Beiträge von Appius Decimus Massa

    Ein kühler Empfang. Ich konnte es verstehen. Hatte mich nicht einmal blicken lassen, seit dem Tag als ich aus dem Zelt gerannt war um Neriman...... Heute sahen wir uns das erste Mal wieder. Das es ihm besser ging war gut. Ich setzte mich an den Rand, legte mein Gesicht in die Hände seufzte, faltete und beließ sie vor meinem Mund, starrte auf den Fußboden der Kabine. Ich wischte mir mit einem Ende des grauen Focale übers Gesicht. Ein Kamerad hatte es mir besorgt. Nerimans Tuch war im hintersten Winkel meiner Tasche für die Ersatzsachen verstaut. Ich brauchte Zeit, war ausgelaugt und Müde.


    „ Was sagtest du?....Ach das Lied ....Sie besingen ihr Schicksal ewig den Nil befahren zu müssen. Nicht mal im Tod läßt der Nil sie gehen.“


    Ich hatte die Augen geschlossen. Diese Ruhe hier außer den Wellen, die gegen das Schiff liefen. Er hatte also zwei Dinge, die er mit mir besprechen musste. Sie konnten nicht sehr persönlich sein, so wie er mich empfangen hatte. Seit dem Zusammentreffen mit den Nomaden, war alles anders. Vielleicht war es gut so. Er war Tribun und konnte sich keinen Fehltritt leisten. Ich akzeptierte es stillschweigend, hatte momentan nicht die Kraft dagegen aufzubegehren, ihn zur Rede zu stellen. Als mein Vorgesetzer, konnte er mit meiner Loyalität rechnen. Als Freund, wenn er es wollte, stand ich ihm weiter zur Seite. Als Decimer musste ich meinen Platz erst noch finden.



    Der erste Punkt kam zur Sprache und bestätigte meine Annahme. „Ja...“ ich nickte. Für mich war heute alles mit einer gewissen Mühsal verbunden. Nach Worten suchend sah ich zu Serapio. „ Über ihn etwas zu sagen, dazu waren wir zu kurz zusammen. Ein ruhiger, in sich gekehrter Mensch. Wir saßen am Abend zusammen am Feuer und am nächsten Tag starb er in meinen Armen. Bis heute habe ich es nicht geschafft seiner Familie einen Brief zu schreiben.“ Meinen Kopf in die Hände gestützt, vergrub ich meine Finger in meinen Haaren. Da war es, Menas fragendes, ungläubiges, um Hilfe bittendes Gesicht. Seine blutverschmierten Hände, die sich an mir festklammerten, abrutschten. Wie er vor mir zusammensackte..... „ Nimm es, es ist gut so für Rom's Ruhm und Ehre. Für ihn und seine Familie gibt es keine Worte, die seinen Tod in diesem Augenblick rechtfertigen würden.“ sagte ich tonlos.

    Die Schiffe wurden beladen. Ich hatte mit meinen zwei Kameraden zu tun, das Maultier auf’s Schiff zu bringen. Unsere Ausrüstung und Verpflegung war bereits an Bord. Einen Moment hinsetzen und einen Schluck trinken. Ich hatte mir eine Ecke gesucht, die Flasche angesetzt, als mich wer antippte. „ Nicht mal hier....“ Ich sah nach oben. Ravdushara. Mit leicht unterkühlter Stimme, teilte er mir mit, das Serapio mich sprechen wolle. Meine Arbeit hatte ich erledigt und zu anderer hatte man mich noch nicht eingeteilt. Ich beeilte mich zu Serapio zu kommen, eh der Centurio Ideen entwarf, die mich davon abhielten.



    Wir hatten uns Tage nicht gesehen. Diensttauglich, war mein Platz in der Centurie. Der Rückmarsch durch die Wüste verlangte mir alles ab. Ich merkte, dass ich noch nicht ganz auf dem Posten war. Die Nächte schlief ich unruhig und traumlos, die Sonnenaufgänge in der Wüste fing ich an zu hassen. Der Zug durch die Straßen in Syene. Die Menschen die uns feierten. Das alles lief wie im Nebel an mir vorbei.


