Beiträge von Marcus Decimus Livianus

    Wie angekündigt erschien der decimianische Consular am darauffolgenden Tag fast zur gleichen Stunde vor den Haus des Decemvir litibus iudicandis. Er war nicht alleine gekommen, sondern hatte den amtierenden Consul Claudius Menecrates samt Liktoren, dessen Sohn, und einige andere Begleiter im Schlepptau. Sie waren zuvor bei einem Trainingsrennen ihrer beiden Factios gemeinsam auf der Rennbahn gewesen und Livianus hatte die ganze Runde zu einem kleinen Umtrunk in eine nahegelegene Tabernae eingeladen. Für die anderen rein zufällig, von Livianus geplant, führte sie der Weg dorthin ab Haus des Decemvir vorbei, wo der Consular kurz halt machte und vollkommen überrascht zu seinen Begleitern meinte


    "Ach! Hier ist ja das Haus des Decemvir litibus iudicandis?! Ein Zufall! Würdet ihr mich bitte einen ganz kurzen Moment entschuldigen und hier auf mich warten. Ich habe vollkommen vergessen beim Decemvir die Erledigung der Erbschaftsangelegenheiten meiner verschiedenen Vespa abzuholen. Ich verspreche es dauert nur einen wirklich kurzen Moment. Ich bin sofort wieder da und wir können unseren Weg zur Taberna fortsetzen."


    Da Livianus zuvor an der Rennbahn auch kurz auf Menecrates warten musste und der Claudier gerade beim Thema "Livianus verstorbener Frau" wusste, wie feinfühlig und empfindlich der Decimer immer noch war, rechnete er nicht wirklich mit einer Ablehnung seiner Bitte. Er lächelte freundlich, deutete noch einmal beschwichtigend mit seiner Hand und wartete höflich auf eine Antwort Menecrates.

    "Natürlich Menecrates, dass ist überhaupt kein Problem. Mach nur. Ich berate mich in der Zwischenzeit mit Gallus." meinte Livianus und ließ den Claudier seinen Geschäften nachgehen, während er sich selbst seinem Vicarius und dessen Fragen widmete.


    Zitat

    Original von Galeo Claudius Gallus
    .....Alles schien klar, bis sich der Dominus über die Zusammensetzung des Starterfeldes äußerte. Je länger Galeo über die Aussage nachdachte, umso unsicherer wurde er, sie richtig verstanden zu haben.


    "Ich frage sicherheitshalber nach. Die Beteiligung einer anderen Factio habe ich verstanden. Auch, dass die Anzahl der Fahrer unter Vertrag zugunsten von Factiolosen gesenkt werden soll.
    Was aber bedeutet 'noch einmal gemeinsam trainieren'? Heißt das, du favorisierst ein Rennen gegen Fahrer der Praesina plus solche einer weiteren Factio? Oder bedeutet es, dass sich unsere Fahrer gegen gänzlich neue Fahrer beweisen sollen?"

    Lieber einmal mehr fragen als falsch interpretieren war Galeos Devise.


    "So oder so kann ich mehrere Vorschläge für ein Starterfeld ausarbeiten und dir vorlegen."......


    "Mehrere Vorschläge sind nicht notwendig, denke ich. Frag bei der Preasina vorher an, ob auch sie daran interessiert wären zu einem solchen Probetraining nur einen oder maximal zwei ihrer Fahrer zu stellen. Wir brauchen nur einen Referenz. Wenn sie damit einverstanden sind, dann findet das Training wieder mit ihnen gemeinsam statt und sie können natürlich auch Verhandlungen mit den factionslosen Fahrern aufnehmen. Aber wenn wir es veranstalten, möchte ich auch, dass wir den Vortritt haben. Sollten sie kein Interesse haben, dann ziehen wir das Training nur mit unseren Fahrern durch."


    Livianus hoffte das nun alles wesentliche geklärt war und unterhielt sich noch einige Zeit mit dem Claudier bis auch Menecrates und seine Begleiter wieder an der Rennbahn erschienen. Mit den eingeladenen Gästen im Schlepptau schritt der Decimer gemeinsam mit dem Consul und seinem Sohn voran in Richtung der erwähnten Taberna, jedoch mit einem kleinen, von ihm insgeheim geplanten, aber kaum auffälligen Umweg.

