nichts über Laufkundschaft, über die, die stehen blieben, weil sie etwas Interessantes entdeckten. Und das konnte nur passieren, wenn die Sklaven einige Zeit vor ihrer Versteigerung bereits draußen zu sehen waren. Die zwei, die vor ihm dran waren, waren jedoch verhältnismäßig rasch verkauft, rascher zumindest als Shayan vermutet hätte. Bisher hatte er sich einen ruhigen, undeutbaren Gesichtsausdruck bewahrt, und es gelang ihm auch, diesen zu behalten. Dennoch fühlte er sich unwohl. Er konnte nicht umhin, sich wie ein Stück Vieh zu fühlen, das präsentiert wurde, und genau genommen war er ja nichts anderes, oder vielleicht eher: die Situation war die gleiche. Und es fiel ihm nicht leicht, seine Ruhe zu bewahren. Obwohl er schon seit einiger Zeit nun Sklave war, das hier war neu für ihn. Diese Abfälligkeit des Händlers, gegen ihn gerichtet. Das Starren, Deuten, Gestikulieren der Menschen. Seit dem Ende des Krieges in Parthien zählte er offiziell als Sklave, aber die Beziehung zu dem Römer, der ihn besessen hatte, war dennoch geprägt gewesen von einem gewissen Grundrespekt. Sie waren beide Soldaten gewesen, hatten beide in diesem Krieg gekämpft. Die Machtverhältnisse waren klar aufgeteilt gewesen, und dennoch hatten beide anerkannt, was der andere war, oder in seinem Fall: gewesen war. Hier jedoch… Shayan ertappte sich, nicht zum ersten Mal, dabei, sich zu wünschen, der Römer wäre nicht gestorben. Aber er bemühte, sich diesen Gedanken zu verdrängen. Ahura Mazda hatte einen Grund gehabt, ihn in die Sklaverei zu schicken. Shayan musste nicht wissen, welchen, um davon überzeugt zu sein, dass es so war.


    „Römerinnen und Römer!“ begann der Händler unterdessen, den Parther nun anzupreisen. „Ein weiteres Prachtstück haben wir! Wie alle Sklaven, die ich verkaufe, handverlesen und mit genauem Auge ausgesucht! Ein parthischer Soldat, gefangen im Krieg, und damit inzwischen fast schon Rarität“, schwafelte er, zu Recht, wie er meinte, war der Krieg selbst doch schon seit gut zwei Jahren vorbei. „Von Haus aus bereits gut ausgebildet, hat er die letzten Monate bei einem römischen Herrn verbracht, der ihm die Feinheiten nahe brachte, die ein guter Sklave zu wissen hat, der ihn Treue und Gehorsam lehrte! Hervorragend geeignet als Leibwächter!“




    Obwohl es noch verhältnismäßig früh war, brannte die Sonne bereits vom Himmel und versprach einen heißen Tag. So heiß, wie es die vergangenen bereits gewesen waren, sowohl draußen als auch drinnen, jedenfalls in den Häusern rund um die Märkte. Von den Straßen drang Lärm herein, Geschrei, Geklapper, dazu unzählige Gerüche, die selbst ohne diverse fast Übelkeit erregende Variationen in ihrer bunten Mischung nicht leicht zu ertragen gewesen wären. Shayan schloss die Augen und konnte nicht umhin, sich zu wünschen, dass der Händler ihn heute verkaufen möge. Er war anderes gewohnt als das hier, sowohl im Positiven wie im Negativen. Rief er sich sein Zuhause in Erinnerung, dann dachte er an kühle Steinwände, an Diener, die seine Wünsche erfüllten, an kleine Gewässer und andere Annehmlichkeiten, die gerade im heißen Sommer für Erfrischung sorgten. Dachte er an den Krieg, war das hier eine deutliche Verbesserung dagegen. Der Händler, an den er geraten war, legte immerhin wert darauf, dass seine ‚Ware’ in einem passablen Zustand war, wenn er sie präsentierte. Shayan widerstrebte es, so zu denken, zumal es ihn selbst unmittelbar betraf, aber es machte keinen Sinn, Tatsachen zu leugnen. Und obwohl er zum ersten Mal tatsächlich verkauft wurde, waren seine Lebensumstände doch nicht mehr neu für ihn. Er hatte Zeit genug gehabt, sich daran zu gewöhnen.


    So oder so waren die Umstände jedoch fern davon angenehm zu sein. Der Händler sorgte dafür, dass es ihm und den anderen Sklaven gut genug ging, um einen entsprechenden Eindruck zu machen, aber er rührte keinen Finger, um etwas zu tun, was darüber hinaus gehen könnte. Shayan streckte sich ein wenig, dehnte seine Muskeln. Er sehnte sich nach Bewegung. Und nicht nur nach Bewegung, sondern nach Training. Das immerhin war in dem gut etwas mehr als einem Jahr seit seiner Gefangennahme etwas gewesen, woran es ihm nie gemangelt hatte bisher. Der Soldat, der ihn für sich beansprucht hatte, hatte ihn unter anderem als Übungspartner genutzt, nachdem er begriffen hatte dass er ihm so weit vertrauen konnte, und das war auch Shayan zugute gekommen. Das Leben bei diesem Römer war kein allzu schlechtes gewesen für ihn, auch wenn er in manchen Bereichen deutlich unterfordert gewesen war. In allen, die seinen Geist gefordert hätten, um genau zu sein. Im Grenzgebiet zu Parthien stationiert, hätte der Römer nicht einmal dann irgendeiner geistigen Leidenschaft frönen können, hätte er so etwas besessen. Nein, sein erster Besitzer war recht einfach gestrickt gewesen, was seine Vorlieben anging. Ein Soldat, für den es nichts Schöneres hätte geben können, als sein Leben im Dienst für seinen Kaiser und das römische Reich zu lassen. Shayan war sich nicht ganz sicher, ob es letztlich eine Ironie der Parzen gewesen war oder nicht die doch die Gnade seiner römischen Götter, die ihm diesen Wunsch gewährt hatten. Ein Leben gelebt im Dienst des Kaisers, ein Leben gelassen im Dienst des Kaisers. Nur nicht derselbe Kaiser.


    Und schließlich war es so weit. Die Gehilfen des Händlers kamen ein weiteres Mal, und dieses Mal nahmen sie ihn mit nach vorne und draußen. Shayan war erleichtert, dass es endlich so weit war. Und gleichzeitig konnte er nicht verhindern, dass sich etwas in ihm zu entfalten begann, was von Nervosität nicht weit entfernt war.


    Sim-Off:

    Reserviert