Als der Procurator den unüblichen Grund für das Anliegen des Decimers ins spiel brachte, wurde dieser sichtlich unruhig und warf seinem jungen Begleiter einen kurzen Kontrollblick zu, ehe er sich wieder dem Fabier widmete und diesem dabei Fast das letzte Wort abschnitt.
"Wie du richtig sagtest, war mein Schreiben an den Kaiser von sehr persönlicher Natur."
Damit wollte er zum Ausdruck bringen, dass der junge Prudentier den genauen Inhalt des Schreibens weder kannte, noch explizit wissen sollte. Livianus wusste bereits jetzt, dass dies nur einen erneuten Disput zwischen ihm und seinem Ziehsohn entfachen könnte, der gerade hier von dem Procurator zum erdenkbar ungünstigsten Zeitpunkt stattfinden würde. Wenn der Fabier den Brief kannte - und davon ging der Consular aus - dann wusste er dieses kurze Statement auch sicher richtig zu deuten. Um das Gespräch dann sicherheitshalber in die richtige Richtung zu lenken, sprach er gleich ohne auf eine Reaktion seines Gegenübers zu warten weiter und deutete auf den Jungen.
"Also das ist eben mein Ziehsohn Gaius Primus aus dem Hause der Prudentier. Er ist der Sohn meiner verstorbenen Gemahlin Aelia Vespa, Nichte des Dives Valerianus und des Eques Tiberius Prudentius Balbus, Sohn des Consulars Prudentius Commodus. Aber das habe ich ja bereits geschrieben.
Jedenfalls hat sich der Junge dazu entschlossen, nicht wie sein Großvater und ich eine bedeutende Karriere als Senator anzustreben und damit dem traditionsreichen Cursus Honorum zu folgen, sondern in die Fußstapfen seines Vaters zu treten und den Weg eines Eques zu beschreiten. Ich denke bei seiner Ahnentafel sollte weder das eine, noch das andere ein großes Problem darstellen, auch wenn ich selbst Ersteres für sinnvoller erachtet hätte. Also verstehe das bitte nicht als Herabwürdigung deines Standes. Aber wie du vielleicht weißt geschätzter Fabius, ist es nicht immer einfach einem jungen Mann einen Ratschlag zu erteilen, der auch als solcher bereitwillig angenommen wird.
Aber wie dem auch sei... ich habe mich mit der Entscheidung des Jungen abgefunden und werde ihm dabei so gut es geht auch unterstützen. Der Stand des Eques allein ist - wie du ja selbst weißt - nur der erste Schritt dazu, ein wertvolles und nützliches Mitglieder der römischen Gesellschaft zu werden. Daher ist mir vor allem wichtig, dass der Junge gleich im Anschluss auch einen entsprechenden Posten erhält, bei dem er sich entsprechend nützlich machen kann. Denn der Stand alleine ist nur eine leere Hülle ohne Aufgaben und ohne Ziel. Und beides ist für einen jungen Mann wichtig. Daher schlage ich auch vor, dass er, ganz wie sein Vater vor ihm, eine militärische Karriere einschlägt. Denn eine militärische Ausbildung - und das weiß ich aus eigener langjähriger Erfahrung - prägt Geist und Körper. Die Tugenden der römischen Gesellschaft."
Während seines Monologs sah er immer wieder belehrend zu dem Jungen und man könnte fast meinen, er wäre ein Paedagogus und würde dem jungen Prudentier eine Lehrstunde erteilen.