Beiträge von Chiomara Minor

    Schnell zog sie ihre Hand zurück. "Doch nicht wegen dir." Ihr Blick fiel auf die beiden Schränke, die Faustina hierherbeordert hatte. Nein, vor ihm mußte sie wirklich keine Angst haben. Aber die Gründe, von denen er sprach, würden sie schon sehr interessieren. Hoffentlich hatte er recht. Und was das Versprechen anging, war ja klar, dass er es vergessen hatte, und dann auch noch das Wichtigste. Etwas enttäuscht nahm sie ihm das Glas ab und füllte es erneut, hielt es ihm wieder hin. "Ja, du hast die Arena vergessen... " Für sie fast das Wichtigste.


    Sein Optimismus war bemerkenswert. "Ich hoffe für dich, du hast recht. Bei Verrat hat Domina Faustina bestimmt kein Mitleid." Ein klägliches Lächeln von ihm. Sollte sie ihn nicht vielleicht ein bisschen aufmuntern, als ihm hier noch mehr Angst zu machen? Aber was konnte sie sagen? Sie ging zu ihm und legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter. "Es war mutig von dir, zurückzukommen. Faustina wird das sicher berücksichtigen." Hoffentlich war das jetzt nicht gelogen.

    "Ja, der Knecht... " murmelte sie leise vor sich hin, als sie ihm ebenfalls ein Glas Wasser einschenkte. Nur ihre zittrige Hand verriet, dass das nicht spurlos an ihr vorübergegangen war. Und was sie eigentlich dort wollte, das würde er sowieso nie erfahren.


    "Hier... trink." Sie bemühte sich, ihre Hand ruhig zu halten. "Du bist wirklich freiwillig zurückgekommen?" Irgendetwas an ihm war heute anders. Bis auf den einen nachmittag mußte er nur den Mund aufmachen, und sie wurde schon wütend. Heute war sie nur neugierig, oder war es Mitleid? Was auch immer, es gefiel ihr viel besser. "Deine Gründe wirst du mir wohl nicht verraten, habe ich Recht? Nur schade, dass du auch dein Versprechen nun nicht mehr einhalten kannst." Denn dass er wie bisher in den Stallungen bleiben durfte, bezweifelte sie stark.

    Seine Frage über ihren Zustand überhörte sie gerade, denn das war unwichtig. Er hatte hier das größere Problem, und das war nicht einfach mit etwas frischer Luft und einem Glas Wasser zu lösen.


    "Du bist abgehaun? Deshalb warst du überhaupt in diesem grässlichen Viertel und darum warst du auch nicht in den Stallungen, als ich dich gesucht habe."


    Wieso konnte sie manchmal nicht einfach ihre Klappe halten, gesucht... wie dämlich, hoffentlich bildete sich dieser eingebildete Kerl nicht noch mehr darauf ein. Und wieso wollte er dauernd von ihr wissen, ob sie was erzählt hätte. Was denn? Sie wußte es ja bis eben selbst nicht. Sie goß sich erst einmal Wasser ein und trank, als wäre sie am verdursten.

    "Wieso hast du das getan? Diese Familie ist so großzügig, Dolabella war sicher auch immer gut zu dir. Allein diese Freiheiten, die du hattest... Und was soll ich überhaupt erzählt haben? Ich bin sicher nicht schuld, dass sie dich erwischt haben."

    Etwas besonderes? Er vielleicht? "Nein, ich sehe hier nichts besonderes." Zu gerne wäre sie noch eine Runde um ihn gegangen, denn es war ihm wohl unangenehm. Und ein schlechtes Gewissen schien er ohnehin zu haben. Trotzdem beschloss sie, es sein zu lassen. Wenn Faustina ihm "den Kopf von den Schultern reissen " würde, dann hätte sie noch genug Gelegenheit, sich daran zu erfreun.


    "Was soll ich ihr denn erzählt haben?" Was auch immer er ausgefressen hatte, konnte sie davon wissen? Er war doch nur nicht im Stall... und sie traf ihn in dieser üblen Gegend, in der sich sonst nur Gesindel herumtrieb. So langsam begann sie, eins und eins zusammenzuzählen. Du wirst ihn eh nicht finde, der ist weg... die Worte des Stallknechts kamen ihr in den Sinn. Abgehaun? So blöd konnte doch ein Mann allein gar nicht sein. Oder doch? Als die Erkenntnis sie traf, wurde sie bleich. "Das ist nicht wahr... " Das konnte seinen Tod bedeuten. Oder noch schlimmer...

