Beiträge von Chiomara Minor

    Auch nicht immer... aber da war sie auch selber schuld, genau wie er. "Sie hat dir das Leben geschenkt. Ich weiß ja nicht, was du noch angestellt hast, aber so schlimm wird das schon nicht sein, oder hast du jemanden umgebracht?" Er sah müde aus, sie sollte ihn endlich schlafen lassen. "Leg dich hin und ruh dich aus, ich komme später wieder." Sie war schon am gehen, drehte sich dann aber nochmal um, kam ganz nah ans Fenster. "Ich weiß, ich wiederhole mich, und ich kenne auch deine Einstellung, aber weißt du, wenn du tust, was sie will, dann wird sie auch gut zu dir sein. Das ist vielleicht für den Moment erniedrigend, aber du hast doch Träume. Und einen Grund, weswegen du hierhergekommen bist. Das muß wichtig sein für dich. Muß man dafür nicht manchmal Opfer bringen?" Chio sah ihn mit traurigen Augen an, dann drehte sie sich schnell um und ging.

    "Doch, natürlich, aber ich lebe hier und werde wohl etwas essen dürfen." Dass es mehr war als üblich, war hoffentlich nicht aufgefallen. Ohja, das Essen war wirklich gut, unterwegs hatte sie nicht widerstehen können und selbst von dem kalten Braten genascht, nur ein bisschen, es war ja nicht für sie gedacht. Zufrieden beobachtete sie, wie er sich nach dem essen über den Bauch strich. Wenigstens hungern würde er heute nicht mehr. Jetzt mußte sie nur noch irgendwie in seine Zelle kommen. Wer könnte den Schlüssel haben, Fausina? Einer der Sklaven?


    Seine Frage riss sie aus ihren Überlegungen und ließ sie milde lächeln. "Nein, ich muß nicht in der Villa arbeiten. Ich bin nur für meine Domina da. Wenn sie nicht hier ist und mich nicht braucht, habe ich frei. Ich habe dir doch gesagt, sie ist eine gute Domina."

    "Das ist wirklich Glück, ich dachte schon, ich muß das jetzt alles alleine essen." Auch wenn sie wußte, dass es ihm überhaupt nicht gut ging, schenkte sie ihm doch ein Lächeln. "Hier... " Sie bückte sich, hob den Korb auf und reichte ihm zuerst das Brot, dann die restlichen Leckereien. In der Küche hatte sie einfach von allem ein bisschen was eingepackt. Ihr hätte das locker für zwei Tage gereicht, aber er war sicher mehr als hungrig. "Iss erstmal, und dann solltest du ein bisschen schlafen. Keine Sorge, Faustina ist unterwegs." Abwartend blieb sie stehen, wollte ihm noch ein bisschen Gesellschaft leisten.

    Sie kam wieder, einen Korb im Arm, und sah durch die Öffnung, konnte ihn aber nicht sehen. Erschrocken stellte sie den Korb ab, zog sich mit Hilfe der Gitterstäbe etwas hoch und lugte durch. Alles leer, doch dann sah sie ihn. Erleichterung, er lehnte an der Tür und schlief. "Aretas?"

    Ihr Kopf lag auf Faustinas Schoß und sie genoß es, wie sie über ihre Haare streichelte. Langsam verschwand die Angst. Sie hörte zu, was ihre Herrin erzählte und machte sich ihre Gedanken darüber. Als sie jedoch von verkaufen sprach, blieb ihr das Herz für einen Moment stehen. "Du willst ihn verkaufen? An wen?" Wenn sie das tat, wer sollte ihr dann alles zeigen? Irgendwie mußte sie ihn dazu bekommen, das zu tun, was Faustina wollte. "Und wenn er vor dir kniet? Dann darf er bleiben?"

    Unschlüssig stand sie im Raum, den Blick gebannt auf die Peitsche geheftet. Ein Narr? "Was ist passiert? Du lässt ihn doch nicht.. " ...töten? schoss es ihr durch den Kopf. Aber das wollte sie doch nicht, zumindest hatte sie ihm das vorhin so gesagt. Chio ging zu ihr, kniete sich vor sie und sah sie ängstlich an. "Wieso ist er ein Narr?"

    Als sie seinen Rücken sah, entfuhren ihr ein paar nicht ganz alltagstaugliche Wörter in ihrer Heimatsprache. "Das sieht nicht gut aus. Welche Salbe meinst du?" Wenigstens seine Wangen hatten wieder Farbe bekommen und Hunger hatte er auch. Das war etwas, um das sie sich sofort kümmern konnte, ihm Essen besorgen. Sie reichte ihm noch einen Becher von dem Wein, bevor er kalt wurde. "Ich komme gleich wieder, dann bekommst du erstmal was zu essen. Wegen deinem Rücken überlege ich mir was." Und schon war sie davon.

