Beiträge von Flavia Domitilla

    Domitillas Aufmerksamkeit schweifte einmal mehr vom Sklavenpodest hinüber zu ihrem Gesprächspartner, dem natürlich der gutgebaute Germane auch nicht entgangen war. Dennoch widmete er sich erst der Flavia und deren Nachfrage, nach dem Claudier, den sie erst kürzlich getroffen hatte und der es fertig gebracht hatte, innerhalb weniger Stunden ihre ganze Gefühlswelt kräftig durcheinander zu mischen. Und auch diesmal gelang es einen Vertreter der Gens Claudia die junge Patrizierin zu überraschen, indem er sich als Bruder des Centho zu erkennen gab.
    „Nein! Welch ein Zufall! Du bist Claudius Centhos jüngerer Bruder? Wie klein doch die Welt ist!“ Domitillas Augen hatten zu glänzen begonnen und nun lächelte sie ganz erfreut. „Nun, wenn ich das so sagen darf, dein Bruder ist ein ganz außergewöhnlicher Mann, der mir wirklich sehr imponiert hat.“ Dass in den wenigen Stunden, die sie miteinander verbracht hatten, wesentlich mehr entwickelt hatte, behielt sie besser noch für sich. Schließlich war noch gar nichts entschieden, ob der Claudius und die Flavia jemals verschwägert sein würden.


    Domitillas Neffe indessen hatte die Gunst der Stunde genutzt und hatte klammheimlich ein weiteres Gebot abgeben lassen.
    Candace hatte natürlich ihre Augen offen gehalten, so wie man es von einer guten Sklavin erwartete. Dabei hatte sie natürlich auch Dracon, der sich mit einer weiteren Sklavin auf dem Markt herumtrieb, entdeckt und ihm zugelächelt. Gerne wäre sie zu ihm hinübergelaufen,um ihm "Salve" zu sagen, doch dies war gerade der falsche Moment.
    Während nun vom Neffen der Domina ein weiteres Gebot abgeben wurde, sah Candace ganz angespannt zu ihrer Herrin hinüber, um deren Wink für ein weiteres Gebot zu erhaschen, falls sie denn weiter bieten wollte, was sie aber vorerst nicht tat.

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    Candace


    Als plötzlich Sciurus, der Vilicus im Servitricium erschienen war, war Candace das Lachen im wahrsten Sinne des Wortes im Halse stecken geblieben. Auch bei den beiden anderen Sklavinnen, mit denen sie sich gerade eben noch angeregt unterhalten hatte, herrschte ganz unvermittelt Totenstille. Der „Besuch des Vilicus“ verhieß normalerweise nichts Gutes, doch diesmal fungierte er lediglich als Bote, was wohl nur der Tatsache geschuldet war, dass heute Saturnalia war.
    Candace, die aufgrund der Festlichkeiten heute die neue aufwändig verarbeitete Tunika trug, die ihre Domina ihr geschenkt hatte, eilte sofort zum Atrium, um mit eigenen Augen sehen zu können, wer dort auf sie wartete. Der Vilicus hatte ihr keinen vertrauten Namen können, mit dem sie jemand verbinden konnte. Craton, Dacon, Racon… das sagte ihr alles nichts.
    Doch als sie endlich das Atrium betrat, erwartete sie dort bereits eine unerwartete Überraschung. Der claudische Sklave, den sie kürzlich kennengelernt hatte, stand dort leibhaftig. Er war nur wegen ihr gekommen… um sie zu sehen. Deshalb war er doch gekommen? Oder etwa nicht?!
    „Bona Saturnalia! Dracon, wie schön! Was führt dich hierher?“, fragte sie in ihrer gewohnt freundlichen, aber auch zurückhaltenden Art.

    Oh ja, Amaltheas Tod war mehr als bedauerlich gewesen, auch wenn sie gewisse Vorteile davon gehabt hatte. Doch der Verlust der einzigen Bezugsperson war sehr schmerzlich gewesen.
    „Du sagst es, Claudius!“, pflichtete sie dem jungen Mann bei, der recht schnell das Thema wechselte und sich nach einer seiner Verwandten erkundigte, deren Name ihr zwar geläufig war, doch deren Bekanntschaft ihr bislang verwehrt geblieben war.
    „Oh, ich hoffe, Antonia geht es gut. Soviel ich weiß, hält sie sich derzeit in ihrer Villa rustica in Patavium auf. Und Flavius Gracchus… nun ich denke, behaupten zu können, dass es ihm gut geht.Aber wenn wir uns schon über die Befindlichkeiten unserer Familienmitglieder austauschen, würde auch ich mich gerne nach Claudius Centho erkundigen. Erst kürzlich habe ich ihn kennengelernt. Ein sehr charmanter Mann, wenn ich das sagen darf.“ Im Gesicht der Flavia zeichnete sich ein schwärmerisches Lächeln ab, als sie von dem jungen Claudius sprach. „Du kennst doch Claudius Centho?!“