    Da stand ich nach zweimaligem Fragen vor der Kabine des Tribuns. Nach dem sinnlosen Versuch mit den Händen die Müdigkeit und Erschöpfung aus dem Gesicht zu wischen, klopfte ich an und trat ein, ohne auf ein herein zu warten. Er hatte Ravdushara beauftragt, dass hatte die Annahme in mir bestärkt, dass es sich nicht etwas dienstliches handeln konnte. Suchend sah ich mich um und entdeckte ihn in auf seinem Lager. Leise schloss ich die Tür. Meinen Galea hatte ich abgesetzt und auf eine Truhe hinter der Tür gelegt. Es war außer Serapio keiner in der Kabine. „ Aquila?“ sagte ich leise, mit schuldbewußtem Unterton. Eigentlich freute ich mich ihn zu sehen. Wenn er wüsste, was mich auf dem Marsch hierher für Fragen gequält hatten. „ Serapio? Wie geht’s?“ Wenige Schritten und ich war neben sein Lager gelangt.

    Der Ring. Ja, der Ring. Das letzte und einzige Geschenk. Ein Geschenk meines Vaters. Er sollte mich auf all meinen Wegen beschützen. Er passte gut zu ihr, wie für sie gemacht. Es sollte wohl so sein, dass er hier und jetzt den Besitzer wechselte. Ich zeigte auf den Delphin und zeichnete das Sternbild in den Sand. Sie kannte sich sicher damit aus. Um seine Position genauer zu bestimmen, zeichnete ich das Sternbild Adler rechts unter den letzten Stern des Delphins.



    Ihre fragenden Augen, ein glitzern in ihrem Augenwinkel, mit genau dem Blick für den ich keine Antwort wusste. Ich sah in die Sonne, mir ging so viel im Kopf herum. Mein Blick ging in den Sand zwischen meinen Füßen. Ich stocherte wahllos mit dem Stock im Sand, ließ ihn achtlos fallen. Der leichte Luftzug brachte mich dazu die Augen zu schließen, ihm mein Gesicht zu zudrehen. Unvermittelt drehte ich den Kopf zu Neriman, sah sie an. Meine Hand griff in den Sand. Meine Faust ein Stück über dem Boden haltend, rieselte der Sand langsam, einem dünnen Rinnsal gleich, aus ihr heraus. Es dauerte lange bis die Faust leer war. Es sollte so viel heißen, es wird viel Zeit vergehen, bis man sich vielleicht wieder sah. Ausschließen wollte ich es nicht grundsätzlich, dazu hatte ich Neriman viel zu sehr ins Herz geschlossen.



    Alles ging ohne Worte und das was ich dann tat sollte mir ewig in Erinnerung bleiben. Meine Fingerspitzen glitten vorsichtig fast ängstlich über ihre Lippen, wie ein Hauch, machten Platz für meine Lippen....... Mit leichter Scheu trafen sie auf ihre. Ich fiel und fiel, tief ins Dunkel, ohne Angst, frei von allem, mit der Gewissheit in diesem Augenblick das richtige zu tun, erfüllt von einer Flut an Gefühlen, es fiel mir schwer sie einzuordnen, so etwas hatte ich bisher noch nie erlebt. Meine Handfläche lag an ihrer Wange, die Fingerspitzen berührten ihr weiches Haar. DU TOR! Was tust du? Sieh der Wirklichkeit endlich ins Gesicht! Du hattest kein Recht dazu! Meine innere Stimme, genau jetzt ignorierte ich sie. Nur einmal. Ich wollte nur einmal spüren, wie es ist, bei ihr zu ertrinken, hinab zu sinken in die Tiefen der Unendlichkeit. Eine sanftere Stimme mahnte mich. Genug, es wird Zeit, du machst es nur unnötig schwerer für euch beide. Ich löste meine Lippen sacht von ihren. BOMM, das Schuldbewusstsein schlug mit aller Kraft zu. Meine Hand sank, genauso wie mein Blick. Es waren keine Worte nötig.



    Ich griff nach ihrer Hand und stand auf. „ Wir müssen Abay und Jasim suchen.“ Ich hoffte wenigstens einen der beiden hier irgendwo anzutreffen.

    Entlassen. Ich konnte aufatmen. Warum er gefragte hatte? Ich hatte keinen blassen Schimmer. Das Gespräch war beendet.
    Den Kameraden helfen. Mein Kamerad Maulesel wartete auf sein Marschgepäck. Alles von 8 auf 3 Mann zu verteilen, da kam keine Langweile unter uns auf. Wachdienst, Essen kochen, Zelt auf und abbauen, Ausrüstung reparieren, Waffentraining. An Freizeit war nicht zudenken.


    Ich salutierte vor dem Praefecten, wollte mich gerade entfernen, als er noch eine Bemerkung machte. Er meinte Neriman. Was er sagte war sehr deutlich, er hatte recht damit. Manch einer würde nicht zögern und zugreifen. Gleichzeitig nahm er mir die Möglichkeit, sie zu sehen. Ich durfte nicht ohne Genehmigung aus dem Lager. Was gab es hier auch für einen Grund nach draußen zu gehen.