    "Menecrates ist ein schlauer Fuchs. Wenn er tatsächlich glaubt eine Ausnahme für dich beim Kaiser erwirken zu können, dann habt ihr sehr gute Chancen. Es kommt zwar selten, aber doch immer wieder vor, dass der Kaiser solche Ausnahmen genehmigt. Wobei ich nicht genau weiß wie der Kaiser explizit zu den Taten deines Vaters steht. Soweit ich weiß oder dabei war, hat er nur sehr vage seine persönliche Meinung geäußert.


    Aber wie gesagt. Wenn Consular Claudius mit dir den Kaiser aufsucht, dann hat er entweder einen guten Plan oder eine gute Chance gewittert dir da weiterhelfen zu können. Solltet ihr weitere Fürsprecher brauchen, kannst du auch gerne meinen Namen nennen. Zwei Consulare sind besser als einer." sagte Livianus lächelnd und versuchte so den jungen Vinicier Mut zuzusprechen.


    "Apropos gute Chancen. Wie ist eigentlich die Versteigerung ausgegangen. Es hat mich einigermaßen geschmerzt dir kampflos das Feld zu überlassen. Hast du die Sklavin wenigstens erhalten?"

    Nachdem sich Livianus noch einmal in aller Ruhe einen Überblick über die genaue Lage der Leiche und deren direkte Umgebung verschafft hatte, schritt er die Stufen weiter hinab in Richtung des Sperrrings, den die Urbaner gebildet hatten, so dass er den Ort des Verbrechens aus einer etwas weiter entfernteren Perspektive betrachten konnte. Der Mann war offensichtlich gekonnt mit einem einzigen Messerstich getötet worden. Der über die Politik erzürnte Durchschnittsbürger oder ein Affektmörder fiel daher als Tatverdächtiger schon einmal weg. Ein solcher Täter wusste nicht mit dieser Prozession wo genau er hin stechen musste, um ein solch unmittelbares und vor allem unauffälliges Ergebnis zu erzielen. Nachdenklich schüttelte der Consular den Kopf und fuhr sich nachdenklich durch seinen Bart. Weder in der direkten, noch in der unmittelbaren Umgebung war etwas auffälliges zu sehen, wie etwa eine weggeworfene Tatwaffe oder ein sonstiger herumliegender Gegenstand, der einen Hinweis bieten konnte. Der Täter ging also schnell, gezielt und vorbereitet vor.


    Er stand nun sehr nahe an der Absperrung und ließ seinen Blick über die immer größer werdende Traube der Schaulustigen schweifen. Kein verdächtiges Gesicht war zu erkennen, dass er vielleicht noch aus seiner Zeit als Praefectus Urbi wiedererkannte. Aus seiner Sicht war hier ein Profi am Werk gewesen der, wenn er sich nicht unter den Senatoren versteckt hielt, schon bestimmt über alle Berge war.


    Enttäuscht wollte er gerade wieder die Stufen nach oben steigen, als er an einer der Treppenpfeiler doch etwas auffälliges bemerkte. Irgendetwas war dort nahe des Toten eingeritzt. Schaute man von oben herab konnte man es nicht sehen. Erst jetzt wo er vom Forum aus hinaufschaute, war es zu sehen. Da er diese Treppen in den Senat bereits tausende Male hinaufgestiegen war wurde ihm sofort klar, dass dieses Gekritzel relativ neu sein musste. Er trat näher heran um es besser zu erkennen und kniete sich davor sogar recht unsenatorisch mit einem Knie auf den Boden. Allem Anschein nach war es das Symbol eines Fisches - das Zeichen der Christen. Er streckte seine Hand aus und fuhr langsam über den aufgerauten Stein.

    Aufmerksam verfolgte der Consular die Ausführungen der drei jungen Damen und fuhr sich nachdenklich durch den Bart nachdem sie geendet hatten. Er war neu in der Runde und wollte daher den anderen aus Höflichkeit den Vortritt lassen. Der anwesende Urbaner stellte gleich darauf eine gute und wichtige Frage und der Decimer konnte sich nicht weiter zurückhalten gleich eine weitere wesentliche Konkretisierung hinterher zu schicken.


    "Und um die Frage des Kollegen noch weiter zu präzisieren.... Habt ihr diese auch selbst gehört?