    Leise Stimmen waren zu hören, als sie auf Faustinas Räume zuging und dann flog die Tür auf. Faustina erschien, sie war wütend, das war nicht zu übersehen. Dafür kannte sie sie auch zu gut. Und es lag etwas in ihrem Gesicht, das sie schon damals bemerkte, als ihr eine Strafe bevorstand. Dass ihre Herrin nach zwei Sklaven verlangte, verwirrte sie nun völlig. Sie hatte doch nichts falsch gemacht, oder? Automatisch wurde sie langsamer.


    "Domina... was... " In dem Moment entdeckte sie Aretas, der da hinter Faustina im Raum stand. Wieso war der hier? Zu einer Besichtigung sicher nicht. Begeistert sah er nicht aus, also schien Faustinas Unmut etwas mit ihm zu tun haben. Wenn sie an ihr letztes Zusammentreffen mit ihm dachte, ging es ihr nicht anders. Kein Gedanke mehr an den Jungen, der ihr auf dem Forum in den Schatten half und seine Trauben mit ihr teilte. Vermutlich gab es den gar nicht, vielleicht wollte er ihr auch damals nur Ärger bereiten, denn den hatte sie ja ausreichend bekommen. Aber im Moment herrschte eher der Gedanke vor, dass er sie durch die Gassen zerrte. Damals hätte sie ihm zu gerne die Augen ausgekratzt.


    Missmutig ging sie ins Zimmer und legte die Bücher, die sie schon die ganze Zeit unter ihren Armen hielt, auf einem Tisch ab, bevor sie sich ihrem "Gast" zuwandte. Abschätzend musterte sie ihn von oben bis unten. Seine Tunika... nein, das war wohl eine andere, kein Riss, der ihr vielleicht ein schlechtes Gewissen bereiten konnte. Wieso auch, er war selber schuld gewesen. Blieb im Moment nur die eine Frage: "Was tust du hier?"

    Sie war noch ganz in dieser ganz eigenen Welt gefangen, während sie Faustina half. Ankleiden, ihr die Haare bürsten und dabei dankbar noch einige kleine Küsse auf ihren Nacken hauchen. Dann stand sie auf und zog sich selbst etwas über. Die Aussicht, sich ein Pferd aussuchen zu dürfen, lies sie lächeln. Nein, eher strahlen, denn das kam ihrem Traum schon sehr nahe, auch wenn sie wußte, dass der sich sicher nie erfüllen würde. Doch im Moment konnte ihr das nicht die Laune verderben. Faustina hatte es geschafft, alle trüben Gedanken aus ihrem Kopf zu verbannen. Sie hielt ihr die Tür auf.


    "Ich darf mir wirklich eins aussuchen?"

    Und wie sie diese Hingabe liebte. In diesen Momenten war sie nicht nur die Sklavin. Sie war frei, ganz sie selbst, es waren ihre Gefühle, ihre Lust Unter Faustinas Küssen wurde sie zu der Frau, die sie in ihrem tiefsten Inneren auch war. Hemmungslos gab sie sich so den Zärtlichkeiten hin, lies zu, dass Faustina ihr für einen langen Moment den Verstand raubte...

    Es blieb ihr nicht viel, als sie einfach nur zu halten, nicht ganz so fest, wie Faustina es bei ihr tat, doch genug, um ihr zu zeigen, dass sie für sie da war, ihr Halt geben wollte. Von den wenigen Wortfetzen, die ihre Herrin unter Tränen von sich gab, verstand sie immerhin, dass Dolabella weg war. Aber wie konnte das sein?


    Zu fragen, blieb ihr keine Gelegenheit mehr, ebensowenig, ihr die Tränen wegzuwischen, denn eine Stimme holte sie aus ihren Armen. Ein Verwandter? Der Herr des Hauses? Bisher hatte sie noch niemanden kennengelernt, aber es war wohl so.


    Wie es sich gehörte, zog sie sich soweit zurück, dass die beiden sich ungestört unterhalten konnten. Dabei hob sie ihr Bündel auf und schlich zur Tür. Dort wollte sie warten, bis Faustina wieder nach ihrer Anwesenheit verlangte.