    „ Jawohl Praefect.“ Ein Kommentar war nicht nötig und nicht angebracht. Es war ein Befehl. Ich trat weg.


    Vor dem Zelt, im ganzen Lager herrschte Aufbruchstimmung. Man spürte wie es alle nach Hause zog. Ehrlich zu mir selbst ? Ich wollte zurück, zurück nach Alexandria und das so schnell wie möglich. Einfach weg von hier, nachdem nun mit den Worten des Praefecten alles endgültig war.

    Ich ließ alles noch einmal an mir vorbei ziehen. Es änderte nichts an den Tatsachen, dass das Signum und der Tribun die letzen beiden vor dem Dunkel waren und der Centurio der erste danach.



    „ Praefect , der Centurio hat mir den Kopf gerade gerückt, nahm mir meinen Gladius ab. Ab da weiß ich, wie alles weiter ging. “ Mir wurde siedend heiß. Hatte ich die eigenen Leute in blinder Wut angegriffen? Alles bäumte sich in mir auf. Stellte er mir deswegen die ganzen Fragen?


    „ Ich wuchs als Römer unter Griechen auf. Mein älterer Bruder wollte den politischen Weg gehen, da blieb mir die militärische Laufbahn. Mein Vater hatte früh dafür gesorgt, dass ich den Umgang mit Waffen erlerne, Disziplin und Ausdauer in Fleisch und Blut übergehen. Ich durchlief die Ephebia. Widmete mich begeistert den Disziplinen, Speerwurf, Diskus, den Kampf mit Schild und Spatha. Mein Vater starb, mein Bruder folgte bevor er seinen Weg gehen konnte. Die Angst meiner Mutter, ich war das letzte was sie hatte, wollte,dass ich eine Politische Karriere einschlug. Sie schaffte es, mich 2 Jahre zurück zuhalten. Dann setzte ich mich durch, erfüllte den Wunsch meines Vaters, gegen den Willen meiner Mutter.“


    Warum gerade die XXII. Legion. Das war eine gute Frage. Sie war für mich leicht zu beantworten. „ Die XXII. Legion, ist am Meer stationiert, das Klima in Alexandria ist fast so wie zu Hause. Griechisch ist mir nicht fremd.“ Mein Handrücken fuhr automatisch über meine Stirn um die Schweißperlen wegzuwischen.Ein Lächeln lief über mein Gesicht, als ich zurück dachte, wie ich als kleiner Junge neben den Legionären herstolzierte. Ein hölzernes Galdius in der Hand.

    Zitat

    Original von Tiberius Octavius Dragonum


    ....Dragonums Blick war immernoch ernst, es schien fast als glaubte er dem Legionär nicht so ganz, vielleicht fehlte eben noch ein wichtiges Puzzelstück ...




    Mein Centurio war da und hatte berichtet, dann hatte er auch Namen genannt. Wollte der Praefect sie bestätigt haben? Ich hatte keine Namen. Verschwommene Gesichter. Unbekannt , nicht mehr realisierbar. Ab dem Punkt, ab dem ich keine Erinnerungen mehr hatte, konnte ich nicht mal sagen, wie viele und wer bei mir war.


    „ Praefect, ich habe keine Namen. In der Hitze des Gefechts...Ich weiß nicht mal wie viele bei mir waren, um den Tribun zu schützen. Mir fehlt ein Teil meiner Erinnerungen.“


    Hier konnte ich ihm nicht helfen oder bestätigen was er vielleicht erfahren hatte. Ein schlechtes Gewissen musste ich nicht haben. Es gab nichts zu verbergen. Ich hatte alles gesagt, was ich wusste. Trotzdem bildeten sich die ersten Schweißperlen auf meiner Stirn.

    Hinsetzen. Das war neu für mich. Ich sortierte den Galdius so, dass ich mich einigermaßen bequem in den Korbsessel setzen konnte. Ja, seine Bitte, ich hatte es als Befehl aufgefasst. Das war auch nicht so wichtig, wichtiger war, dass er von mir die Geschehnisse so hören wollte wie sie abgelaufen waren. Ich räusperte mich und überlegte, alles schön der Reihe nach. Er hatte also die Geschichten gehört.