    Im Grunde hatte die Flavia bereits den Entschluss gefasst, langsam den Heimweg anzutreten. Ihrem Verwandten, der sie an diesem Morgen begleitet hatte, schien es sicher nicht anders zu gehen. Zwar hatte man die Gelegenheit gehabt, alte oder aber auch neue Bekannte zu treffen und mit ihnen ein kleines Schwätzchen zu halten, doch hatte bislang die Ware des alten Tranquillus sehr zu wünschen übrig gelassen.


    Die Träger ihrer Sänfte waren gerade dabei, sich wieder ihrer Aufgabe zu widmen, als ein dunkelblonder, muskelbepackter Jüngling auf die Verkaufsfläche gezerrt wurde. Zum Glück hatte die Flavia noch einmal einen Blick riskiert, als der Sklavenhändler seine neue Ware anpries und bevor sie sich in ihre Kissen sinken lassen wollte.
    „Halt!“, rief sie. Die Träger ließen die Sänfte wieder sinken, so dass die junge Patrizierin aussteigen konnte, um sich diesen Barbaren etwas genauer betrachten zu können. Der junge Mann war verwundet und es schien, dass es wohl etwas mehr war, als nur eine kleine Wunde, wie sich der Sklavenhändler ausgedrückt hatte.
    „500 Sesterzen?“ rief ein Mann der ein Stück entfernt von der Flavia stand. „Und wie viel kostet der Abdecker, wenn er an der „kleinen Wunde“ krepiert?“
    Entgegen der Meinung ihrer Mutter, die kein gutes Haar an allem und jedem ließ, was auch nur im Geringsten germanisch war, schien der junge Mann Domitillas Interesse geweckt zu haben. Die Wunde des Sklaven hatte für sie nur eine sekundäre Bedeutung, wenn überhaupt. Ihre Familie verfügte schließlich über einen recht fähigen griechischen Medicus, der mit so manchen Wehwehchen fertig wurde.
    Also gab sie ihrer Candace ein Zeichen und die zierliche blonde Sklavin erhob ihre Stimme.
    „500 Sesterzen!“

    Während sich die Damen nun dazu entschlossen hatten, sich schrittweise dem Caldarium zu nähern, um dort endlich ins warme Wasser eintauchen zu können und darauf zu hoffen, dass sich nun wieder die Wogen glätten mochten, wurde wohl allen Beteiligten schnell klar, dass dies vorerst nur ein Wunschtraum bleiben würde. Dabei hatte es Domitilla für richtig erachtet, sich möglichst aus allen Zankereien herauszuhalten. Schließlich war sie wohl die Einzige unter den Damen, die vollkommen fremd in Rom war und sich bislang auf keinerlei Bekanntschaften berufen konnte.
    Vor allem die Sergia wollte es nicht dabei bewenden lassen und sprach die junge Decima direkt auf das Fehlen jeglicher sklavischer Begleitung an. Unterdessen „widmeten“ sich ihre Freundinnen weiterhin der Quintila, die gerade davon sprach, dass auch sie bald heiratete.
    „Oh, eine Hochzeit! Wie schön!“ warf die Flavia ein, um wenigstens irgendetwas sagen zu können, auch wenn sie keinen blassen Schimmer davon hatte, wer der Zukünftige der Quintila sein würde. Jedoch blickte sie etwas skeptisch, als diese erwähnte, sie würde bald den Namen ihres Mannes tragen.
    „Oh, du wirst eine Manusehe eingehen?“, fragte sie interessiert, schließlich war diese Art der Eheschließung seit den letzten Tagen der Republik immer seltener, ja fast unüblich geworden. Sie selbst hätte sich wohl niemals freiwillig in die Gewalt eines anderen Mannes außer ihrem eigenen Vater begeben. Und selbst dann, wenn Aetius es von ihr verlangt hätte, was er niemals tun würde, hätte sie sich mit allen Mitteln dagegen gewehrt.