    Ein paar frische, duftende Zweige schneiden für Faustinas Räume, das war der Gedanke, der sie hinaustrieb. Bewaffnet mit einem kleinen Messer, roch sie hier, schnitt sie dort und kam der Bank, auf der Faustina saß, immer näher. Sie hatte schon ein ganzes Büschel kleiner Zweige in der Hand, als sie ihre Herrin bemerkte. Erst, als sie näher kam, fiel ihr auf, wie bleich sie war. Mit wenigen, eiligen Schritten war sie bei ihr, legte Zweige und Messer auf den Boden und setzte sich neben sie.


    "Domina ... was ist passiert?"


    Vorsichtig nahm sie ihre Herrin bei den Schultern, da bemerkte sie erst, wie sehr sie zitterte. Eindringlich musterte sie Faustina, bemerkte den Brief in ihren Händen.


    "Geht es dir gut? Soll ich nach einem Medicus rufen lassen?"

    Eigentlich hatte sie das allgemein gemeint und sich vorstellen, wie die beiden wohl unter ihren Tuniken aussehen würden... es schüttelte sie kurz... nein, das wollte sie nicht, gerade jetzt nicht. Faustinas Hand an einer Stelle, die ihr kein Mann der Welt bieten konnte, löschte ohnehin jeden weiteren Gedanken aus.


    "Nein, ich bin auch kein haariges Monster.", bemerkte sie lachend ... und das werde ich auch nie sein, dachte sie insgeheim.Sie genoß die Liebkosungen ihrer Domina. Wer brauchte schon Männer, wenn er das hatte, was sie beide hatten...

    "Ein haariges Monster? Das ist aber kein netter Titel für einen ehrenwerten, angesehenen Vertreter seiner Gattung, den du sicher eines Tages heiraten wirst."


    Dabei versuchte sie einen tadelnden Blick aufzusetzen, doch allein bei der Vorstellung, einen der beiden Senatorten so zu betiteln, mußte sie lachen und das vertrieb all ihre trüben Gedanken. Der einzige, der ihr bei dieser Wortwahl in den Sinn kam, war dieser Stallknecht mit seinen widerlichen Händen. Doch auch den vertrieb Faustina mit ihrem Kuss und den zärtlichen Streicheleinheiten, die Hunger auf mehr machten.


    "Chio, Du musst bei mir bleiben ... egal was noch kommt." Das waren die Worte, die sie hören wollte und die die letzten Zweifel vertrieben.. für den Moment.
    "Ich werde dich nie alleine lassen.. egal was passiert." Dabei nahm sie ihr Gesicht in beide Hände, sah ihr für einen Moment tief in die Augen und beendete das Gespräch vorläufig mit einem leidenschaftlichen Kuss. Und dann bewies sie ihr, was sie um so vieles besser konnte, als diese "haarigen Monster" ...

    "Ja, ich weiß, warum. Ich hoffe auch, das passiert nicht so schnell."


    Der Blick in ihre Augen ließ ihr Herz schneller schlagen, doch darüber nachdenken, was sein würde, wenn Faustina heiraten sollte, wollte sie am liebsten gar nicht. Allein der Gedanke, ein Mann würde diese Dinge mit ihr tun.. an ihrer Stelle. Ein leses Seufzend entwich ihren Lippen, während sie weiter den Rücken ihrer Herrin bearbeitete. Vorsichtig schob sie die Hände unter ihren Armen durch, rückte näher. Es gab sovieles an diesem wundervollen Körper, das eine sanfte Massage wert war.

    Auch, wenn sie es hinter ihr nicht sehen konnte, so weckten alleine Faustinas Worte in ihr die Vorstellung, wie sie verträumt die Augen verdrehte. Er gefiel ihr wohl, und das nicht wenig. Schmunzelnd hörte sie ihr weiter zu, während sie sich kreisend an der Wirbelsäule entlang nach unten arbeitete. Ruhig und sanft... und vorsichtig war er also ... eine Herausforderung.


    Unter ihren Händen spürte sie eine leichte Anspannung. Die schlechten Erfahrungen schienen sie zu beschäftigen. Chiomara fand das gar nicht so schlecht, im Gegenteil.


    "Wenn er dir so gut gefällt, und er noch zurückhaltend ist, dann sei ihm ein Freund. Ist das nicht einer der besten Wege in das Herz eines Mannes?"