    Sie wartete, bis er getrunken hatte, schenkte noch einmal ein und hielt ihm den Becher hin. Zwei oder drei Nächte.. sie hoffte nicht, dass er solange hier bleiben mußte. Wieso war er auch so stur? "Es war noch niemand hier? Hast du Hunger?" Sie war davon ausgegangen, dass er wenigstens mit dem Nötigsten versorgt wurde. "Ich werde dir gleich etwas holen. Aber trink erstmal. Und.. " Es war ihr etwas unangenehm, schon allein wegen der Schreie, die sie gehört hatte. " ... dein Rücken? Ist es sehr schlimm?" Dabei vermied sie es, ihn direkt anzusehen.

    "Ja, mir gehts gut. Aber wie gehts dir? Du siehtst furchtbar aus. Viel geschlafen hast du nicht, oder?" Seine Hand auf ihrer tat gut. Ganz anders, als die von Faustina, sie fühlte sich auch anders an. Und sie war kalt. "Ich habe dir etwas warmes zu trinken mitgebracht. Magst du?" Eigentlich wollte sie die Verbindung zu ihm nicht lösen, aber anders würde es wohl nicht gehen. Vorsichtig zog sie die Hand unter seiner vor, beugte sich zu dem Krug und schenkte ihm einen Becher ein, den sie ihm dann durch die Gitterstäbe reichte.

    Am nächsten Tag, es war schon später Vormittag, kam sie wieder zu seiner Zelle. In ihren Händen hielt sie einen Krug, diesmal nicht gefüllt mit Wasser sondern mit Mulsum, das sie extra hatte warm machen lassen. Es war still. Sie stellte Krug und Becher auf den Boden und zog sich wieder an den Gitterstäben hoch, um durch das kleine Fenster in seine Zelle hineinzusehen. "Aretas?" flüsterte sie leise in seine Richtung. Wenn er schlief, wollte sie ihn nicht wecken.

    Nervös war sie durch den Garten gelaufen. Nun kam sie verwirrt und ängstlich zurück. Immer noch hallte die kalte, schneidende Stimme in ihrem Kopf, die sie weggeschickt hatte. Dann die Schreie... Sie hatte keine Ahnung, was sie erwarten würde, als sie nun den Raum betrat. "Domina?"

    Sie hörte ihm zu, mehr konnte sie im Moment nicht für ihn tun. Allerdings war sie überrascht, denn es waren nicht die Pferde oder die Rennen, die ihn dazu brachten, zurückzukommen? Was dann? Sie nahm ihm den Becher ab, hörte weiter zu. Er nahm ihre Hand. Seine war kalt, und trotzdem war es eine seltsame Wärme, die durch ihren Körper zog. Schon wieder seine Bedenken.. Sie wollte ihn noch soviel fragen, ihm einiges sagen, aber er beendete aprupt das Gespräch, indem er zu seinem Lager zurückging. Einen Moment beobachtete sie ihn noch, nahm dann seufzend den Krug hoch. "Bis morgen." Keine Ahnung, ob er es noch mitbekommen hatte, sie war gegangen.

    Sie füllte ihn erneut und reichte ihn durch die Tür. "Soviel du willst." Er wollte sich nicht erniedrigen lassen, nicht von einer Frau? Wo war da der Unterschied? Vielleicht verstand sie das gerade deshalb nicht, weil sie eine Frau war. "Du lässt dich lieber einsperren? Du verzichtest auf die Pferde, die Rennen? Nur, weil du nicht vor ihr niederknien willst, weil sie eine Frau ist?" Stolz war ja schön und gut, aber manchmal mußte man eben gewisse Dinge auf sich nehmen. Gerade, wenn es um etwas ging, das einem wichtig war. "Meinst du nicht, dass dein Stolz hier zu weit geht? Ich kann dich ja irgendwie verstehen, aber sieh dich um? Ist es das wert? Ich kenne meine Herrin ja schon eine lange Zeit. Sie ist manchmal etwas launisch und man muß sich auch genau überlegen, was man sagt, aber glaub mir, sie ist wirklich eine gute Domina. Das wird sie auch dir sein, wenn du ihr zeigst, dass du sie als deine Herrin akzeptierst."

    Sie wußte, das war gelogen, es war egal. Dass er die Stallungen so schnell aufgab, war ihr allerdings nicht egal. Sie würde mit Faustina darüber sprechen, wenn die Gelegenheit günstig war. Das mußte allerdings warten. Wenigstens einen Wunsch hatte er, den sie ihm im Moment erfüllen konnte. "Sicher, warte hier." Sie sah ihn an, als ihr bewußt wurde, wie unsinnig ihre Worte waren, wandt sich schnell ab und ging davon. Mit einem Krug und dem schmalsten Becher, den sie finden konnte, kam sie zu ihm zurück. Der Spalt zwischen den Stäben war nicht sehr groß. Sie goß ihm etwas ein und reichte den Becher durch das Gitter. Passt, gerade so. "Hier, trink." Und weil sie neugierig war, schickte sie gleich noch eine Frage hinterher. "Du darfst nicht mehr zu den Stallungen? Wieso?" Sie wußte zwar, dass irgendetwas vorgefallen war, nur nicht, was.

