Avarus brachte die Situation ohne große Umschweife auf den Punkt. Das war es auch, was Livianus über alles an ihm schätzte und daher war er sehr froh, dass dieser seiner Einladung gefolgt war. Manchmal sah man sich natürlich auch mit Aussagen konfrontiert, die man selbst nicht so gerne hören wollte, doch man konnte sich immer darauf verlassen, dass man von Avarus seine kompromisslose Meine zu hören bekam. Natürlich bekam Livianus nur das bestätigt, was er sich schon selbst zusammengereimt hatte, doch es war gut zu erfahren, dass auch andere so wie er dachten, was den neuen Kaiser betraf. Ihm war auch nicht entgangen, dass Avarus Palma so wie auch er selbst bisher kein einziges Mal als Kaiser tituliert hatte.
Wesentlich wichtiger war jedoch, dass Quarto noch am Leben und wohl auf war. Es war eine Erleichterung zu hören, dass er sich in unmittelbarer Nähe befand und Gast der Germanicii war. Noch dazu nicht alleine. Als direkter Verwandter des ermordeten Kaiser war er und seine unmittelbare Familie der größten Gefahr von allen ausgesetzt gewesen und es war fraglich, ob diese schon vorbei war. Denn nach wie vor stellten die Aelier für jeden der das Reich regierte, ganz gleich wie er heißen mochte, eine Gefahr dar. Konnte auch Quarto als Bruder des ermordeten Kaisers ein Testament vorbringen indem seine Familie als Begünstigte der Thronfolge aufschienen, so wäre ein neuer Bürgerkrieg so gut wie sicher.
"Ich sehe die Sachlage so wie du Avarus. Mir ist zudem aufgefallen, dass Palma ähnlich wie schon Salinator vor ihm alle wichtigen Schalthebel des Reiches mit seinen Protegés besetzt hat. Ganz gleich ob wichtige Statthalterschaften wie Aegyptus oder die Stadtpräfekten in Rom. Überall hört man Namen von Personen, die sich bisher kaum hervor getan haben."
Der Decimer schüttelte verständnislos den Kopf.
"Ich weiß nicht wohin das alles führen wird, aber ich denke ihr werdet mir Recht geben, wenn ich sage das unser vorrangigstes Ziel als Senatoren sein sollte, Rom und dem Reich wieder eine gewisse Stabilität zu geben. Dessen wird sich auch Palma bewusst sein. Und sobald im Senat wieder eine gewisse Routine eingekehrt ist, wird sich auch das Volk beruhigen und mit der Situation abfinden. Daher ist es gut zu hören, dass sich unsere verbannten Kollegen wieder auf den Weg zurück nach Rom befinden. Auch wenn der Senat nicht mehr die Machtfülle republikanischer Zeiten besitzt, so ist er für die Bevölkerung dennoch auch in stürmischen Zeiten immer eine gewisse beruhigende Konstante gewesen."
Livianus nahm einen kräftigen Schluck aus seinem Becher und man konnte merken, wie sich seine Stimmung schlagartig änderte. Bisher hatte er sehr freundlich und gut gelaunt gewirkt, doch nun wurde er sichtlich ernster und nachdenklicher.
"Wie ihr sicher gehört habt, wurde mein Sohn seines Amtes als Praefectus Praetorio enthoben und gefangen genommen. Er wurde uns letzte Nacht in einem erbärmlichen Zustand zurückgebracht und befindet sich nun in seinem Zimmer um sich auszuschlafen und zu erholen. Ich denke es wird noch Wochen dauern, bis er wieder richtig auf die Beine kommt. Ich möchte ehrlich zu euch sein. Ich weiß noch nicht so Recht wie ich mit dieser Situation umgehen soll.
Natürlich ist mir bewusst, dass er sich letztendlich auf der falschen Seite dieses Bürgerkriegs befunden hat und wie ihr der Acta entnehmen konntet, war er es, der die Wahrheit über die Ermordung Valerianus aufgedeckt hat. Im Grunde genommen muss ich also froh darüber sein, dass er überhaupt lebend das Gefängnis verlassen hat."
Nun schlug die Stimmung des Decimers deutlich in Wut über und auch wenn er vor seinen Freunden besonnen wirken wollte, konnte er einen gewissen Zorn in seiner Stimme nicht unterdrücken.
"Aber er war immerhin der Preafectus Praetorio verdammt nochmal! Der oberste Präfekt des Reiches! Ich muss euch nicht erzählen was meine Familie wie euch die eure für dieses Reich schon alles getan und auch geopfert hat. Der Dank dafür ist, dass man meinen Sohn wie ein Tier in ein finsteres Loch sperrt, wo ihm Nahrung verwehrt wurde und er in seinen eigenen Exkrementen hausen musste?! Man hätte ihn auch genauso gut unter Hausarrest stellen oder ihm zumindest eine der angenehmeren Zellen zuteilen können. Ich würde diesen Palma am liebsten…."
Livianus verkniff es sich diesen Satz zu beenden. Er hatte sich schon genug in Rage geredet und hoffte innständig, dass ihm seine Freunde dies verzeihen und ihm einen Ratschlag geben konnten. Er konnte das Geschehene doch nicht einfach Ignorieren. Es ging immerhin um seinen Sohn.