    Sie hielt kurz inne in ihrer Massage und dachte nach. Woher hatte sie denn diese Weisheit? Aber vielleicht war es ja wirklich so. Langsam nahm sie die Massage wieder auf, sanft hoch zu ihren Schultern. Vorsichtig strich sie die Haare zur Seite, noch einmal über den Nacken. Sie konnte nicht anders und hauchte einen Kuss an die Stelle.

    "Ja, es ist eines aus dem Stall deines Vaters. Mit Bestimmtheit kann ich das natürlich nicht sagen, ob es ein ruhiges Pferd ist, ich war nur kurz vor seiner Box, aber so, wie es sich gab, ist es sehr zutraulich."


    Und jagt hoffentlich wie ein Dämon über die Bahn... fügte sie noch in Gedanken hinzu, wobei sie schon ein fast glücksseeliges Lächeln auf den Lippen hatte. Nach außen ruhig, und im Herzen wild, so stellte sie sich das richtige Pferd vor, ja, das würde passen. Entschlossen rutschte sie ein Stück von Faustina weg, nahm sie bei den Schultern und forderte sie mit leichtem Druck auf, sich vor sie zu setzen.


    "Lass mich dir auch etwas Gutes tun, dein Tag war sicher auch ereignisreich. Willst du mir erzählen?"


    Dann begann sie, Faustina sanft zu massieren, die Schultern, den Nacken...

    Es war ihr fast etwas unangenehm, so umsorgt zu werden. Eigentlich war das ihre Aufgabe. Trotzdem genoss sie jede Sekunde, die Faustina ihrem Körper widmete. Sie fühlte, wie der Schmutz nicht nur von ihren Haaren, ihrer Haut gewaschen wurde. Als sie schließlich ihrer Domina in das große Becken folgte, fühlte sie sich um einiges besser. Sie tat es ihr gleich und tauchte unter, ließ sich in den Arm nehmen und lehnte ihren Kopf an ihre Schulter. Mit geschlossenen Augen vertrieb sie die letzten Gedanken an diese Widerling im Stall, doch dafür tauchte Aretas in ihrem Kopf auf.


    Vergiss den Kerl... Faustina hatte Recht, auch wenn sie wohl den anderen meinte, denn von ihrer Begegnung mit Aretas hatte sie ihr nichts erzählt, wieso, wußte sie selbst nicht. Aber sie sollte beide vergessen, und die Aussicht, endlich wieder auf einem Pferd sitzen zu können, half ihr sehr dabei. Erneut tauchte sie ab, vertrieb die letzten Gedanken an alle Kerle, die sowieso nur Ärger brachten. Als sie wieder auftauchte, strahlte sie ihre Herrin mit ihren dunklen Augen an.


    "Ich glaube, eins der Pferde hat sich schon mich ausgesucht."

    Chiomara öffnete die Augen, als sie Faustinas sanfte Stimme hörte. Was passiert war? Sie sah an sich herunter und errötete. Peinlich.. die dreckige Tunika und wahrscheinlich roch sie auch noch nach Stall. Sie spürte wieder diese Pranken an ihrem zarten Körper.. der Stallknecht.


    "Ich gehe da nie wieder hin!"


    Dabei sah sie ihrer Domina in die Augen. Wem, wenn nicht ihr, sollte sie sich anvertrauen. Allerdings wollte sie niemanden in Schwierigkeiten bringen. Sie rang mit sich, dann flossen die Worte nur so aus ihr heraus.


    "Die Stallungen, ich dachte, ich könnte diesen Jungen dort finden. Er war aber nirgends, nur dieser.. dieser.. Knecht. Den hab ich gefragt und als Gegenleistung wollte er .. er hat .. mich angefasst. Aber ich konnte weglaufen.. zum Glück.. "


    Bei der Erinnerung daran begann sie zu zittern, hielt sich an Faustinas Arm fest, als könnte sie so dem ganzen entkommen. Allein die Vorstellung, was er noch mit ihr hätte tun können, jagte eine Gänsehaut über ihren Rücken.


