Kurz nach Crassus Ankunft und noch bevor Avitus Meldung machen konnte traf auch der Kaiser auf dem Marsfeld ein. Natürlich grüßte Crassus den Oberbefehlshaber als einer der ersten und damit viel auch eine gewisse Anspannung von Crassus. Denn bis zu letzt hatte er zwar fest damit gerechnet, dass der Kaiser auch wirklich kommen würde, sicher war er sich dabei aber auch nie gewesen. Aber andererseits hätte es Crassus dem Kaiser schon sehr übel genommen, wenn dieser nicht oder nur sehr stark verspätet erschienen wäre.
Crassus nickte dem meldungmachenden noch-Tribunen zu und entließ ihn damit für den Moment. Dann, nach einem weiteren Rundumblick über das Marsfeld, ging er langsam auf die Tribüne, die heute hier für seinen Abschied aufgebaut worden war. Auf der Tribüne angekommen hielt er nochmals inne und ließ seinen Blick über die hier versammelten Menschen gleiten. Dabei stellte sich ihm unweigerlich die Frage wie viele von den Menschen, die sich hier versammelt hatten, ihm mal den Tod gewünscht haben oder sogar heute noch wünschen. Es waren sicher nicht wenige, denn als Praefectus Praetorio konnte man sich gar nicht nur Freunde machen – und meistens wollte man das auch gar nicht. Das war ein großer Vorteil, den Crassus sicherlich vermissen würde: in Zukunft würde er sich nicht mehr benehmen können wie er es gerade wollte. In Zukunft würde er einfach nur ein Ritter von vielen sein. Zugegeben, einer der führenden Ritter, aber mehr auch nicht. In Zukunft würde er nicht mehr auf seine Schwarzröcke verweisen können.
Crassus seufzte und schritt an das Rednerpult. Er hob eine Hand als Zeichen dafür, dass er nun Sprechen wollte. Das war irgendwie ungewohnt, denn normalerweise, wenn er nur vor seinen Soldaten gesprochen hatte, waren diese ganz von selbst verstummt; wenn sie es überhaupt gewagt hatten in seiner Anwesenheit hörbare Gespräche zu führen. Er räusperte sich und erhob dann seine befehlsgewohnte Stimme, die wohl trotz aller Anstrengung nicht überall zu verstehen war:
Verwandte, Freunde, Römer!
Es erfüllt mich mit Stolz, wenn ich sehe, wie viele Menschen sich hier eingefunden haben um heute meinen Abschied von der Garde unseres geliebten Kaisers zu begehen. Ganz besonders freue ich mich über meine Freunde und Bekannte, die ich aufgrund dieser herausragenden Stellung kennen lernen durfte, aber ich freue mich ebenso über die ganzen Gesichter, die mir noch fremd sind, aber trotzdem heute hier sind. Crassus deutete bei diesen Worten in die Richtung der Senatoren – auch wenn er sicher nicht alle meinte – und auf die Plätze, die den wichtigen Rittern vorbehalten waren. Und als ob das ein Zeichen gewesen wäre, wurde kurz darauf unter den einfachen Römern auf den schlechten Plätzen – die seine Worte sowieso nicht hören konnten - Brot und Wein verteilt. Als ich vor Jahren diese Position von dem göttlichen Iulianus erhalten habe, hatte ich ein schweres Erbe anzutreten. Vincius Hungaricus, mein Vorgänger, war, heute ist er es selbstverständlich auch noch, Rom stets ein guter Diener, der Rom mit allen Mitteln verteidigt hat. Es war nicht leicht sich tagtäglich an ihm messen zu müssen. Doch, oder gerade deshalb, habe ich jeden Tag aufs Neue mein Bestes gegeben, Rom und Roms Ideale vertreten und geschützt. Ich habe Roms Feinde, sowohl die von Innen als auch die von Außen, stets mit aller Härte gejagt und ihrer gerechten Strafe zugeführt. Täglich habe ich den Willen von Iulianus in der Vergangenheit und Valerian in der Gegenwart durchgesetzt; innerhalb, aber auch außerhalb der Grenzen unseres Reiches. Ich habe versucht alle Gefahren frühzeitig zu erkennen und bin selbst ohne Zögern in die Schlacht gezogen als unsere Provinzen von Aufständen bedroht waren.
Dabei konnte ich mich stets auf die besten Soldaten des Reiches, den Prätorianern, verlassen. Sie haben in jeder Situation ihre herausragende Klasse gezeigt und bewiesen, warum ausgerechnet ihnen die Ehre zuteil wird den Kaiser zu schützen. Ich konnte mich Tag für Tag von ihrer Klasse überzeugen und habe mit meinen eigenen Augen gesehen, dass sie ihrem Ruf alle Ehre machen. Es erfüllt mich heute noch jeden Morgen mit Stolz, wenn ich daran denke, dass ich diese herausragenste Einheit kommandieren durfte. Es war mir eine Ehre gemeinsam mit Euch, meine Freunde, den Willen des Kaisers verteidigen zu dürfen. Ich wusste dass ich mich jeden einzelnen Tag auf euch verlassen konnte und möchte einem jeden von euch dafür danken.
Ich hoffe, ich konnte in den letzten Jahren gemeinsam mit meinen Männern dafür sorgen, dass Rom mit jedem Tag ein bisschen besser und sicherer wurde. Ich habe alles in meiner Macht stehende dafür getan und kann mir zurückblickend keine Schwäche nachsagen, keine Nachlässigkeit vorwerfen und keine falsche Milde vorhalten lassen. Es war mir eine Freude dir, Valerian, und euch, liebe Mitbürger, auf diesem herausragenden Posten dienen zu dürfen.
Crassus verstummte und ließ seinen Blick über die Menschenmassen gleiten. Er nickte, mehr zu sich selber als zu einer bestimmten Person, und trat dann einen Schritt nach hinten von dem Pult.