    „ Wir waren in Formation. Die 2. Centurie, neben der 3.und so weiter, aufgefächert, wie befohlen. Der Angriff der Blemmyer begann. Sie bedrängten uns. Einige der 3. Centurie wollten nach hinten weg. Dann brach die ganze 3. Centurie nach hinten weg, öffnete die Formation. Ihr Signum war nicht mehr zu sehen. Die Blemmyer nutzten die Lücke. Die 2. Centurie versuchte die Lücke zu schließen. Mit einem Mal tauchte das Signum der 3. Centurie wieder auf und stürmte nach vorn. Der Tribun trug es. Unser Centurio befahl den Tribun zu schützen und einen Keil vor ihm zu bilden. Wir standen, hatten das Loch gestopft, aber die Blemmyer hatten die 2. Cohorte vom Rest abgeschnitten. Dann kamen die Reiter. Sie sprengten unseren Keil. Hielten auf den Tribun und das Signum zu. Ein Reiter schlug auf den Tribun ein. Ich war nicht schnell genug bei ihm. Irgendwie habe ich ihn erreicht, den Reiter getötet. Da war das Signum, der Tribun am Boden. Mehr weiß ich nicht. Von da ab bis zum Erscheinen meines Centurio’s liegt alles im Dunkeln. Ich habe mir schon das Hirn zermartert, aber die Erinnerung ....“


    Mir war mit einem Mal so heiß. Es lief alles vor meinen Augen ab, bis zu dieser vermaledeiten Stelle, dann war alles weg. Nichts. Nichts war mehr ...


    „Mein Centurio war dann plötzlich da. Ich sollte mich um das Signum der 3. und den Tribun kümmern. Ich saß mit dem Tribun neben dem Signum. Hatte einen Dolch für alle Fälle. Der Centurio bildete mit dem Rest unserer 2. Centurie um uns beide und das Signum einen Ring in Erwartung des nächsten Angriffs. Dann kam das Signal und sie zogen sich zurück.“


    Der einzige der den Bericht bestätigen konnte war unser Centurio. „ Praefect. Centurio Trebellius Posca, kann den Bericht bestätigen.“

    Sie hatte etwas von einer Göttin. Das Lächeln, die strahlenden Augen. Ihr ebenmäßiges Gesicht. Eine Strähne ihres Haares hatte sich unter ihrem Tuch hervor gestohlen. Über meine Beobachtung, hatte ich beinahe nicht mitbekommen, was sie von mir wollte. Ihr ging es also gut. Wie es mir ergangen war? Ich streckte die Hand aus und wiegte die Handfläche leicht hin und her. Schürzte die Lippen. Naja es ging. „ Ich hatte viel Glück.“ Sagte ich zu ihr und holte die beiden Amulette aus meiner Tunika. „ Sie haben mich beschützt.“ Ich hielt Fortuna und ihr Amulett fest in meiner Hand. Die Götter hatten dazu wahrscheinlich sehr goßen Anteil, dass ich so glimpflich davon gekommen war.


    “ Neriman.“ Langsam hob ich die Hand und streichelte mit meinen Fingern über ihre Wange. Ihre Lippen, ich wollte sie kosten.In ihren augen ertrinken. Was hielt mich davon ab? Ihre Familie, ihre Sitten, die ich nicht kannte? Es war der Blick ihres Vaters vor dem Zelt, ich sah ihn noch deutlich vor mir. Außerdem war ich Legionär und Rom für viele Jahre verpflichtet. Für uns beide gab es keine Zukunft. Wie sollte ich ihr das erklären? Ich zeichnete eine Insel und Palmen, deute auf sie, ein langer Strich durch den Sand, dort malte ich ein castellum in den Sand „ Alexandria“ und deutete auf mich. Aus meinem Beutel für meine Sesterzen, holte ich einen Ring. Silber, schlicht gearbeitet. In die Gemme aus rotem Karneol war ein Delphin eingraviert. Ich zeigte auf ihr Amulett, was ich trug und legte den Ring in ihre Hand.

    Die zwei Tage waren um. Der Capsarius murmelte nur ein “ geht, sieht ganz gut aus.” Wahrscheinlich hatte er in den letzten Tagen und Wochen genug an Elend gesehen. Da war die Stichwunde von einem Dolch eine Kleinigkeit. Ich zog die Tunika runter, legte mein cingulum wieder um. “ Du bist ab heute Diensttauglich.” Alles wurde auf einer Tabula von einem scriba vermerkt.


    Diensttauglich, ich konnte wieder den alltäglichen Dingen eines Legionärs nachgehen. Konnte Abstand gewinnen von dem, was die vergangenen Tage mit sich gebracht hatten. Ich hoffte nur, soviel Zeit wie möglich bei Serapio verbringen zu können. Er brauchte meine Hilfe. Ich musste ihn von seinen selbstzerstörerischen Gedanken ablenken, von seiner Selbstaufgabe.


