Livianus war überrascht, man könnte sogar sagen ein wenig überrumpelt, durch die Offenheit, mit der sein Gast aufwartete. Er kam ohne langes Herumgerede zum Grund seines Kommens und sprach auch ohne sich ein Blatt vor den Mund zu nehmen seine Gedanken aus. Eigentlich eine lobenswerte Eigenschaft, würde sie Livianus nicht auf gewisse Art und Weise in die Enge treiben. Er überlegte kurz nach passenden Worten, ehe er seinem Gast antwortete.
"Zum Glück bin ich der Politik lang genug fern geblieben, um mich über gegensätzliche Meinungen oder den Widerstand einiger Senatskollegen übermäßig zu ärgern. Vor allem, wenn sie politisch oder gar persönlich Motiviert sind. Ich bin auch niemand, der lange nachtragend ist. Eine Eigenschaft, die auch dem einen oder anderen Senator nicht schaden würde."
Damit sprach Livianus die fast schon zur Tradition gewordene Eigenheit an, dass Senatoren immer und immer wieder die alten Verfehlungen anderer hervorkehrten, wenn ihnen Argumente ausgingen oder überhaupt zur Gänze fehlten. Dem Prätor war nicht entgangen, dass der Flavier es gekonnt vermied den Namen des Betroffenen anzusprechen, was Livianus noch mehr dazu veranlasste, diesen endlich auszusprechen.
"Was Germanicus Avarus betrifft, so stellt sich für mich nicht die Frage wie tief ich in seiner Schuld stehe. Für mich zählt einzig und alleine die Tatsache, dass ich in seiner Schuld stehe, selbst wenn er diese nie einfordern würde.
Wovon ich im Übrigen auch fest überzeugt bin.
Und ich meine, dass ihm durchaus ein gewisses Maß an Ehre und Aufmerksamkeit zusteht, wenn er auch nur das Geringste dazu beigetragen hat, mich aus den Händen der Parther zu befreien. Ihm ebenso, wie seinem Klienten und meinem Bruder. Ich werde daher auch bestimmt nicht zulassen, dass politische Interessen oder Intrigen diese Taten schmälern."
Livianus nickte, fast als wolle er seine Aussage noch einmal bestätigend festhalten.
"Und ich kann dir versichern, dass mich Senator Avarus keineswegs für sich eingenommen hat und ich dadurch zu einer manipulierbaren Marionette verkommen bin. Ich würde nicht einmal so weit gehen zu behaupten, dass wir vor meiner Gefangenname befreundet waren und ich kann dir auch nicht bestätigen, dass wir es jetzt sind. Sagen wir einfach, dass uns schon immer Familienbanden in gewisser Art und Weise einander verpflichtet haben. Du weißt, dass er mit der Schwester des Decimus Meridius verheiratet ist.
Dennoch. Ehre wem Ehre gebührt. Würde ich das anders sehen, würde ich mich selbst entehren."