    "Ich wollte zurück, hierher, aber ich bin einfach nur gerannt, deshalb habe ich mich dann verlaufen. Ich hätte besser hier bleiben sollen. "


    Seufzend und ein wenig enttäuscht sah sie zu Faustina. Langsam wich die Anspannung wieder. Hier bei Faustina fühlte sie sich sicher, allerdings wich diese Sicherheit ihrem Schuldbewußtsein, als sie erneut einen Blick auf ihre Kleidung richtete.

    Notdürftig versteckte sie die beschmutzte Tunika unter ihrem Umhang, doch kaum einer nahm Notiz von ihr, als sie durch den Seiteneingang in die Villa huschte. In den Räumen ihrer Domina angekommen, wurde sie erst einmal geschäftig, räumte da, richtete dort, obwohl das alles schon erledigt war, bevor sie die Villa überhaupt verlassen hatte. Als es wirklich absolut nichts mehr zu tun gab, setzte sie sich vor ihrer Liege auf den Boden, den Rücken an die Wand gelehnt. Vielleicht hätte sie noch die dreckige Tunika ausziehen sollen, aber dazu hatte sie nun gar keinen Nerv mehr.


    Vielmehr beschäftigte sie dieser Junge, geisterte unaufhaltsam durch ihre Gedanken, ob sie wollte oder nicht. Und sie war immer noch sowas von wütend. Sie war doch kein dummes, kleines Gör, dem man zeigen mußte, wo es langging. Gut, in dem Fall vielleicht schon, und das tat er ja auch. Versteh einer den Kerl. Wieso dachte sie auch über ihn nach. Er war launisch, mal nett, mal angriffslustig.. und grob war er auch. Sollte er doch bleiben, wo er war.


    Absichtlich lenkte sie ihre Gedanken zu den Pferden. Die waren ehrlich, die waren treu... Chiomara dachte an das eine, das neugierige und während sie in dieser unbequemen Position einschlief, träumte sie sich auf dessen Rücken, galoppierend in die Freiheit.

    Kratzen, beissen, ihm gegens Schienbein treten waren noch die harmloseren Gemeinheiten, die ihr für ihn einfielen, als er sie einfach stehenließ. Allein mit den neugierigen Blicken, als wäre sie die Hauptperson in einem Theaterstück. Sie kochte vor Wut und hätte zu gerne jedem einzelnen ins Gesicht geschrien. Überhaupt wuchs in ihr der übermächtige Drang, einfach nur zu schreien. Seit sie denken konnte, war sie noch nie so wütend gewesen.


    Ruhig ... einmal tief luftholen... Sie atmete tief durch... nochmal... einatmen.. ausatmen... das Gefühl wurde schwächer, unmerklich, aber sie beruhigte sich ein wenig. Einatmen... ausatmen... da vorne links, die nächste rechts, hatte er gesagt. Einatmen.. ausatmen...Die Wut wurde allmählich schwächer, dafür blieb ein beklemmendes Gefühl zurück. Verwirrt wanderte sie die Gasse entlang, dann nach links, die nächste rechts... tatsächlich, das war der richtige Weg. Eilig lief sie zur Villa zurück.

    Gerade war sie dabei, sich nach ihrem Fuß zu bücken, da griff jemand ihr Handgelenk. Sie vergaß den Fuß und schnellte herum, wollte die Hand zurückziehen, als sie ihn erkannte. "Du schon wieder, kannst du mich nicht.. "


    Weiter kam sie nicht, ein Ruck ging durch ihren Körper, als er sie radikal mit sich zog. Halb hüpfte, halb stolperte sie hinter ihm her. Ein stechender Schmerz bei jedem Schritt, den die Zehen den Boden berührten. In ihrer Verzweiflung griff sie hektisch nach seiner Tunika, krallte ihre Finger hinein. Ratsch... Erschrocken hörte sie dieses unheilvolle Geräusch, hatte aber keine Gelegenheit, sich näher anzusehen, wo genau sie den Schaden verursacht hatte. Gnadelos zog er sie weiter, sie stolperte hinter ihm her. Wenn er wenigstens kurz gewartet hätte, bis sie wieder einigermaßen auftreten konnte. Aber nein, wozu auch.


    Allmählich ließ der Schmerz nach und als sie in eine belebtere Gegend kamen, konnte sie schon fast wieder normal gehen. Könnte, denn nun zog sie an ihrem Handgelenk und überschüttete ihn ausgiebig mit Flüchen in einer Sprache, die er hoffentlich nicht verstand.