    Bisher war es ihr immer wieder gelungen, sich aus den Schlingen zu winden, mit denen ihr Vater sie an diverse Aspiranten binden wollte, die seinen Vorstellungen entsprachen. Doch seit ihrer Rückkehr war nun alles anders. Ravenna war weit weg und somit war auch ihr Vater vorerst außer Reichweite.
    Was sie aber nun aus dem Munde des Claudius vernahm, war fast schon aufwieglerisch, ja revolutionär. Domitillas Augen begannen sich zu weiten, als er davon sprach, dass sich ihrer beiden Leben nicht nach dem Willen eines… nein des Paterfamilias richten sollte. Daraufhin war sie erst einmal sprachlos. So offen hatte sie noch nie jemanden über diese Art von Auflehnung sprechen hören und in gewisser Weise imponierte ihr Centho, auch wenn sie selbst wohl nie so viel Mut aufbringen würde.
    „Bisher habe ich es nicht gewagt, mich offen gegen den Willen meines Vaters zu empören. Jedoch…“ ein flüchtiges Lächeln ließ ihre Mundwinkel aufzucken. „… gibt es Mittel und Wege, um den willen meines Vaters in die richtige Richtung zu lenken.“


    In gewisser Weise schmeichelte es ihr sehr, wie der Claudius es anstellte und mit ihr anbändelte. Schließlich hatten sie sich ja gerade eben erst kennengelernt. Und dennoch zog er es bereits in Erwägung, eine eheliche Verbindung mit ihr einzugehen. Offenbar musste sie eine bezaubernde Wirkung auf ihn haben. Aber auch ihr gefiel, was sie vor sich sah.


    Dennoch blieb es auch Domitilla nicht verborgen, wie sehr der Claudius mit sich kämpfen musste. Seine Worte, die förmlich zur Revolte aufriefen, waren ernst gemeint und nicht nur einfach daher geredet. Sie konnte sich zwar keine Vorstellungen davon machen, wie groß der Graben zwischen ihm und seinem Großvater tatsächlich war, dennoch konnte sie ihm nachfühlen, wie sehr es ihn grämte.
    Vielleicht lag darin auch die Motivation verborgen, weshalb sie ganz unverhofft ihre Hand auf seine legte, als wolle sie ihn beschwichtigen. Mit einem milden Lächeln bedachte sie ihn, welches dann aber in kürzester Zeit wich und einem Ausdruck des Erstaunens.
    „Sehe ich das richtig? Du willst bei meinem Vater um meine Hand anhalten?“ So offen und unverblümt hatte ihr noch niemals ein Mann den Hof gemacht. Und der Claudius wäre mit Sicherheit ein guter Schauspieler gewesen, hätte er diese Frage nicht ernst gemeint.


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    Candace


    Ein paar Tische weiter scherte man sich weniger über familiäre Konventionen, doch auch hier schien sich ganz leise und unverhofft etwas anzubahnen. Bewundernd lauschte die flavische Sklavin den Worten ihres claudischen Kollegen, der ihr aus den Tagen seiner Karriere als Gladiator erzählte.
    „Murmillo? Ja, das habe ich schon einmal gehört. Aber ich war noch nie in einer Arena.“ Candace hatte nur wenige Gelegenheiten, die Villa zu verlassen, bevor sie in die Dienste ihrer Domina gestellt wurde. Doch von nun an war alles anders und vielleicht würde sich schon bald ein Besuch in der Arena ergeben.
    „Ja, das würde ich,“ antwortete sie voller Überzeugung, einfach deswegen, weil sie schon viel über die Arena und Gladiatoren gehört hatte und sie neugierig war. Aber natürlich auch, weil Dracon ihr ziemlich sympathisch war.
    Sie riskierte einen scheuen Blick hinüber zu den Herrschaften, als Dracon sie auf die beiden ansprach. In der Tat schienen sich die Flavia und der Claudius gut zu verstehen. „Meinst du?“, fragte sie, als sie sich wieder zu ihm wandte. „Es wäre schön, wenn sie sich in Zukunft öfter sehen würden,“ meinte sie schließlich und lächelte zart.

    Zitat

    Original von Quintus Claudius Felix et Caius Flavius Scato


    „Ich persönlich habe die besten Erfahrungen mit den Erzeugnissen aus unserer flavischen Zucht gemacht. Meine Cadace hier zum Beispiel oder Amalthea, meine einstige Kinderfrau, die leider bei … äh... einem Unfall ums Leben gekommen ist.“ fügte sie hinzu ohne sich die Blässe geben zu müssen, dass sie bisher kaum Erfahrungen mit dem Kauf von neuen Sklaven gemacht hatte. Ihre bislang letzten und auch ersten Bestrebungen in dieser Hinsicht, lagen schon einige Jahre zurück und wie sich herausgestellt hatte, war das Menschenmaterial recht schnell einer mysteriösen Krankheit anheimgefallen.