    Denn wenn ich euch richtig verstanden habe wisst ihr all eure eben mitgeteilten Erkenntnisse nur vom Hörensagen. Das meiste und wesentliche habt ihr also nicht mit euren eigenen Augen gesehen oder direkt von der Betroffenen gehört. Sehe ich das Richtig?"

    Der Consular nickte dem Vinicier dankend und anerkennend zu, den er trotz seines jungen Alters ausgesprochen reif und abgeklärt fand.


    "Ich danke dir Vinicius. Deine Worte ehren und freuen mich zugleich. Es ist schön, dass wir nach dieser unschönen Zeit die langjährige Freundschaft und Verbundenheit unserer beiden Gentes wieder aufleben lassen können. In diesem Sinne biete ich dir natürlich auch jede erdenkliche Hilfe an, die du vielleicht benötigst, um in Rom wieder Fuß zu fassen und das stolze Erbe deiner Familie fortzusetzen.


    Ich möchte dir nichts vormachen. Es wird nicht einfach und du wirst ohne Zweifel auch auf Gegenwind stoßen, aber so wie du dich mir bisher gezeigt hast setze ich große Hoffnung in dich, dass du den Namen deiner Familie wieder reinwaschen kannst. Meine Unterstützung dabei ist dir jedenfalls sicher. Hast du schon nähere Pläne oder Vorstellungen welchen Weg du einschlagen möchtest?"

    Die weiteren Fragen des jungen Vinicier ließen den Consular tief seufzen. Nun ging es ins Eingemachte und erneut versuchte Livianus die passenden Worte dafür zu finden.


    "Mit deinem Onkel Hungaricus habe ich seit damals nicht mehr das beste Verhältnis. Ich habe gehört, dass er sich auf einen seiner Landsitze zurückgezogen hat, der Kontakt zu mir ist aber bereits davor abgebrochen.


    Der Grund dafür ist leider ein sehr unangenehmer. Diese Ereignisse von denen ich dir gerade berichtete, habe ich nur zum Teil selbst miterlebt. Bei Salinators Machtergreifung habe ich mich wohlweislich nach Hispania zurückgezogen. Ich habe ihn mir bereits davor bei einigen Gelegenheiten zum Feind gemacht und hielt es spätestens da für mehr als angebracht eine Zeit lang von der Bildfläche Roms zu verschwinden, um ihn nicht auf dumme Gedanken zu bringen. Eine schwierige und sicher harte Entscheidung damals, die mir viele auch heute noch vorhalten. Aber ich musste an meine Familie denken.


    Mein Adoptivsohn Decimus Serapio hingegen blieb wie viele andere Römer hier, arrangierten sich mit den neuen Machtverhältnissen und gingen weiter ihren Berufen und Karrieren nach. Serapio wurde schließlich sogar Praefectus Praetorio unter dem Usurpator und als solcher...."


    Er stockte kurz als er merkte wie trocken seine Kehle wurde und nahm einen großen Schluck aus seinen Becher.


    "Entschuldige Bitte......... Und als solcher war er auch für die Ergreifung und Inhaftierung deines Vater zuständig. Es gab nach der Niederschlagung Salinators sehr unschöne Vorwürfe über die Behandlung deines Vaters in dieser Zeit. Sogar von Folter war die Rede, um deinen Vater zum Reden zu bringen. Faustus hat diesen Vorwurf abgestritten. Aber ich denke man setzte damals alles daran weitere Drahtzieher dieses Mordkomplotts ausfindig zu machen. Aber soweit ich weiß, hat dein Vater niemanden verraten.


    Dein Onkel hat mir trotzdem nie verziehen, dass ein Decimer dafür verantwortlich war obwohl er wusste, wie sehr ich seinen Bruder geschätzt habe.


    Ich kann daher auch verstehen, wenn du mir unter diesen neuen Gesichtspunkten nun nicht mehr so freundlich Entgegentreten wirst. Dies war auch der Grund, warum ich mich auf dem Markt so abweisend verhalten habe. Nachdem ich weiß wie dein Onkel über mich und meine Gens denkt, konnte ich deine Freundlichkeit nicht wirklich einordnen. Aber ich kann leider die Geschichte nicht mehr rückgängig machen. Selbst wenn ich das schon oft wollte."