    Auf zum Zelt meines Contuberniums. Zu dritt waren wir nach der Schlacht. Das hatte mir einer meiner Kamerden mittgeteilt. Drei waren in der Schlacht gefallen, 2 später an ihren Verletzungen gestorben. Stillschweigend ging jeder seiner Arbeit nach. Ich war wieder da und für das Packen des Maultieres verantwortlich. Vorher musste ich zum Praefecten. Ich sollte mich melden, sobald ich diensttauglich bin. Im Zelt war es leer. Drei Schlafstellen, mehr nicht. Die restliche Ausrüstung der Gefallenen hatte man sorgsam gebündelt in eine Ecke gestapelt und mit Namen versehen. Persönliche Dinge konnten so den Familien übergeben werden. Meine Ausrüstung lag ordentlich gestapelt auf einem neuen scutum, ein neuer Gladius ebenfalls. Unter meinem Sagum fand ich den Blemmyer-Dolch. Die Lorica war geputzt, die Dellen so gut es ging beseitigt. Einer meiner Kameraden hatte es übernommen. Mein galea glänzte fast wie neu, sah man von den Schrammen des Kampfes ab. Ich machte mich fertig. In voller Rüstung, wie zum normalen Dienstantritt ging ich zum Zelt des Praefecten. Bei der Wache meldete ich mich, sie ließ mich hinein. Ich betrat das Zelt, blieb an Eingang stehen, in straffer Haltung, salutierend machte ich Meldung.


    “Appius Decimus Massa, Legio XXII Deiotariana, II. Cohorte, II. Centurie, meldet sich wie befohlen beim Praefecten.”

    Ich stand neben seinem Bett hörte ihm zu, er konnte sich selber nicht ausstehen. Sein Arm machte ihm zu schaffen. Nicht die Wunde, eher das was es daraus entstehen konnte. Es war für ihn ein Makel. Ein Makel vor den Göttern und vor den Menschen. Er hatte Angst. Sein Dank und seine Hand die meine schwach, kraftlos, drückte kam überraschend. Was sollte ich darauf sagen? “ Du bist Tribun der 2. Cohorte, es ist war meine Pflicht dich und das Signum zu beschützen.” so der offizielle Teil. Ich hielt seine Hand und beugte mich zu ihm und flüsterte ihm ins Ohr. “ Das ist nicht die ganze Wahrheit, mein Ego hatte seinen Anteil. Du bist ein Verwandter und guter Freund. Das überlässt man keinem Wilden. Dafür nimmt man alles in Kauf.” Ich richtete mich auf und lächelte, drückte leicht seine Hand. In dem Augenblick betrat jemand das Zelt. Ich dreht unweigerlich den Kopf. Neriman ! Einen Moment lang schien sie, Angesichts der Situation, leicht verwirrt. Vielleicht hatte ich mich geirrt. Die Stimmung im Zelt war gespannt. Aufmerksam beobachtete ich jede ihrer Bewegungen. Sie suchte etwas in ihrer Tasche. Ein kleiner Beutel, ein Stück Rinde. Serapio sollte sie Kauen. Ich nickte. “ Kau das, es hilft. Kein Protest. Gegen was, werden wir sehen und vergiften will sie dich garantiert nicht. Hier.” ich hielt es ihm an den Mund. Neriman hatte ihre Tasche gepackt, schenkte uns beiden ein Lächeln und verließ das Zelt. Sie konnte jetzt nicht einfach so gehen.


    Was zuerst. Erst Serapio. “ Ich muss noch eine Sache klarstellen. Neulich vor dem Zelt, der Tausch der Tücher. Sie wollte unbedingt das Tuch und war überglücklich als ich es ihr gab, warum weiß ich nicht. Es ist nur ein schwarzes Tuch, verstehst du. Sonst nichts.” Der Tag vor dem Zelt, seine Reaktion auf das andere Tuch. Ob er verstand was ich meinte? In seiner derzeitigen Lage, schwer zu beurteilen. “ Da habe ich auch was klarzustellen. Ich bin gleich wieder da.” Ich wies zum Zelteingang und ging mit raschen Schritten hinaus.


    Mein Blick ging über die Reihen der Verletzten. Ich lief zügig an den Liegen vorbei. Achtete kaum wohin ich trat. Eckte unvorsichtiger Weise an, wütende Rufe der Betroffenen. Ich hatte keine Zeit. Da vorne war Neriman. Laut rufen und die Aufmerksamkeit auf mich ziehen, musste nicht sein. Ich lief schneller bis ich sie erreicht hatte. “ Neriman.” sprach ich leise und berührte sie sachte an der Schulter, mit einem Nicken in Richtung einer Gruppe Palmen, ging ich los. Unter den Palmen war es angenehm schattig.


