Livianus zog bei den Worten des Tribunen eine Augenbraue nach oben, unterbrach ihn jedoch nicht, sondern ließ ihn aussprechen. Als dieser jedoch geendet hatte, lag es an dem Legaten eine Antwort zu geben.
„Du solltest meine Männer nicht unterschätzen Tribun. Das die Ausbildung in der Prima einen elitären Status hat möchte ich nicht anzweifeln, aber dennoch fehlt euch jegliche Kampferfahrung, die meine Offiziere bereits mitbringen. Wir sollten uns nichts vor machen. Die Legio I steht in Italia, im Herzen unseres Reiches und nicht an einer der Außengrenzen oder in einer Krisenregion. Natürlich ist mir bewusst, dass sie die Stammlegio des Kaisers ist und im Falle einer großen Offensive, immer an vorderster Front mit dem Kaiser kämpft. Jedoch geschieht dies nicht all zu häufig und deshalb wird man es im restlichen Exercitus Romanus wohl nicht gerne hören, wenn du von einer Eliteeinheit sprichst. Die Aufgaben der Prima liegen in einem anderen Bereich, der aber nicht weniger wichtig ist, als die Verteidigung unserer Grenzen. Jedoch jeder einfache Legionär, der in einer Grenzlegion dient wird dich wahrscheinlich auslachen, wenn er dich so reden hört.
Was die überdurchschnittliche Ausbildung betrifft, so ist diese bestimmt angebracht, da wir selbst kleinere Kampfhandlungen hier in Italia nur simulieren können und bis zu einem groß angelegten Feldzug keinerlei Möglichkeiten haben, praktische Erfahrungen zu sammeln. Ich würde es daher sehr begrüßen, wenn du die kampferprobten Offiziere, die ich dir aus Germanien mitgebracht habe, voll in die Ausbildung integrierst. Die Männer der Prima können bestimmt einiges von ihnen lernen.
Der erschwerte Aufstieg in der Ranghierarchie, ergibt sich durch die Lage der Legio ganz von allein. Wenn eine Legio öfter in Kampfhandlungen verwickelt ist, dann ist es völlig logisch, dass die Männer schneller an Erfahrung gewinnen, als beim Exerzierdienst im Castellum. Sei es nun durch das Nachrücken aufgrund eines getöteten Vorgesetzten oder durch besondere Leistung und Erfahrungen im Kampf. Solltest du also einmal die Dienstakten meiner Männer mit denen der Legio I vergleichen, so wird dir sofort auffallen, dass sie teilweise schneller befördert wurden. Sie bringen allerdings auch einen völlig anderen Stand an Erfahrung und praktischen Wissen mit, der für eine Legion unersetzbar ist.
Den dritten Punkt den du angesprochen hast, sehe ich mit sehr gemischten Gefühlen. Zum einen räume ich ein, dass ein Offizier, der sich hier in der Legio hochgedient hat, einen völlig anderen Status unter den restlichen Männern der Einheit besitzt, als jemand, der von einer anderen Einheit zu uns stößt. Andererseits sollte uns auch klar sein, dass neue Offiziere auch neues Wissen, neue Ausbildungsmethoden und neuen Antrieb in die Legio bringen können. Ich sehe das wie in einer Familie. Wenn man ständig nur unter sich bleibt und kein frisches Blut in die Familie lässt, dann kann dies auf Dauer nicht gut gehen und wird früher oder später sehr negative Auswirkungen haben. Sollte ich also die Möglichkeit haben, einen guten Offizier für unsere Legio zu gewinnen, so werde ich ihn bestimmt nicht ablehnen, sondern ihn als Bereicherung sehen.“
Der Legat wartete ab, ob es sonst noch Punkte gab, die der Tribun gerne von sich aus noch ansprechen wollte.