    "Ich brauche keine Stipendiumablösung von dir." sagte Livianus mit einer abweisenden Handgeste und sank wieder zurück auf seinen Stuhl. Er bemerkte, dass er einen leichten Anflug von Kopfschmerzen bekam. Warum musste sich alles immer als derart Kompliziert herausstellen. Konnte nicht manchmal auch einfach etwas nur schwarz oder weiß sein. Natürlich konnte er bisher nur die Ausführungen seiner Verwandten, die ein wenig vorteilhaftes Bild über den Tiberier gezeichnet hatten. Aber natürlich kannte er auch die den hohen Wellengang der Ehe, die ein Paar mitunter umschiffen oder bestehen musste. Vielleicht hatte er sich von der einseitigen Darstellung der jungen Calena auch zu stark beeinflussen und blenden lassen und dem Tiberer unrecht getan, ihn hier vor seinen Klienten derart undiplomatisch und schroff entgegenzutreten. Der Decimer gestand Fehler nur äußerst ungern ein, aber hier hatte er wohl einen aus der Emotion heraus begangen, für den er sich zu entschuldigen hatte. Vor allem, da dies vor seinem Klienten Iunius Silanus passiert war, zu dem er kurz sah, bevor er sich wieder dem Tiberer zuwandte. Der leichte Schmerz in seinem Kopf begann unterdes stärker zu pochen.


    "Ich muss mich bei dir entschuldigen Tiberius. Ich habe mich wohl zu sehr von den Emotionen und der Vorverurteilung leiten lassen, die sich durch den bisher sehr einseitigen Bericht meiner Verwandten über die Situation und deine Person in mir gefestigt haben. Verzeih daher bitte meinen unpassenden Ausbruch. Vielleicht können wir bei anderer, günstigerer Gelegenheit diese Geschichte ausräumen. Sie soll nun vorerst jedenfalls nicht mehr zwischen uns stehen.


    Auch bei meinem Klienten Iunius Silanus muss ich mich entschuldigen. Er soll durch meinen Fehler kein falsches Bild von dir bekommen.


    Wenn ihr erlaubt beginnen wir noch einmal von vorne. Die hier ist Tiberius Verus, Trecenarius der Cohortes Praetoriae." dann deutete er auf Silanus "Dies hier ist mein Klient und enger Freund Lucius Iunius Silanus, ehemaliger Procurator a libellis am Kaiserhof. Er genießt also mein vollstes Vertrauen und auch das des Kaisers. Was führt dich zu mir?"


    Der Decimer ging vorerst einmal nicht davon aus, dass es mit der laufenden Ermittlung zum Sklavenaufstand zu tun hatte. Schließlich hätte der Tiberer auch die Sitzung der Kommission nutzen können, um dem Consular und allen anderen etwaige Ergebnisse oder neue Wendungen mitzuteilen.

    Der alte Consular atmete tief durch und überlegte, wie er die Antwort auf diese recht direkte Frage am besten formulieren sollte.


    "Nun ja Vinicius..... Verräter.... Diese Bezeichnung ist eine schwere Anschuldigung, die mit Scham und Verachtung einhergeht. Ich kann mich noch gut an die Diskussionen im Senat erinnern, als es darum ging deinen Vater und Tiberius Durus post mortem Amnestie von diesem Urteil durch Salinator zu gewähren. Verräter genannt zu werden ist mitunter das schlimmste, dass ich mir vorstellen kann. Die Frage dabei bleibt aber, aus welcher Sicht man diesen Verrat sieht. Für manche ist dein Vater ein Verräter, für andere wiederum ist er ein Märtyrer und andere feiern ihn vermutlich als Helden."


    Der Decimer sinnierte anfangs viel herum und es viel im sichtlich schwer die richtigen Worte zu finden. Doch alles herumreden brachte sie nicht weiter und so musste er deutlichere Worte finden.


    "Eines steht zweifelfrei fest. Dein Vater war am Mordkomplott an Divus Valerianus maßgeblich beteiligt. Viele sehen in ihm daher einen Verräter."


    Er wusste diese deutliche Offenbarung war gewiss hart für den Vinicier und so ließ er die Aussage kurz sacken, ehe er weiter fortfuhr.