    Jetzt würde sich zeigen, was von Jasim`s Sprachunterricht hängengeblieben war. Es war nicht viel, was er mir auf dem kurzen Marsch beibringen konnte. Das Wichtigste, was ihm wichtig erschien, hatte er mir eingetrichtert. Ich entpuppte mich zum Glück als gelehriger Schüler und seine Freude war überschwänglich, wenn ich ein neues Wort behalten hatte.


    Holprig kamen die ersten Worte. Ich begrüßte Neriman in ihrer Sprache und bat sie mit einer Handbewegung sich zu setzten. “ Wie geht es dir?” fragte ich. Ihre Augen, ihre Ausstrahlung hielten mich wie am ersten Tag unserer Begegnung gefangen.

    Der Legionär salutierte und trat weg, bezog seinen Posten vor dem Zelt. Dort warteten Jasim und seine Begleitung. Er winkte Jasim zu sich.


    "Vom Praefecten. Du sollst den Nomaden eine Platz am südlichen Wall zum Zelte aufschlagen zeigen. Ihre Händler und die Ärzte sollen sich besprechen was gebraucht wird, Verbandszeug und Heilmittel und so was. Es soll vorerst keiner von ihnen das Castellum betreten. Nicht das sie fälschlicherweise für Kopflose gehalten werden. "


    Jasim nickte verstehend. Er ging zu Abay und übersetzte ihm alles. " Ich komme mit vor den südlichen Wall. Dort kannst du und Neriman einen geeigneten Platz für eure Zelte suchen. Sind eure Leute da, kannst du oder einer der Händler mit den Ärzten über Verbandszeug und Heilmittel reden. Ich bleibe bei euch und werde übersetzen, bis alles geklärt ist. Der Praefect möchte, dass ihr das Lager noch nicht betretet. Er will nicht, dass ihr von den Legionären mit den Blemmyern verwechselt werdet."

    Seinem gesundheitlichen Zustand rechnete ich es an, dass er von mir kaum Notiz nahm. Oder war es die Geschichte mit dem Tuch, die ihn dazu veranlasste mit mir nur gezwungener Maßen zu kommunizieren. Den wahren Grund konnte ich nicht ahnen. Sollte ich ihm mit Euphorie antworten? Nicht zu denken, wie seine Stimmung in die Tiefen des Orkus abtauchte. „ Der Capsarius ist zufrieden.“ Meine Diensttauglichkeit in 2 Tagen erwähnte ich nicht, dann sollte ich mich auch beim Praefecten melden. Ich wollte Serapio nicht unnötig beunruhigen. „ Dein Amulett und das....“ Ich verschluckte den Rest. „ Haben mich vor größerem Schaden bewahrt.“ Neriman hier zur Sprache zu bringen sollte ich tunlichst unterlassen. Er hatte schon bei den Nomaden allergisch auf sie reagiert. Der Irrtum, mit den Tüchern als Liebespfand, war noch nicht aus der Welt.



    „ Was hältst du von einem Opfer für Apollo, zur Unterstützung der Heilung. Ein kleines Opfer wäre für dich machbar. Der Priester könnte dich hier dabei unterstützen.“ Er braucht nur Ravdushara nach einem zu schicken. Das ging ohne Zweifel.


    Um von seinem Zustand abzulenken wechselte ich das Thema.„ Es soll bald nach Alexandria zurück gehen. Endlich wieder nach Hause. Was meinst du wie man uns empfangen wird?“ Erfolgreich waren wir. Rom hatte seine Stärke demonstriert. Die Blemmyer flüchteten in die Wüste und werden nicht so schnell zurückkehren. Was wir dafür bezahlt hatten, stand auf einem anderen Blatt.

    Gute Pflege ist alles. Den ersten kläglichen Versuch aufzustehen im Hinterkopf, lief ich heute schon recht entspannt zwischen den Palmen umher. Die Diensttauglichkeit hatte der Capsarius 2 Tage hinausgeschoben. Er wollte ganz sicher gehen. Der Heimweg war kein Spaziergang. Ich lief dafür jeden Tag eine längere Strecke um auf Touren zu kommen.


    Heute musste Serapio dran glauben, mein schlechtes Gewissen trieb mich zu ihm. Eine vage Erinnerung an seinen Arm und meine eigene Unpäßlichkeit, hatte verhindert ihn sofort zu besuchen. Zögernd betrat ich das Zelt in dem er lag, auf dem Sprung es sofort zu verlassen falls er schlief. Ein Blick, der Arm war noch dran. Ein hörbares Aufatmen von mir. Ich ging an seine linke Seite und wusste nicht was ich sagen sollte. Ein „ Wie geht’s, Tribun.“ War das einzige was mir in den Sinn kam. Ich hatte noch nie einen Krankenbesuch gemacht. Unschlüssig stand ich an seinem Bett. Er sah mitgenommen aus.