    Inzwischen hatte es wohl keine weiteren Gebote mehr gegeben, was den Sklavenhändler wohl dazu bewog, diese Auktion zu Gunsten des Höchstbietenden zu beenden. Während sich nun die Flavia doch noch einmal zum Podest umschaute, konnte sie nur noch beobachten, wie sich die Sklavin wieder vom Podest entfernte. Vielleicht hatte man ihr ja nun endlich diese unnötigen Fesseln abgenommen.

    Domitilla nahm den Honigkuchen und biss eine Ecke davon ab. Doch währenddessen sie das tat, hörte sie ihm weiter zu.
    Er machte ihr einen Vorschlag, der durchaus reizvoll klang, von einem Leben, wie sie es hätte führen können, wäre sie nicht von ihrer verträumten Dorfidylle in den Bergen entflohen und nach Rom zurückgekehrt. Wie oft hatte sie es sich vorgestellt, wäre ihr Leben anders verlaufen? Er schaffte es tatsächlich, in ihr die Sehnsucht nach solch einem friedvollen Leben wieder zu entfachen, was sich wohl auch in ihren Augen wiederspiegelte.
    „Das klingt sehr verlockend, Claudius!“, entgegnete sie ihm, gänzlich von seinen Worten verzaubert. Eine Zukunft, fernab aller Verpflichtungen, um nur zu bestimmten Anlässen nach Rom zurückkehren zu müssen…
    Aber ein solches Leben wäre wohl zu schön um wahr zu sein. Alleine schon ihr Vater würde einem Tagträumer, der seine Tochter aufs Land entführen wollte, niemals seine Zustimmung für eine Verbindung geben. Schließlich war Domitilla noch ein wertvoller Trumpf, den es galt, gewinnbringend an den Mann zu bringen. Und dieses Vorhaben schien nun gar nicht zu dem zu passen, wovon der der Claudier nun sprach… Wärme, Zuneigung, Verständnis und Respekt.
    „Meinen Vater interessieren diese Tugenden nicht, von denen du sprichst. Für ihn bin ich ein besseres Handelsgut. Und dennoch sprichst du mir aus dem Herzen…“ Was würde denn dagegen sprechen, wenn sie für den Mann, den sie eines Tages heiraten würde, sogar etwas empfinden könnte?

    Candace, Domitillas Leibsklavin war mit dem Claudius zur Sänfte ihrer Herrin zurückgekehrt.


    Alsbald die junge Flavia den jungen Mann gewahr wurde und er sich ihr vorstellte, begann sie ihm erfreut zuzulächeln. In relativ kurzer Zeit einen weiteren Vertreter der Gens Claudia kennenlernen zu dürfen, war gewiss nur förderlich, um gewisse Bekanntschaften zu vertiefen. Und wer wusste schon, was das Schicksal noch alles aufzubieten gewillt war?


    „Salve Claudius! Ich bin Flavia Domitilla und wie ich sehe, kennst du bereits meinen Neffen,“ begrüßte sie ihn freundlich und sah dabei kurz zu ihrem Neffen Scato herüber. Vielleicht konnte es ja durchaus von Nutzen sein, sich mit dem jungen ehrgeizigen Verwandten abzugeben, auch wenn er sie zu jeder sich bietenden Gelegenheit „Tante“ nannte, obgleich Domitilla kaum älter war, als er selbst.
    „In erster Linie hat der gute Scato mitgeboten, um seine Tante zu übertrumpfen, obgleich dies nun wirklich keine Herausforderung war,“ stichelte Domitilla grinsend und kümmerte sich nicht weiter um das höhere Gebot, welches soeben abgegeben worden war. Die Flavia hatte längst schon das Interesse an der feilgebotenen Sklavin verloren. Zumal im Augenblick in der Villa Flavia auch kein ernsthafter Mangel an dienstbaren Geistern herrschte.

    Man hätte durchaus Mitleid mit Scato empfinden können. Nicht genug, dass seine Tante ihn zu den Märkten gelotst hatte. Nun hatte sie ihn auch noch zum Bieten für das halbnackte Ding dort oben auf dem Podest veranlasst. Selbstredend waren gerade mal zwei Sesterzen keine echte Herausforderung gewesen, weshalb nun auch Domitilla herzhaft lachte, als er prompt drei bot.


    Ein wenig anders war es schon bei dem nächsten Gebot von stattlichen 250 Sesterzen. Neugierig lehnte sie sich etwas aus ihrer Sänfte hinaus, um den jungen Mann, der ihr bereits aufgefallen war, noch besser sehen zu können.