    "Zu hinterfragen ist dabei natürlich, was seine Beweggründe dafür waren. Salinator war damals bereits Valerianus Stadthalter und Stellvertreter in Rom, als der Kaiser ziemlich schwer erkrankte und sich auf seinen Landsitz zurückzog. Salinator schirmte ihn dort regelrecht ab und kaum einer durfte den Kaiser sehen oder gar sprechen. Jegliche Kommunikation ging ausschließlich über den Vescularier, der diese Macht für alle offensichtlich sehr genoss und auch immer zu seinem eigenen Vorteil auslegte und ausnutzte. Selbst der Senat blieb nicht verschont. Vielen missfiel das - verständlicher Weise - und viele hatten die begründete Angst, der Kaiser könnte von Salinator nur noch als eine Marionette verwendet werden, um selbst die Herrschaft über Rom auf Dauer zu übernehmen.


    Es gab Momente in denen man sogar anzweifelte, dass Valerianus überhaupt noch am Leben war. Der Senat schickte schließlich, sehr zum Missfallen Salinators, eine Abordnung los, die sich über den Zustand des kranken Kaisers selbst ein Bild machen sollte. Als schließlich feststand, dass der Kaiser noch am Leben, aber gesundheitlich sehr angeschlagen war, fand sich wohl eine kleine Gruppe um Tiberius Durus und deinen Vater, die sich mögliche Alternativen zum leidvollen Istzustand überlegten. Hierbei kamen sie anscheinend zu dem verhängnisvollen Ergebnis, dass man Salinator nur wieder loswerden konnte, wenn man auch den kranken Kaiser los wird. Divus Valerianus hatte einen Sohn und damit legitimen Nachfolger, der ihm auf den Thron nachfolgen konnte und so war es allem Anschein nach ihre Idee, Salinator mit diesem unrühmlichen Komplott aus dem Weg zu räumen. Die restliche Geschichte kennst du vermutlich wie jeder andere Römer auch. Der Anschlag gelang, das Komplott flog auf und Salinator schaffte es trotz allem die Macht mit einem gefälschten Testament an sich zu reißen und den Thron mit der Zustimmung des Senats zu besteigen. Eine Herrschaft, die von vielen heute noch als Schreckensherrschaft bezeichnet wird. Und die Geschichte wird nun mal von den Siegern geschrieben. Wäre es anders gekommen, wären sie vielleicht heute Märtyrer oder Helden und keine Verräter.


    Die Geschichtsschreibung wird zeigen, was man in einigen Jahren oder Jahrhunderten in ihnen sehen wird. Ich denke aus ihrer eigenen Sicht wollten sie nur das beste für Rom und das römische Volk. Sie waren bereit einen hohen...... sehr hohen Preis dafür zu zahlen. Einen Preis den heute noch ihre Familien dafür zahlen müssen. Ich habe selbst viele Jahre überlegt was ich ihnen sehen soll und weiß es immer noch nicht. Was ich weiß ist, dass ich in deinem Vater nach wie vor meinen Freund sehe. Daran wird sich auch nichts ändern."

    Aufmerksam lauschte Livianus den Ausführungen des jungen Claudiers, ehe er zufrieden nickte.


    "Ein weiteres Probetraining ist gewiss eine gute Idee. Bitte veranlasse es und lade auch diesen Hermippus ein. Er kann sich dann beweisen. Ich hätte auch kein Problem damit noch einmal gemeinsam mit einer anderen Factio zu trainieren. Wir müssten dabei ja nicht alle Fahrer einsetzen, wenn es mehr factionslose Kandidaten gäbe, dir wir uns dabei ansehen könnten."


    Dann wandte er sich an den älteren Claudier.


    "Menecrates! Wenn du noch ein wenig Zeit erübrigen kannst, würden dein Sohn und ich dich und deine Leute als Dankeschön gerne zu einem kleinen Umtrunk einladen. Ganz in der Nähe gibt es eine hervorragende Taberna, in der ein wunderbarer Falerner ausgeschenkt wird."

    "Vale Decemivr." sagte Livianus und erhob sich. Mit diesen Worten verließ er das Haus des Decemvir litibus iudicandis. Natürlich war dem Decimer so wie vermutlich auch dem Vigintivir bewusst gewesen, dass es eine leere Drohung war, am nächsten Tag mit den Liktoren des Consuls zu erscheinen. Es stand Aussage gegen Aussage und selbst wenn das Wort des Consulars in diesem Fall vermutlich mehr Gewicht hatte, so wäre es die Mühe und den ganzen Aufwand nicht Wert gewesen. Die Drohung mit seinem Einfluss im Senat eine mögliche Wahl in ein weiteres Amt zu verhindern, war da gewiss weitaus schwerwiegender und leichter durchführbar. Die Zukunft jedenfalls würde zeigen, was sie für diesen jugen Magistraten bereit hielt, der einen Consular und Vertreter des Kaisers heute so wunderbar vorgeführt hatte.