    Die Ruhe machte mich nervös. Liegen bleiben hatte der Legionär gesagt. Wie lange denn noch? Ich konnte nicht mehr liegen, ich musste aufstehen. Geduld, Geduld hatte er gesagt. Mir reichte das untätige Liegen und Warten.


    Ich drückte mich hoch. Alles fing sich an zu drehen, es rauschte in den Ohren. Ich musste die Augen schließen. Die rechte Seite rächte sich mit einem stechenden Schmerz. Ich biss die Zähne zusammen. Erste Schweißperlen bildeten sich auf meiner Stirn. Vorsichtig nahm ich die Beine von der Liege. So blieb ich sitzen bis sich das Rauschen verflüchtigt hatte. Meine Hände zitterten. Ich rieb meine Beine.


    Die saubere Tunika um die ich gebeten hatte, lag neben meiner Liege. Mittlerweile hatte ich auch erfahren, dass Serapio lebte. Was das hier unter den vielen verwundeten Legionären zu bedeuten hatte, war dahin gestellt.


    Meine Beine wollten nicht so wie ich. Wenn ich denn irgendwann hier hoch kam, war er der erste, den ich besuchte. Was tun? Die saubere Tunika. Quälend langsam ging das Ausziehen der alten. Jede falsche Bewegung, ein paar Schweißperlen mehr und ein Quäntchen Kraft weniger. Ich musste nach dem Ausziehen eine Pause einlegen.


    Der Verband an meiner Seite saß locker. Ich linste dahinter. Es begann zu heilen. Ein Grind bildete sich. Ich war beim letzen Verbandswechsel erschrocken. Maden saßen in der Wunde und fraßen sich durchs Fleisch. Ungerührt kratzte der Capsarius sie heraus. „ Die haben nur das tote Fleisch gefressen. Jetzt heilts.“

    Die Tunika lag auf meinem Schoß. Mir fehlte der Antrieb sie anzuziehen. Ich blieb ohne sitzen. Mein Platz war gar nicht mal schlecht, stellte ich fest. Ich rutschte unter einiger Anstrengung zur Seite und lehnte mich an den Stamm einer Palme, immer noch mit der Tunika auf meinem Schoß. Ausruhen, die Augen geschlossen, hörte ich dem Wind zu.

    Jasim holte weit aus. Überlegte es sich. Es war wohl angebracht hier bei der Wahrheit zu bleiben. Sie wollten keine Geschichten. Jasim nickt zur Bestätigung, dass es genau diese unbarmherzigen schwarzen Reiter aus der Wüste waren.


    „ Es war grausam. Ein Abschlachten. Menschen und Tiere.....Als es vorbei war, lagen Lebende und Tode übereinander. Berge an Leibern. Der Tod erntete weiter. Überall Gestank von faulendem verrottendem Fleisch, Schreie, Wehklagen, abscheulich.“ Es schüttelte ihn. „ Wir zogen die Lebenden unter den Toden vor. Ich habe schon viel gesehen, aber das ....“ Er riss sich von den schrecklichen Bildern los, die in seinem Kopf herum schwirrten.


    „ Ja, Hilfe. Ich bringe euch zum Präfecten. Der Weg, der Transport der Verletzten. Die Versorgung und Pflege. Ein paar geschickte Frauenhände. Der Präfect wird dankbar sein.“ Jasim stand auf und machte sich mit den beiden auf den Weg zum Präfekten. Verstohlen hatte er Neriman beobachtet. „ Deine Augen suchen seit du hier bist. Suchen sie was ich denke? Du findest es dort drüben bei den fünf Palmen.“


    Er ging weiter zum Zelt des Präfekten und meldete sich bei den Wachen an. Sagte ihnen den Grund seines Erscheinens. Ein Legionär ging hinein und erstattete Meldung.