    „Geh zu ihm und frage ihn, mit wem wir es zu tun haben und wenn er kein Homo novus ist, dann bitte ihn zu uns herüber!“, flüsterte sie schließlich zu Candace, die sich wieder neben ihre Herrin postiert hatte. Und da folgte auch schon das nächste Gebot aus der anderen flavischen Sänfte.


    Da Candace in ihrer Ausbildung gelernt hatte, auf jede noch so unwichtige Kleinigkeit zu achten, die mit den Herrschaften zu tun hatte, war ihr sogleich der goldene Halbmond am Stiefel des jungen Mannes aufgefallen, der ihn ganz eindeutig als Patrizier auswies. Ein solcher Mann konnte also schwerlich ein Homo novus sein. „Dominus, meine Domina Flavia Domitilla lässt fragen, ob du gewillt bist, dich zu ihr und ihrem Neffen zu gesellen,“ fragte sie ihn mit ihrer ruhigen Stimme und wirkte dabei so demütig, wie sie es immer tat, wenn sie mit einem der Herrschaften sprach.

    Domitillas erster Schreck war bereits verflogen. Mit der Salubrität der Quintilla stand es ganz augenscheinlich zum Besten. Jedoch war sie noch immer etwas peinlich berührt, da sie doch den Lästereien der beiden Freundinnen der Sergia aufgesessen war. Man konnte dies sicher ihrer Naivität anlasten, welche sie leider noch nicht zur Gänze abgelegt hatte. Zu sehr ließ sie sich manchmal noch durch solche Infamie beeinflussen. Wahrscheinlich war es für die Flaviar im Augenblick besser, dass die Quinilla nun weniger das Gespräch mit ihr suchte, sondern sich tapfer in die Höhle der Löwinnen wagte. Die Sprachlosigkeit, unter der sie noch immer litt, war noch nicht verflogen. Umos mehr gespannt darauf, was nun geschehen würde, denn ganz gewiss ahnte die Quintilla, dass Tusca und Paula die Urheberinnen der Lästereien waren, blieb sie im Kreis der anderen Damen stehen.
    Nun erkannte sie endlich auch, dass sich noch eine weitere Dame zu ihnen gesellt hatte, die sie nun alle begrüßte. „Salve Duccia! Wie schön, auch dich kennenlernen zu dürfen.“, erwidert sie und fand endlich ihr Lächeln wieder.
    Seltsamerweise stellte sie sich ausgerechnet der Sergia so vor, als ob sie sich vollkommen fremd seien, dabei wohnten sie doch in der gleichen Casa. So musste sie wohl erst die Sergia selbst daran erinnern, dass sie sich bereits begegnet waren. Nun ja, vielleicht hatte ja dieser Anfall einer kurzzeitigen Amnesie seine Gründe, die sich niemand selbst als der Duccia und der Sergia erschlossen. Domitilla wollte nicht länger darüber nachgrübeln, sie wollte sich eigentlich nur der Zerstreuung hingeben.


    Zur gleichen Zeit aber schienen die Spannungen zwischen der Quintilla und Sergias Freundinnen einen neuen Höhepunkt zu erreichen. Die Flavia hatte lediglich mit einem Ohr zugehört, was die drei miteinander sprachen. Doch die Gestik und die Körpersprache der Drei sprachen Bände. Der letzte Schritt zu Handgreiflichkeiten war zum greifen nah. Doch im letzten Moment schien sich die Quintilla zu besinnen und einer Intervention aus dem Wege zu gehen.
    "Meine Damen, wie wärs? Meine Haut trocknet langsam aus. Lasst uns doch langsam hinüber ins Caldarium gehen!"

    Und ob Domitilla an das Schicksal glaubte! Spätestens nach dem furchtbaren Unfall, bei dem sie als Einzige überlebt hatte und sich dadurch das von ihrem Vater vorgezeichnete, Leben vollkommen geändert hatte, war sie eine gläubige Anhängerin Fortunas geworden.


    „Ja, das tue ich“, entgegnete mit ruhiger Stimme und schaute ihm dabei direkt in seine Augen. Sie musste wohl ahnen können, was in ihm vorging, zumindest glaubte sie es zu wissen. Zwar hatte sie ihn erst vor wenigen Stunden kennengelernt, doch hatte sie schon recht bald gespürt, dass es zwischen ihnen eine latente Verbindung geben musste. Der Claudier anders war. Ganz anders als die Männer, die ihr Vater für sie in Betracht gezogen hatte und jene, die sie bisher kennengelernt hatte. Ein wenig erinnerte er sie an Laenas, den jungen Mann der sie damals gefunden hatte und in den sie sich verliebt hatte. Aber da sie sich ihres Standes zu sehr bewusst gewesen war, hatte sie selbst dieses Gefühl unterbunden.