    Zu sehen, wie er sich bis zur Tür quälte... sie hatte gehofft, es würde ihm besser gehen. Seine Frage schürte erneut diese unerklärliche Wut in ihr, wurde dann aber wieder besänftigt. Es war nur Sorge um sie. Neugierig ließ sie den Blick an ihm vorbei durch die Zelle schweifen. Nicht sehr gemütlich, hinein konnte sie auch nicht. Es blieb ihr also nur dieses kleine Fenster in der Tür, dessen Gitterstäbe sie immer noch umklammert hielt. "Mach dir um mich mal keine Sorgen. Ich wollte nur sehen, wie es dir geht." Die Frage, ob es ihm gutginge, konnte sie sich sparen. Es war unübersehbar, dass er litt. "Kann ich irgendetwas für dich tun?"

    Endlich ergab sich eine Gelegenheit und die nutzte sie, um nach dem Sklaven zu sehen. Sie wußte, wo er war, sie wußte auch, weshalb, nur wußte sie nicht, wieso sie sich so viele Gedanken um ihn machte. Er hatte seine Strafe verdient, und immerhin durfte er sein Leben behalten. Trotzdem tat er ihr leid, sie hatte seine Schreie gehört... dort draussen im Garten. Da, die Tür. Langsam ging sie darauf zu, umfasste die Gitterstäbe an der kleinen Öffnung und stellte sich auf Zehenspitzen, um hineinsehen zu können. Ein leises Stöhnen von ihm, das ihr einen Stich versetzte. Er hatte sicher Schmerzen. Sie beobachtete ihn eine kleine Weile, ehe sie leise seinen Namen rief. "Aretas?"

    Faustina kam zurück. Ihr erster Blick sprach Bände. Chio kannte den genau und als die beiden Sklaven Aretas hochzogen, sprang auch sie erschrocken auf, dass der Stuhl hinter ihr umkippte. Auspeitschen... immerhin besser als die Arena, aber mit einer richtigen Peitsche.. Chiomara wollte sich das gar nicht vorstellen. Wenigstens widersprach er ihr nicht, was sie eigentlich befürchtet hatte. Wenn sie ihm nur irgendwie helfen könnte. Aber nein, sie schickten sie raus, alle beide. "Jawohl, Herrin." Mit gesenktem Kopf ging sie an den beiden vorbei zur Tür, drehte sich noch einmal kurz um und beeilte sich, in den Garten zu kommen. Vielleicht war es besser so, sie hatte es noch nie ertragen können, beim Auspeitschen zuzusehen.

    Sofort?... entgeistert starrte sie ihn an. Der Moment war dahin, das Leben hatte sie wieder. Wären die beiden Riesen dort an der Tür nicht gewesen, sie hätte ihn wohl einfach an der Hand genommen, und wäre mit ihm losgezogen. Vielleicht war es deshalb sogar gut, dass die beiden dort standen.


    Immerhin war er nicht mehr ganz so nervös. Eher bedrückt. Was waren das nur für Gründe, die er nicht erzählen wollte? Aber egal, im Moment konnten sie sowieso nichts tun als warten. Zumindest er, sie hatte ja nichts ausgefressen. Sie blieb trotzdem. Und wenn sie schon hier saßen, konnten sie sich auch ein bisschen unterhalten. Während sie ihm und sich noch einmal nachschenkte, war sie am überlegen, wie sie mehr über ihn erfahren konnte, ohne allzu neugierige Fragen zu stellen. Mit einem Räuspern hoffte sie dann, erneut seine Aufmerksamkeit zu erlangen. Dabei hielt sie ihm das frische Wasser hin. "Erzähl mir von dir."

    Ihr Herz raste, ihre Hände waren schweißnass und ihr war, als wäre sie selbst gerade dieses Rennen gefahren. Atemberaubend, sie konnte hören, was er hörte, konnte fühlen, was er fühlte... und dann war es still. Es dauerte eine Weile, bis sie selbst aus der Arena zurückkehrte. Auch die beiden Sklaven standen still und hörten gebannt zu. Ihr Blick ging zu seinen Händen. Sein Gürtel blieb von ihnen verschont, er war wirklich ruhig. Ein zufriedenes Lächeln lag auf ihren Lippen. Sie hatte es geahnt, nun war sie sicher.


    Es war wie ein magischer Moment, den sie nicht zerstören wollte. Vielleicht war es auch, weil sie selbst so gebannt von der Vorstellung war... ihre Worte, im gleichen Flüsterton gesprochen, legten sich sanft in die Stille. "Das ist dein Leben... zeigst du mir auch das?"

    Der arme Kerl war ja nur noch ein einziges Nervenbündel. "Setz dich erstmal, bis Faustina wieder zurück ist." Dabei drückte sie ihn auf den nächsten Hocker, dann ging sie zu den beiden Sklaven, die auch schon unruhig wurden. "Und ihr, macht euch mal locker. Er wird schon nichts unüberlegtes tun, oder?" Die Frage ging eindeutig in Aretas Richtung. Ihm gegenüber nahm sie dann selbst Platz. Stille. Irgendwie mußte sie ihn ablenken. "Die Arena.. das interessiert mich wirklich. Kannst du mir ein bisschen davon erzählen?" Das war diesmal ganz sicher nicht gelogen.