    „ Präfect, draußen steht einer der Dolmetscher mit einem Nomaden. Er sei wegen der Karte da, dem Weg durch die Wüste und sie bieten uns ihre Hilfe an.“

    Eine Patrouille hatte sie entdeckt wie sie da am Rande des Lagers standen. Die Legionäre reagierten sensibel auf ihre Anwesenheit. Mit gezogenem Galdius führten sie die beiden durchs Lager direkt an den Standplätzen der Tragetiere vorbei. Jasim trieb sich bei den Kamelen herum, machte sich dort nützlich. Er sah sie kommen. Sofort war er bei den Legionären. Er erklärte wer er war und das er fragen könnte wer sie sind. Als er direkt vor Neriman und ihrem Begleiter stand, lief ein breites Lächeln über sein Gesicht. Er hatte sie erkannt. Überschwänglich begrüßte er Neriman, ihr Begleiter konnte dann nur Abay sein. Die Legionäre waren immer noch misstrauisch, bis der eine sich an die beiden erinnerte, wegen denen es fast eine Schlägerei unter ihnen gegeben hatte. Sie waren von dem Stamm der geholfen hatte. Grinsend überließen sie Jasim die beiden und gingen zurück. Er konnte vertraulicher sprechen.



    „ Ich grüße dich Abay und dich Neriman Seba. Was treibt euch hier an diesen schrecklichen Ort. An dem der Tod immer noch Männer zu sich holt. Der Wüstensand rot gefärbt ist vom Blut Unzähliger. Die Wüste es nicht schafft die Toden zu begraben, so viele sind hinüber gewechselt vom Land der Lebenden, ins Land der Toden.“


    Er reichte Abay einen Schlauch mit frischem Wasser und bot ihnen einen schattigen Platz unter einer Palme an. Warum sie hier waren konnte er sich fast denken, auch das nicht Abay die treibende Kraft war, hierher in die Oase zu kommen. Es gebot die Gastfreundschaft nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen. Er wartete gelassen bis sie sich erfrischt hatten.

    Es ging alles schnell und ohne einen Laut ab. Ich hatte sie nicht gehört. Ihre Hand brachte mich aus dem Konzept. Ich fuhr herum, ein Finger legte sich auf meine Lippen. Ihre Augen sagten alles. Kein Wort kam über meine Lippen. Ich sah auf ihre Hand, eine Kette, ein Amulett. Für mich? Für wen sonst. Ich nahm es. Mir blieb keine Zeit mich zu bedanken. Sie verschwand so leise, wie sie gekommen war. Das Amulett in der Hand, musste ich mich beeilen um den Anschluss an den Praefecten nicht zu verlieren.


    Zurück bei der Kohorte, nutzte ich die erste Pause um das Amulett umzuhängen. Gut verborgen unter der Tunika, sollte es mich beim bevorstehenden Kampf gegen die Blemmyer beschützen. Es war abzusehen, dass wir in den nächsten Tagen auf sie trafen. Welchen Grund hatte Neriman mir dieses kleine Schmuckstück zu schenken? Ich sollte nicht darüber grübeln und den Schutz dankbar annehmen. Mein Blick glitt über die Wüste. Da draußen war sie irgendwo. Ich fühlte den leichten Druck des Amuletts und schenkte der Wüste ein Lächeln.

    Im Buchtip " Unter den goldenen Adlern " wird sich in einem Teilabschnitt nur mit den Feldzeichen beschäftigt. ( reich bebildert mit Fundstücken und Rekonstruktionen der Feldzeichen )


    Dort heißt es unter anderem nach der Reform in der späteren Republik wurde die Kohorte die wichtigste Untereinheit und bekam ihre eigenen Feldzeichen. Es gab damit in der späten Republik Feldzeichen für die Manipel und die Kohorten ( neu).


    In der Kaiserzeit gab es die Manipelfeldzeichen nicht mehr, nur noch die Kohortensigna dazu kamen dafür aber Signa der Centurien. ( Detailiert nachzulesen in " Unter den goldenen Adlern", Seite 28 )


    Das Manipel, als militärische Untereinheit, war damit unbedeutend geworden. So könnte man es jedenfalls deuten.

    Da sag einer Schmuck ist nur was für Frauen. :D :D


    Legionäre !! Wir waren und sind ganz schmucke Kerlchen. Die Ausrüstung im Grund gleich, im Detail jeder ein Unikat.


    Eine Buchempfehlung von mir.


    Unter den goldenen Adlern
    Der Waffenschmuck des römischen Imperiums


    Ernst Künzl


    Schnell + Steiner
    und
    Verlag des Römisch-Germanischen Zentralmuseums
    Regensburg/Mainz 2008
    ISBN 978-3-7954-2011-6


    Reich illustriert mit Zeichnungen und Aufnahmen wertvoller Waffenfunde spürt dieses Sachbuch dem Waffendekor des römischen Imperiums nach und bietet spannenende wie authentische Einblicke in den Alltag der römischen Legionen.


    Einige Teile der Ausrüstung wie die Feldzeichen oder die Aufmachung der hohen Offiziere waren festgelegt. In der Frage des Waffenschmucks jedoch ließ man den Soldaten einen großen Freiraum.