Es gab also keine Vollmachten zu sehen. Livianus hatte es eigentlich auch nicht anders erwartet und daher wirkte er auch wenig überrascht vom raschen Themenwechsel des Vesculariers, der nun in die Offensive ging. Sein Blick wandte sich für einen Moment von Saliantor ab und streifte durch die Runde der Senatoren. Bis auf die Wenigen, deren Loyalität sich Livianus sicher sein konnte, waren die Gesichter eher missmutig und angespannt. Hatte er tatsächlich den falschen Zeitpunkt gewählt? Hätte er besser die Wahlen abwarten und so wie unzählige Kandidaten vor ihm diese Hallen mit fadenscheinigen kurzen Reden entehren sollen, in denen sie irgendwelche Versprechungen und Zugeständnisse abgaben, die sie dann meist doch nicht hielten oder die keinerlei Auswirkungen auf die Geschehnisse im Reich hatten? Dies war schon immer ein Problem des Senats. Schwamm man mit dem Strom, konnte einem nicht viel passieren. Es waren Männer ohne Ecken und Kanten, ohne Charakter oder wirklichen Werten, die meist die höchsten Wahlergebnissen erzielten. Man konnte fast glauben die Wahlen waren meist ein Beliebtheitswettbewerb, als das Ergebnis von politischen Überlegungen. So wie es aussah traf auch ihn nun das Schicksal der Freidenker und Aufzeiger – sein politisches Schicksal schien bereits jetzt besiegelt zu sein. Doch wie es auch ausging, er würde diese Halle gehobenen Hauptes verlassen. Selbst wenn er damit leben musste, dass sein einzig erzieltes Ergebnis nach all dem war, den Senatoren eines Tages sagen zu können - Ich habe es auch schon damals gesagt. Sofern er diesen Tag überhaupt noch erlebte. In seiner Stimme lag wieder eine seltsame Ruhe.
"Was mit denen geschieht, von denen ich die Aufgaben abziehen möchte, kannst du wohl besser beantworten als ich Vescularius. Es wird, wie ich bereits Eingangs gesagt habe, in erster Linie Ämter betreffen die unter deinen Einflussbereich fallen. Solltest du tatsächlich vom Kaiser bevollmächtigt worden sein, während seiner Abwesenheit seinen Platz einzunehmen und die Geschicke unseres stolzen Volkes zu lenken, so halte ich dies für die schlechteste Wahl die er treffen konnte. Daher ist es für mich als treuer Diener des Kaisers und des römischen Volkes unumgänglich dafür zu sorgen, dass deine Inkompetenz nicht all zu viel Schaden anrichtet."
Dann wandte sich Livianus wieder an den restlichen Senat.
"Natürlich hätte ich euch von Anfang an Wahlversprechen wie den Bau eines prunkvollen Gebäudes, die Verbesserung unseres Rechtsystems oder die hundertste Überarbeitung unserer Gesetze vortragen können. Nichts anderes war es, was euch meine Vorgänger in den letzten Jahren versprochen haben und sie alle wurden von euch gewählt. Wenn schon dies alleine reicht um vom Senat für das Amt des Consul würdig befunden zu werden, dann tut es mir leid, denn von mir werdet ihr das nicht hören. Diese Dinge erachte ich für so selbstverständlich wie die Abhaltung der consularischen Spiele zu Ehren unseres Kaisers oder den Vorsitz im Senat. Es geht jedoch um mehr. Es geht um unsere Zukunft.
Heute befinden wir uns an einen Scheideweg. Wer dies nicht erkennen will, ist ein Thor. Ich weiß ihr seit nicht immer einer Meinung mit mir und viele haben vor mir ihre Stimme aus persönlichen Groll oder anderen unwichtiger Kleinlichkeiten zu verweigern. Doch ich bitte euch, denkt über meine Worte nach. Macht endlich die Augen auf und seht was vor sich geht außerhalb dieser Hallen und eurer meist heilen Welten. Und dann trefft eure Entscheidung."