    An Lob oder Anerkennung war der Vigintivir also nicht interessiert. Nach dem alten Motto "Nur Bares ist Wahres" machte er ziemlich deutlich klar, an was ihm Gelegen war. Ein sehr kurzsichtiger und für den Decimer eigentlich nicht nachzuvollziehender Schritt. Als Vigintivir stand sein Gegenüber erst am untersten Absatz auf seiner gedanklichen Treppe des Cursus Honorum den er beschritten hatte. Im Normalfall war es einem solchen Mann daran gelegen diesen eingeschlagenen Karriereweg erfolgreich weiterzuführen. Als hochrangiger und bekannter Senator und Consular hatte Livianus einen bedeutenden Einfluss auf diesen Karriereweg und konnte die Wiederwahl eines derart unbedeutenden Kandidaten problemlos verhindern. Das der Vigintivir das nicht erkannte und stattdessen nur auf seinen kurzfristig finanziellen Vorteil bedacht war, irritierte den Decimer ziemlich. Überhaupt war die ganze Sache ziemlich undurchdacht und plump. Würde Livianus zum Consul gehen und die Sache anzeigen, würde das Wort eines Consulars und Curator des Kaisers gegen das eines kleinen unbedeutenden Magistraten stehen. Man musste nicht lange überlegen um sich ausmalen zu können, wer der beiden den Kürzeren zog. Die Karriere dieses jungen Mannes war damit so oder so beendet. Ob nun sofort oder erst, wenn er für das nächste Amt im Cursus Honorum kandidierte machte da nicht mehr viel unterschied. Der Decimer fixierte nun mit einer ziemlich ernsten Mine den jungen Magistraten und sprach langsam und mit einer ziemlich bedrohlich klingenden Stimmlage ruhig und sachlich weiter.


    "Ich denke ich war es, der sich ungünstig ausgedrückt hat. Ich werde dich nun verlassen und morgen um die selbe Zeit wieder erscheinen. Bis dahin wirst du meine Anliegen - alle meine Anliegen geprüft und erledigt haben. Ich werde morgen nicht alleine kommen. Vor deinen Amtsräumen werden Liktoren des Consuls warten, die mir mein alter Freund Claudius sicher für eine Stunde ausleiht um mich zu diesem Termin zu begleiten. Sollten meine Angelegenheiten nicht erledigt sein, werden dich diese Liktoren zum Consul begleiten. Danach wird jeder deiner Fälle noch einmal aufgerollt, die Vorgehensweisen überprüft und die Betroffenen zu etwaigen Ungereimtheiten oder göttlichen Opfern befragt. Ich denke wir beide wissen schon jetzt was dann dabei herauskommen wird. Solltest du deinen Kopf wider erwarten aus der Schlinge ziehen können, dann wirst du vermutlich in den nächsten Jahren für die Queastur kandidieren wollen. Und spätestens dann wirst du feststellen müssen, dass du jede Wahl zu der du zukünftig antrittst, haushoch verlieren wirst. Dafür werde ich sorgen. Das kann ich dir versprechen. Haben wir uns nun richtig verstanden und möchtest du wirklich, dass ich morgen erneut kommen muss?"

    "Ich persönlich nehme dabei eher weniger Rücksicht auf die Wünsche unserer Anhänger. Diese sind beim Training meiner Meinung nach auch fehl am Platz. Beim Rennen können wir uns auch nicht aussuchen gegen wen wir antreten, also sollten wir hier auch beim Training keine Unterschiede machen."


    Als Claudius Gallus zu ihnen hinzutrat und nach einem weiteren Probetraining fragte, wandte sich ihm Livianus zu.


    "Tja von diesem Probetraining können wir nur mitnehmen, dass unsere Fahrer die Besten waren. Der Fahrer Tisander ist wohl an der Praesina interessiert. Neue Talente konnten wir also hier nicht entdecken. Vielleicht wäre es für das nächste Mal klug mehr factionslose Fahrer antreten zu lassen."

