Original von Iulia Cara
>>Wiedersehen zwischen alten Freunden
Wie es sich herausstellte, musste die junge Iulia die cena allein zu sich nehmen, da der Legat noch mit irgendwelchen Besprechungen aufgehalten wurde- An sich machte es ihr nicht viel aus, hatte sich der viel beschäftigte Mann doch schon öfters entschuldigen lassen. In diesem Fall hatte sie es sich daher zur Gewohnheit gemacht, Phocylides und manchmal auch andere Bedienstete, die in der Gegend herum standen, an den Tisch einzuladen und unterhielt sich mit ihnen. Auf diese Weise kannte sie bald einen Großteil der Bediensteten des Legaten. Zudem, da es sich bei vielen um Germanen handelte, hatte sie schon einige Brocken der fremden Sprache dazu lernen können. An diesem Abend jedoch, empfand es Cara als äußerst unpraktisch, dass der Decimer nicht zu gegen war, hatte sie ihn doch fragen wollen, ob es in Ordnung war, wenn sie eine Nacht außerhalb der Preatoriums in der Casa Sentia verbrachte. Zwar glaubte sie nicht daran, dass er es ihr versagen würde – zumal sie sich in diesem Fall ohnehin wohl nicht an seine Anordnung halten würde – aber da sie unter seinem dach und damit seiner Obhut lebte, empfand sie es als angebracht, ihn zumindest von ihrem Plan zu unterrichten.
Aus diesem Grund machte sich die junge Iulia nach dem Abendessen auch zu seinem officium auf, in der Hoffnung ihn dort anzutreffen. Nachdem sie an der dunklen Holztür angeklopft hatte, wartete Cara einen Moment und lauschte auf ein Zeichen aus dem Inneren. Als das ausblieb, pochte sie abermals. Doch auch dieses Mal war nichts zu hören. Unschlüssig drückte sie an der Klinke – und tatsächlich, die Tür ging auf. Vorsichtig schob sie den Kopf in den Türspalt und lugte in den Raum dahinter. Von dem Legaten war jedoch nichts zu sehen, noch nicht einmal der Tunikenzipfel einer seiner Scribae. Enttäuscht wollte sich Cara schon wieder zurückziehen, als ihr Blick auf eine Truhe fiel. Eigentlich war es nicht die alte mit eisenbeschlagene Holzkiste, die ihre Aufmerksamkeit gefangen nahm, sondern der Knauf eines Schwertes, der unter einem dunkelroten Tuch hervorlukend, oben auflag.
Die Iulia machte einen Schritt in den Raum hinein, aber nur, um sogleich wieder zögernd inne zu halten. Eine leise Stimme wisperte ihr zu, dass dies nicht rechtens war. Im officium des Decimers hatte sie nichts verloren – vor allem dann nicht, wenn sich der Hausherr nicht selbst darin aufhielt. Es stellte ein unerhörtes Eindringen in seine Privatsphäre da. Wer da zu ihr sprach war ganz klar ihre Vernunft, die Erziehung Creticas. Aber andererseits war da dieses Ding...Ihre Fingerspitzen pulsierten förmlich vor Neugierde. Cara wusste, dass es ihr nicht mehr aus dem Kopf gehen würde, bis ihre Fingerkuppen das Schwert berührt hätten. Außerdem kam der Decimer bestimmt spät nach Hause. Solche Besprechungen konnten ewig dauern. Manche Männer waren im Verlauf schon gealtert und zu schlotweißen Greisen geworden. Bis dahin wäre sie längst aus dem Arbeitszimmer verschwunden und der Mann würde nicht einmal erahnen, dass sie während seiner Abwesenheit hier drin gewesen war. Die Vernunft verlor haushoch.
Cara gab sich einen Ruck. Mit einem letzten Blick hinaus auf den Gang, um sich zu vergewissern, dass niemand sie beobachtet hatte, schloss sie leise die Tür und trat hinüber zu der Truhe. Dort ließ sich die junge Iulia auf die Knie sinken und schlug vorsichtig das rote Tuch zurück. Ein Schwert kam zum Vorschein. Ein kurzes, römisches Stoßschwert mit breiter Klinge. Die Waffe war schlicht an Verzierung, aber selbst für Laien war erkennbar, dass es fein und von Meisterhand geschmiedet war. Noch besser hatte man das Metall gepflegt. Obschon das Schwert einige Jahre, wenn nicht Jahrzehnte alt sein musste, schimmerte die Klinge blank und sauber, als wäre sie erst am Vortag geschmiedet worden. Fasziniert strichen ihre Finger über das Kunstwerk. Nach allem was der Legat angedeutet hatte, war diese Kline bereits benutzt worden. Das Blut war längst fortgespült, doch die Erinnerung haftetet der Waffe an. Sie hatte nicht nur Leben genommen, sondern auch bewahrt. Schon seit jeher hatte der Schwertkampf eine Faszination auf Cara ausgeübt. Erst ihr Vater, dann der ältere Bruder hatten es ihr – heimlich – beigebracht. Zumindest so lange, bis Saturninus entschieden hatte, dass sie eine junge Frau war und sie ihrer Bitten verschlossen hatte. Als junge Frau war es natürlich unschicklich auch nur in die Nähe einer Waffe zu kommen. Junge Frauen hatten angesichts solcher mörderischen Dinge in Ohnmacht zu fallen. Was jedoch niemand, nicht einmal Sophie, wusste, war, dass die junge Frau stets einen kleinen Dolch mit sich führte, den sie mithilfe eines schmalen Gürtels in einer Scheide an ihrem Oberschenkel befestigt trug. Man konnte schließlich nie wissen, wann es galt sein eigenes Leben zu schützen. Und Cara wollte definitiv nicht zu jenen Frauen gehören, die sich nicht zu verteidigen wussten. Vorsichtig nahm Cara das Schwert auf und wog es abschätzend in den Händen. Es war schwer, aber nicht untragbar. Ihr erster Eindruck hatte sie nicht getäuscht. Die Waffe war meisterlich ausbalanciert und lag gut in der Hand. Ein treuer Gefährte für den Kampf....