    „Was würdest du vorschlagen, Claudius?“ Ein sanftes Lächeln umschmeichelte ihren Mund. Es konnte zweifellos sehr von Vorteil sein, diesem Wink zu folgen, zumal sie Sympathie für den Claudius empfand, aus der eines Tages sogar etwas mehr erwachsen konnte, wenn es den Göttern beliebte.


    Unglücklicherweise wurde er kurzzeitig von dem Erscheinen des Wartes abgelenkt und konnte daher nicht sofort antworten. Letztendlich wollte sich der Wirt davon überzeugen, ob seine Gäste sich wohlfühlten und mit allem zufrieden waren. Die Flavia war es ganz gewiss, obwohl dies nicht nur an den hervorragenden Speisen lag.
    Natürlich ließ es sich Centho nicht nehmen, dem Mahl noch einen gebührenden Abschluss zu verleihen. Großzügig bestellte er, was der Wirt zu bieten hatte und es dauerte gar nicht lange, als die bislang schönsten Versuchungen des Tages herbeigetragen wurden.
    Die Flavia musste nicht lange überlegen, wofür sie sich entscheiden sollte. Und so antwortete sie ihm ohne Umschweife. „Süß! Süß, wie die Liebe.“

    Candace war inzwischen wieder zu ihrer Herrin zurückgekehrt und hatte ihr die Antwort ihres Neffen mitgeteilt. Nun erwartete sie deren Erwiderung, die auch gar nicht lange auf sich warten ließ.
    „Sage meinem Neffen, dass es mir beliebt. Wenigstens einen kleinen Blick auf Tranquillus‘ Ware zu werfen, kann nicht schaden.“ Die Sklavin eilte schnell zur anderen Sänfte, um dem Flavius einmal mehr die Antwort ihrer Herrin zu überbringen.


    Inzwischen hatte sich die Flavia etwas aus ihrer Sänfte hinausgelehnt, um einen weiteren kleinen Blick auf das Publikum dieser Aufführung zu werfen. Sie erkannte einen jungen Mann in feinster Kleidung, dessen Physiognomie sie an jenen Claudius erinnerte, welchen sie erst kürzlich kennengelernt hatte.
    Ein weiterer junger Herr, der nicht minder gut gekleidet war, entrichtete nun endlich das erste Gebot. Sage und schreibe einen Sesterz! Wenn das kein Schnäppchen war! Doch dabei würde es ganz sicherlich nicht bleiben...


    Ein wenig skeptisch musterte sie nochmals die Sklavin, die trotz ihrer Fesseln an den Füßen zu tanzen vermochte und langsam aber sicher die Hüllen fallen ließ. Mehrere Fragen drängten sich ihr daraufhin auf.
    Erstens, war es wohl ein neuer Marketingtrick, dem sich der Sklavenhändler da bediente oder war das Mädchen dort oben wirklich nur einen Sesterz wert? Zweitens, War es ein weiterer Trick des Sklavenhändlers, um die niederen Emotionen und Instinkte der männlichen Kunden anzusprechen, weshalb das Mädchen sich nun mehr oder minder freiwillig entkleidete?
    Drittens, wie machte sie das nur, trotz der Fesseln zu tanzen? Offenbar verfügte sie über eine gute Kondition und Körperbeherrschung.


    Ach, was soll´s, dachte sie sich, schließlich war es ja das Geld ihres Vaters! „Zwei Sesterzen!“, rief die Flavia.

    Ajax und Diomedes, zwei gestandene aber nicht minder düsterwirkende Custodes, gingen den beiden flavischen Sänften voraus, um Platz zu schaffen. Die Sänften, die auf den starken Schultern von jeweils vier Trägern ruhten, glichen zwei Schiffen, die langsam durch das Meer der Menschenmenge dahintrieben, zielstrebig den Märkten entgegen.
    Aus edlen Hölzern waren sie gezimmert, mit feinen Stoffen und bequemen Kissen ausstaffiert, damit sich der Aufenthalt darin so angenehm wie möglich gestaltete. Um die Insassen vor lästigen Blicken zu schützen, waren Vorhänge aus rotem Stoff angebracht, in dem der flavische Caduceus eingewebt war.
    Die beiden Sänften wurden noch von einer Schar Sklaven begleitet, Leibsklaven, weitere Custodes, Sklaven denen die Aufgabe zufiel, die Einkäufe der Herrschaften nach Hause zu tragen. Unter den Unfreien herrschte eine fast heitere Stimmung, welches sich bis hinein in die Sänften fortsetze.