    "Es war ein Versprecher. Sie hat kein Testament im Tempel der Vesta hinterlassen. Ebenso wie die anderen. Ich wollte natürlich den Nachlass meiner Frau Vespa antreten."


    sagte Livianus entschuldigen, als er selbst das Versehen bemerkte. Dann sah den jungen Magistraten einen kurzen Moment schweigend und mit recht eindringlichem Blick an und dachte nach, ehe er ihm auf das Angebot antwortete. Das ein junger Magistrat solche Dinge immer wieder einmal bei römischen Bürgern probierte war bekannt, aber das er es bei einem hochdekorierten Consular versuchte, der jahrelang Praefectus Urbi war und nun als Curator rei publicae selbst die städtischen Magistrate überprüfte und vor Gericht brachte zeugte entweder von großem Mut oder großer Dummheit. Ein Wort des Decimers an der richtigen Stelle und die kurze Karriere des Mannes war beendet.


    "Dir ist schon bewusst, dass es eine meiner Aufgabe als Curator rei publicae ist, Klagen gegen städtische Magistrate vor Gericht zu bringen, wenn ich das Gefühl habe, dass sie ihre Kompetenzen überschreiten und ihre Dienstpflicht verletzen. Und das ist oft ein sehr schmaler Grat, auf dem sich solche Magistraten bewegen. Ich spreche auch oft mit meinem Freund Claudius Menecrates darüber, dem amtierenden Consul. Er hat sehr ähnliche Pflichten bei seinen unterstellten Magistraten im Cursus Honorum. Solche Gerichtsurteile für Magistrate die sich dem Missbrauch ihrer Amtsgewalt oder der Bestechlichkeit schuldig gemacht haben, enden meistens sehr unschön. Und Consul Claudius ist da auch sehr streng, soweit ich das von ihm selbst gehört habe."


    Er machte eine kurze Pause, um das eben gesagt wirken zu lassen.


    "Da ich aber nicht von dir verlange deine Dienstpflicht zu verletzen sondern nur die Abwicklung zu beschleunigen, sehe ich eigentlich kein Problem darin mich bei einem so fleißigen und hilfsbereiten Magistrat erkenntlich zu zeigen, wenn du wirklich sicher bist, dass auch du das willst. Schließlich werden dir deine Mühen hier im Cursus Honorum ja nicht abgegolten. Oder wie siehst du das? Ich könnte natürlich auch die eben besprochene Angelenheit als Gegenleistung für deine Mühen einfach vergessen, wenn ich mich morgen mit Consul Claudius auf der Rennbahn treffe und stattdessen Loben wie schnell und fleißig du meine Nachlassregelungen erledigt hast. Vielleicht würde dir das mehr zum Vorteil gereichen als so manch anderes, dass dir eben noch durch den Kopf ging."

    "Tiberius Verus?!" sagte Livianus überrascht, als der unerwartete Gast den Raum betrat und erhob sich. Dann meinte er in einem für ihn sehr untypischen unterkühlten Tonfall "Dein Name ist mir im Haus des Consuls bereits so bekannt vorgekommen, aber es ist mir erst nachher gedämmert. In meinem Alter und bei dieser großen Verwandtschaft ist es nicht immer leicht einen Überblick zu bewahren."


    Dann wandte er sich kurz in einem wesentlich freundlicheren Tonfall an seinen Klienten Silanus


    "Das hier ist Tiberius Verus, der Ex-Mann von Calena, der Tochter meines Vetters Publius Flaccus. Du erinnerst dich an ihn? Der Bruder von Maximus Meridius."


    ehe er sich wieder dem Tiberier widmet und dabei sein Gespräch mit Calena über diesen sogenannten "Ehemann" noch einigermaßen gut in Erinnerung hatte. Sie war kurz vor Livianus Hochzeit mit Vespa mehr oder minder unterstandslos und von diesem Mann bei seiner Familie zurückgelassen mit ihrer Nichte in der Casa Decima aufgetaucht und hatte um die Unterstützung der Familie gebeten. Livianus hatte sie damals im Haus aufgenommen und als Dank war Calena eine große Unterstützung für Vespa bei den Hochzeitsvorbereitungen gewesen. Dementsprechend dachte der Decimer nicht gerade gut von diesem Mann, auch wenn er ihn, abgesehen von der kurzen Begegnung im Haus des Consuls, hier zum ersten Mal Angesicht zu Angesicht gegenüberstand. Kühl und mit einem durchdringenden Blick fragte er daher nach


    "Oder irre ich mich da? Der Tiberius Verus, der meine junge Verwandte ehrlos als geschiedene Frau bei seiner Familie zurückließ und zur Arme ging, nachdem er das Ersparte verprasst und beim Fenster hinausgeworfen hatte. Der bist du doch?"

    "Beim aktuellen Stand ist es schade, dass wir nur einen unserer Fahrer ins Rennen schicken dürfen. Was meinst du?" sagte Livianus breit grinsend zu Menecrates und versuchte so ohne wirklich bösen Absichten ein wenig in gerade offene Wunden zu bohren. Außen trotz des Grinsens einigermaßen ruhig wirkend, zerriss es den Decimer innerlich vor Freude und Stolz über den aktuellen Stand des Trainings und der Leistung die seine Fahrer hier boten. Was wäre da alles möglich gewesen, wären sie nur beim letzten großen Rennen angetreten, dass Menecrates veranstaltet hatte. Umso erfreulicher war, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis sie die Chance hatten sich in dieser Form zu präsentieren.


    "Aber wenn es so ist, kann man leider nichts machen. Jedenfalls ist mir jetzt klar, warum sich dein Sohn entschieden hat die Aurata zu unterstützen."


    Während er sprach hatte LIvianus noch versucht ernst zu bleiben. Aber spätestens jetzt brach er in lautes gelächter aus und klopfe Menecrates auf die Schulter.


    "Verzeih mir bitte alter Freund. Aber es war zu verlockend. Ich freue mich wirklich sehr über die Leistung, die unserer Fahrer hier heute zeigen. Ich hoffe du verstehst das. Aber das Rennen ist ja noch nicht vorbei und oft sollte man sich nicht zu früh freuen. Im Augenbick kann ich aber einfach nicht anders."

    "Du musst nicht alle meine Titel aufzählen. Consular wäre die richtige Anrede, aber auch Decimus ist vollkommend ausreichend." erwiderte Livianus lächelnd. Anscheinend hatte der Vinicier bisher wenig Erfahrung im Umgang mit höherrangigen Personen gemacht. Doch der Decimer war der Letzte, der jemanden so etwas nachtrug, legte er doch selbst keinen Wert auf zu hochtrabende Umgangsformen, wenn es um seine Person ging. Er deutete einem Haussklaven, dass er dem Gast das gewünschte Wasser besorgen wollte und widmete sich dann ganz dem Vinicier.


    "Ja, ich kannte deinen Vater und ich muss mich für mein Verhalten am Markt bei dir entschuldigen. Du hast es nicht verdient, dass ich so abweisend zu dir war. Es war jedoch einige der wenigen Situationen in meinem Leben, in denen ich zu verunsichert war, um damit richtig umgehen zu können. Ich möchte dir ganz offen gestehen…. meine gemeinsame Geschichte mit deinem Vater und deiner Familie hatten sehr viele schöne Momente, aber leider auch welche, die ich in den letzten Jahren lieber verdrängt habe. Von daher war ich Markt sehr irritiert plötzlich und so unerwartet dem Sohn des Vinicius Lucianus gegenüber zu stehen. Entschuldige also bitte mein Verhalten dir gegenüber."

    "Vinicius Massa. Natürlich erinnere ich mich an dich. Bitte nimm doch Platz."


    Livianus deutete auf einen freien Stuhl, der am anderen Ende seines Schreibtisches stand. Der junge Vinicer hatte den Consular bei ihrem letzten Aufeinandertreffen am falschen Fuß erwischt. Diesmal war Livianus zwar auch über den Besuch überrascht, aber nicht derart überrumpelt als bei ihrem letzten Aufeinandertreffen auf dem Sklavenmarkt.


    "Kann ich dir etwas zum Trinken anbieten?"

    "Ich habe keine Ahnung Silanus. Aber wir werden es gleich sehen." erwiderte der Decimer seinem Klienten und war ebenfalls schon sehr darauf gespannt, wer hier nun gleich im Tablinum im kaiserlichen Auftrag auftauchen würde.