    Zumindest in eine der beiden, in der Domitilla erwartungsvoll nach draußen lugte. Ein Ausflug zu den Märkten hatte schon immer seine Reize für die junge Flavia. Auch wenn sie keine bestimmten Vorstellungen davon hatte, wofür sie heute Ihr Geld (oder besser gesagt, das ihres Vaters) ausgeben würde, zählte doch einfach nur die Gelegenheit wahrzunehmen, den Pulsschlag der Stadt zu fühlen.
    „Wo sind wir Candace?“ fragte sie ihre Leibsklavin durch den Stoff des Vorhangs hindurch. „Am Sklavenmarkt, Domina“, war die Antwort der Sklavin, die direkt neben der Sänfte ihrer Herrin lief.
    Der Sklavenmarkt? Domitilla schob den Vorhang etwas zur Seite um eine bessere Sicht zu haben. Sie erkannte eine junge Frau auf dem Podest des Sklavenhändlers Titus Tranquillus, dem alten Halsabschneider. Sie erinnerte sich noch genau! Vor einigen Jahren hatte sie gleich zwei Sklaven bei ihm erworben, die allerdings relativ schnell von einer mysteriösen Krankheit dahingerafft wurden. Aber das Mädchen dort machte einen recht gesunden Eindruck.


    Wieder wandte sie sich an ihre Leibsklavin: „Frage meinen Neffen, ob es ihn danach verlangt, den Sklavenmarkt zu besuchen!“ Candace tat, wie ihr befohlen und bewegte sich zu der anderen Sänfte.
    „Dominus, meine Domina lässt fragen, ob du wünschst, den Sklavenmarkt zu besuchen.“ Folgsam wartete sie die Antwort des Flavius ab, bevor sie wieder zu ihrer Herrin lief.

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    Candace


    Die Leibsklavin hörte sich mit großem Interesse an, was Dracon zu erzählen hatte. Wider erwarten, stammte er nicht aus Britannia. Aber ansonsten schien sein bisheriges Leben kaum anders verlaufen zu sein, wie es für die meisten Sklaven üblich war. „Augustodurum? Das ist in Gallia, nicht wahr? Dann bist du ein gallischer Gladiator?“ Nun ja, wahrscheinlich war das etwas voreilig kombiniert, doch zweifellos hatte sie einen waschechten Gladiator vor sich. Natürlich hatte sich bisher für sie noch nie die Gelegenheit ergeben, selbst eine Arena zu besuchen, geschweige denn einen Gladiatorenkampf mit anzusehen. Doch sie hatte schon viel davon gehört. Umso aufmerksamer hörte sie ihm zu. Sie stellte sich vor, wie schön es doch wäre, wenn sie mit ihm tatsächlich einmal die Okkassion bekommen würde, eine Arena von innen zu sehen. Und als er sie fragte, wohin sie lieber wollte, lächelte sie nur scheu. Auch sie warf schließlich einen Blick hinüber zu ihrer Herrin, die sich unvermindert mit dem Claudius unterhielt und dabei recht entspannt wirkte. Vielleicht hatte Dracon ja recht, mit dem was er sagte.
    „Ich würde gerne da hingehen, wohin du mich mitnimmst,“ antwortete sie schließlich, und es musste sie einiges an Überwindung gekostet haben, obwohl sie doch genau wusste, dass sie das nicht zu entscheiden hatte. Aber Dracon würde sicher verstehen, wie sie es meinte.


    ***


    Es bedurfte etwas Zeit, bis der Claudius sich dazu berufen fühlte, von seinem Leben in seinem britannischen Exil und der Liaison zu seiner verstorbenen Frau zu erzählen. Dennoch harrte Domitilla geduldig und als er schließlich nach einer Weile all den schmerzhaften Ballast von seiner Seele geworfen hatte, begann er zu erzählen. Dabei kam er nicht umhin, darauf hinzuweisen, dass es seine Vorfahren waren, die Britannia Stück für Stück dem Imperium eingegliedert hatten.
    Der Name des einstigen Statthalters Britannias und siegreichen Feldherrn Suetonius Paulinus war ihr natürlich geläufig. Mit großem Interesse hatte sie in ihrer Kindheit die Vorträge ihres magisters zur römischen Geschichte verfolgt und so wusste sie auch um die Entwicklungen in jener rebellischen Provinz.
    Jedoch gewann seine Erzählung immer mehr an Dramatik, je mehr er ihr über seine eigene Geschichte und die seiner Frau offenbarte. Von Boudicca´s Nachfahren selbst, so sagte er, stammte sie. Und ihr Wesen glich wohl auch dem der Königin der Icnii. Nun ja, ob dies der Wahrheit entsprach oder nicht, war ihr einerlei. Im Allgemeinen pflegten besiegte Völker noch lange nach ihrer Unterwerfung an alten Geschichten festzuhalten, um Mythen daraus zu spinnen. Bestes Beispiel hierfür war wohl der Leibsklave ihres verstorbenen Bruders Piso gewesen, der leider viel zu früh von ihr gegangen war. Jener Sklave, wenn sie sich nicht irrte, stammte ebenfalls aus Britannia und gehörte obendrein auch noch zu jenem Stamm der Icenii.


    Nun denn, so resümierte sie still für sich als er geendet hatte, wenigstens war sie keine Sklavin! Doch für Centhos Augen und Ohren war diese Feststellung nicht erfassbar. Jedoch ihr anteilnehmender Blick und die darauffolgende Sprachlosigkeit schon. Glücklicherweise war es dann Centho selbst, der den Bogen spannte, um nicht in Trauer und Trübsal zu versinken. Und so konnte auch Domitilla wieder etwas aufmunternd lächeln.
    „Dann muss wohl das Schicksal selbst sein Zutun gegeben haben, auf dass wir hier und heute aufeinandergetroffen sind.“

    Da die beiden jungen Flavier Domitillas Vorschlag befürworteten, den Unstreblichen für ihre Rettung und ihre sichere Heimkehr zu danken, stellte sich nur noch die Frage, welcher Gottheit sie ihren Dank aussprechen sollte. Im Grunde stellte sich diese Frage für Domitilla nicht. Es gab nur eine Göttin, der sie ein Opfer versprochen hatte, sollte sie wohlbehalten in die urbs aeterna zurückkehren. Wenige Tage waren es erst her, doch es schien ihr, als läge bereits eine halbe Ewigkeit zwischen dem heutigen und jenem Tag, an dem sie in dem keinen Schrein nahe des Dorfes im Apennin, welches ihr Refugium gewesen war, zu Fortuna gebetet und ihr dieses Versprechen gegeben hatte.
    „Die Leute, unter denen ich gelebt habe, pflegten Fortuna stets ihre Fürbitten vorzutragen, zum Beispiel um eine gute Ernte zu erzielen. Nach meiner Genesung habe ich ihr regelmäßig geopfert und ich versprach ihr, wenn sie mich zurück zu meiner Familie führt, dann würde ich ihr ein großes Opfer darbringen.“ Fortina hatte ihren Teil geleistet. Nun lag es an ihr! Wenn sie sich recht entsinnen konnte, gab es einen Tempel am Forum Holitorium. Doch sicher ließ sich genauer eruieren, wo dieser Tempel zu finden war.


    Deplorablerweise war weder den beiden Verwandten noch dem Sklaven des Gracchus Minor bekannt, was die Theater Roms dieser Tage zu bieten hatten. Anfangs hatte sie noch voller Erwartung ihren Blick zwischen den Anwesenden schweifen lassen, dach nachdem ein jeder passen musste, musste auch sie vorläufig diesen Wunsch ad acta legen. Jedoch griff sie Fusus‘ Vorschlag gerne auf, dem offenbar die Tragödie wesentlich näher am Herzen lag.
    „Nun denn, eine Tragödie soll mir auch recht sein! Wir sollten in der Tat beizeiten eine Auskunft einholen lassen. Denn so ein Theaterbesuch wäre doch ein besonderes Gaudium, findet ihr nicht?“ Nach so vielen Entbehrungen dürstete es die junge Flavia einfach nach etwas Zerstreuung und Unterhaltung.


    Unmittelbar nach der Ankunft des jungen Flavius, waren einige dienstbare Geister beauftragt worden, das Cubiculum des jungen Herrn herzurichten. Schnell wurde gewischt, gefegt, hie und da einige Ausbesserungen vorgenommen, so dass das Resultat, welches sich nach einer Stunde dem Betrachter präsentierte, sich sehen lassen konnte.


    Neben dem obligatorischen Bett, welches aus feinstem ägyptischen Akazienholz gefertigt und mit Intarsien aus verschiedenfarbigen Hölzern verziert war, fand sich ebenso eine im gleichen Muster verzierte Kleidertruhe.
    Um das Cubiculum abzurunden, hatte man dem zukünftigen Bewohner noch einen Tisch und zwei Stühle bereitgestellt, welche ebenfalls aus dem gleichen Holz hergestellt waren und ihren Ursprung in dem Land am Nil hatten.


    Sim-Off:

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